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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Sayid Dschamaluddin
Asadabadi, bekannt als
Sayid Dschamaluddin Afghani, gilt als einer der bedeutenden
Denker des
Islam
des 19. Jahrhunderts.
Er selbst sagt von sich, dass er in As'ad Abad in der Nähe
Kabuls in Afghanistan" geboren ist (und nicht in der Stadt
Asadabad im Westen
Irans,
wie es manche Quellen angeben). Seine Kindheit und Jugend
verbrachte er im
Iran.
Den Namen "al-Afghani" (der Afghane) soll er angenommen haben,
um der Verfolgung durch die Regierung Naser al-Din Schahs zu
entkommen.
Seine religiösen und politischen Lehren erhielt er zuerst
daheim, in Qazvin, später in
Teheran und anschließend in
Nadschaf und anderen Zentren im damals
osmanischen
Irak.
Bis zu seinem 18. Lebensjahr hatte er neben
Islam
zusätzlich christliche Lehren, Rechtswissenschaft, Medizin und
Mathematik gelernt. Am ende seines Lebens konnte er sich gut
in mindestens fünf Sprachen unterhalten: Arabisch, Englisch,
Persisch, Urdu und Französisch.
Al-Afghani gilt als bedeutender
muslimischer Denker und Philosoph seiner Zeit. Er sah das
Hauptproblem der
Islamischen Weltgemeinschaft [ummah] im Mangel der
Einigkeit der
Muslime.
Er besuchte für ein Jahr
Indien,
wo er grundlegende Kenntnisse der Naturwissenschaften und der
Mathematik erhielt und wo er die Hoffnung hegte etwas zu
verändern. 1857 n.Chr. führte er die
Pilgerfahrt [hadsch] nach
Mekka
durch und ging dann nach
Afghanistan, wo er schnell zu einem wichtigen Berater des
Emirs Dust Mahammad Chan wurde. Von dessen Sohn Muhammad
al-Akbar Chan wurde er als Minister eingestellt. Als dieser
gestürzt wurde, verlor auch er seinen Posten. Er wurde des
Landes verwiesen und verließ 1869 Kabul. Nach verschiedenen
Zwischenstationen ging er 1870 nach
Istanbul. Eine Rede an der Universität, in der er
angeblich die Offenbarungslehren der rationalen Philosophie
als gleichrangig dargestellt haben soll, erregten solches
Missfallen, dass er
Istanbul verlassen musste. Es ist allerdings eher
anzunehmen, dass seine Kritik an der Rückständigkeit der
Gelehrten zu der Ablehnung führte und die Begründung
später nachkonstruiert wurde.
Er reiste 1871 nach
Kairo,
wo er einige Anhänger für seine Ideen fand, und mit Muhammad
Abduh, Abdullah al-Nadim (1843-1896), Saad Zaghlul (1858-1927)
und Yaqub Sanua (1839-1912) zusammen traf. Da sich die Anzahl
seiner Anhänger stetig vergrößerte, wurde er von der
britischen Besatzungsmacht bald als potentielles Problem für
die Ruhe in der britischen Kolonie angesehen.
1876 soll er in die Freimaurerloge 'Stern des Ostens' (Kaukab
asch-scharq) in Ägypten beigetreten sein, welche zur
angelsächsischen Großloge gehörte. In einem Brief an die Loge
mit der Überschrift 'inwan, kabir, hatir' (Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit), in dem er um Aufnahme bat,
erklärte er diesen Wunsch damit, dass er sich den humanitären
Zielen der Freimaurerei verpflichtet fühle. Er wurde in dieser
Loge Meister vom Stuhl, legte aber die Hammerführung nieder,
als er einsah, dass seine politischen Bestrebungen nicht von
den Freimaurern getragen wurden. Sein Nachfolger wurde Abduh.
Die genauen Beweggründe für diesen Lebensabschnitt blieben im
unklaren.
Al-Afghani etablierte eine unabhängige Loge, in welcher
politisches Engagement, wie bei den romanischen Logen, erlaubt
war und die sich in der Folgezeit dem Groß-Orient von
Frankreich anschloss. Bei Chadiwa Tawfiq Pascha vorgeladen,
schlug er ihm die Beteiligung des Volkes nach dem
Schura-System sowie eine Wahl von Volksvertretern vor. Seine
Bemühungen zielten neben der Einigung und Konsolidierung der
Islamischen Weltgemeinschaft [ummah] darauf ab, die
staatlichen Institutionen dahin zu entwickeln, dass
Ägypten
und die anderen islamischen Länder sich von der britischen
Besatzung befreien könnten. Hierzu sah er die Einführung
einer Verfassung vor, welche die Willkür der Regierenden
eingeschränkt hätte. Deswegen wurde er 1879 des Landes
verwiesen.
Die nächsten drei Jahre bis 1883 verbrachte er wiederum in
Indien.
Afghani reiste im Frühjahr 1883 für kurze Zeit nach
Großbritannien und veröffentlichte dort eine Zeitung um seine
Vorstellungen zu verbreiten. Über seinen Aufenthalt in
Großbritannien schrieb er in sein Tagebuch: "I did not saw
Islam there but Moslems" (Ich sah dort keinen
Islam,
aber
Muslime). Später ging er jedoch für längere Zeit nach
Paris, wo seine gegen die Kolonialpolitik Großbritanniens
gerichtete Tätigkeit unterstützt wurde. Zusammen mit Muhammad
Abduh brachte er die Zeitschrift "al-Urwa al-wuthqa" ("Das
stärkste Band") heraus.
Weiter war er wieder in London (1885),
Teheran (1886), Russland bis 1889, München 1890 und
Iran
1890/91. Nach seiner Rückkehr in den
Iran,
sprach er sich bei Naser al-Din Schah für Reformen des
praktizierten
Islam
aus, dieser ging jedoch nicht darauf ein. Nachdem al-Afghani
und seine Anhänger damit drohten, selbst für die Umsetzung
ihrer Pläne zu sorgen, wurde er vom Schah ins Exil in die
Türkei geschickt. Über
Irak
kam er zunächst erneut kurz nach London. 1892 folgte er einer
Einladung des Sultans Abdul Hamid Chan, und gelangte so wieder
nach
Istanbul. Die zu Beginn gute Zusammenarbeit mit dem Sultan
verschlechterte sich zusehends durch erhöhten Druck seiner
Gegner auf ihn, und sein mehrmaliges Ersuchen nach
Ausreiseerlaubnis wurde abgelehnt. In der Türkei fand er
weitere Anhänger, wurde allerdings bald von Sultan
Abdülmecit II. kurzzeitig gefangen genommen. 1896 erschoss
ein Schüler al-Afghanis namens Mirza Reza den Schah Nasir
al-Din. Daraufhin wurde er vom Sultan
Abdülmecit II. abermals inhaftiert.
Al-Afghani starb 1897 in der
Türkei, weil er vergiftet wurde. Andere Quellen behaupten,
dass er an Krebs gestorben ist. Sein
Leichnam wurde Ende Dezember 1944 von der
Türkei nach
Afghanistan überführt, wo er auf dem Hauptcampus der
Universität Kabul in einem Mausoleum in Ali-Abad beigesetzt
wurde.
Al-Afghanis Haltung gegenüber der
Westlichen Welt war sehr differenziert. Aufgrund seiner
umfassenden Bildung, seiner Kenntnis europäischer Sprachen und
dem persönlichen Kontakte konnte er den
Muslimen ein authentisches Bild der westlichen Kultur
vermitteln. Er betrachtete die westliche Kultur aus einem
ausgeglichenen Blickwinkel, so dass er sich dieser weder
vollkommen verschloss, auf der anderen Seite aber auch nicht
völlig alle ihre Werte guthieß.