Algerienkrieg

Gemälde von Horace Vernet zum Algerienkrieg
Algerienkrieg

Aussprache: thaurat dschazairiyya
arabisch:
ثورة جزائرية
persisch:
englisch:
Algerian War

1954 - 1962 n.Chr.

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Als Algerienkrieg wird der Unabhängigkeitskrieg Algeriens von der Kolonialmacht Frankreich in den Jahren 1954 bis 1962 bezeichnet. Obwohl der Krieg und die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die algerische Unabhängigkeitsbewegung FLN von den Franzosen mit großer Härte geführt wurde, führten acht Jahre Widerstand 1962 zur Unabhängigkeit des von den Franzosen seit 1848 als Bestandteil Frankreichs betrachteten Gebiets.**

1830 besetzten französische Truppen Algier, Oran und Bône und begannen mit der Besetzung des Landes. Ihnen stellte sich Abd al-Qadir (1808-1883) entgegen, der in Westalgerien erfolgreich Widerstand gegen die Franzosen leistete. Erst 1847 gab Abd al-Qadir den Widerstand aufgrund der Übermacht der Franzosen und schwindender Unterstützung auf.

Nach der Februarrevolution 1848 endete der Kolonialstatus für den nördlichen Teil Algeriens - er wurde annektiert und integraler Bestandteil des französischen Mutterlands. Die Franzosen errichteten drei Départements (Algier, Constantine, Oran). Es kamen französische und andere ausländische Siedler ins Land, für die umfangreiche Ländereien der einheimischen Bevölkerung enteignet wurden. Im Laufe der Zeit siedelten bis zu 800.000 Franzosen in Algerien. Bis 1906 war auch die algerische Sahara von den Franzosen besetzt worden. Französisch wurde Staatssprache und an allen Schulen gelehrt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs folgten im Mai 1945 in einigen algerischen Städten Widerstände gegen die Besatzer und schwere Unruhen, welche mit Massakern an Algeriern durch die Franzosen beantwortet wurden, darunter das Massaker von Sétif. Jene unkoordinierten Widerstandbewegungen mündeten neun Jahre später in den Algerienkrieg.

Am 1. November 1954 begann die algerische Befreiungsfront (FLN) mit dem bewaffneten Kampf − dieses Datum wurde später Nationalfeiertag. Der Konflikt weitete sich aus, als die FLN seit 1956 durch das mittlerweile unabhängige Marokko und Tunesien unterstützt wurde. Die französischen Besatzungstruppen wurden in der Folgezeit – auch unter Hinzuziehung von Fremdenlegionären – auf ca. 500.000 Mann verstärkt. So wurde 1957 unter dem Kommando von General Jacques Massu in der Schlacht von Algier der Widerstand der FLN zeitweise niedergeschlagen. Die dabei eingesetzten Fallschirmjäger der 10. Division erwarben sich einen Ruf extremer Brutalität. Ihre Erfolge basierten vor allen auf Folterungen von Verdächtigen, denen die Idee der von Roger Trinquier entwickelten "modernen Kriegführung" zugrunde lag. Inzwischen hatten sich große Teile der Bevölkerung dem Widerstand angeschlossen. Frankreich entwickelte in der Folge eine durch ihre Rücksichtslosigkeit berüchtigte Strategie zur Bekämpfung der Aufständischen, die als französische Doktrin bekannt wurde. Dazu gehörte auch die Zwangsumsiedlungen von 1,625 Mio. Betroffenen (bis 1961) in 2000 Dörfer, die als Konzentrationslager bezeichnet wurden. Zudem wurde versucht auch kulturell das Volk zu entwurzeln, indem gegen die Verhüllung [hidschab] agiert wurde.

Der Algerienkrieg gilt als einer der grausamsten Besatzungsaktionen der Westliche Welt gegen Muslime. Unter Muslimen gilt der Widerstandsgeist der Algerier als Vorbildhaft. Zunehmend wirkten sich die Spannungen auch auf die Franzosen selbst aus. Während in Frankreich eine Mehrheit der Bevölkerung eine Beendigung des Krieges und die Unabhängigkeit Algeriens akzeptieren wollte, drohten Teile des Militärs und der Siedler mit einem Putsch. Nachdem in Frankreich bei einem Referendum 1961 rund 78 % der Bevölkerung für einen Rückzug aus Algerien gestimmt hatten, übten die französischen Siedler bzw. ihre Geheimorganisation OAS verstärkt Terrorakte aus, die von der FLN mit gesteigertem Widerstand auch gegen die Siedler beantwortet wurden. Am 17. Oktober 1961 initiierte die FLN eine friedliche Protestkundgebung in Paris, an der etwa 30.000 Algerier teilnahmen. Die Polizei löste die Demonstration gewaltsam auf, indem sie in die Menge schoss. Im Laufe des Tages nahm sie etwa 14.000 Algerier fest und brachte sie in Sportstadien und andere improvisierte Hafträume, wo sie viele von ihnen für mehrere Tage festhielt. Am 17. Oktober und in den Tagen danach töteten Polizei und Militär bei Krawallen bis zu 200 Menschen, deren Leichen teilweise in die Seine geworfen wurden, was als Massaker von Paris 1961 in die Geschichtsbücher einging.

Nach längeren Verhandlungen erkannte Charles de Gaulle im Abkommen von Évian am 18. März 1962 das Recht Algeriens auf Selbstbestimmung an. Obwohl den französischen Siedlern ihr Eigentum garantiert wurde, flüchteten sie in Massen nach Frankreich. Am 1. Juli 1962 stimmten die Algerier über die staatliche Unabhängigkeit ihres Landes ab: 99 % der Wähler stimmten dafür und am 3. Juli 1962 erkannte Frankreich Algeriens Unabhängigkeit an.

Während des siebeneinhalb Jahre andauernden Krieges starben nach französischen Angaben 17.459 Soldaten, darunter viele Fremdenlegionäre. Die FLN schätzte ihre Verluste 1962 auf etwa 300.000. Die Gesamtzahl getöteter algerischer Muslime wurde von Frankreich später mit 350.000, von algerischen Quellen mit bis zu 1,5 Millionen angegeben. Offizielle französische Angaben bezifferten die Zahl der getöteten Gegner auf 141.000, dazu weitere 12.000, die angeblich bei Kämpfen innerhalb der FLN ums Leben gekommen sein sollen. Jene Angaben wurden von muslimischer Seite als Propaganda der Franzosen und Verharmlosung der Massaker angesehen.

150.000 muslimische Kollaborateure der Franzosen, die so genannten "Harkis", die während des Krieges in der französischen Armee und in milizähnlichen Selbstschutzeinheiten dienten oder den Franzosen als Dolmetscher bei der Befragung von eigenen Landsleuten geholfen hatten, wurden nach dem Krieg von französischen Soldaten entwaffnet und ihrem Schicksal überlassen. Viele erhielten die Todesstrafe. Einigen 10.000 gelang die Flucht nach Frankreich.

Frankreich nutzte die algerische Sahara während des Algerienkrieges als Testgelände für ober- und unterirdische Atomwaffenversuche, welche nach heutigen Schätzungen ca. 30.000 Algerier gesundheitlich schädigte und zum Tod vieler führte. Bis heute leidet vor allem die Landwirtschaft unter den Folgen der Atomtests. Eine angemessene Entschädigung für die Besatzung hat Frankreich nie gezahlt.

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