.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Als Apostasie [ridda] wir der öffentliche Abfall
eines bekennenden
Muslims vom
Islam
bezeichnet.
Dem Abgefallenen [murtad] drohte in vielen orthodoxen
Systemen der
Muslime gemäß deren Auslegung des
islamischen Rechts [scharia] die Todesstrafe, obwohl das
mit dem
Islam
nicht vereinbar ist. Daher war es
nicht überall so und wurde durchaus kontrovers diskutiert. So
sind z.B. das Entstehen von
Drusen
und
Bahai aus
schiitischen Gruppen darauf zurück zu führen, dass es jene
Bestrafung eben nicht allgemein gab, wie es von Orientalisten
zur Propaganda gegen den
Islam
oft behauptet wird.
Unzweifelhaft unter
Muslimen ist, dass
Gott
selbst dem
Menschen die Freiheit zur Religionswahl gegeben hat:
„Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll
ungläubig sein.“ (Heiliger
Qur'an 18:29). Die im Anschluss angedrohten Konsequenzen
für denjenigen, der sich von
Gott
abwendet,
sind ausschließlich auf das
Jenseits bezogen.
Tatsächlich gibt es heute im Strafgesetzbuch nur der
Länder die Todesstrafe für Abgefallene [murtad], die
maßgeblich von der
Westlichen Welt aufgebaut wurden und/oder von diesen
gestützt werden, wie z.B.
Saudi-Arabien und
Afghanistan. In der
Islamischen Republik Iran ist es hingegen kein
Straftatbestand.
Die unterschiedliche Behandlung des Themas vor allem
zwischen
wahhabitisch
beeinflussten
Sunniten und
Schiiten ist historisch bedingt und geht auf
Abu Bakr
zurück. Als er sich als erster
Kalif
ausrufen ließ, verweigerten ihm anfänglich einige arabische
Stämme die Zahlung der
religionsrechtlichen Abgaben, da sie sich zu
Imam Ali (a.) bekannten. Da es aber für das Nichtzahlen
z.B. der
Zakat
keine Todesstrafe gab und die
Fünftelabgabe [chums] nachweislich nur den
Ahl-ul-Bait (a.) zustand, wurde letztere abgeschafft und
im ersteren Fall eine neue damals noch nicht bekannte Strafe
eingeführt, die Todesstrafe für Apostasie, wobei das
Nichtzahlen von
Zakat
als Apostasie gewertet wurde. So wurden die arabischen Stämme,
die sich zu
Imam Ali (a.) bekannt hatten, mit Androhung der Todesstrafe
zum
Treueid zu
Abu Bakr
gezwungen. Eine Todesstrafe für Apostasie während des Lebens
des
Propheten Muhammad (s.) hat es nie gegeben, obwohl
nachweislich einige Personen den
Islam
zu seiner Zeit verlassen haben.
Die ersten Beschreibungen über die Todesstrafe für
Apostasie tauchen in den Büchern des 1. Jh.
n.d.H. auf, die sich alle auf oben genanntes Beispiel
beziehen.
Eine angebliche Aufforderung des
Propheten Muhammad (s.) "tötet denjenigen, der seine
Religion wechselt", wie sie von
Malik ibn Anas in seinem Muwatta zitiert wird, wird nur
von bestimmten
Muslimen als glaubwürdig anerkannt. Bereits hierbei wird deutlich, dass
jene
Überlieferung auch von
Sunniten angezweifelt wird, da z.B. nach
Abu
Hanifa sie für eine Frau nicht gelten soll.
In späteren Zeiten wurden dann unter der Herrschaft von
Gewaltherrschern sogar detaillierte Unterscheidungen zwischen
unterschiedlichen Apostasie-Vergehen definiert und weiter
entwickelt, wobei allein jene Definitionen wiederum selbst ein
Beweis für die Absurdität jener Regeln sind. So wird z.B.
behauptet, dass das Zuschreiben von Fehlern, Sünden und
Falschheit an den
Propheten Muhammad (s.) allein schon genüge, um als
Apostat zu gelten. Wäre das tatsächlich der Fall, müssten
unter diesen Umständen sämtliche Gründer der
sunnitischen
Rechtsschulen aus Sicht der
Schiiten als Apostaten gelten, da sie bereits die
erste Offenbarung falsch und zu Ungunsten des
Propheten Muhammad (s.) wiedergeben. Tatsache ist aber,
dass weder die meisten
Sunniten solche Gedanken hegen, wenn z.B. jemand zur
Schia wechselt, noch
Schiiten im umgekehrten Fall. Jene Betrachtung wird
heutzutage fast ausschließlich vom
Wahhabismus, der
Westlichen Welt und ihren jeweiligen Einflusskreisen
verbreitet.
Geschichtlich betrachtet wird z.B. nach der Theorie von
Malikiten,
Hanbaliten und
Schafiiten bereits das Unterlassen des
Ritualgebets aus Faulheit als Apostasie bewertet. Darauf
ist auch zurückzuführen, dass z.B. in
Saudi-Arabien man unter Umständen zum
Ritualgebet hingeprügelt wird. Solche absurden zumeist dem
Wahhabismus entstammenden Denkweisen, gibt es weder bei
Hanefiten noch bei
Dschafariten und verdeutlichen, dass jene Apostasie-Regeln
nichts mit der
Verfahrensweise [sunna] des
Propheten Muhammad (s.) zu tun haben, da es zu seinen
Lebzeiten keinen einzigen bekannten Fall gibt, in dem jemand
zum
Ritualgebet gezwungen wurde.
Als klassischer Fall für die angebliche Anwendung der
Todesstrafe auf Apostaten durch die
Islamische Republik Iran wird das
Rechtsurteil [fatwa] von
Imam
Chomeini gegen
Salman Rushdie angeführt. Das
Rechtsurteil [fatwa] wurde aber nachweislich aus völlig
anderen Gründen gefällt und hat nichts mit der Apostasie des
Autors zu tun.
Alle in Deutschland beheimateten Verbände der
Muslime treten für eine freie Religionswahl ein.
Der islamische Theologe Yaşar Nuri Öztürk, Dekan der
Theologischen Fakultät der Universität Istanbul, hält es für
den größten Irrtum, der in der islamischen Rechtslehre
begangen worden sei, die Todesstrafe für Apostaten zum
religiösen Dogma zu erheben. Er weist darauf hin, dass der
Heilige
Qur'an keine Strafe im Diesseits für den Abfall vom Glauben
enthält, sondern nur die Strafe im Jenseits androht und auch
aus der
Verfahrensweise [sunna] des
Propheten Muhammad (s.) eine solche Strafe nicht
abgeleitet werden kann.
Eines der Hauptgründe, warum die Strafe für Apostasie
bisher bei
Schiiten kaum Anwendung fand, ist die Tatsache, dass die
Mehrheit der
Rechtsgelehrten [mudschtahid] die Meinung vertreten, dass
eine mögliche Strafe in diesem Fall unter die
Grenzüberschreitungs-Delikte (Hadd-Delikte) einzustufen
wäre. Die
Grenzüberschreitungs-Delikte (Hadd-Delikte) dürfen aber
gemäß den
Überlieferungen [hadith] in Zweifelsfällen nicht bestraft
werden. Deshalb darf jemand, der von sich behauptet, Zweifel
in der Wahrhaftigkeit des
Islam zu haben, dafür nicht bestraft werden.
Einige
Überlieferungen [hadith], aus denen gefolgert wird, dass
einige der
Leute des Buches [ahl-ul-kitab] unter den
Umayyaden aus Gründen der Apostasie bestraft worden sind,
können nicht dem
Islam angelastet werden, da die
Umayyaden im missbrauchten Namen des
Islam regiert und die heiligsten
Muslime ermordet haben, wie z.B. mehrere der
Zwölf Imame (a.).