.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Mohandas
Karamchand Gandhi war die herausragende Persönlichkeit der
indischen Geschichte und erhielt den sanskritischen Ehrentitel
Mahatma (Große Seele). Er soll ihm erstmals vom indischen
Philosophen und Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore
verliehen worden sein, der Gandhi bei seiner Ankunft in Bombay
am 9. Januar 1915 so begrüßte. Gandhi aber wollte nicht, dass
man ihn mit jedem Titel ruft. In seiner Biografie mit dem
Untertitel "Die Geschichte meiner Experimente mit der
Wahrheit"
(1927–1929) schreibt er, dass der Titel Mahatma für ihn nicht
nur keinen Wert, sondern ihn auch oft tief gepeinigt habe.
Ghandi wurde am 2. Oktober 1869 in Porbandar (Gujarat) als
jüngstes von fünf Kindern in der vierten Ehe seines Vaters
Karamchand Gandhi und seiner Mutter Putali Bai
geboren. Obwohl die hinduistische Familie dem
Kastensystem angehörte, besuchten ihr Haus auch Muslime,
Parsis und Anhänger des Jainismus.
Gandhi
wurde 1883 im Alter von 14 Jahren durch seine Familie mit der
gleichaltrigen Kasturba Nakanji verheiratet. Mit sechzehn
bekamen sie ihr erstes Kind, was nach wenigen Tagen verstarb.
Weitere Kinder waren
Harilal (1888-1948), Manilal (1892-1956),
Ramdas (1897-1969) und Devadas (1900-1957). Ab 1888 studierte
Gandhi in London Jura und wurde Anwalt.
Während des Studiums setzte er sich u.a. auch intensiv mit
dem Christentum auseinander, akzeptierte aber Jesus Christus
nicht als einzigen Sohn Gottes, denn er könne nicht glauben,
wie er in seiner Autobiografie schreibt, "dass Jesus der
einzige fleischgewordene Sohn Gottes sei und dass nur, wer an
ihn glaubt, das ewige Leben haben solle. Wenn Gott Söhne haben
konnte, dann waren wir alle seine Söhne. Wenn Jesus gottgleich
oder selbst Gott war, dann waren wir alle gottgleich und
konnten selbst Gott werden."
Nach seiner Rückkehr aus England arbeitete Gandhi als
Rechtsanwalt in Bombay. Zwei Jahre später schickte ihn seine
Familie zu einem indischen Freund und Geschäftsmann nach
Südafrika, um einen Rechtsstreit zu lösen. Insgesamt blieb er
bis Ende 1914 in Südafrika und entwickelte alle Grundsätze
seiner politischen Philosophie. Motiviert durch rassistische
Diskriminierungen, die er teilweise am eigenen Leib
miterlebte, begann er sich für die Rechte der Inder in
Südafrika einzusetzen.
In Südafrika entwickelte Gandhi auch das Konzept des
gewaltlosen Widerstandes, das er Satyagraha nannte, was soviel
wie Festhalten an der Wahrheit bedeutet und für ihn eng
verbunden war mit Gewaltlosigkeit: „Wahrheit schließt die
Anwendung von Gewalt aus, da der Mensch nicht fähig ist, die
absolute Wahrheit zu erkennen und deshalb auch nicht
berechtigt ist zu bestrafen“, schrieb er in der Zeitschrift
Young India (zit. nach „Jung Indien“, S. 241). Auf Grund einer
Erkrankung verließ Gandhi mit seiner Familie im Dezember 1914
Südafrika und kehrte am 9. Januar 1915 nach Indien zurück. In
Bombay wurde er triumphal empfangen, hatte sich doch sein
Engagement für die indische Minderheit in Südafrika in ganz
Indien herumgesprochen.
Zurück in Indien baute er sich seinen Harijan Ashram auf.
1920 übernahm er die Führung des Indian National Congress (INC),
der sich unter seiner geistigen Führung zur Massenorganisation
und zur wichtigsten Institution der indischen
Unabhängigkeitsbewegung entwickelte. Um die Briten zu zwingen,
den indischen Subkontinent zu verlassen, etablierte er das
Konzept der Nichtzusammenarbeit: alle indischen Angestellten
und Unterbeamten sollten einfach nicht mehr für die
Kolonialherrscher tätig werden, jegliche Kooperation sollte
gewaltfrei verweigert werden, um so die Engländer machtlos zu
machen. Im August 1920 rief Gandhi die Kampagne der
Nichtkooperation offiziell aus. Er glaubte, die
Gewaltlosigkeit sei der Gewalt unendlich überlegen. Wie
sollten einhunderttausend Briten in Indien ein Land
beherrschen von damals dreihundert Millionen Indern, wenn
diese einfach die Zusammenarbeit verweigern? 1930 veranlasste
er eine Kampagne des zivilen Ungehorsams und rief zum
Salzmarsch gegen das britische Salzmonopol auf. Der Salzmarsch
gilt als die spektakulärste Kampagne, die Gandhi während
seines Kampfes um Unabhängigkeit initiierte. Alle
Bevölkerungsgruppen schlossen sich ihm an.
1942 forderte Gandhi die sofortige Unabhängigkeit Indiens
und wurde deshalb in Pune inhaftiert, aber nach zwei Jahren
aus gesundheitlichen Gründen wieder entlassen. Sowohl in
Südafrika als auch in Indien wurde Gandhi von der britischen
Kolonialmacht mehrmals inhaftiert; insgesamt saß er acht Jahre
im Gefängnis.
Am 3. Juni 1947 verkündete der britische Premierminister
Clement Attlee die Unabhängigkeit und die Teilung Indiens in
zwei Staaten: das mehrheitlich hinduistische Indien und das
mehrheitlich moslemische
Pakistan. Gandhi hatte sich dem Teilungsplan stets
widersetzt, trat aber nach der Trennung für eine gerechte
Aufteilung der Staatskasse ein. Seinem Einfluss war es auch zu
verdanken, dass die bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die nach
der Teilung ausbrachen, relativ rasch eingedämmt wurden.
Viele seiner Studien widmete er dem
Islam.
Über den
Propheten Muhammad (s.) sagte er u.a., dass er von seiner
Verfahrensweise und dem einfachen moralischen Leben
begeistert war: "....Ich bin mir nunmehr sicherer als ich
es je war, dass es nicht das Schwert war, welches in jenen
Tagen einen Platz für den Islam gewann, im Gang des Lebens. Es
war die unbeugsame Einfachheit, die komplette Aufopferung des
Propheten, die penible Einhaltung seiner Versprechen, seine
völlige Hingabe seinen Freunden und Anhängern gegenüber, seine
Beherztheit, seine Furchtlosigkeit, sein absolutes Vertrauen
zu Gott in seiner eigenen Mission. All dies, und nicht das
Schwert haben alles getragen und jede Art von Schwierigkeiten
überwunden" (Young India, 1928, Band X).
Am 30. Januar 1948 wurde der 79-jährige Gandhi vom Hindu
Nathuram Godse erschossen, weil man ihm vorwarf, den Hinduismus
verraten zu haben. Anlass waren sein Einsatz gegen das
Kastensystem und seine Nähe zu
Muslimen. So hatte er u.a. mit Bezug auf
Imam Husain (a.) gesagt: "Meine Überzeugung ist, dass
die Entwicklung des Islam nicht von dem Gebrauch des Schwertes
durch seine Anhänger abhängt, sondern das Resultat des
ultimativen Opfers von
Husain, dem großen Heiligen, ist". Bei einer anderen
Gelegenheit sagte er: "Ich habe von
Husain gelernt, wie man siegreich sein kann, während man
unterdrückt wird."
Aschura ist im hinduistischen Indien ein staatlicher
Gedenktag.
Zu Gandhis hinduistischer Bestattung kamen Anhänger aller
Religionen des Landes.