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Der Gebetsruf [adhan] bedeutet wörtlich übersetzt in etwa
"Ankündigung" und ist die öffentliche Bekanntgabe des
Eintretens der
Gebetszeit. Sie wurde eingeführt
im ersten Jahr
n.d.H. in
Medina.
Die Ursache seiner Einführung war nach Ansicht
der Schia gemäß
einer
Überlieferung, dass
Gabriel
(a.) (a.) mit dem Gebetsruf im Auftrage
ALLAHs
zu Prophet Muhammad
(s.) kam. Daraufhin bestimmte
Prophet Muhammad (s.) seinen
Gefährten
Bilal
zum ersten
Gebetsrufer [muadhin].
Bei Sunniten herrscht
hingegen die Meinung vor,
dass eine andere Person einen
Traum hatte, in dem ihm der Gebetsruf durch jemanden beigebracht
wurde und als er diesen Traum dem
Prophet Muhammad (s.) erzählte, habe er ihn befürwortet,
da man ohnehin darüber nachdachte, wie man zum
Ritualgebet
aufrufen könnte als Alternative zu den Glocken der
Christen und dem
Horn der Juden.
Bei Sunniten
wird jedes einzelne der fünf
Ritualgebete
mit einem Gebetsruf angekündigt. Bei der
Schia gibt es drei
Gebetsrufe am Tag jeweils zu Beginn der drei Gebetsperioden, in denen die fünf
Ritualgebete
gebetet werden.
Tabelle: Form des Gebetsrufes [adhan] nach den verschiedenen
Rechtsschulen
Arabisch |
Übersetzung |
Dschafari |
Schafi‘i |
Hanbali |
Maliki |
Hanefi |
الله اكبر
Allahu-akbar |
Allah ist am größten |
4 x |
4 x |
4 x |
2 x |
4 x |
اشهد ان لا اله الا الله
Ashhadu an la (alla) ilaha il-lallah |
Ich bezeuge, es gibt keinen Gott außer Allah |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
اشهد ان محمدا الرسول الله
Ashhadu anna Muhammadan rasul-Allah |
Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
اشهد ان عليا ولي الله
Ashhadu anna aliyun waliyullah |
Ich bezeuge, dass Ali der Statthalter Allahs ist
|
2 x |
- |
- |
- |
- |
حي على الصلاة
Hayya'ala-sala |
Kommt zum Ritualgebet |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
حي على الفلاح
Hayya'alal- falah |
Kommt zur Erlösung |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
الصلاة خير من النوم
al-salatu chayrun min-an-naum |
Das Gebet ist besser als der Schlaf
(nur zum Morgengebet) |
verboten |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
حي على خير العمل
hayya'ala chayril-'amal |
Kommt zur allerbesten Handlung |
2 x |
|
|
|
|
الله اكبر
Allahu-akbar |
Allah ist am größten |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
2 x |
لا اله الا الله
La ilaha il-lallah |
Es gibt keinen Gott außer Allah |
2 x |
1 x |
1 x |
1 x |
1 x |
Im Gegensatz zum
Gebetsaufruf [iqama] wird der Gebetsruf mit Betonung
und Klang verlesen, wobei die musikalischen Betonung nicht
festgelegt ist und daher stark variiert.
Das Gebetsaufruf beinhaltet das
Glaubensbekenntnis [schahada] sowie die
Größenpreisung [takbirat].
In der
dschafaritischen
Rechtsschule
besteht Konsens darüber, dass der dritte Satz: "Ich bezeuge, dass Ali der
Statthalter Allahs ist" kein Bestandteil des Gebetsrufs selbst ist, sondern
als empfohlene [mustahab]
Aussage hinzugefügt wurde, da sie erst mit dem Ableben des
Prophet Muhammad (s.)
relevant wurde und von den
Ahl-ul-Bait (a.)
bestätigt und unterstützt wurde. Hingegen wird die Aussage "Das Gebet ist
besser als der Schlaf" bei
Dschafariten
nicht akzeptiert, weil sie gemäß
Schia erst viel
später eingeführt wurde und keine grundsätzlich akzeptable Aussage darstellt.
Die Aussage "Kommt zur allerbesten Handlung" wurde gemäß
Schia von
Umar ibn Chatab
aus dem Gebetsruf entfernt, da er die
Anstrengung
[dschihad] in seiner Zeit als bedeutsamer einstufte, weil es zu der Zeit viele Kriege gab und
der Kalif die
Gläubigen [mumin] zum Kampf ermuntern wollte. Dem entgegnen
sunnitische Gelehrte,
dass selbst wenn es so gewesen sein sollte, was einige bestätigen, dann diese Änderung
dennoch akzeptabel ist, da sie von einem nach ihrer Ansicht rechtgeleiteten Kalifen
erfolgte. Ähnlich verhält es sich mit dem späteren Zusatz bezüglich
Schlaf und den teilweise unterschiedlichen Anzahl von Lesungen der
Passagen.
Der Gebetsruf erfolgte früher ausschließlich durch die unverstärkte Stimme von
einem hohen Ausrufpunkt aus. Spätere Bauten von
Moscheen sahen das
Minarett als
geeignete Ausrufplattfom an. Inzwischen werden teilweise Lautsprecher verwendet,
um den Stadtlärm übertönen zu können. Der Gebetsruf ist zwar
empfohlen aber bei keiner
Rechtsschule unabdingbare
individuelle Verpflichtung [wadschib-ul-aini] und
auch keine Voraussetzung zur Gültigkeit des
Ritualgebets. Daher sind oben beschriebene
Unterschiede eine Gelegenheit für die
Muslime, sich auch mit ihrer Vergangenheit zu
beschäftigen und in trauter
Einheit dem Ruf zum
Ritualgebet zu folgen.
Der Gebetsruf entstammt dem
Vorbild [sunna] des
Prophet Muhammad (s.): Bei der
dschafaritischen,
hanefitischen und
schafiitischen
Rechtsschule ist der Gebetsruf
empfohlen. Bei der
hanbalitischen
Rechtsschule ist
der Gebetsruf eine
kollektive Verpflichtung [wadschib-ul-kafai] für nichtreisende Männer in allen Städten
für alle täglichen
Ritualgebete und für die
malikitische
Rechtsschule ist
es ebenfalls eine
kollektive Verpflichtung, allerdings nur in solchen Städten, in denen das
Freitagsgebet [salat-ul-dschuma]
abgehalten wird. Wenn in derartigen Städten der Gebetsruf unterlassen wird,
so seien sie dafür gemäß
Malikiten zu
bekämpfen. Die letztgenannte Rechtsauffassung wird allerdings als äußerst
fragwürdig eingestuft und hat keine praktische Relevanz in der heutigen
muslimischen Welt.
Derartige Nischenmeinungen werden aber bedauerlicherweise oft von manchen
"Orientalisten" dafür missbraucht, um den
Islam als Ganzes zu
diskreditieren.
Der Gebetsruf nach draußen in die Öffentlichkeit gilt nur für Länder mit
mehrheitlich
muslimischer Bevölkerung. In Ländern mit
muslimischer
Minderheit erscheint eine Begrenzung des Gebetsrufs auf das Freitagsgebet, wie
es mancherorts aus dem Gleichstellungsgrundsatz mit dem kirchlichen
Glockenläuten praktiziert wird, kaum sinnvoll, da der Gebetsruf für alle
Pflichtgebete gilt. Und es gibt keine einzige
islamische
Rechtsschule,
bei der es
religiöse Verpflichtung [wadschib] wäre, den Gebetsruf in einer mehrheitlich
nichtmuslimischen Gesellschaft gegen den Willen der Bevölkerung nach Außen zu
rufen. In Deutschland ist der Gebetsruf im Jahr 2010 in drei Städten ohne Zuhilfenahme
von Lautsprechern erlaubt gewesen: Schleswig, Neumünster, Rendsburg.
Der Versuch in manchen Ländern, den weltweit einheitlichen
arabischen
Gebetsruf per Verordnung in der jeweiligen Landessprache rufen zu lassen, wurde
von den
Muslimen abgewehrt.
Bei einem Neugeborenen ist es
empfohlen den
Gebetsruf leise in sein rechtes Ohr und den
Gebetsaufruf [iqama]
in sein linkes Ohr zu flüstern.