Talat Pascha
Talat Pascha

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englisch: Talat Pasha

7.1872 - 15.3.1921 n.Chr.

.Bücher von Allama Tabatabai finden Sie im Verlag Eslamica.

Mehmed Talat, bekannt als Talat Bey oder Talat Pascha (Talat Paşa),war Innenminister und Großwesir der Osmanen und einer der Anführer der so genannten Jungtürken.

Talat ist im Juli 1872 n.Chr. in Kardschali im heutigen Bulagarien, damals zur Provinz Edirne gehörend, in sozial ärmeren Verhältnissen geboren. Als Sechsjähriger erlebte er den Russisch-Türkischen Krieg von 1877/78 n.Chr. und die russische Besetzung seiner Heimat. Diese Kindheitserlebnisse prägten ihn und legten den Keim für seine später ausgeprägte nationalistische Ideologie, die er verbreitete. Während der Studentenzeit schloss er sich dem nationalistischen Flügel der jungtürkischen Bewegung an, die eine Rettung des untergehenden Osmanischen Reichs gegen die Bedrohung durch imperialistische Großmächte propagierte.

Nach Abschluss des Universitätsstudiums wurde er Telegrafenbeamter im in den Staatsdienst. Gleichzeitig entwickelte er sich zu einem führenden Kopf der Jungtürken. Talat war 1906 n.Chr. Gründungsmitglied der jungtürkischen Partei Komitee für Einheit und Fortschritt (İttihad ve Terakki Fırkası) und sorgte dafür, dass die jungtürkische Bewegung um die Jahrhundertwende zunehmend Anhänger im türkischen Offizierscorps gewann. Insbesondere zur heimatlichen Garnison in Thessaloniki hatte er enge Verbindungen und förderte den Aufstieg des jungen Ismail Enver.

Talat Pascha gehörte der Freimaurergroßloge der Türkei an und war erster Großmeister der Freimaurergroßloge der Türkei. Kritiker werfen ihm vor mit dem freimaurerischen Denken die islamische Basis der Türkei zugunsten des Nationalismus zersetzt zu haben.

Unter der Führung seines Freundes Enver Pascha kam es 1908 n.Chr. in Thessaloniki zur offenen Rebellion, der sich die Offiziere und Mannschaften anschlossen. Die militärische Überlegenheit der von Enver Pascha mobilisierten Truppen zwang die Regierung zum Rücktritt. Am 24. Juli 1908 musste Abdülhamid II. die Verfassung von 1876 n.Chr. wieder in Kraft setzen, die Zensur aufheben und eine Amnestie erlassen. Talat zog als Abgeordneter des Regierungsbezirks Adrianopel für das "Komitee für Einheit und Fortschritt" in das Parlament ein. Seine Partei gewann entscheidenden Einfluss auf die neu gebildete Regierung. Gegen die Machtübernahme der Jungtürken unternahmen sultanstreue Kräfte am 13. April 1909 einen Putschversuch, den Truppen unter der Führung Enver Pascha und Cemal Pascha jedoch nach drei Tagen niederschlugen. Danach entthronten die Jungtürken Abdülhamid II. und ersetzten ihn durch seinen Bruder und Thronfolger Mehmed V., der Verfassungstreue schwor und die neuen Machtverhältnisse akzeptierte.

Als politisch führendem Kopf des "Komitees für Einheit und Fortschritt" gelang es Talat ab 1909 n.Chr., einflussreiche Positionen im Staat mit Gefolgsleuten zu besetzen. Im Zuge des Wandels des jungtürkischen Programms trat Talat Pascha 1911 n.Chr. selbst als Innenminister in die Regierung ein und verschärfte die nationalistische Ausrichtung des Staates. Auf Grund der militärischen Niederlage im italienisch-türkischen Krieg, der politischen Verfolgung oppositioneller Kräfte im Inland und der staatlich sanktionierten Gewaltakte gegen Bürger, die nicht türkischer Nationalität waren, verloren die Jungtürken jedoch im Juli 1912 die Macht. Aber schon im Januar 1913 – mitten im Ersten Balkankrieg von 1912/13, der dem Osmanischen Reich eine neuerliche Niederlage bescherte – organisierte Talat im Verein mit Enver und Cemal einen Putsch der Jungtürken gegen die neue schwache Regierung.

Der Putsch verlief erfolgreich, Talât wurde erneut Innenminister des Osmanischen Reiches, das er fortan zusammen mit Kriegsminister Enver Pascha und Marineminister Cemal Pascha in einem Triumvirat mit nahezu diktatorischen Vollmachten beherrschte. Anders als die beiden militärischen Führer der Jungtürken stützte sich Talat auf die Verwaltung des Reiches, die er seither systematisch mit Vertrauensleuten auch in den Provinzen durchsetzte, und auf einen ideologisch immer nationalistischeren Kern des Parteiapparats der jungtürkischen "Ittihad".

Anders als Enver Pascha, der ein militärisches Bündnis mit dem Deutschen Kaiserreich anstrebte, trat Talat für eine neutrale Außenpolitik ein. Mit seinen außenpolitischen Vorstellungen konnte er sich jedoch nicht durchsetzen, so dass das Osmanischen Reich im Herbst 1914 als Verbündeter Deutschlands und Österreich-Ungarns in den 1. Weltkrieg eintrat.

Talat, der bis 1917 Innenminister des Osmanischen Reiches blieb, war als solcher der Hauptverantwortliche für die nationalistisch motivierte Vertreibung der Armenier, die vor allem in den Jahren 1915/16 erfolgte. Talat stellte als Innenminister die konkreten Deportationsbefehle aus, die offiziell als kriegsbedingte Umsiedlung einer unzuverlässigen Minderheit begründet wurden, wobei es zu Massakern kam. Es wurde u.a. durch Talât selbst versucht, seine Verantwortung zu relativieren: Interview im Berliner Tageblatt (5. Mai 1916): „Unglücklicherweise gingen schlechte Beamte, in deren Hände die Ausführung dieser Befehle [Deportation] anvertraut worden war, beim Erledigen ihrer Pflicht auf die unvernünftigen Ausschreitungen ein. Diese tragischen Ereignisse haben mich mehr als eine schlaflose Nacht gekostet.

In den Jahren 1915 bis 1918 übernahm Talat innerhalb der Osmanischen Reiches neben dem Amt des Innenministers zeitweilig weitere Ressorts, darunter die Ministerien der Finanzen und für Post- und Fernmeldewesen, und agierte auch als Stellvertreter der abwesenden Kriegs- und Marineminister Enver Pascha und Cemal Pascha und amtierte Februar 1917 bis Oktober 1918 als Großwesir mit dem Titel "Pascha". Er residierte in der Talat Pascha Villa (Talat Paşa Konağı). Als sich die Kriegsniederlage des Hauptverbündeten Deutschland bereits abzeichnete, musste er am 8. Oktober 1918 zurücktreten, blieb jedoch bis zur Bildung der neuen Regierung unter dem früheren Kriegsminister Ahmed Izzet Pascha am 14. Oktober 1918 noch geschäftsführend im Amt.

Talat Pascha lebte vom 10. November 1918 bis zu seiner Ermordung am 15. März 1921 unter dem Namen Ali Sai in Berlin. Ein deutsches U-Boot brachte Talat Pascha, Enver Pascha, Cemal Pascha, Doktor Nazım, Bahaddin Şakir und Cemal Azmi in der Nacht vom 2. auf den 3. November 1918 nach Odessa. Talat Pascha lehnte zunächst die Fluchtpläne seiner Parteifreunde ab und wollte sich der Rechenschaft stellen. Er wurde allerdings bald überzeugt, die Rechenschaft auf später zu verschieben, "sobald das Land frei von ausländischer Kontrolle und Einfluss ist" (Zitat aus seinem Schreiben vom 2. November 1918 an seinen Amtsnachfolger Ahmed Izzet Pascha).

Talat Pascha wohnte zunächst für wenige Tage in einem Hotel am Alexanderplatz, danach in einem Sanatorium in Neubabelsberg. Nach einiger Zeit hatten Freunde ihm eine 3-Zimmerwohnung in der Hardenbergstraße in Charlottenburg besorgt. Hier wohnte er mit seiner Frau Hayriye Hanım. Später zog Doktor Nazım dazu.

Während er unter einer neuen, liberalen und pro-britischen Regierung in Istanbul 1919 in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, arbeitete Talat von Berlin aus an einem politischen Comeback in der Türkei, wo er die Milizen im türkischen Befreiungskrieg (Kuvayı Milliye) um Kemal Atatürk unterstützte, an deren Spitze er sich künftig zu stellen hoffte.

Der neue Botschafter des Osmanischen Reiches in Berlin, Rifat Pascha, verlangte von den deutschen Behörden die Auslieferung Talat Paschas an die Türkei, nachdem er von dessen Aufenthalt in Berlin erfahren hatte und versuchte durch den Türkischen Club in Berlin Stimmung gegen die in Deutschland Asyl suchenden Jungtürken zu schüren. Die deutschen Behörden kamen dem Ausweisungswunsch Rifat Paschas allerdings nicht nach.

Am 15. März 1921 erschoss Soghomon Tehlirian Talat Pascha in der Hardenbergstraße in der Nähe seiner Wohnung. Tehlirian war Mitglied in dem geheimen armenischen Kommando Operation Nemesis, das die Täter des Massakers an den Armeniern verfolgte und tötete. Er wurde im folgenden Mord-Prozess vom Vorwurf eines Tötungsdeliktes freigesprochen. Er rechtfertigte das Attentat mit folgenden Worten: „Ich habe den Mörder meiner Frau und Großeltern gerichtet.“ Deutsche Offiziere, die der deutschen Militärmission im damaligen Osmanischen Reich angehörten, wurden verhört und erhoben Anschuldigungen gegen die Militärführung des Osmanischen Reichs, wobei der Staatsanwalt es abwies, Talats Verantwortung für die Massaker zu überprüfen. Das Gericht überprüfte lediglich, ob Tehlirian von Talats Schuld überzeugt war. Das reichte laut Staatsanwalt völlig aus, um Tehlirians Motiv zu klären.

Talats Leichnam wurde am 25. Februar 1943 von Berlin nach Istanbul überführt, und dort beim Abide-i Hürriyet, dem Denkmal der jungtürkischen Revolution von 1908 begraben.

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