.Bücher
von Allama Tabatabai finden Sie im Verlag Eslamica.
Mehmed Talat, bekannt als Talat Bey oder Talat Pascha (Talat
Paşa),war Innenminister und
Großwesir der
Osmanen und einer der Anführer der so genannten
Jungtürken.
Talat ist im Juli 1872 n.Chr. in Kardschali im
heutigen Bulagarien, damals zur Provinz
Edirne
gehörend, in sozial ärmeren Verhältnissen geboren. Als
Sechsjähriger erlebte er den Russisch-Türkischen Krieg von
1877/78 n.Chr. und die russische Besetzung seiner Heimat.
Diese Kindheitserlebnisse prägten ihn und legten den Keim für
seine später ausgeprägte nationalistische Ideologie, die er
verbreitete. Während der Studentenzeit schloss er sich dem
nationalistischen Flügel der jungtürkischen Bewegung an, die
eine Rettung des untergehenden
Osmanischen Reichs gegen die Bedrohung durch
imperialistische Großmächte propagierte.
Nach Abschluss des Universitätsstudiums wurde er
Telegrafenbeamter im in den Staatsdienst. Gleichzeitig
entwickelte er sich zu einem führenden Kopf der Jungtürken.
Talat war 1906 n.Chr. Gründungsmitglied der jungtürkischen
Partei Komitee für Einheit und Fortschritt (İttihad ve Terakki
Fırkası) und sorgte dafür, dass die jungtürkische Bewegung um
die Jahrhundertwende zunehmend Anhänger im türkischen
Offizierscorps gewann. Insbesondere zur heimatlichen Garnison
in Thessaloniki hatte er enge Verbindungen und förderte den
Aufstieg des jungen Ismail Enver.
Talat Pascha gehörte der
Freimaurergroßloge der Türkei an und war erster
Großmeister der
Freimaurergroßloge der Türkei. Kritiker werfen ihm vor mit
dem freimaurerischen Denken die
islamische Basis der Türkei zugunsten des Nationalismus
zersetzt zu haben.
Unter der Führung seines Freundes Enver Pascha kam es 1908
n.Chr. in Thessaloniki zur offenen Rebellion, der sich die
Offiziere und Mannschaften anschlossen. Die militärische
Überlegenheit der von Enver Pascha mobilisierten Truppen zwang
die Regierung zum Rücktritt. Am 24. Juli 1908 musste
Abdülhamid II. die Verfassung von 1876 n.Chr. wieder in
Kraft setzen, die Zensur aufheben und eine Amnestie erlassen.
Talat zog als Abgeordneter des Regierungsbezirks Adrianopel
für das "Komitee für Einheit und Fortschritt" in das Parlament
ein. Seine Partei gewann entscheidenden Einfluss auf die neu
gebildete Regierung. Gegen die Machtübernahme der Jungtürken
unternahmen sultanstreue Kräfte am 13. April 1909 einen
Putschversuch, den Truppen unter der Führung Enver Pascha und
Cemal Pascha jedoch nach drei Tagen niederschlugen. Danach
entthronten die Jungtürken
Abdülhamid II. und ersetzten ihn durch seinen Bruder und
Thronfolger
Mehmed V., der Verfassungstreue schwor und die neuen
Machtverhältnisse akzeptierte.
Als politisch führendem Kopf des "Komitees für Einheit und
Fortschritt" gelang es Talat ab 1909 n.Chr., einflussreiche
Positionen im Staat mit Gefolgsleuten zu besetzen. Im Zuge des
Wandels des jungtürkischen Programms trat Talat Pascha 1911
n.Chr. selbst als Innenminister in die Regierung ein und
verschärfte die nationalistische Ausrichtung des Staates. Auf
Grund der militärischen Niederlage im italienisch-türkischen
Krieg, der politischen Verfolgung oppositioneller Kräfte im
Inland und der staatlich sanktionierten Gewaltakte gegen
Bürger, die nicht türkischer Nationalität waren, verloren die
Jungtürken jedoch im Juli 1912 die Macht. Aber schon im Januar
1913 – mitten im Ersten Balkankrieg von 1912/13, der dem
Osmanischen Reich eine neuerliche Niederlage bescherte –
organisierte Talat im Verein mit Enver und Cemal einen Putsch
der Jungtürken gegen die neue schwache Regierung.
Der Putsch verlief erfolgreich, Talât wurde erneut
Innenminister des
Osmanischen Reiches, das er fortan zusammen mit
Kriegsminister Enver Pascha und Marineminister Cemal Pascha in
einem Triumvirat mit nahezu diktatorischen Vollmachten
beherrschte. Anders als die beiden militärischen Führer der
Jungtürken stützte sich Talat auf die Verwaltung des Reiches,
die er seither systematisch mit Vertrauensleuten auch in den
Provinzen durchsetzte, und auf einen ideologisch immer
nationalistischeren Kern des Parteiapparats der jungtürkischen
"Ittihad".
Anders als Enver Pascha, der ein militärisches Bündnis mit
dem Deutschen Kaiserreich anstrebte, trat Talat für eine
neutrale Außenpolitik ein. Mit seinen außenpolitischen
Vorstellungen konnte er sich jedoch nicht durchsetzen, so dass
das
Osmanischen Reich im Herbst 1914 als Verbündeter
Deutschlands und Österreich-Ungarns in den 1. Weltkrieg
eintrat.
Talat, der bis 1917 Innenminister des
Osmanischen Reiches blieb, war als solcher der
Hauptverantwortliche für die nationalistisch motivierte
Vertreibung der Armenier, die vor allem in den Jahren 1915/16
erfolgte. Talat stellte als Innenminister die konkreten
Deportationsbefehle aus, die offiziell als kriegsbedingte
Umsiedlung einer unzuverlässigen Minderheit begründet wurden,
wobei es zu Massakern kam. Es wurde u.a. durch Talât selbst
versucht, seine Verantwortung zu relativieren: Interview im
Berliner Tageblatt (5. Mai 1916): „Unglücklicherweise
gingen schlechte Beamte, in deren Hände die Ausführung dieser
Befehle [Deportation] anvertraut worden war, beim Erledigen
ihrer Pflicht auf die unvernünftigen Ausschreitungen ein.
Diese tragischen Ereignisse haben mich mehr als eine
schlaflose Nacht gekostet.“
In den Jahren 1915 bis 1918 übernahm Talat innerhalb der
Osmanischen Reiches neben dem Amt des Innenministers
zeitweilig weitere Ressorts, darunter die Ministerien der
Finanzen und für Post- und Fernmeldewesen, und agierte auch
als Stellvertreter der abwesenden Kriegs- und Marineminister
Enver Pascha und Cemal Pascha und amtierte Februar 1917 bis
Oktober 1918 als
Großwesir mit dem Titel "Pascha". Er residierte
in der
Talat Pascha Villa (Talat Paşa Konağı). Als sich die
Kriegsniederlage des Hauptverbündeten Deutschland bereits
abzeichnete, musste er am 8. Oktober 1918 zurücktreten, blieb
jedoch bis zur Bildung der neuen Regierung unter dem früheren
Kriegsminister Ahmed Izzet Pascha am 14. Oktober 1918 noch
geschäftsführend im Amt.
Talat Pascha lebte vom 10. November 1918 bis zu seiner
Ermordung am 15. März 1921 unter dem Namen Ali Sai in Berlin.
Ein deutsches U-Boot brachte Talat Pascha, Enver Pascha, Cemal
Pascha, Doktor Nazım, Bahaddin Şakir und Cemal Azmi in der
Nacht vom 2. auf den 3. November 1918 nach Odessa. Talat
Pascha lehnte zunächst die Fluchtpläne seiner Parteifreunde ab
und wollte sich der Rechenschaft stellen. Er wurde allerdings
bald überzeugt, die Rechenschaft auf später zu verschieben,
"sobald das Land frei von ausländischer Kontrolle und Einfluss
ist" (Zitat aus seinem Schreiben vom 2. November 1918 an
seinen Amtsnachfolger Ahmed Izzet Pascha).
Talat Pascha wohnte zunächst für wenige Tage in einem Hotel
am Alexanderplatz, danach in einem Sanatorium in
Neubabelsberg. Nach einiger Zeit hatten Freunde ihm eine
3-Zimmerwohnung in der Hardenbergstraße in Charlottenburg
besorgt. Hier wohnte er mit seiner Frau Hayriye Hanım. Später
zog Doktor Nazım dazu.
Während er unter einer neuen, liberalen und pro-britischen
Regierung in Istanbul 1919 in Abwesenheit zum Tode verurteilt
wurde, arbeitete Talat von Berlin aus an einem politischen
Comeback in der Türkei, wo er die Milizen im türkischen
Befreiungskrieg (Kuvayı Milliye) um Kemal Atatürk
unterstützte, an deren Spitze er sich künftig zu stellen
hoffte.
Der neue Botschafter des
Osmanischen Reiches in Berlin, Rifat Pascha, verlangte von
den deutschen Behörden die Auslieferung Talat Paschas an die
Türkei, nachdem er von dessen Aufenthalt in Berlin erfahren
hatte und versuchte durch den Türkischen Club in Berlin
Stimmung gegen die in Deutschland Asyl suchenden Jungtürken zu
schüren. Die deutschen Behörden kamen dem Ausweisungswunsch
Rifat Paschas allerdings nicht nach.
Am 15. März 1921 erschoss Soghomon Tehlirian Talat Pascha
in der Hardenbergstraße in der Nähe seiner Wohnung. Tehlirian
war Mitglied in dem geheimen armenischen Kommando Operation
Nemesis, das die Täter des Massakers an den Armeniern
verfolgte und tötete. Er wurde im folgenden Mord-Prozess vom
Vorwurf eines Tötungsdeliktes freigesprochen. Er rechtfertigte
das Attentat mit folgenden Worten: „Ich habe den Mörder
meiner Frau und Großeltern gerichtet.“ Deutsche Offiziere,
die der deutschen Militärmission im damaligen
Osmanischen Reich angehörten, wurden verhört und erhoben
Anschuldigungen gegen die Militärführung des
Osmanischen Reichs, wobei der Staatsanwalt es abwies,
Talats Verantwortung für die Massaker zu überprüfen. Das
Gericht überprüfte lediglich, ob Tehlirian von Talats Schuld
überzeugt war. Das reichte laut Staatsanwalt völlig aus, um
Tehlirians Motiv zu klären.
Talats
Leichnam wurde am 25. Februar 1943 von Berlin nach
Istanbul überführt, und dort beim Abide-i Hürriyet, dem
Denkmal der jungtürkischen Revolution von 1908 begraben.