Buchari und Muslim berichteten in ihren
Sahih-Werken beim Thema Vergesslichkeit, dass Abu Huraira
erzählte, der Heilige Prophet Muhammad (s.) habe einstmals
beim Nachtgebet oder beim Nachmittagsgebet nur zwei Rakat
(Gebetsabschnitte) gebetet, dann habe er den Friedensgruß
gesprochen; und dann stand der Prophet auf, ging zur Kanzel im
Vorderteil der Moschee und legte die Hand an einen Pfosten.
Unter den Moscheebesuchern waren Abu Bakr und Umar, aber sie
getrauten sich nicht, deswegen (wegen des unvollständigen
Gebets) den Propheten anzusprechen. Dann stürzten sich die
Leute auf den Propheten, und sie sagten: „Hast du das
Pflichtgebet (Salat) abgekürzt?“ Und ein Mann, dem der Heilige
Prophet (s.) den Namen Dhul-Yadain gegeben hatte, fragte:
„Hast du vergessen, oder hast du abgekürzt?“ Der Heilige
Prophet Muhammad (s.) sagte: „Weder habe ich vergessen, noch
habe ich abgekürzt.“ Dhul-Yadain sagte dazu: „Dann hast du
vergessen!“ Daraufhin sprach der Prophet zwei Rakat
(nachträglich), rezitierte den Friedensgruß, rezitierte dann
die Lobpreisung „Allahu-Akbar“ (Gott ist am Größten) und
verrichtete die Niederwerfung .
Bemerkungen
Dieses Hadith Abu Hurairas enthält eine
Niederwerfung des Propheten wegen Vergesslichkeit; aber dieses
Hadith ist aus mehreren Gründen nicht akzeptabel.
Erstens, solch eine grobe Vergesslichkeit
passiert nur dann, wenn ein Mensch beim Beten gar nicht an das
rituelle Gebet denkt und ganz andere Gedanken hegt. Dies
geschieht bei jenen, die beim Gebete unaufmerksam sind. Gewiss
sind die Propheten Gottes weit entfernt von solchen
Abweichungen, und solch eine Tat der Vergesslichkeit wurde
über gar keinen Propheten jemals gehört, und noch viel weniger
vom größten und letzten Propheten, der über alle solche
Beschuldigungen erhaben ist.
Zweitens, die Hadith Abu Hurairas zeigte,
dass der Heilige Prophet Muhammad (s.) zunächst leugnete, das
Pflichtgebet abgekürzt zu haben oder vergesslich gewesen zu
sein, es in Gänze zu sprechen. Wie konnte er danach zustimmen,
doch vergessen zu haben? Selbst wenn wir es für gegeben
annehmen, dass er von solcher Vergesslichkeit nicht frei ist,
so stimmen alle Muslime überein, dass er sicherlich fern von
Hochmut war und ihm schnelles Daherplaudern gegen eine
Tatsache fern lag.
Drittens, Abu Huraira scheint in diesem
Hadith verwirrt zu sein, da seine Gedanken sich widersprachen.
Einmal sagte er, dass der Heilige Prophet Muhammad (s.) ein
Pflichtgebet darbrachte, entweder das Mittagsgebet oder das
Nachmittagsgebet, oder das Nachtgebet, und dann legte sich Abu
Huraira auf das Asr-Gebet fest. Wieder ein drittes Mal sagte
Abu Huraira: “Als ich gemeinsam mit dem Propheten Gottes
das Mittagsgebet verrichtete!“, und er legte sich auf das
Zuhr-Gebet fest. All diese Versionen sind in den Sahih-Werken
Bucharis und Muslims aufgezeichnet, und die Kommentatoren der
Sahih-Werke fühlen sich sehr verwirrt, die Versionen zu
erklären.
Viertens, dieses Hadith Abu Hurairas
zeigt klar, dass der Heilige Prophet Muhammad (s.) nach den
ersten beiden Gebetsabschnitte (Rakat) seine Gebetsstelle
verließ, zur Kanzel im Vorderteil der Moschee ging, ein
Gespräch mit den Leuten führte, und in dieser Weise endete das
Gebet. Wie konnte er dann das Gebet fortsetzen und nur die
verbleibenden zwei Gebetsabschnitte (Rakat) verrichten,
nachdem die Ungültigkeit des vorigen Gebets klar geworden war?
Fünftens, der Mann, der als Dhul-Yadain
in diesem Hadith genannt wird, ist in Wirklichkeit Susch
Schimalain Ibn Abd Amr, ein Verbündeter der Bani Zuhra, und er
wurde Märtyrer in der Schlacht zu Badr - das war fünf Jahre,
bevor Abu Huraira nach Medina kam und den Islam annahm. Dies
wird vom Oberhaupt der Bani Zuhra, Muhammad bin Muslim Zuhri
bestätigt, wie im Isaba-Buch von Ibn Hadschar Asgalani, im
Istiab und in allen Kommentatoren der beiden Sahih-Werke
Bucharis und Muslims gezeigt wird. Das wird auch von Sauri in
zwei höchst verlässlichen Hadithen bestätigt, die von ihm
erzählt wurden, und von Abu Hanifa, als sie dieses Hadith Abu
Hurairas durchdiskutiert hatten und ein Urteil dagegen
erließen, wie von Nuvi im Kommentar zum Sahih-Werk Muslims
gezeigt wurde. Nisai zeigt ebenfalls, dass Dhul-Yadain mit
Susch Schimalain identisch ist. Der gleiche Punkt wird weiter
von Imam Ahmad in seinem Musnad-Werk, Band 2, Seite 271 und
Seite 284 geklärt.
Es ist auch bemerkenswert, dass die
Version dieses Hadith Abu Hurairas, wie sie von Muslim in
seinem Sahih-Werk, Band 2, Seite 216, genommen wird, diese
Worte Abu Hurairas enthält: „Als ich einst das Zuhr-Gebet
(Mittagsgebet) mit dem Propheten Gottes verrichtete,
rezitierte er den Friedensgruß (Salam) nach zwei
Gebetsabschnitten (Rakat)...“ bis zum Ende des Hadith,
einschließlich des Gesprächs mit Dhul-Yadain usw. Da
Dhul-Yadain in der Badr-Schlacht den Märtyrertod fand, fünf
Jahre, bevor Abu Huraira nach Medina zum Heiligen Propheten
Muhammad (s.) kam und den Islam annahm, ist Abu Hurairas
ganzes Hadith überhaupt nicht glaubhaft.