Abu Huraira

Abu Huraira

Ursache und Wirkung seiner Überlieferungen

Sayyid Abdalhussain Scharaffuddin al-Musawi

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Vorwort

Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen

Die angestrebte und sehr bedeutsame Einheit der Muslime wird teilweise durch Meinungsunterschiede beeinträchtigt, deren Ursprung zumeist in unter­schiedlich bewerteten Überlieferungen (Hadith[1]) und Überlieferern liegt. Einer der bekanntesten und gleichzeitig fragwürdigsten Personen in diesem Zusammenhang ist gleichzeitig jemand, der zum einen behauptet, extrem viele Überlieferungen weitergegeben zu haben, und über den zum anderen gleichzeitig extrem wenig bekannt ist. Mit großer Dankbarkeit wird hier eine sachliche und auf nachprüfbaren Quellen aufgebaute Untersuchung des Lebens Abu Hurairas vorgelegt. Er war ein Zeitgenosse des heiligen Propheten Muhammad (s.[2]).

Dieses Buch ist eine Kurzfassung des arabischen Buches "Abu Huraira", das der große und bekannte Islamgelehrte, Sayyid Abdalhussain Scharaffuddin al-Musawi (Libanon) verfasst hat. Es wurde vollständig überarbeitet und teilweise derart ergänzt, dass es für den deutschsprachigen Leser besser verständlich wird.

Sayyid Musawi erlangte außerordentliche Anerkennung, als er seinen Briefwechsel mit dem Vorsitzenden und Rektor der Al-Azhar Universität in Kairo unter dem Titel "Al-Muradscha´at"[3] veröffentlichte. Der Briefwechsel behandelte Differenzen in der Glaubens­vor­stel­lungen der Schia und der Sunniten-Gemein­schaft im Islam.

Wie der Leser beim Studieren seines Buches zweifelsohne feststellen wird, hat der Autor umfassende Kenntnisse der existierenden islamischen Literatur, angefangen beim Heiligen Qur´an bis hin zu allen bekannten Hadith-Sammlungen, die als Sahihs oder Musnads (Sahiha oder Musnada) bezeichnet werden, u.v.a.m.; der Autor kennt die Kommentare zu den Sahihs und Musnads. Er kennt die Bücher über Hadithe; er kennt die Biographien zu großen Persönlichkeiten des Islam, die Lebensläufe und Charaktere der Überlieferer von Hadithen usw..

Wenn er sich mit einer Persönlichkeit, mit einem Prinzip, oder mit einem Aspekt beschäftigt, scheint er seinen Blick auf alles zu erweitern, was zum Thema existiert - irgendwo in der ganzen Welt - über islamische Literatur. Und Sayyid Musawi berücksichtigt all derartiges Material, bevor er seine Ansichten formt, und er befähigt den Leser zu einer schlussendlichen, eigenen Entscheidung zu kommen. Der Autor besitzt einen geschärften und kritischen Sinn für die vernünftige und logische Betrachtung, wodurch er die Wahrheit nachvollziehbar offen legt, nachdem er sämtliches relevante Material zum Thema studiert hat. Sein Weg der Beweisführung ist so leicht nachvollziehbar, dass er niemals dem Leser seine eigenen Ansichten aufzuzwingen scheint, sondern er führt den Leser durch die Tatsachen, die er aus verschiedenen Quellen gewonnen hat, und Musawi interpretiert sie in einer Weise, dass der Leser aus eigenen freien Stücken und unter der Deutlichkeit der aufgezählten Fakten und Umstände den Schlussfolgerungen des Autoren zustimmen muss.

Wie der Autor selbst klarlegte, wollte er dieses Buch über das Leben Abu Hurairas insbesondere deshalb herausbringen, weil dieser Prophetengefährte mehr als alle anderen eine Unmenge an Hadithen erzählte, ja sogar mehr als alle heiligen Mitglieder der Familie Muhammads (s.) zusammen, und mehr als die ersten Kalifen des Islam zusammen, und mehr als die neun Ehefrauen des Propheten zusammen. Und die Berichte (Hadithe) Abu Hurairas werden sehr oft von sunnitischen Gelehrten und sunnitischen Gesetzexperten (Scharia-Experten) als Quelle für die verschiedenen Doktrinen des Islam zitiert und herangezogen. Daher ist es offensichtlich notwendig, die Echtheit der von Abu Huraira erzählten Hadithe zu prüfen, und dafür ist es notwendig, sein Leben und seinen Charakter zu untersuchen, um seine Verlässlichkeit in dieser wichtigen Angelegenheit zu beurteilen.

Der Autor Musawi behandelt die quantitativen und qualitativen Aspekte der erzählten Hadithe. Bei jedem Aspekt beleuchtet er die Umstände des Lebens Abu Hurairas, wie beispielsweise, wann Abu Huraira den Islam angenommen hat, sowie die Zeitspanne, wann er Gefährte des Propheten Muhammad (s.) war, wie auch den sozialen Status Abu Hurairas, verglichen mit anderen Prophetengefährten. Und damit wird untersucht, ob Abu Huraira bessere Chancen als andere hatte, Worte aus dem Munde des heiligen Propheten Muhammad (s.) zu hören.

Wenn der Autor das Leben Abu Hurairas behandelt, dann teilt er es grob in zwei Teile:

·         sein Leben zur Zeit des heiligen Propheten Muhammad (s.) und zur Zeit der Regierung der ersten vier Kalifen des Islam

·         und sein Leben während der Herrschaft der Umayyaden[4].

In der ersten Zeitspanne seines Lebens war Abu Huraira eine fast unbekannte und unbemerkte Figur; er lebte unter den Leuten der Suffa, d.h. unter den Besitzlosen, die im Zugang der Moschee des Propheten (s.) in Medina hausten; und diese Suffa-Leute lebten von den Almosen und von den Zuwendungen anderer. Offensichtlich hatte er während dieser Zeitspanne keine bessere Chance als seine anderen Suffa-Gefährten, Worte aus dem Munde des heiligen Propheten Muhammad (s.) zu hören, und daher sollte er eigentlich nicht mehr Hadithe als die anderen Suffa-Gefährten gehört haben.

Abu Huraira war in Jemen heimisch, und er kam nach Medina als Konvertit zum Islam, im Jahre der Schlacht vom Chaibar, d.h. im Jahre 7 nach der Hidschra[5]. So genoss er nur für die Jahre danach die Gefährtenschaft des Propheten Muhammad (s.), und auch das nur in einem Zustand der Missachtung durch die Gesellschaft. In der Zeitspanne der ersten vier Kalifen scheint er ebenfalls in einem Zustand der Missachtung verbracht zu haben, und verglichen mit den gut bekannten Persönlichkeiten und Größen jener Tage lebte er fast gemieden.

Muawiya[6] schmiedete Pläne, die volle weltliche Macht über den gesamten islamischen Staat zu erhalten, sie den Händen (des vierten und rechtmäßigen Kalifen) Ali (a.[7]) zu entreißen - und so brachte es die Geschichte mit sich, dass er in Abu Huraira einen Mann entdeckte, der ihm recht gut in seinen Plänen dienen konnte, die ersten drei Kalifen hochzujubeln und die Position Alis (a.) und dessen Anhänger mit allen Tricks zu untergraben, und Muawiya wurde Sponsor und Gönner Abu Hurairas. Und sehr bald kam Abu Huraira aus dem Leben der Düsternis und der Niedrigkeit heraus, und er trat in ein Leben des Ruhmes und des hohen Ansehens.

Es ist bemerkenswert, dass die von Abu Huraira erzählten Hadithe meistens in die Regierungszeit Muawiyas fallen, und viel weniger in die Regierungszeit der ersten drei Kalifen[8]. Das ist offensichtlich darin begründet, dass Muawiya den allgemeinen Befehl gab, dass jedermann, der Hadithe zugunsten der ersten drei Kalifen wisse oder solche Hadithe, welche irgendwie Position und Verdienst Alis (a.) untergraben, hoch belohnt werden sollte. Da er gute Belohnungen und eine hohe Position für das Erzählen von Hadithe bekäme, welche die Forderungen des Herrschers Muawiya erfüllen würden, wurde Abu Huraira angetrieben, all sein Denken auf diese lukrative Aufgabe zu verwenden. Alle von ihm erzählten Hadithe, die er dem heiligen Propheten Muhammad (s.) andichtete, weisen deshalb einen eigentümlichen Konstruktionsstil auf und können leicht als Fabrikation seines eigenen Geistes ausgemacht werden. Außerdem wird durch die kritische Prüfung, die vom Autor des vorliegenden Buches über den quantitativen Aspekt der Hadithe Abu Hurairas geleistet wird, eindrucksvoll nachgewiesen, dass sie bloße Erfindungen sind.

Der Autor Sayyid Musawi beschränkte sich allerdings nicht darauf, eine allgemeine Untersuchung der Zahl oder der Natur der von Abu Huraira erzählten Hadithe durchzuführen, sondern prüfte zudem kritisch vierzig solcher Hadithe detailliert, eines nach dem anderen in allen Einzelheiten, und er gab Hinweise auf anerkannte Autoren, Historiker, Hadith-Experten, Kommentatoren usw. aus ihren Büchern, Werken, Kapiteln und Seiten, was den enormen Umfang seines Studiums und die Tiefe seiner Einsicht einerseits und seine Aufrichtigkeit als forschender Gelehrter andererseits belegt.

Mit dieser kritischen Prüfung der Hadithe Abu Hurairas zeigte der Autor erfolgreich, dass sie nicht allein unglaubwürdig sind, sondern dem Islam und dem heiligen Propheten Muhammad (s.) einen schlechten Ruf einbringen. Denn diese Hadithe sind nicht allein inakzeptabel für die Vernunft, sondern widersprechen auch den allgemein anerkannten Grundlagen und Hauptprinzipien des Islam, wie z.B. jenes Hadith, das aussagt, dass Allah Seinen Fuß in die Hölle setzt, um sie zu füllen, als habe Er Körperglieder und sei aus Teilen zusammengesetzt; oder das Hadith, das besagt, dass der Prophet Moses (a.) den Todesengel verprügelte und ihm ein Auge ausschlug, als ob die Engel Augen haben, die ausgeschlagen werden könnten, und die Propheten Gottes (a.) so unverfroren und ungehorsam gegenüber den Befehlen Gottes seien, dass sie den von Gott zu ihnen geschickten Todesengel schlagen und ihn zurückweisen könnten, ohne dass er das Leben wegnehmen kann, weswegen Gott ihn ja geschickt hatte (siehe die Geschichte dazu im Buch). Es bedarf im Vorwort nicht vieler Worte, um darzulegen, dass derartige Hadithe mit dergleichen Inhalt keinesfalls als echte Aussprüche des heiligen Propheten Muhammad (s.) akzeptiert werden können, zumal die Grundlehre des Islam immer die unbesudelte Einheit Allahs war und ist, sowie dass Engel von menschlichen Schwächen frei sind.

Der Autor beleuchtet am Beispiel von vierzig Hadithen die Einzelheiten, und führt dann zusätzliche Abschnitte zu den wichtigen Merkmalen Abu Hurairas an wie z.B.:

1.       Abu Hurairas Gewohnheit, seine Hadithe so zu erzählen, als habe er sie vom heiligen Propheten Muhammad (s.) direkt gehört, obgleich er sie tatsächlich nicht direkt von ihm gehört haben konnte.

2.       Abu Hurairas Behauptung, er wäre bei gewissen Anlässen dabei gewesen, wiewohl er gemäß bewiesener historischer Tatsachen nicht wirklich dabei war.

3.       Abu Hurairas Hadithe wurden von großen Persönlichkeiten damals, wie Ali (a.), Umar, Aischa usw. abgelehnt.

Es scheint so, dass sich Abu Huraira darüber bewusst war, dass die großen Persönlichkeiten seiner Zeit seine Hadithe kritisierten, und er versuchte dafür eine Erklärung vorzubringen. Der Autor des vorliegenden Buches Sayyid Musawi prüfte Abu Hurairas eigene Ansichten zum Thema und setzt den Lesern ein unvoreingenommenes Bild vor, so dass er selbst zu der Schlussfolgerung gelangen wird, dass die meisten von Abu Huraira erzählten Hadithe nicht die Standards der Glaubwürdigkeit zu erfüllen scheinen, und dass sie daher nicht für wahr genommen werden können.

Es bedarf keiner zusätzlichen Erläuterung, dass bei der Diskussion diverser kniffliger Aspekte der Autor im Original des Gesamtwerks reichlich Meinungen und Tatsachen zitiert oder vorbringt, die von hervorragenden Pionierdenkern in ihren Büchern aufgezeichnet worden sind, welche unter den Muslimen allgemein als Autoritäten anerkannt werden, und die das Fundament der Forschung in islamischen Studien stellen. Wie ein forschender Gelehrter von hohem Rang und Stand, vermied der Autor sorgfältig, irgendeine Meinung ohne beweiskräftige Belege auszudrücken.

Zusätzlich zu den oben aufgelisteten Themen widmet der Autor ein Kapitel den angeblichen Verdiensten Abu Hurairas und beschäftigt sich mit ihnen im gleichen gelehrten Stil, wie er ihn bei den anderen im Buche diskutierten Themen angewandt hat. Er hinterfragt das, was üblicherweise Abu Huraira positiv angeschrieben wird und prüft die Sache kritisch im Lichte historischer Tatsachen und glaubwürdigen Erzählungen. Dieses Kapitel hat den Titel "Die Verdienste Abu Hurairas".

Das vorletzte Kapitel hat den Titel: "Geschichten über Abu Huraira". Darin sammelte der Autor all jene persönlichen Geschichten und Charakterzüge Abu Hurairas, die dazu führen, das Portrait seiner Persönlichkeit zu vervollständigen, und sie zeigen sein wahres Gesicht. Das letzte Kapitel behandelt den Tod Abu Hurairas und seiner Kinder (Erben). Die Berichte über das Totengebet, über das Begräbnis usw. beweisen wiederum die Tatsache, dass Abu Huraira aus dem Zustand des Dunkels herauskam, in dem er während der Amtszeit der ersten vier Kalifen eingehüllt blieb, und er trat in einen Zustand des Ruhmes, Berühmtheit und der Ehre, weil er sich an die umayyadischen Herrscher gehängt hatte, die ihre Gunst über ihn bis über seinen Tod hinaus ausschütteten, und das muss ja seinen Zweck haben. Und der Zweck bestand darin, dass Abu Huraira mit seinen erfundenen Hadithen den Umayyaden diente, denn diese Hadithe waren für ihre politischen und anderen Ziele äußerst brauchbar.

Die Herausgeber und Übersetzer des Buches sind zuversichtlich, dass dieses Buch den Lesern hilft, eine ausgewogene Meinung über den Überlieferer Abu Huraira zu gewinnen, so wie er im Lichte der Aussagen von Historikern, Hadith-Experten, Kommentatoren und Biographen erscheint, und die Leser werden befähigt, für sich selbst zu entscheiden, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, die von Abu Huraira alleine erzählten Hadithe als glaubwürdig anzuerkennen.

Einige arabische Begriffe, die eine feste Bedeutung in der islamischen Literatur tragen, werden im Text benutzt, ohne übersetzt zu werden.

[1]     Als Hadith werden die Überlieferungen zu den Worte und/oder Taten des Propheten Muhammad (s.) bezeichnet, wobei im Einzelfall die Glaubwürdigkeit der Überlieferung strengen Kriterien genügen muss.

[2]     Sallalahu aleyhi wa alihi wa-sallam: Gottes Segnungen und Gruß seien mit ihm und seiner Familie

[3]     Die deutsche Übersetzung des Buches ist im gleichen Verlag erschienen.

[4]     Manchmal wird die Schreibweise „Umayyaden“ verwendet.

[5]     Auswanderung des Propheten (s.) von Mekka nach Medina (die Stadt hieß früher Yathrib). Die Auswanderung ist Beginn der islamischen Zeitrechnung.

[6]     Der spätere fünfte Kalif, der vorher gegen Imam Ali (a.) zu Felde gezogen war

[7]     Aleyhi/aleyha/aleyhumma salam – Der Frieden sei mit ihm/ihr/ihnen, Anm. d. Übers.

[8]     Abu Bakr, Umar, Uthman

 

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