Vorwort
Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen
Die angestrebte und sehr bedeutsame
Einheit der Muslime wird teilweise durch Meinungsunterschiede
beeinträchtigt, deren Ursprung zumeist in unterschiedlich
bewerteten Überlieferungen (Hadith)
und Überlieferern liegt. Einer der bekanntesten und
gleichzeitig fragwürdigsten Personen in diesem Zusammenhang
ist gleichzeitig jemand, der zum einen behauptet, extrem viele
Überlieferungen weitergegeben zu haben, und über den zum
anderen gleichzeitig extrem wenig bekannt ist. Mit großer
Dankbarkeit wird hier eine sachliche und auf nachprüfbaren
Quellen aufgebaute Untersuchung des Lebens Abu Hurairas
vorgelegt. Er war ein Zeitgenosse des heiligen Propheten
Muhammad (s.).
Dieses Buch ist eine Kurzfassung des
arabischen Buches "Abu Huraira", das der große und bekannte
Islamgelehrte, Sayyid Abdalhussain Scharaffuddin al-Musawi
(Libanon) verfasst hat. Es wurde vollständig überarbeitet und
teilweise derart ergänzt, dass es für den deutschsprachigen
Leser besser verständlich wird.
Sayyid Musawi erlangte außerordentliche
Anerkennung, als er seinen Briefwechsel mit dem Vorsitzenden
und Rektor der Al-Azhar Universität in Kairo unter dem Titel "Al-Muradscha´at"
veröffentlichte. Der Briefwechsel behandelte Differenzen in
der Glaubensvorstellungen der Schia und der
Sunniten-Gemeinschaft im Islam.
Wie der Leser beim Studieren seines
Buches zweifelsohne feststellen wird, hat der Autor umfassende
Kenntnisse der existierenden islamischen Literatur, angefangen
beim Heiligen Qur´an bis hin zu allen bekannten
Hadith-Sammlungen, die als Sahihs oder Musnads (Sahiha oder
Musnada) bezeichnet werden, u.v.a.m.; der Autor kennt die
Kommentare zu den Sahihs und Musnads. Er kennt die Bücher über
Hadithe; er kennt die Biographien zu großen Persönlichkeiten
des Islam, die Lebensläufe und Charaktere der Überlieferer von
Hadithen usw..
Wenn er sich mit einer Persönlichkeit,
mit einem Prinzip, oder mit einem Aspekt beschäftigt, scheint
er seinen Blick auf alles zu erweitern, was zum Thema
existiert - irgendwo in der ganzen Welt - über islamische
Literatur. Und Sayyid Musawi berücksichtigt all derartiges
Material, bevor er seine Ansichten formt, und er befähigt den
Leser zu einer schlussendlichen, eigenen Entscheidung zu
kommen. Der Autor besitzt einen geschärften und kritischen
Sinn für die vernünftige und logische Betrachtung, wodurch er
die Wahrheit nachvollziehbar offen legt, nachdem er sämtliches
relevante Material zum Thema studiert hat. Sein Weg der
Beweisführung ist so leicht nachvollziehbar, dass er niemals
dem Leser seine eigenen Ansichten aufzuzwingen scheint,
sondern er führt den Leser durch die Tatsachen, die er aus
verschiedenen Quellen gewonnen hat, und Musawi interpretiert
sie in einer Weise, dass der Leser aus eigenen freien Stücken
und unter der Deutlichkeit der aufgezählten Fakten und
Umstände den Schlussfolgerungen des Autoren zustimmen muss.
Wie der Autor selbst klarlegte, wollte er
dieses Buch über das Leben Abu Hurairas insbesondere deshalb
herausbringen, weil dieser Prophetengefährte mehr als alle
anderen eine Unmenge an Hadithen erzählte, ja sogar mehr als
alle heiligen Mitglieder der Familie Muhammads (s.) zusammen,
und mehr als die ersten Kalifen des Islam zusammen, und mehr
als die neun Ehefrauen des Propheten zusammen. Und die
Berichte (Hadithe) Abu Hurairas werden sehr oft von
sunnitischen Gelehrten und sunnitischen Gesetzexperten (Scharia-Experten)
als Quelle für die verschiedenen Doktrinen des Islam zitiert
und herangezogen. Daher ist es offensichtlich notwendig, die
Echtheit der von Abu Huraira erzählten Hadithe zu prüfen, und
dafür ist es notwendig, sein Leben und seinen Charakter zu
untersuchen, um seine Verlässlichkeit in dieser wichtigen
Angelegenheit zu beurteilen.
Der Autor Musawi behandelt die
quantitativen und qualitativen Aspekte der erzählten Hadithe.
Bei jedem Aspekt beleuchtet er die Umstände des Lebens Abu
Hurairas, wie beispielsweise, wann Abu Huraira den Islam
angenommen hat, sowie die Zeitspanne, wann er Gefährte des
Propheten Muhammad (s.) war, wie auch den sozialen Status Abu
Hurairas, verglichen mit anderen Prophetengefährten. Und damit
wird untersucht, ob Abu Huraira bessere Chancen als andere
hatte, Worte aus dem Munde des heiligen Propheten Muhammad
(s.) zu hören.
Wenn der Autor das Leben Abu Hurairas
behandelt, dann teilt er es grob in zwei Teile:
·
sein Leben zur Zeit des heiligen Propheten
Muhammad (s.) und zur Zeit der Regierung der ersten vier
Kalifen des Islam
·
und sein Leben während der Herrschaft der
Umayyaden.
In der ersten Zeitspanne seines Lebens
war Abu Huraira eine fast unbekannte und unbemerkte Figur; er
lebte unter den Leuten der Suffa, d.h. unter den Besitzlosen,
die im Zugang der Moschee des Propheten (s.) in Medina
hausten; und diese Suffa-Leute lebten von den Almosen und von
den Zuwendungen anderer. Offensichtlich hatte er während
dieser Zeitspanne keine bessere Chance als seine anderen
Suffa-Gefährten, Worte aus dem Munde des heiligen Propheten
Muhammad (s.) zu hören, und daher sollte er eigentlich nicht
mehr Hadithe als die anderen Suffa-Gefährten gehört haben.
Abu Huraira war in Jemen heimisch, und er
kam nach Medina als Konvertit zum Islam, im Jahre der Schlacht
vom Chaibar, d.h. im Jahre 7 nach der Hidschra.
So genoss er nur für die Jahre danach die Gefährtenschaft des
Propheten Muhammad (s.), und auch das nur in einem Zustand der
Missachtung durch die Gesellschaft. In der Zeitspanne der
ersten vier Kalifen scheint er ebenfalls in einem Zustand der
Missachtung verbracht zu haben, und verglichen mit den gut
bekannten Persönlichkeiten und Größen jener Tage lebte er fast
gemieden.
Muawiya
schmiedete Pläne, die volle weltliche Macht über den gesamten
islamischen Staat zu erhalten, sie den Händen (des vierten und
rechtmäßigen Kalifen) Ali (a.)
zu entreißen - und so brachte es die Geschichte mit sich, dass
er in Abu Huraira einen Mann entdeckte, der ihm recht gut in
seinen Plänen dienen konnte, die ersten drei Kalifen
hochzujubeln und die Position Alis (a.) und dessen Anhänger
mit allen Tricks zu untergraben, und Muawiya wurde Sponsor und
Gönner Abu Hurairas. Und sehr bald kam Abu Huraira aus dem
Leben der Düsternis und der Niedrigkeit heraus, und er trat in
ein Leben des Ruhmes und des hohen Ansehens.
Es ist bemerkenswert, dass die von Abu
Huraira erzählten Hadithe meistens in die Regierungszeit
Muawiyas fallen, und viel weniger in die Regierungszeit der
ersten drei Kalifen.
Das ist offensichtlich darin begründet, dass Muawiya den
allgemeinen Befehl gab, dass jedermann, der Hadithe zugunsten
der ersten drei Kalifen wisse oder solche Hadithe, welche
irgendwie Position und Verdienst Alis (a.) untergraben, hoch
belohnt werden sollte. Da er gute Belohnungen und eine hohe
Position für das Erzählen von Hadithe bekäme, welche die
Forderungen des Herrschers Muawiya erfüllen würden, wurde Abu
Huraira angetrieben, all sein Denken auf diese lukrative
Aufgabe zu verwenden. Alle von ihm erzählten Hadithe, die er
dem heiligen Propheten Muhammad (s.) andichtete, weisen
deshalb einen eigentümlichen Konstruktionsstil auf und können
leicht als Fabrikation seines eigenen Geistes ausgemacht
werden. Außerdem wird durch die kritische Prüfung, die vom
Autor des vorliegenden Buches über den quantitativen Aspekt
der Hadithe Abu Hurairas geleistet wird, eindrucksvoll
nachgewiesen, dass sie bloße Erfindungen sind.
Der Autor Sayyid Musawi beschränkte sich
allerdings nicht darauf, eine allgemeine Untersuchung der Zahl
oder der Natur der von Abu Huraira erzählten Hadithe
durchzuführen, sondern prüfte zudem kritisch vierzig solcher
Hadithe detailliert, eines nach dem anderen in allen
Einzelheiten, und er gab Hinweise auf anerkannte Autoren,
Historiker, Hadith-Experten, Kommentatoren usw. aus ihren
Büchern, Werken, Kapiteln und Seiten, was den enormen Umfang
seines Studiums und die Tiefe seiner Einsicht einerseits und
seine Aufrichtigkeit als forschender Gelehrter andererseits
belegt.
Mit dieser kritischen Prüfung der Hadithe
Abu Hurairas zeigte der Autor erfolgreich, dass sie nicht
allein unglaubwürdig sind, sondern dem Islam und dem heiligen
Propheten Muhammad (s.) einen schlechten Ruf einbringen. Denn
diese Hadithe sind nicht allein inakzeptabel für die Vernunft,
sondern widersprechen auch den allgemein anerkannten
Grundlagen und Hauptprinzipien des Islam, wie z.B. jenes
Hadith, das aussagt, dass Allah Seinen Fuß in die Hölle setzt,
um sie zu füllen, als habe Er Körperglieder und sei aus Teilen
zusammengesetzt; oder das Hadith, das besagt, dass der Prophet
Moses (a.) den Todesengel verprügelte und ihm ein Auge
ausschlug, als ob die Engel Augen haben, die ausgeschlagen
werden könnten, und die Propheten Gottes (a.) so unverfroren
und ungehorsam gegenüber den Befehlen Gottes seien, dass sie
den von Gott zu ihnen geschickten Todesengel schlagen und ihn
zurückweisen könnten, ohne dass er das Leben wegnehmen kann,
weswegen Gott ihn ja geschickt hatte (siehe die Geschichte
dazu im Buch). Es bedarf im Vorwort nicht vieler Worte, um
darzulegen, dass derartige Hadithe mit dergleichen Inhalt
keinesfalls als echte Aussprüche des heiligen Propheten
Muhammad (s.) akzeptiert werden können, zumal die Grundlehre
des Islam immer die unbesudelte Einheit Allahs war und ist,
sowie dass Engel von menschlichen Schwächen frei sind.
Der Autor beleuchtet am Beispiel von
vierzig Hadithen die Einzelheiten, und führt dann zusätzliche
Abschnitte zu den wichtigen Merkmalen Abu Hurairas an wie
z.B.:
1.
Abu Hurairas Gewohnheit, seine Hadithe so zu erzählen,
als habe er sie vom heiligen Propheten Muhammad (s.) direkt
gehört, obgleich er sie tatsächlich nicht direkt von ihm
gehört haben konnte.
2.
Abu Hurairas Behauptung, er wäre bei gewissen Anlässen
dabei gewesen, wiewohl er gemäß bewiesener historischer
Tatsachen nicht wirklich dabei war.
3.
Abu Hurairas Hadithe wurden von großen Persönlichkeiten
damals, wie Ali (a.), Umar, Aischa usw. abgelehnt.
Es scheint so, dass sich Abu Huraira
darüber bewusst war, dass die großen Persönlichkeiten seiner
Zeit seine Hadithe kritisierten, und er versuchte dafür eine
Erklärung vorzubringen. Der Autor des vorliegenden Buches
Sayyid Musawi prüfte Abu Hurairas eigene Ansichten zum Thema
und setzt den Lesern ein unvoreingenommenes Bild vor, so dass
er selbst zu der Schlussfolgerung gelangen wird, dass die
meisten von Abu Huraira erzählten Hadithe nicht die Standards
der Glaubwürdigkeit zu erfüllen scheinen, und dass sie daher
nicht für wahr genommen werden können.
Es bedarf keiner zusätzlichen
Erläuterung, dass bei der Diskussion diverser kniffliger
Aspekte der Autor im Original des Gesamtwerks reichlich
Meinungen und Tatsachen zitiert oder vorbringt, die von
hervorragenden Pionierdenkern in ihren Büchern aufgezeichnet
worden sind, welche unter den Muslimen allgemein als
Autoritäten anerkannt werden, und die das Fundament der
Forschung in islamischen Studien stellen. Wie ein forschender
Gelehrter von hohem Rang und Stand, vermied der Autor
sorgfältig, irgendeine Meinung ohne beweiskräftige Belege
auszudrücken.
Zusätzlich zu den oben aufgelisteten
Themen widmet der Autor ein Kapitel den angeblichen
Verdiensten Abu Hurairas und beschäftigt sich mit ihnen im
gleichen gelehrten Stil, wie er ihn bei den anderen im Buche
diskutierten Themen angewandt hat. Er hinterfragt das, was
üblicherweise Abu Huraira positiv angeschrieben wird und prüft
die Sache kritisch im Lichte historischer Tatsachen und
glaubwürdigen Erzählungen. Dieses Kapitel hat den Titel "Die
Verdienste Abu Hurairas".
Das vorletzte Kapitel hat den Titel: "Geschichten
über Abu Huraira". Darin sammelte der Autor all jene
persönlichen Geschichten und Charakterzüge Abu Hurairas, die
dazu führen, das Portrait seiner Persönlichkeit zu
vervollständigen, und sie zeigen sein wahres Gesicht. Das
letzte Kapitel behandelt den Tod Abu Hurairas und seiner
Kinder (Erben). Die Berichte über das Totengebet, über das
Begräbnis usw. beweisen wiederum die Tatsache, dass Abu
Huraira aus dem Zustand des Dunkels herauskam, in dem er
während der Amtszeit der ersten vier Kalifen eingehüllt blieb,
und er trat in einen Zustand des Ruhmes, Berühmtheit und der
Ehre, weil er sich an die umayyadischen Herrscher gehängt
hatte, die ihre Gunst über ihn bis über seinen Tod hinaus
ausschütteten, und das muss ja seinen Zweck haben. Und der
Zweck bestand darin, dass Abu Huraira mit seinen erfundenen
Hadithen den Umayyaden diente, denn diese Hadithe waren für
ihre politischen und anderen Ziele äußerst brauchbar.
Die Herausgeber und Übersetzer des Buches
sind zuversichtlich, dass dieses Buch den Lesern hilft, eine
ausgewogene Meinung über den Überlieferer Abu Huraira zu
gewinnen, so wie er im Lichte der Aussagen von Historikern,
Hadith-Experten, Kommentatoren und Biographen erscheint, und
die Leser werden befähigt, für sich selbst zu entscheiden, ob
es überhaupt gerechtfertigt ist, die von Abu Huraira alleine
erzählten Hadithe als glaubwürdig anzuerkennen.
Einige arabische Begriffe, die eine feste
Bedeutung in der islamischen Literatur tragen, werden im Text
benutzt, ohne übersetzt zu werden.