Al-Mizan - Auslegung des
Qur’an
Biographische Notizen über den Autor
Der Autor der vorliegenden Erläuterungen
des Heiligen Qur´an Allama Sayyid Muhammad Husain Tabatabai
war einer der größten Gelehrten, Denker, Philosophen und
Mystiker des Islam im 20. Jahrhundert n.Chr..
Er wurde 1892 in der Stadt Täbris,
Aserbaidschan, im Nordwesten Irans als Sohn einer großen
Gelehrtenfamilie geboren, die von der Nachkommenschaft des
heiligen Propheten abstammt. Im Alter von vier Jahren verlor
er seinen Vater und mit neun Jahren seine Mutter.
Nach einer grundlegenden Schulausbildung
begann er 1918 mit dem Studium von Theologie und Arabisch, das
eine Ausbildung in Grammatik, Rhetorik, Rechtssprechung,
Rechtsprinzipien, Logik und Philosophie beinhaltete. 1925 ging
er nach Nadschaf, Irak, dem damals wichtigsten Zentrum
schiitischer Gelehrsamkeit. Dort begann er seine höheren
Studien unter Lehrern wie Sayyid Mīrzā al Qāḍī
Ṭabāṭabā´ī
(in Gnosis, spirituellem und ethischen Training), Scheich
Mīrzā Muḥammad
Ḥusayn Nā'inī und
Scheich Muḥammad
Ḥusain Iṣfahānī
(in Rechtsprinzipien and Rechtssprechung), Sayyid
Abu'l-Qāsim Chwānsārī (in Mathematik) und Sayyid
Ḥusain Bādkubī
(in Philosophie).
Nā´inī und Iṣfahānī
galten als die einflussreichsten Lehrer ihrer Zeit, nicht
nur im Bereich der schiitische Rechtsprinzipien und
Rechtssprechung, sondern auch in allen anderen islamischen
Fächern. Sie bildeten tausende von schiitischen Gelehrten aus
und beeinflussten deren Denken durch ihre Theorien maßgeblich.
Iṣfahānī war
außerdem bekannt als großer Philosoph und Poet der persischen
und arabischen Sprache, während Nā´inī vor allem auch
durch seine Auffassungen in Bezug auf den politischen und
sozialen Bereich der islamischen Umma einen unvergesslichen
Eindruck bei seinen Schülern hinterließ.
Letzterer Lehrer Bādkubī, der
selbst Schüler der zwei größten Meister dieser Zeit auf dem
Gebiet der Philosophie war, unterstützte und förderte
Ṭabāṭabā´ī
in seiner originellen Denkweise und lehrte ihn klassische
Texte wie Ibn Sinas (Avicennas) „Schīfā“, die „Asfār“
von Mulla Sadra Schīrāzī oder das „Tamhīd al-qawā'id“
von
Ibn Turkah.
All diese großen Meister
unterschiedlicher Fächer beeinflussten die Denkweise und
Persönlichkeit von Ṭabāṭabā´ī
und erzeugten in ihm ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen
Wissenschaft und Spiritualität. So wurde er bald selbst zu
einem der wichtigsten und einflussreichsten Lehrer und
Autoritäten, und zwar nicht nur im Bereich der Fundamente des
Glaubens und der Rechtsprinzipien, sondern auch als
eigenständig und originell denkender Philosoph und als
ethisches und spirituelles Vorbild im Bereich der Theorie und
der Praxis. Denn sein Denken, sein Lehren und sein Handeln
bildeten in jeder Hinsicht eine vollkommene Einheit.
Nach seiner Rückkehr nach Täbris 1935, wo
er gut zehn Jahre unterrichtete und arbeitete, wanderte er
schließlich 1946 nach Qum aus, dem bis heute wichtigsten
geistig intellektuellen Zentrum der Schiiten im Iran. Hier
begann er höhere Studenten nicht nur in Tafsīr – der
Interpretation und Exegese des Heiligen Qur´an – zu
unterrichten sondern auch in Fächern der islamischen
Philosophie und Theosophie, die durch ihn wieder zu zentralen
und lebendigen Fächern an den theologischen Schulen wurden.
Bald zog er die intelligentesten und
kompetentesten Schüler seiner Zeit in seinen Bannkreis, die
später sowohl in politischen, als auch in philosophischen und
mystischen Sphären selbst zu bedeutenden Denkern und Gelehrten
werden sollten. Unter anderem zählten zu seinen Schülern
Ayatollah Schahid Muḥammad
Ḥusaynī Beheschtī
und Schahid Murtaḍā
Muṭahharī, zwei
wichtige Vordenker und Akteure der islamischen Renaissance,
die auch zur Revolution im Iran 1979 führen sollte.
Andererseits studierten auch bedeutende Denker im Bereich der
Philosophie und komparativen Gnosis bei ihm, wie der
französische Philosoph Henri Corbin und Sayyid
Ḥossein Nasr, die
er nicht nur in den klassischen Texten islamischer Mystik
unterrichtete, sondern auch in den Texten und Lehren anderer
großer Religionen wie dem Tao Te Ching, den Upanischaden oder
dem Johannesevangelium.
Allama
Tabatabai war auch einer der ersten islamischen
Geistlichen, die sich mit den philosophischen Fundamenten der
damals in Mode gekommenen Strömungen des Marxismus und des
dialektischen Materialismus auseinandersetzte und somit einer
aufkeimenden Generation moderner Denker und Gelehrten aus
islamischer Perspektive Antworten auf diese Denkschulen bieten
konnte.
Allama
Tabatabai starb schließlich 1981 in Qum, wo er bis
zuletzt damit beschäftigt war zu lernen und sein Wissen
weiterzugeben. Neben zahlreichen Schriften, die er der
Nachwelt hinterlassen hat, ist sein bedeutendstes Werk eine
vollständige und umfangreiche Erläuterung des Heiligen Qur´an,
al-Mīzān fīy Tafsīri´l-Qur´ān, ein Werk das im
arabischen Original 20 Bände umfasst. Dieses Werk ist wohl
auch der beste Ausdruck seiner akademischen Karriere, seiner
einzigartigen Denkweise und seines umfangreichen Wissens in
unterschiedlichsten Fächern. Die Einzigartigkeit der Methode,
die er dabei anwandte und die er im Vorwort des ersten Bandes
von al-Mīzān beschrieben hat, besteht darin, dass er
den Heiligen Qur´an durch den Qur´an selbst sprechen lässt,
sowie er es auf Basis der Aussagen des Propheten (s.)
und dessen Nachkommenschaft (a.),
als einzig korrekte Methode der Qur´an-Auslegung verstanden
hatte.