Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Brief Pierre Lotis an Plumkett

Lorient, April 1878.

Ich verbringe recht traurige Tage, mein lieber Plumkett, unendlich langsam entschwindende Tage mit düsteren, sterbensbangen Abenden.

Zwar habe ich noch Bruder Yves bei mir, aber er ist nicht mehr der tolle Junge, der Sprünge macht: Unsere Freunde, die »Brüder von der Küste«, sind alle verstreut, haben sich eingeschifft; der »Lamotte Picquet« hat unsere letzten nach der Südsee entführt.

So gibt es denn keine Seeräuberbande mehr, keine nächtlichen Tumulte, und Mutter Hollichon wird nicht mehr der Ehre teilhaftig, uns in ihrer Herberge bewirten zu dürfen.

An manchem Abend, wenn die Stadt in die noch kalten Nebel des April versank, hat man uns beide, Yves und mich, im Matrosengewand die dunkle Straße hinabwandern gesehen; wir bogen zum Kai ein und überschritten die Brücke des Kanals. Dann betraten wir sein Heim und saßen dort den Abend lang vor dem flackernden Feuer, während Marie, seine Frau, ihre breiten weißen Kragen plättete und kleine Häubchen nähte für ihr kommendes erstes Kind.

Seit dem tragischen Schreiben, das ich am 7. März erhielt, bin ich ohne Nachricht von Aziyadé, und jetzt, da Achmet tot ist, ist auch jede Verbindung zwischen uns abgeschnitten.

Ich habe es mit einer Menge von Mitteln versucht, schrieb eine Menge türkischer und französischer Briefe an eine Menge von Leuten, und erhielt keinerlei Aufschlüsse.

Ich hatte meine letzte Hoffnung auf einen, namens Pogarritz gesetzt, einen tapferen Jungen, meinen dortigen treuen Freund. Doch habe ich erfahren, daß er in ein Bataillon ungarischer Freiwilliger eintrat, und daß auch er von einer russischen Kugel getötet worden ist.

Die Zeit vergeht, ich weiß nicht mehr, was tun. Ich träume davon, nach dem Orient zurückzugehen, und der Boden brennt mir unter den Füßen ...

Wehe Angst schnürt mir das Herz zusammen, wenn ich »ihrer« gedenke. Ich liebe sie tief, das schwöre ich Ihnen, – ich liebe sie anders als in den ersten Tagen. Ich würde freudig Jahre meines Lebens darum geben, könnte mich noch einmal einer ihrer kleinen Briefe erreichen, die so schwer zu entziffern waren und so unleserlich ... Ich würde vor Freude weinen, wenn ich einen erhielte ...

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de