Budin
Am Tage unseres Aufbruches von Szegedin schickten sie schon
früh morgens die nötigen Wagen und Pferde nach unserem
Gasthaus, und außerdem kamen nun auch alle Honoratioren der
Stadt zu uns. Indem sie darüber, dass wir ihrer auf obige Art
beschriebenen Einladung gefolgt waren, ihre freudige
Zufriedenheit bezeigten, gaben sie uns auf besonders höfliche
Weise das Geleit, wobei sie bis zur Stadt hinaus mitzogen.
Weil die Pferde des Bezirks Szegedin stark und kräftig
waren, so wurde nach Zurücklegung von vier Poststationen noch
an demselben Abend der Kecskemet genannte Flecken erreicht. Da
die Einwohner dieses Fleckens gleichfalls von ungarischem
Stamme sind, so empfingen sie uns wie die Einwohner Szegedins
und brachten uns mit Freudenbezeugungen und lebhafter Erregung
nach unserem Gasthause. Dann ließen sie dort von den
Honoratioren der Stadt einige Sprache kundige bei uns. Während
der Unterhaltung sagten sie: „Wenn auf früheren Feldzügen das
kaiserlich osmanische Heer in diese Gegend kam, so erlangte
die Einwohnerschaft unseres Fleckes durch schnellen Gehorsam
gegen den osmanischen Staat vor allen anderen freundliche
Behandlung und gütiges Entgegenkommen, so dass sogar der
derzeitige Generalissimus, der selige Sülejman Pascha aus
Bosnien, sich wegen des Schutzes dieser Bevölkerung
schriftlich an den von Tschingiz abstammenden, in diese Gegend
beauftragten Seadetgiraj Sultan wandte. Der Brief, den er
sandte, wird noch in unserem Archiv aufbewahrt, und falls ihr,
um unsere Gegend zu betrachten, euch bemühen wollt, so werden
wir auch ins Archiv kommen und euch diesen Brief zeigen."
Damit ließen sie uns in eine Kutsche steigen und brachten
uns nach einer Spazierfahrt durch ihre Weinberge und
Blumengärten nach ihrem Archiv Nachdem wir dort von dem
dargebotenen Zuckerwerk und Obst genossen hatten, zeigten sie
uns den in einem roten Atlasbeutel aufbewahrten Brief des
erwähnten Generalissimus, einen hohen Befehl, Jer anordnete,
dass die Armen der Bevölkerung nicht mehr durch hohe
Tribut-Forderungen gequält und in Furcht gesetzt werden
sollten. Er trug das Datum des Jahres 1097 [= 1685 christl.
Zeit] und war in der Gegend Belgrads geschrieben und an den
Statthalter von Budin gerichtet. Sie sagten: „Dieser Schatz
ist uns ein Andenken an das osmanische Reich." Dabei konnte
man sehen, wie sie voll freudig stolzer Erregung waren.
Nachdem auch in dem erwähnten Flecken eine Nacht gelastet
worden war, wurde nach Passieren der Orkeni und Soroksar
genannten Flecken in drei Tagen die Stadt Budin erreicht.
Diese Stadt liegt auf dem rechten und linken Ufer der Donau
und besteht aus den Pest und Ofen genannten beiden Städten.
Sie ist eine bedeutende Stadt, mit langgestreckten Ufern
gleich den Villen am Bosporus sich an der Donau ausdehnend. In
ihr sind angenehme warme Quellen. Bei unserem Eintritt in
diese Stadt kamen die Spitzen der Regierung Ungarns zu uns.
Mit ihnen kam auch von Seiten des Prinz Coburg genannten
Generals, der während der Feldzüge Feldmarschall der
Österreicher war, ein Kolonel mit Namen Koloran.
Sie sagten: "Ihr Freund, der General, entbietet Ihnen
seinen Gruß und hat uns zu Ihrem Dienste bestimmt. Um mit
Ihnen Zusammensein zu können, bittet er, dass Sie einen Tag in
Budin Aufenthalt nehmen." Wir fassten deshalb den
unvermeidlichen Entschluss, die Reise zu unterbrechen und in
Budin einen Tag zu verweilen. Am folgenden Tage kam von dem
erwähnten General ein besonderer Überbringer einer Einladung
mit einer Kutsche, und mit den Worten: „Der General, Ihr
Freund, erwartet Sie", nahm er uns und brachte uns nach dem im
Innern der Festung gelegenen Konak des Generals. Wir
erreichten das Seraj. Beim Hinaufsteigen wurden wir an der Tür
des Vorraumes empfangen und in sein Privatgemach geführt, wo
sich eine aus Herren und Damen bestehende Gesellschaft befand.
Indem man uns dort Süßigkeiten mit Kaffee und Zuckerwerk
darreichte, erwies man uns Freundschafts- und
Gunstbezeugungen.
Zu Anfang der 1170er Jahre begann die ungarische Königin
Maria Theresia mit dem Bau des erwähnten Serajs für ihren
verstorbenen Sohn, den vormaligen österreichischen Kaiser
Joseph'us, mit der Absicht, ihn in Budin auf den Thron zu
setzen, um so das Königreich Ungarn in seiner Hand zu sichern.
Da sie jedoch bei dem Herannahen der preußischen Feldzüge und
der hemmenden Wirkung einiger Zufälligkeiten jenen Zweck nicht
verwirklichen konnte, so stockte der Bau. Nun erschien es
jedoch nicht angemessen, ihn so unvollendet liegen zu lassen,
deshalb wurde er nach Beendigung der Feldzüge fertiggestellt,
befestigt und zur Wohnung und Residenz der Regenten Budins
bestimmt.