Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Budin

Am Tage unseres Aufbruches von Szegedin schickten sie schon früh morgens die nötigen Wagen und Pferde nach unserem Gasthaus, und außerdem kamen nun auch alle Honoratioren der Stadt zu uns. Indem sie darüber, dass wir ihrer auf obige Art beschriebenen Einladung gefolgt waren, ihre freudige Zufriedenheit bezeigten, gaben sie uns auf besonders höfliche Weise das Geleit, wobei sie bis zur Stadt hinaus mitzogen.

Weil die Pferde des Bezirks Szegedin stark und kräftig waren, so wurde nach Zurücklegung von vier Poststationen noch an demselben Abend der Kecskemet genannte Flecken erreicht. Da die Einwohner dieses Fleckens gleichfalls von ungarischem Stamme sind, so empfingen sie uns wie die Einwohner Szegedins und brachten uns mit Freudenbezeugungen und lebhafter Erregung nach unserem Gasthause. Dann ließen sie dort von den Honoratioren der Stadt einige Sprache kundige bei uns. Während der Unterhaltung sagten sie: „Wenn auf früheren Feldzügen das kaiserlich osmanische Heer in diese Gegend kam, so erlangte die Einwohnerschaft unseres Fleckes durch schnellen Gehorsam gegen den osmanischen Staat vor allen anderen freundliche Behandlung und gütiges Entgegenkommen, so dass sogar der derzeitige Generalissimus, der selige Sülejman Pascha aus Bosnien, sich wegen des Schutzes dieser Bevölkerung schriftlich an den von Tschingiz abstammenden, in diese Gegend beauftragten Seadetgiraj Sultan wandte. Der Brief, den er sandte, wird noch in unserem Archiv aufbewahrt, und falls ihr, um unsere Gegend zu betrachten, euch bemühen wollt, so werden wir auch ins Archiv kommen und euch diesen Brief zeigen."

Damit ließen sie uns in eine Kutsche steigen und brachten uns nach einer Spazierfahrt durch ihre Weinberge und Blumengärten nach ihrem Archiv Nachdem wir dort von dem dargebotenen Zuckerwerk und Obst genossen hatten, zeigten sie uns den in einem roten Atlasbeutel aufbewahrten Brief des erwähnten Generalissimus, einen hohen Befehl, Jer anordnete, dass die Armen der Bevölkerung nicht mehr durch hohe Tribut-Forderungen gequält und in Furcht gesetzt werden sollten. Er trug das Datum des Jahres 1097 [= 1685 christl. Zeit] und war in der Gegend Belgrads geschrieben und an den Statthalter von Budin gerichtet. Sie sagten: „Dieser Schatz ist uns ein Andenken an das osmanische Reich." Dabei konnte man sehen, wie sie voll freudig stolzer Erregung waren. Nachdem auch in dem erwähnten Flecken eine Nacht gelastet worden war, wurde nach Passieren der Orkeni und Soroksar genannten Flecken in drei Tagen die Stadt Budin erreicht.

Diese Stadt liegt auf dem rechten und linken Ufer der Donau und besteht aus den Pest und Ofen genannten beiden Städten. Sie ist eine bedeutende Stadt, mit langgestreckten Ufern gleich den Villen am Bosporus sich an der Donau ausdehnend. In ihr sind angenehme warme Quellen. Bei unserem Eintritt in diese Stadt kamen die Spitzen der Regierung Ungarns zu uns. Mit ihnen kam auch von Seiten des Prinz Coburg genannten Generals, der während der Feldzüge Feldmarschall der Österreicher war, ein Kolonel mit Namen Koloran.

Sie sagten: "Ihr Freund, der General, entbietet Ihnen seinen Gruß und hat uns zu Ihrem Dienste bestimmt. Um mit Ihnen Zusammensein zu können, bittet er, dass Sie einen Tag in Budin Aufenthalt nehmen." Wir fassten deshalb den unvermeidlichen Entschluss, die Reise zu unterbrechen und in Budin einen Tag zu verweilen. Am folgenden Tage kam von dem erwähnten General ein besonderer Überbringer einer Einladung mit einer Kutsche, und mit den Worten: „Der General, Ihr Freund, erwartet Sie", nahm er uns und brachte uns nach dem im Innern der Festung gelegenen Konak des Generals. Wir erreichten das Seraj. Beim Hinaufsteigen wurden wir an der Tür des Vorraumes empfangen und in sein Privatgemach geführt, wo sich eine aus Herren und Damen bestehende Gesellschaft befand. Indem man uns dort Süßigkeiten mit Kaffee und Zuckerwerk darreichte, erwies man uns Freundschafts- und Gunstbezeugungen.

Zu Anfang der 1170er Jahre begann die ungarische Königin Maria Theresia mit dem Bau des erwähnten Serajs für ihren verstorbenen Sohn, den vormaligen österreichischen Kaiser Joseph'us, mit der Absicht, ihn in Budin auf den Thron zu setzen, um so das Königreich Ungarn in seiner Hand zu sichern. Da sie jedoch bei dem Herannahen der preußischen Feldzüge und der hemmenden Wirkung einiger Zufälligkeiten jenen Zweck nicht verwirklichen konnte, so stockte der Bau. Nun erschien es jedoch nicht angemessen, ihn so unvollendet liegen zu lassen, deshalb wurde er nach Beendigung der Feldzüge fertiggestellt, befestigt und zur Wohnung und Residenz der Regenten Budins bestimmt.

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