Sitten und Gebräuche Preußens
Da es zu den Vorteilen des Reisens gezählt zu werden
pflegt, wenn solche, die mit weitem Blick Länder und Städte
durchreisen, die Zustände und Denkmäler, die sie in den Orten
ihrer Durchwanderung mit Sorgfalt in Augenschein genommen und
in Erfahrung gebracht haben, sicher erfassen und schriftlich
festhalten, so habe ich in aller Ergebenheit alles, was ich
bezüglich meiner Dienstreise durch Preußen mit eigenen Augen
gesehen und selbst gehört habe, zusammengefasst; wobei ich
innerlich den Wunsch hegte, dem Leser eine Erinnerung zu
hinterlassen, so wie unsere Vorfahren (Gott, der allwissende
Herr, sei ihnen gnädig und barmherzig!), die eine Reise durch
Europa gemacht hatten, die während ihrer Reise gesehenen
Zustände zur Erinnerung für ihre Nachkommen in je einem
Memorandum festgehalten haben. Da ich aber andrerseits
überzeugt war, dass nichts, was die Zustände dort betrifft,
verborgen und geheim bleibt, so glaubte ich, die
Bescheidenheit erheische es, jene Absicht wieder aufzugeben.
Nun ist es jedoch offenbar, dass in dem Maße, wie die Zeiten
und das Leben sich erneuern, sich auch die Sitten und
Gebrauche eines Landes stets erneuern. Darum ist es klar und
einleuchtend, dass die Anführung einiges Materials bei denen,
die sich von Vorurteilen frei halten wollen, nicht weiteren
Nutzens bar ist. So hat also die Absicht, die Nutzanwendung zu
erfassen, mein schwaches Gedächtnis erregt, und ich machte
mich daran, einiges über die gegenwärtigen Sitten und
Gebräuche Preußens, sowie etwas von den Zuständen, die ich
über die Zivilverfassung in Erfahrung gebracht habe, dieser
Gedenkschrift als Nachtrag beizufügen. Das Gelingen muss Gott
geben.
Die Bedeutung der amtlichen Schriftstücke, die aus den
christlichen Ländern Europas kommen und durch Vermittlung
ihrer in Berlin, der Residenz Preußens, sich aufhaltenden
Gesandten übergeben werden, sowie den Inhalt der Schreiben,
die von den Statte haltern ihrer Landesteile, die zivilen
Angelegenheiten betreffend, eingehen, kurz wiederzugeben und
nach Vorlage beim König Antwortschreiben aufzusetzen und die
übrigen wichtigsten Staatsangelegenheiten nach Ratsholung vom
König zu regeln, sind 2 Staatsminister da. Abgesehen davon,
dass ihnen eine Anzahl Sekretäre unterstehen, sind zur
Erledigung der Finanz- und Handelsahngelegenheiten und der
öffentlichen Arbeiten, sowie des Zoll- und Münzwesens und zur
Verwaltung der Kriegsvorräte, des Soldes, der Bekleidung und
sonstiger Ausrüstungsgegenstände der Grenz- und
Festungsbesatzungen derart, dass bei der Sammlung und
Aufstapelung von Lebensmitteln, Brennholz und sonstigen
notwendigen Kriegsvorräten aus der Stadt deren Bewohner nicht
bedrückt werden, Minister genannte, durch Treue und
Rechtschaffenheit ausgezeichnete und seit ihrer Jugend im
Lande erzogene, mit ihren Obliegenheiten betraute 12 Männer
da, die fähig sind, das Richtige und Falsche des ihrer
Verantwortung übertragenen Dienstes wohl zu untere scheiden,
und dazu in ihren Geschäften unabhängig voneinander sind. Auch
ihnen unterstehen mit genügender Vollmacht versehene
Sekretäre. Jeder hat ein seiner Stellung, seiner Ehre und
seinem hohen Rang entsprechendes, jährliches Gehalt aus der
Staatskasse, so dass sie von keinem Geld als Bestechung oder
Verehrung (ubudijet) oder als Geschenk anderer Art nehmen
können
Von den mit den Finanzgeschäften Betrauten legt jeder am
Ende seines Jahres für den ihm anvertrauten Dienst
Rechenschaft ab und gibt mit Hilfe der erwähnten Sekretäre
Einsicht in seine Einnahmen und Ausgaben. Diese Abrechnung
wird dem König unmittelbar unterbreitet, so dass sich keiner
auf irgend eine Weise in die Angelegenheiten des anderen
einmengen oder sie strittig machen kann.
Da nun diese Minister, solange von ihnen kein Fehler oder
Vergehen gegen die Ordnung ihres Landes begangen wird, nicht
abgesetzt werden, ja selbst falls man notwendigerweise einen
absetzen müsste, er, da er doch in Zukunft wieder nötig werden
könnte, seines Ranges nicht verlustig geht und das Gehalt, das
er während seiner Amtszeit vom König zugewiesen erhielt,
weiterbezieht, wie er auch sein Haus weiter bewohnen darf, so
wird an seiner Statt von den unter ihm stehenden, befähigsten
Staatsmännern einer seine Dienste verrichten, damit, falls es
nicht sonstwie erforderlich wird, durch eine nutzlose
Vermehrung der Staatsmänner in Bezug auf deren Gehälter dem
Lande keine weitere Last auferlegt wird.