Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Sitten und Gebräuche Preußens

Da es zu den Vorteilen des Reisens gezählt zu werden pflegt, wenn solche, die mit weitem Blick Länder und Städte durchreisen, die Zustände und Denkmäler, die sie in den Orten ihrer Durchwanderung mit Sorgfalt in Augenschein genommen und in Erfahrung gebracht haben, sicher erfassen und schriftlich festhalten, so habe ich in aller Ergebenheit alles, was ich bezüglich meiner Dienstreise durch Preußen mit eigenen Augen gesehen und selbst gehört habe, zusammengefasst; wobei ich innerlich den Wunsch hegte, dem Leser eine Erinnerung zu hinterlassen, so wie unsere Vorfahren (Gott, der allwissende Herr, sei ihnen gnädig und barmherzig!), die eine Reise durch Europa gemacht hatten, die während ihrer Reise gesehenen Zustände zur Erinnerung für ihre Nachkommen in je einem Memorandum festgehalten haben. Da ich aber andrerseits überzeugt war, dass nichts, was die Zustände dort betrifft, verborgen und geheim bleibt, so glaubte ich, die Bescheidenheit erheische es, jene Absicht wieder aufzugeben. Nun ist es jedoch offenbar, dass in dem Maße, wie die Zeiten und das Leben sich erneuern, sich auch die Sitten und Gebrauche eines Landes stets erneuern. Darum ist es klar und einleuchtend, dass die Anführung einiges Materials bei denen, die sich von Vorurteilen frei halten wollen, nicht weiteren Nutzens bar ist. So hat also die Absicht, die Nutzanwendung zu erfassen, mein schwaches Gedächtnis erregt, und ich machte mich daran, einiges über die gegenwärtigen Sitten und Gebräuche Preußens, sowie etwas von den Zuständen, die ich über die Zivilverfassung in Erfahrung gebracht habe, dieser Gedenkschrift als Nachtrag beizufügen. Das Gelingen muss Gott geben.

Die Bedeutung der amtlichen Schriftstücke, die aus den christlichen Ländern Europas kommen und durch Vermittlung ihrer in Berlin, der Residenz Preußens, sich aufhaltenden Gesandten übergeben werden, sowie den Inhalt der Schreiben, die von den Statte haltern ihrer Landesteile, die zivilen Angelegenheiten betreffend, eingehen, kurz wiederzugeben und nach Vorlage beim König Antwortschreiben aufzusetzen und die übrigen wichtigsten Staatsangelegenheiten nach Ratsholung vom König zu regeln, sind 2 Staatsminister da. Abgesehen davon, dass ihnen eine Anzahl Sekretäre unterstehen, sind zur Erledigung der Finanz- und Handelsahngelegenheiten und der öffentlichen Arbeiten, sowie des Zoll- und Münzwesens und zur Verwaltung der Kriegsvorräte, des Soldes, der Bekleidung und sonstiger Ausrüstungsgegenstände der Grenz- und Festungsbesatzungen derart, dass bei der Sammlung und Aufstapelung von Lebensmitteln, Brennholz und sonstigen notwendigen Kriegsvorräten aus der Stadt deren Bewohner nicht bedrückt werden, Minister genannte, durch Treue und Rechtschaffenheit ausgezeichnete und seit ihrer Jugend im Lande erzogene, mit ihren Obliegenheiten betraute 12 Männer da, die fähig sind, das Richtige und Falsche des ihrer Verantwortung übertragenen Dienstes wohl zu untere scheiden, und dazu in ihren Geschäften unabhängig voneinander sind. Auch ihnen unterstehen mit genügender Vollmacht versehene Sekretäre. Jeder hat ein seiner Stellung, seiner Ehre und seinem hohen Rang entsprechendes, jährliches Gehalt aus der Staatskasse, so dass sie von keinem Geld als Bestechung oder Verehrung (ubudijet) oder als Geschenk anderer Art nehmen können

Von den mit den Finanzgeschäften Betrauten legt jeder am Ende seines Jahres für den ihm anvertrauten Dienst Rechenschaft ab und gibt mit Hilfe der erwähnten Sekretäre Einsicht in seine Einnahmen und Ausgaben. Diese Abrechnung wird dem König unmittelbar unterbreitet, so dass sich keiner auf irgend eine Weise in die Angelegenheiten des anderen einmengen oder sie strittig machen kann.

Da nun diese Minister, solange von ihnen kein Fehler oder Vergehen gegen die Ordnung ihres Landes begangen wird, nicht abgesetzt werden, ja selbst falls man notwendigerweise einen absetzen müsste, er, da er doch in Zukunft wieder nötig werden könnte, seines Ranges nicht verlustig geht und das Gehalt, das er während seiner Amtszeit vom König zugewiesen erhielt, weiterbezieht, wie er auch sein Haus weiter bewohnen darf, so wird an seiner Statt von den unter ihm stehenden, befähigsten Staatsmännern einer seine Dienste verrichten, damit, falls es nicht sonstwie erforderlich wird, durch eine nutzlose Vermehrung der Staatsmänner in Bezug auf deren Gehälter dem Lande keine weitere Last auferlegt wird.

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