Fünfundzwanzigstes Capitel - Feldzug wider die Stadt
Khaibar; Belagerung – Heldenthaten der Feldherrn Mohammeds –
Alis und Marhabs Kampf – Erstürmung der Citadelle – Ali macht
aus dem Thore einen Schild – Eroberung des Platzes – Mohammed
wird Gift beigebracht; er heirathet Safiya, eine Gefangene;
auch Omm Habiba, eine Wittwe
Um seine Anhänger für den Abbruch zu trösten, welchen ihre
religiöse Andachtsübung in Mekka erfahren hatte, setzte jetzt
Mohammed einen Feldzug ins Werk, der darauf berechnet war,
jener Plünderungssucht, welche mit ihrer schwärmerischen
Anhänglichkeit an seine Fahne zu wetteifern begann, Genüge zu
leisten.
Ungefähr fünf Tagereisen nordöstlich von Medina lag die
Stadt Khaibar und das ihr unterworfene Gebiet. Sie wurde von
Juden bewohnt, welche sowol durch Handel als durch Ackerbau
wohlhabend geworden waren. Ihr fruchtbares Gefilde war theils
mit Getreide bebaut und mit Palmenhainen bepflanzt, theils zu
Weideplätzen verwendet und mit Schaf- und Rinderheerden
bedeckt; auch war sie durch mehrere Burgen befestigt. So
ehrwürdig war ihr Alterthum, daß der arabische
Geschichtsschreiber Abulseda uns versichert, daß Moses nach
dem Durchgange durchs rothe Meer ein Heer gegen die Amalekiter
sandte, welche Dathreb oder Datschreb (Medina) und die feste
Stadt Khaibar bewohnten. Diese Gegend war für die feindlich
gesinnten Juden, welche Mohammed aus Mekka und dessen
Umgebungen vertrieben, und für alle diejenigen, welche sich
seiner Rache ausgesetzt hatten, der Zufluchtsort geworden.
Diese Umstände mit dem ungeheuern Reichthum zusammengenommen
kennzeichneten sie als eine bequeme und reife Frucht für den
Krieg, welchen er gegen alle Feinde des Glaubens erklärt
hatte.
Zu Anfang des siebenten Jahres der Hegira brach er zum
Kampfe wider Khalbar auf; er stand an der Spitze von
zwölfhundert Mann zu Fuß und zweihundert zu Pferde und wurde
von Abu Beker, von Ali, von Omar und von andern vorzüglichen
Offcieren begleitet. Er hatte zwei Fahnen: die eine zeigte die
Sonne, die andere einen schwarzen Adler, welche letztere in
späteren Jahren als die Fahne Khaleds berühmt wurde.
Als er das fruchtbare Gebiet von Khalbar betrat, begann er
den Krieg mit der Berennung der kleineren Schlösser, mit denen
es besetzt war. Einige von ihnen ergaben sich, ohne Widerstand
zu leisten; in diesen Fällen kam die Beute, weil sie als
Geschenk Gottes betrachtet wurde, an den Propheten, damit von
ihm über dieselbe auf die oben gemeldete Weise verfügt würde.
Andere, weil sie größere Festigkeit hatten und mit kühnen
Herzen bemannt waren, mußten durch Sturm genommen werden.
Nach der Einnahme dieser kleinern Festungen rückte Mohammed
vor die Stadt Khaibar. Sie wurde durch Außenwerke mächtig
geschützt, und die auf einem Felsen erbaute Citadelle
(Festung) derselben, Al Kamus, wurde für unbezwinglich
gehalten, so daß sie Kenana Ibn al Rabi, der Häuptling oder
König der Nation, zur Verwahrungskammer aller seiner Schätze
gemacht hatte. Die Belagerung dieser Stadt war die wichtigste
Unternehmung, welche die Moslemen bis jetzt gewagt hatten. Als
Mohammed die starken und düsteren Wälle, sowie die auf Felsen
gebaute Citadelle das erste Mal erblickte, so soll er
folgendes Gebet gesprochen haben: »O Allah! Herr der sieben
Himmel und aller Dinge, welche sie bedecken! Herr der sieben
Erden und von Allem, was sie tragen! Herr der bösen Geister
und Aller, welche sie irre führen! Herr der Winde und Aller,
welche sie zerstreuen und verjagen! Dich flehen wir an, diese
Stadt und Alles, was sie enthält, und die Reichthümer ihres
ganzen Landes in unsere Hände zu geben. Bei dir suchen wir
Hülfe gegen dieses Volk und gegen alle Gefahren, von denen wir
umringt sind.« Um seinen Gebeten mehr Feierlichkeit zu
verleihen, so wählte er auf einem steinigen Platze, Mansela
genannt, einen großen Felsen zum Orte dieser Gottesverehrung,
und während der ganzen Zeit, welche er vor Khalbar gelagert
blieb, hielt er um denselben täglich sieben Umgänge wie sie um
die Kaaba gehalten werden. Zum Andenken an diese fromme
Ceremonie wurde in späterer Zeit auf diesem Felsen eine
Moschee erbaut, welche ein Gegenstand der Verehrung für alle
fromme Moslemen wurde.
Die Belagerung der Citadelle währte einige Zeit und nahm
Mohammeds und seiner Krieger Geschicklichkeit und Ausdauer in
Anspruch, da sie bis dahin im Angriffe fester Plätze nur wenig
Erfahrung hatten. Dazu litten sie Mangel an Proviant, weil
sich die Araber bei ihren eiligen Kriegszügen selten mit
Nahrungsmitteln belasteten, die Juden bei der Annäherung
derselben das flache Land verwüstet und die Palmbäume rings um
die Hauptstadt vertilgt hatten.
Mohammed leitete die Angriffe in Person. Die Belagerer
deckten sich durch Laufgräben und errichteten Sturmböcke, um
sie gegen die Mauern in Bewegung zu setzen; eine Bresche war
endlich gemacht, aber mehrere Tage wurde jeder Versuch
einzudringen kräftig zurückgeschlagen. Abu Beker leitete das
erste Mal die Bestürmung, aber nach einem mit großer
Tapferkeit bestandenen Gefechte wurde er zum Rückzuge
gezwungen. Den nächsten Angriff befehligte Omar Ibn Khattab,
welcher mit keinem besseren Erfolge bis zum Tagesschlusse
kämpfte. Einen dritten Angriff leitete Ali, welchen Mohammed
mit seinem eigenen Säbel, Dhu'l-Fakir, d. i. der Schneidende,
genannt, bewaffnete. Indem er dessen Händen das geheiligte
Panier anvertraute, so rühmte er ihn »als einen Mann, welcher
Gott und dessen Propheten liebt, und welchen Gott und sein
Prophet liebt; als einen Mann, welcher noch niemals einem
Feinde den Rücken zuwendete.«
Und hier wird es passend sein, von Alis Person und
Charakter eine altherkömmliche Erzählung mitzutheilen. Er war
von mittlerer Größe, aber rüstig und untersetzt, und hatte
ungeheure Stärke. Er hatte ein freundliches, höchst blühendes
Gesicht mit einem buschichten Barte. Er zeichnete sich durch
eine liebenswürdige Sinnesart, durch einen scharfen Verstand
und durch religiösen Eifer aus, und wurde wegen seines
unerschütterlichen Muthes der Löwe Gottes zubenannt.
Die arabischen Schriftsteller verweilen bei den
Waffenthaten ihres Lieblingshelden vor Khaibar mit zärtlicher
Übertreibung. Er war, sagen sie, in ein scharlachenes Gewand
gekleidet, über welches ein stählerner Harnisch befestigt war.
Mit seinen Genossen erkletterte er der Bresche gegenüber den
größten Schutt- und Steinhaufen und pflanzte auf dem Gipfel
seine Standarte auf mit dem Entschlusse, nicht zurückzugehen,
bis die Citadelle genommen wäre. Die Juden machten einen
Ausfall, um die Stürmenden abzutreiben. In dem Zusammenstoße,
welcher nun folgte, focht Ali Mann gegen Mann mit dem
jüdischen Befehlshaber Al Hareth, welchen er erlegte. Der
Bruder des Getödteten trat heraus, um seinen Tod zu rächen. Er
hatte eine riesenmäßige Gestalt und trug einen doppelten
Harnisch und einen undurchdringlichen, mit zwei Turbanen
umwundenen Helm, auf dessen Vorderseite ein ungeheurer Diamant
funkelte. An jede Seite hatte er ein Schwert gegürtet und
schwang einen dreispießigen Speer wie einen Dreizack. Die
Krieger maßen einander mit dem Auge und redeten sich
gegenseitig in der prahlerischen Weise der Orientalen an.
»Ich bin Marhab,« sagte der Jude; »ich bin an allen Seiten
bewaffnet und schrecklich in der Schlacht.« »Und ich bin Ali,
welchen die Mutter bei seiner Geburt Al Haidara (den wilden
Löwen) zubenannte.« Die moslemischen Schriftsteller machen mit
dem jüdischen Kämpen nicht viel Umstände. Er führte mit der
dreizackigen Lanze nach Ali einen Stoß, der aber gewandt
ausparirt wurde, und bevor er sich wieder sammeln konnte,
theilte ein Hieb des Säbels Dhu'l-Fakir seinen Schild, ging
durch den festen Helm, durch den doppelten Turban und den
harten Schädel und spaltete den Kopf bis an die Zähne. Seine
gigantische Gestalt fiel leblos zu Boden.
Die Juden zogen sich jetzt in die Citadelle zurück, und ein
allgemeiner Sturm fand statt. In der Hitze des Gefechtes wurde
Ali der Schild vom Arme gestreift und sein Körper blos
gestellt; alsbald wand er ein Thor aus den Angeln und bediente
sich desselben als eines Schildes während der übrigen Dauer
des Gefechtes. Abu Rafe, ein Diener Mohammeds, bezeugt diese
Thatsache. »Ich untersuchte später dieses Thor«, sagt er, »in
Gesellschaft von sieben Männern, und wir acht zusammen
versuchten vergeblich dasselbe zu schwenken.«
Nach Eroberung der Zitadelle wurde jedes Gewölbe und
unterirdische Loch wegen des Reichthums genau durchsucht,
welcher von dem jüdischen Fürsten Kenana daselbst niedergelegt
worden sein sollte. Als Nichts entdeckt wurde, fragte ihn
Mohammed, wo er seinen Schatz verborgen hätte. Er erklärte,
daß er auf die Unterhaltung der Truppen und auf die Rüstungen
zur Vertheidigung ganz und gar verwendet worden wäre. Einer
seiner treulosen Unterthanen verrieth jedoch den Ort, an
welchem eine große Summe verborgen worden war. Sie befriedigte
nicht die Erwartungen der Sieger und Kenana wurde auf die
Folter gelegt, damit er den übrigen Theil seines vermutheten
Reichthums verriethe. Entweder er konnte oder er wollte keine
weiteren Aufklärungen geben, daher wurde er der Rache eines
Moslemen übergeben, dessen Bruder er durch ein Stück
Mühlstein, das er von der Mauer hinabschleuderte, todt
gequetscht hatte, und dieser schlug ihm durch einen einzigen
Säbelhieb den Kopf ab.
Als sich Mohammed in der Citadelle aufhielt, war er nahe
daran, als ein Opfer jüdischer Rache zu fallen. Er verlangte
nämlich Etwas zu essen und man setzte ihm eine Lammsbrust vor.
Bei dem ersten Bissen bemerkte er etwas Ungewöhnliches in dem
Geschmacke und spuckte ihn aus, aber augenblicklich fühlte er
einen stechenden Schmerz im Innern. Einer von seinen
Begleitern, Namens Baschar, welcher reichlicher gegessen
hatte, fiel nieder und starb in Verzückungen. Alles war nun
Verwirrung und Bestürzung; nach sorgfältiger Untersuchung fand
man, daß das Lamm von Zainab, einer Gefangenen der Nichte des
riesenmäßigen, von Ali getödteten Kriegers Marhab, gekocht
worden war. Als sie vor Mohammed gebracht und angeklagt wurde,
Gift an das Fleisch gethan zu haben: so bekannte sie es dreist
und vertheidigte es als eine zu rechtfertigende Rache für das
Böse, was er über ihren Stamm und ihre Familie gebracht hätte.
»Ich dachte«, sagte sie, »wenn du wirklich ein Prophet wärest,
so würdest du die Gefahr entdecken; wenn aber nur ein
Häuptling, so würdest du fallen, und wir würden von einem
Tyrannen befreit werden.« Die arabischen Schriftsteller sind
in Rücksicht des Schicksals dieser Heldin getheilt. Nach
einigen wurde sie der Rache der Verwandten Baschars, welcher
an dem Gifte gestorben war, überliefert; nach andern sprach
ihre Schönheit zu ihren Gunsten, und Mohammed gab sie ihrer
Familie unverletzt zurück.
Dieselben Schriftsteller lassen in Mohammeds Leben kein
Ereigniß ohne ein Wunder vorübergehen. In dem gegenwärtigen
Falle versichern sie uns, daß die vergiftete Lammsbrust
wunderbarerweise mit Sprache begabt wurde und Mohammed vor der
Gefahr warnte. Wenn sich das so verhielt, so war sie etwas
träge im Sprechen, denn er hatte hinlängliches Gift eingesogen,
um seine Körperconstitution für das übrige Leben zu schwächen,
da es ihm oft Anfälle von Qualen verursachte, und noch in
seinen letzten Augenblicken klagte er, daß das Gift von
Khaibar in den Adern seines Herzens tobe. Eine freundlichere
Behandlung erfuhr er von Safiya (oder Sophia), einer andern
Gefangenen, welche noch stärkere Beweggründe zur Rache hatte
als Zainab; denn sie war die neulich verlobte Frau Kenanas,
welcher wegen seines Reichthums so eben hingeopfert worden
war; sie war ferner die Tochter Hoya Ibn Akhtabs, des Fürsten
der Kinder Koraidhas, der, wie erzählt worden ist, mit sieben
hundert seines Volkes auf dem Markte von Medina hingerichtet
worden war.
Diese Safiya war von großer Schönheit; daher ist es nicht
überraschend, daß sie vor Mohammeds Augen alsbald Gnade fand,
und daß er, wie gewöhnlich, dieselbe seinem Harem zuzuführen
suchen würde; aber das kann überraschen, daß sie ein solches
Loos wohlgefällig betrachten sollte. Moslemische
Schriftsteller erklären uns dies jedoch durch die
Versicherung, daß sie auf übernatürlichem Wege auf dieses
Ereigniß vorbereitet wurde. Während nämlich Mohammed vor der
Stadt noch lagerte und die Belagerung betrieb: so hatte sie
des Nachts eine Vision, bei welcher die Sonne vom Firmamente
stieg und in ihren Busen sich senkte. Am Morgen erzählte sie
den Traum ihrem Gatten Kenana, welcher sie ins Gesicht schlug
mit dem Ausrufe: »Weib! du sprichst in Gleichnissen von diesem
arabischen Häuptlinge, der wider uns ausgezogen ist.«
Diese Vision Safiyas wurde zur Wahrheit; denn als Mohammed
sie mit allem geziemenden Eifer zum Islam bekehrt hatte, so
nahm er sie zum Weibe, bevor er Khaibar verließ. Die Hochzeit
fand auf dem Heimmarsche zu Al Sahba statt, wo die Armee drei
Tage rastete. Abu Ayub, einer der feurigsten Schüler des
Propheten und Hausmarschall desselben, machte mit dem Schwerte
in der Hand die Runde um das Hochzeitszelt die Nacht hindurch.
Safiya gehörte zu den am meisten begünstigten Frauen Mohammeds
und überlebte ihn als Wittwe vierzig Jahre.
Außer diesen Heirathen aus Neigung, welche wir erzählt
haben, schloß der Prophet um diese Zeit eine andere aus
Staatsklugheit. Kurz nach seiner Heimkehr nach Medina wurde er
durch die Ankunft der letzten Flüchtlinge aus Abyssinien
erfreut. Unter diesen befand sich auch eine anmuthige Wittwe
von dreißig Jahren, deren Gatte Abdallah in der Verbannung
gestorben war. Sie war unter dem Namen Omm Habiba, Mutter
Habiba's, nach einer Tochter, die sie geboren hatte, allgemein
bekannt. Diese Wittwe war Abu Sofians, des Erzfeindes von
Mohammed, Tochter, und der Prophet meinte, daß eine Ehe mit
der Tochter die feindselige Gesinnung des Vaters lindern
möchte, eine politische Anschauung, die ihm die Offenbarung
einer Sure im Koran entweder beigebracht oder bestätigt haben
soll. Als Abu Sofian diese Vermählung erfuhr, so rief er aus:
»Beim Himmel, dieses Kameel ist so muthwillig, daß es kein
Maulkorb zähmen kann.«