Wahr und Falsch

Das Wahre und das Falsche

Ayatollah Morteza Motahhari

 

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Inhaltsverzeichnis

Das Wahre und das Falsche im Universum allen Seins

Beruht die Ordnung des Universums auf der Wahrheit? Stützt sie sich auf die Wahrheit? Gibt es einen Ordnung, wie es sie geben muß und müßte? Befindet sich innerhalb dieser Ordnung jedes Ding an seinem ihm eigenen Platz? Oder ist es umgekehrt die Order des Falschen, das regiert? Hat das Falsche freien Zutritt zum Universum? Gibt es dort Dinge, die es nicht geben dürfte? Ist die Ordnung in ihrer Gesamtheit absurd, ohne Ziel und ohne Ende?

Vor diesen Fragen haben sich die Geister der Waisen in verschiedene Gruppen geschieden. Manche stimmen mit dem ersten Teil der Fragen und entsprechenden Antworten überein. Andere wieder wählen den zweiten Teil. Wieder andere vertreten eine von den anderen Gruppen völlig abweichende Auffassung.

Gewisse Philosophen wie beispielsweise die Materialisten verhielten sich immer pessimistisch dem Universum (und dem Menschen) gegenüber und sahen das Universum in seiner Gesamtheit als etwas Unangenehmes, blind und stumm und ziellos Vergehendes an, das überhaupt nicht zu existieren bräuchte.

Theologen, Religionen und göttliche Doktrinen hingegen, vor allen Dingen der Heilige Qur’an, stellen die Schöpfung der Welt auf eine klare und überragende Weise auf die Basis der Wahrheit. Diese Anschauung sieht in der Welt nur Gutes und Schönes, kein Exzeß findet einen Weg, um in diese Welt vorzudringen. Das, was sich in ihr an Falschem befindet, geht vorüber und wird von ihr nur als Spielzeug benutzt. Im System des Seins gibt es nichts, das nicht verdient hätte zu sein. Gott hat alles im besten Zustand erschaffen, jedem Ding hat er seine eigene Gestalt gegeben. Dann hat er ihm seine Richtschnur gegeben.

Die dritte Gruppe glaubt, Universum und ebenso der Mensch seien eine Kombination aus Gutem und Schlechtem; halb angenehm, halb unangenehm. Die Hälfte des Universums muß bestehen bleiben, die andere Hälfte darf nicht existieren.

Wir sehen in der Welt ein Dualsystem: Es gibt sowohl Gut als Schlecht, sowohl Wahres als auch Falsches. Man beobachtet in der Welt Mängel und Vollkommenheit, und Gesundheit, Sterben und Leben, Ordnung und Chaos, Unterdrückung, Gerechtigkeit, Korruption, Reform, Aufblühen, Ruin, Wachstum... Dieser Dualismus existiert schon seit dem Augenblick der Erschaffung der Welt, aber es ist unmöglich, daß das ganze Universum sich nach einem einzigen Prinzip und aus ein und demselben Ursprung entwickelt hat und daß dieser Dualismus Existenz hat. Der dualistische Gedanke, der im antiken Persien kursierte, entstammte der Tatsache, daß die alten Perser die Vorstellung hatten, die Welt stehe auf zwei Füßen: Dem Guten und damit dem Licht einerseits und der Niedertracht und damit der Finsternis und Bosheit andererseits. Ebenso glaubten sie, die Heere dieser beiden Mächte, das Heer Gottes und das des Satans, führten einen kontinuierlichen Krieg gegeneinander (obgleich von vornherein vorgesehen war, daß der Erstgenannte den Sieg davontragen und der Letzteren für immer schlagen würde).

Obwohl wir in dem Buch über "Die göttliche Gerechtigkeit" (Adli-Ilahi) genügend über das Gute und das Böse, die Güte und die Bösartigkeit gesprochen haben, ist es auch hier notwendig, daß wir ein wenig dabei verweilen. In der göttlichen Theologie ist Authentizität des Daseins jene des Wahren, des Guten, des Vollkommenen und des Schönen. Falsches, Bösartigkeit, Mangelhaftigkeit, Häßlichkeit, sie alle befinden sich am anderen Extrem, um bald zu Nichts zu vergehen. Existiert das Schlechte, so deshalb, weil es der Ursprung des Nichts für etwas anderes ist. Niedrigkeiten sind notwendig für die Existenz des Guten und Wahren. Sie sind einer Reihe natürlicher Mittel vergleichbar, zwar von gut und wahr untrennbar, die aber keinerlei Authentizität besitzen. Im Vergleich zu den guten und wahren Dingen sind sie gleich dem „Nicht-Seienden“. Das "Nicht-Seiende" ist für das Überdauern des "Seienden" notwendig. Wesentlich ist die Erschaffung einer von der Realität abhängigen und mit ihr zusammenhängenden ausgeglichenen Lage. Absolute Existenz bedeutet absolutes Gutes, das außerhalb von Gemeinheit, Häßlichkeit und Undurchsichtigkeit jeglicher Art steht. Bei dieser Existenzstufe, die des höchsten Wesens ist, gibt es weder die Ausgeglichenheit noch das Nichts. Aber die Geschöpfe Gottes, die von dem absoluten Wesen abstammen, weisen von Natur aus Schwächen auf, denn damit ein Werk zum Existieren kommt, ist es nötig, daß sein Urheber vorher existiert: Und da Gott der absolute Urheber ist, sind alle Kreaturen, sein Werk, mit Schwächen und Mangel behaftet. Soll ein Werk also Existenz gewinnen, so muß es seinem Urheber folgen. Spricht man nun im Bezug auf Urheber und Werk von dem Werk des "Werkes", so nimmt es eine noch zweitrangiger Position ein.

Das "Nicht-Seiende" also bahnt sich, obgleich es keine Authentizität besitzt, seinen Weg hin zum "Seienden", um zur menschlichen Natur hin zu gelangen, die nach Aussagen der Theologen das Schwächste und am meisten mit Mängeln behaftete unter allen Existierenden ist. Deshalb manifestieren sich die Schwäche¬symptome des menschlichen Wesens, die in einer Gestalt verpackt sowohl die Schwächesymptome seiner Natur als auch die des "Nicht-Seienden" sind, immer mehr und mit immer offensichtlicher.

Schlechtes und Falsches sind, obwohl sie keinerlei Authentizität besitzen, von den sekundären Notwendigkeiten des Existierens untrennbar. Betrachtet man das Seinssystem als etwas Existierendes, so sehen wir, daß Falsches, Authentizität und Nicht-Seiendes ihren Weg finden, in es einzudringen.

Von oben betrachtet sieht man nichts als Licht. Aber schaut man von unten nach oben, so zeigen sich Schatten. Denn jeder Körper muß einen Schatten haben. Obwohl dieser Schatten keine Authentizität hat, fällt er uns ins Auge und legt sich auf unseren Geist. Schatten ist nur Mangel an Licht an einem bestimmten, von Licht umgebenen Fleck. Die göttliche Religion resümiert all das unter dem Wort "Im Namen des gnädigen und barmherzigen Gottes", das heißt unter einer erhabenen Konzeption, die nur Gott, seine Gnade und Barmherzigkeit kennt. Es ist schwierig, sich all diese Dinge geistig vorzustellen. Aber gelangt unser Denken einmal zu dieser Vorstellungsfähigkeit, so werden alle Probleme gelöst sein. Die Welt trägt nach dieser Konzeption zwei Gesichter, in zwei Richtungen gewandt; eines kommt vom Absoluten Wesen her, eines richtet sich darauf hin. Das erste ist Seine Gnade und das zweite Seine Barmherzigkeit. Alle übrigen Attribute Gottes sind Sekundärbezeichnungen. Gott ist z.B. der Rächer - aber diese Bezeichnungen leiten sich nur von seinen (oben genannten) Attributen her, die Authentizität liegt in seiner Gnade und Barmherzigkeit. Gnade hat eine gewisse Authentizität, die für die Ungnade nicht existiert. Bei dieser Beschreibung handelt es sich um eine monotheistische Sicht, einer wahrhaft philosophischen Konzeption und eine wirkliche Ontologie (die Lehre vom Sein).

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