Notwendige Bedingungen für einen erfolgreichen Dialog
Die allerwichtigste Bedingung dafür ist, sich innerlich von
dem Beharren auf den Besitz einer exklusiven Wahrheit zu
distanzieren. Gehen die Dialogführenden - oder einer von ihnen
– davon aus, dass nur sie jeweils im Besitz der absoluten
Wahrheit sind, und die anderen sich auf dem Irrweg befinden,
so ist dem darauf folgenden Streitgespräch von vornherein die
Basis für einen Dialog im oben genannten Sinne entzogen.
Die Vorstellung alleiniger Seligkeit für seinen Glauben und
des Verdammnisses für die anderen ist nichts außer einer
kurzsichtigen Einengung der göttlichen Liebe und
Barmherzigkeit und einer egozentrischen Bevormundung Gottes,
Himmel bzw. Paradies und Hölle unter den Menschen zu verteilen
bzw. sich als Pförtner von Himmel und Hölle hervorzutun. Dies
zeugt von einer naiven Vorstellung der Mensch-Gott-Beziehung.
Diese innerliche Haltung hat eine weitere zu Folge, die
ebenso als Bedingung für einen Dialog unerläßlich ist, d.h.
die Bereitschaft, selbstkritisch und differenziert mit den
eigenen Glaubensinhalten umzugehen und Mut zu haben, die
Schwäche und Fehlentwicklungen innerhalb der eigenen
Religionsgeschichte zuzugeben. Andernfalls haben wir es
erfahrungsgemäß mit einem offenen und latenten Schlagaustausch
zu tun, der nur das Positive bei sich und bei dem andern nur
das Negative sieht.
Wir haben alle als Menschen, ob Buddhisten, Juden, Christen
oder Muslime, ehrlicherweise zuzugeben, dass unsere
Unzulänglichkeit nicht zulässt, dass wir das Ideale, was die
Religionen uns vorschreiben, voll verwirklichen können.
Dieses Zugeständnis ist dahingehend wichtig, dass man nicht
nur die Fehler der anderen sieht, sondern auch die eigenen
Fehler und gerade diese Fehlerhaftigkeit mit als ein Thema im
Dialog berücksichtigt und sich in diesem Sinne offenbart: Ich
bin Muslim, ich kann aber nicht hundertprozentig gemäß
islamischer Anweisungen leben. Trotz fürsorglicher
Barmherzigkeit Gottes langen meine Kräfte nicht dazu, dem
komplizierten Alltag gegenüber, meiner Verantwortung gerecht
zu werden. Auch der Buddhist, der Jude, der Christ hat dies zu
tun, um zu vermeiden, dass sein religionswidriges
Fehlverhalten in den Augen der anderen als Praxis seiner
Religion gehalten wird.