Der Islam im Dialog

Der Islam im Dialog - Aufsätze

Prof. Abdoldjavad Falaturi

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Das Wort „Dialog" ist eine der schönsten Vokabeln des menschlichen Sprachschatzes. Dialog bedeutet das Eingeständnis der Existenz und des Daseins unterschiedlicher Menschen und verschiedenartiger Kulturen. Ein Gespräch, welches aus einer Position der Überlegenheit heraus oder von einer höheren Warte aus geführt wird, ist kein Dialog. Er wird vielmehr nur möglich, wenn man zum Zwecke der gegenseitigen Erläuterung und Darlegung sowie zum besseren Verständnis der Positionen gleichberechtigt und bescheiden quasi an ein und demselben Tisch sitzt. Toleranz ist die Voraussetzung für den Dialog. Der Gipfel der Toleranz jedoch ist das Eingeständnis, dass neben der eigenen Auffassung von Wahrheit noch eine andere existiert.

Ein Gespräch in Dialogform bewirkt nicht nur einen Zuwachs des geistigen Horizontes und des Denkverständnisses der Beteiligten, sondern ist darüber hinaus Gewähr für ein erfülltes Leben in Sicherheit, Gerechtigkeit, Frieden und Freundschaft.

Von den verschiedenen Arten des Dialogs sind die drei folgenden von besonderer Bedeutung:

1. der Dialog zwischen Gott und Mensch

2. der Dialog der Zivilisationen

3. der Dialog der Religionen

Eine der bedeutendsten theologischen Auseinandersetzungen ist der Dialog zwischen Gott und Mensch bzw. das Wort Gottes, der Koran.

Gott hat durch seine Propheten und die Heiligen Schriften zu den Menschen gesprochen. Er hat dem Menschen zugestanden, über das Gebet auf direktem Wege mit ihm zu kommunizieren, zu verlangen, wonach ihm der Sinn stehe, sich zu beklagen, falls er Grund dazu habe und Hilfe zu erbitten, sollte er ihrer bedürfen.

Die zweite Art des Dialogs ist der Dialog der Zivilisationen. Obwohl bereits das Jahr 2001 das Jahr des Dialogs der Zivilisationen gewesen und dieses ja schon vorüber ist, wird dieser Dialog nach wie vor ein unumstrittenes Erfordernis bleiben. Die Welt kennt die verschiedensten Zivilisationsmodelle, die unterschiedlichen Wiegen entstammen. Die Menschheit wäre imstande, sich diese Produkte des menschlichen Genius in ihrer Gesamtheit nutzbar zu machen und Nutznießer jedes einzelnen Produktes zu werden, vorausgesetzt, sie würde zwei Vorurteile ablegen können:

Auf der Welt könne es nur eine einzige wahre Zivilisation geben.

Die einzelnen anderen Zivilisationen und Kulturen müssten in einer übergreifenden Weltkultur aufgehen und assimiliert werden.

Die dritte Art des Dialogs ist der Dialog der Religionen. Trotz einer ganzen Reihe von Gemeinsamkeiten in den Glaubensüberzeugungen und guten Erfahrungen im friedlichen Zusammenleben auf der einen Seite und bitteren Erfahrungen aus Kriegen und religiös bedingter Gewalt auf der anderen Seite, die es im Verlaufe der Geschichte gegeben hat, ist den göttlichen Religionen und deren Dialog untereinander heute mehr Wert beizumessen als je zuvor.

In der heutigen Zeit kann der Dialog fremder Religionen weder Luxusgut noch Prestigeobjekt, sondern lediglich reine Notwendigkeit sein.

Der Einstieg zu diesem Dialog findet unter den Rahmenbedingungen statt, dass die Anhänger der einzelnen Glaubensrichtungen auf eine verbesserte Kenntnis ihrer jeweiligen Religion unter den Anhängern anderer Religionen hinarbeiten. Dazu gehört die Gewährleistung des Zugangs zu sachlich richtigen und inhaltlich einwandfreien Informationen und das Bemühen um die Ausmerzung negativ belastender Vorurteile.

Ein in dieser Hinsicht bedeutsamer Schritt war in der Bundesrepublik Deutschland das Konzept zur thematischen Überarbeitung und Richtigstellung der Darstellung des Islam in deutschen Schulbüchern.

Heutzutage birgt die Darstellung von Analysen und Auslegungen einer Religion, die vermeintliche Gewalt propagiert, eine außerordentlich große Gefahr in sich. Sie verkehrt die Sicht mancher Menschen auf Religiosität und Gläubigkeit ins Negative und schafft so eine Distanz zwischen ihnen und der Religion. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Religion sich den Herrschenden und Mächtigen dieser Welt zuwandte und damit aufhörte, das Recht zu wahren und die Unterdrückten zu schützen, sondern vielmehr, dass sie nicht zum Deckmantel für radikale politische Strömungen werden darf.

Ungeachtet seiner religiösen oder geographischen Abstammung sollte jeder Mensch stets und ausschließlich gerade aufgrund der Tatsache, dass er ein menschliches Wesen ist, Respekt erfahren.

Wenn Gott im Heiligen Koran zu den Gläubigen gesprochen hat, so hat er sich - indem er die Anrede „Oh ihr Menschen!" benutzte – in vielen Stellen des Korans gleichermaßen an das ganze Volk gewandt.

Aufgrund der überaus wichtigen Rolle des Dialogs in den sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen sowie zur Förderung des Wissens über die Religionen und deren zunehmende Bedeutung hat die Islamische Akademie Deutschland e.V. zusammen mit der Abteilung Lehre und Forschung, deshalb die Organisation von Dialog-Foren, die Veröffentlichung dieser Dialoge in übersetzter Form sowie die Publikation von Werken islamischer und nichtislamischer Wissenschaftler, deren Schaffen diesem Anliegen verpflichtet war, in ihre Arbeitsaufgaben einbezogen. Teil dessen ist die Veröffentlichung von Artikeln und Beiträgen eines schiitischen Wissenschaftlers wie Prof. Abdoljavad Falaturi, dessen Wirken über viele Jahre hinweg der Thematik des Dialogs gegolten hat.

Das vorliegende Buch ist eine Gesamtausgabe von Beiträgen und Abhandlungen dieses Wissenschaftlers, die hiermit teilweise erstmalig Veröffentlichung finden oder zu einem früheren Zeitpunkt bereits veröffentlicht worden sind. Aufgrund ihrer Relevanz hat sich die Akademie dennoch zugunsten einer Wiederveröffentlichung entschieden.

Younes Nourbakhsh

Direktor der Islamischen

Akademie Deutschland e.V.

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