Vorwort
Das Wort „Dialog" ist eine der schönsten Vokabeln des
menschlichen Sprachschatzes. Dialog bedeutet das Eingeständnis
der Existenz und des Daseins unterschiedlicher Menschen und
verschiedenartiger Kulturen. Ein Gespräch, welches aus einer
Position der Überlegenheit heraus oder von einer höheren Warte
aus geführt wird, ist kein Dialog. Er wird vielmehr nur
möglich, wenn man zum Zwecke der gegenseitigen Erläuterung und
Darlegung sowie zum besseren Verständnis der Positionen
gleichberechtigt und bescheiden quasi an ein und demselben
Tisch sitzt. Toleranz ist die Voraussetzung für den Dialog.
Der Gipfel der Toleranz jedoch ist das Eingeständnis, dass
neben der eigenen Auffassung von Wahrheit noch eine andere
existiert.
Ein Gespräch in Dialogform bewirkt nicht nur einen Zuwachs
des geistigen Horizontes und des Denkverständnisses der
Beteiligten, sondern ist darüber hinaus Gewähr für ein
erfülltes Leben in Sicherheit, Gerechtigkeit, Frieden und
Freundschaft.
Von den verschiedenen Arten des Dialogs sind die drei
folgenden von besonderer Bedeutung:
1. der Dialog zwischen Gott und Mensch
2. der Dialog der Zivilisationen
3. der Dialog der Religionen
Eine der bedeutendsten theologischen Auseinandersetzungen
ist der Dialog zwischen Gott und Mensch bzw. das Wort Gottes,
der Koran.
Gott hat durch seine Propheten und die Heiligen Schriften
zu den Menschen gesprochen. Er hat dem Menschen zugestanden,
über das Gebet auf direktem Wege mit ihm zu kommunizieren, zu
verlangen, wonach ihm der Sinn stehe, sich zu beklagen, falls
er Grund dazu habe und Hilfe zu erbitten, sollte er ihrer
bedürfen.
Die zweite Art des Dialogs ist der Dialog der
Zivilisationen. Obwohl bereits das Jahr 2001 das Jahr des
Dialogs der Zivilisationen gewesen und dieses ja schon vorüber
ist, wird dieser Dialog nach wie vor ein unumstrittenes
Erfordernis bleiben. Die Welt kennt die verschiedensten
Zivilisationsmodelle, die unterschiedlichen Wiegen entstammen.
Die Menschheit wäre imstande, sich diese Produkte des
menschlichen Genius in ihrer Gesamtheit nutzbar zu machen und
Nutznießer jedes einzelnen Produktes zu werden, vorausgesetzt,
sie würde zwei Vorurteile ablegen können:
Auf der Welt könne es nur eine einzige wahre Zivilisation
geben.
Die einzelnen anderen Zivilisationen und Kulturen müssten
in einer übergreifenden Weltkultur aufgehen und assimiliert
werden.
Die dritte Art des Dialogs ist der Dialog der Religionen.
Trotz einer ganzen Reihe von Gemeinsamkeiten in den
Glaubensüberzeugungen und guten Erfahrungen im friedlichen
Zusammenleben auf der einen Seite und bitteren Erfahrungen aus
Kriegen und religiös bedingter Gewalt auf der anderen Seite,
die es im Verlaufe der Geschichte gegeben hat, ist den
göttlichen Religionen und deren Dialog untereinander heute
mehr Wert beizumessen als je zuvor.
In der heutigen Zeit kann der Dialog fremder Religionen
weder Luxusgut noch Prestigeobjekt, sondern lediglich reine
Notwendigkeit sein.
Der Einstieg zu diesem Dialog findet unter den
Rahmenbedingungen statt, dass die Anhänger der einzelnen
Glaubensrichtungen auf eine verbesserte Kenntnis ihrer
jeweiligen Religion unter den Anhängern anderer Religionen
hinarbeiten. Dazu gehört die Gewährleistung des Zugangs zu
sachlich richtigen und inhaltlich einwandfreien Informationen
und das Bemühen um die Ausmerzung negativ belastender
Vorurteile.
Ein in dieser Hinsicht bedeutsamer Schritt war in der
Bundesrepublik Deutschland das Konzept zur thematischen
Überarbeitung und Richtigstellung der Darstellung des Islam in
deutschen Schulbüchern.
Heutzutage birgt die Darstellung von Analysen und
Auslegungen einer Religion, die vermeintliche Gewalt
propagiert, eine außerordentlich große Gefahr in sich. Sie
verkehrt die Sicht mancher Menschen auf Religiosität und
Gläubigkeit ins Negative und schafft so eine Distanz zwischen
ihnen und der Religion. Das bedeutet selbstverständlich nicht,
dass die Religion sich den Herrschenden und Mächtigen dieser
Welt zuwandte und damit aufhörte, das Recht zu wahren und die
Unterdrückten zu schützen, sondern vielmehr, dass sie nicht
zum Deckmantel für radikale politische Strömungen werden darf.
Ungeachtet seiner religiösen oder geographischen Abstammung
sollte jeder Mensch stets und ausschließlich gerade aufgrund
der Tatsache, dass er ein menschliches Wesen ist, Respekt
erfahren.
Wenn Gott im Heiligen Koran zu den Gläubigen gesprochen
hat, so hat er sich - indem er die Anrede „Oh ihr Menschen!"
benutzte – in vielen Stellen des Korans gleichermaßen an das
ganze Volk gewandt.
Aufgrund der überaus wichtigen Rolle des Dialogs in den
sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen sowie zur
Förderung des Wissens über die Religionen und deren zunehmende
Bedeutung hat die Islamische Akademie Deutschland e.V.
zusammen mit der Abteilung Lehre und Forschung, deshalb die
Organisation von Dialog-Foren, die Veröffentlichung dieser
Dialoge in übersetzter Form sowie die Publikation von Werken
islamischer und nichtislamischer Wissenschaftler, deren
Schaffen diesem Anliegen verpflichtet war, in ihre
Arbeitsaufgaben einbezogen. Teil dessen ist die
Veröffentlichung von Artikeln und Beiträgen eines schiitischen
Wissenschaftlers wie Prof. Abdoljavad Falaturi, dessen Wirken
über viele Jahre hinweg der Thematik des Dialogs gegolten hat.
Das vorliegende Buch ist eine Gesamtausgabe von Beiträgen
und Abhandlungen dieses Wissenschaftlers, die hiermit
teilweise erstmalig Veröffentlichung finden oder zu einem
früheren Zeitpunkt bereits veröffentlicht worden sind.
Aufgrund ihrer Relevanz hat sich die Akademie dennoch
zugunsten einer Wiederveröffentlichung entschieden.
Younes Nourbakhsh
Direktor der Islamischen
Akademie Deutschland e.V.