Der Sieg des Islam

Der Sieg des Islam

von Edward Gibbon

 
bullet Inhaltsverzeichnis

Viertes Kapitel - Die Franken

(Anmerkung der Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der Westlichen Welt auf den Islam geblickt worden ist.)

Einführung, Verehrung und Verfolgung der Bilder. – Empörung Italiens und Roms. – Weltliche Herrschaft der Päpste. – Eroberung Italiens durch die Franken. – Wiedereinführung der Bilder. – Charakter und Krönung Karls des Großen. – Wiederherstellung und Verfall des römischen Kaisertums im Abendlande. – Unabhängigkeit Italiens. – Verfassung des deutschen Reiches

In der Verbindung der Kirche mit dem Staate habe ich jene stets nur als dem letzteren dienend und sich auf ihn beziehend betrachtet, eine heilsame Maxime, wenn sie nur in Wirklichkeit wie in der Darstellung stets heilig gehalten worden wäre. Ich habe geflissentlich die orientalische Philosophie der Gnostiker, die Vorherbestimmung und Gnade und die merkwürdige Verwandlung des Abendmahls in den wirklichen Leib Christi dem Forschen sinnender Theologen überlassen. Mit Emsigkeit und Vergnügen habe ich aber bei denjenigen Ereignissen der Kirchengeschichte verweilt, die einen wesentlichen Einfluß auf das Sinken und den Fall Roms hatten, bei der Ausbreitung des Christentums, der Verfassung der katholischen Kirche, dem Sturz des Heidentums und den Sekten, die aus den mysteriösen Streitigkeiten über die Dreieinigkeit und die Menschwerdung entstanden sind. An die Spitze dürfen wir mit Recht die Bilderverehrung stellen, um die im achten und neunten Jahrhundert so grimmig gestritten wurde, weil ein Glaubensstreit die Empörung von Italien, die weltliche Herrschaft der Päpste und die Wiederherstellung des römischen Reiches im Abendlande zur Folge hatte.

Die ersten Christen hatten einen unbezwinglichen Abscheu vor der Verehrung und dem Mißbrauch von Bildern, und dieser Abscheu muß ihrer Abstammung von den Juden und ihrer Feindschaft gegen die Griechen zugeschrieben werden. Das mosaische Gesetz hatte alle bildlichen Darstellungen der Gottheit streng verboten, und diese Vorschriften waren in den Grundsätzen und dem Leben des auserwählten Volkes fest verankert. Die christlichen Redner wendeten sich gegen die törichten Bildner und verspotteten sie, die sich vor dem Werke ihrer eigenen Hände beugten. Die Standbilder aus Erz und Marmor, die von ihnen künstlerisch geschaffen wurden, hätten eher von ihrem Gestell springen müssen, um die schaffende Kraft des Künstlers anzubeten. Es konnte sein, daß einige neue und unvollkommen Bekehrte vom gnostischen Schlage die Standbilder Christi und des heiligen Paulus mit profanen Ehren krönten, wie sie dies mit jenen des Aristoteles und Pythagoras taten, aber der öffentliche Gottesdienst der Rechtgläubigen war einfach und geistig. Die erste Erwähnung der Bilderverehrung stammt von der Kirchenversammlung von Illiberis, wo sie getadelt wurde, dreihundert Jahre nach Beginn der christlichen Zeitrechnung. Unter Konstantins Nachfolgern, im Frieden und in der Üppigkeit der triumphierenden Kirche ließen sich die klugen Bischöfe herab, zum Besten der Menge die Verehrung sichtbarer Dinge zu unterstützen, und nach dem Sturz des Heidentums fürchteten sie sich vor einem gehässigen Vergleich nicht länger. Die erste Verehrung von Symbolen war die des Kreuzes und der Reliquien. Die Heiligen und Märtyrer, um deren Fürbitte man flehte, saßen zur Rechten Gottes, und die gnadenreichen und oft übernatürlichen Wunder, die dem Volksglauben zufolge bei ihrem Grab geschahen, gaben den frommen Pilgern, die diese entseelten Überreste, die Denkmäler ihrer Verdienste und Leiden besuchten, berührten und küßten, unbestrittene Heiligung. Aber ein bei weitem interessanteres Denkmal als der Schädel oder die Sandalen eines dahingeschiedenen Frommen ist die treue Abbildung seiner Person und Gestalt durch Malerei oder Bildhauerei. In jedem Jahrhundert sind solche den menschlichen Gefühlen zusagende Abbildungen aus persönlicher Freundschaft oder öffentlicher Achtung wegen in Schutz genommen worden. Die Standbilder der römischen Kaiser erhielten bürgerliche, fast religiöse Ehrenbezeigungen; eine minder prunkende aber aufrichtige Verehrung wurde den Standbildern der Weisen und Patrioten gezollt. Aber diese profanen Tugenden, diese glänzenden Sünden verschwanden angesichts der heiligen Männer, die für ihr himmlisches und ewiges Vaterland gestorben waren. Zuerst wurde der Versuch vorsichtig und zweifelnd gemacht. Man erlaubte zur Belehrung der Unwissenden, zur Befeuerung der Lauen und um den heidnischen Proselyten zu schmeicheln, umsichtig die Verehrung dieser ehrwürdigen Gemälde. Langsam aber unvermeidlich wurden die Ehren, die man dem Original erwies, auf die Kopie übertragen. Der fromme Christ betete vor dem Bilde eines Heiligen, und der heidnische Ritus der Kniebeugungen, der Lichter und des Weihrauches schlich sich in die Gebräuche der katholischen Kirche ein. Fromme oder vernünftige Zweifel wurden durch das mächtige Zeugnis der Erscheinungen und Wunder zum Schweigen gebracht; Gemälde, die sprechen, sich regen, bluten, müssen mit göttlicher Kraft begabt sein und dürfen als die geeigneten Gegenstände religiöser Verehrung betrachtet werden. Auch der kühnste Maler konnte bei dem verwegenen Versuch beben, den unendlichen Geist, den ewigen Vater, der das Weltall durchdringt und erhält, in Gestalt und Farben darzustellen. Leichter versöhnt sich die gläubige Seele damit, die Engel und vor allem den Sohn Gottes in Menschengestalt, die sie auf Erden anzunehmen sich herabgelassen haben, zu malen und anzubeten. Die zweite Person der heiligen Dreieinigkeit war mit einem wirklichen und sterblichen Leibe ausgestattet; aber dieser Leib war zum Himmel aufgefahren, und wenn nicht irgendein Bild davon seinen Schülern vor Augen gestellt worden wäre, hätte die geistige Verehrung Christi leicht durch die sichtbaren Reliquien und Darstellungen der Heiligen verdrängt werden können. Ähnliches war für die Jungfrau Maria erforderlich und günstig. Ihr Grab war unbekannt, und an die Himmelfahrt ihrer Seele wie ihres Leibes wurde von den gläubigen Griechen und Lateinern geglaubt. Der Gebrauch und sogar die Verehrung der Bilder war vor Ablauf des sechsten Jahrhunderts fest begründet; die Griechen und Asiaten hingen mit Inbrunst an ihnen. Das Pantheon und der Vatikan schmückten sich mit den Zeichen eines neuen Glaubens. Kälter aber wurde dieser scheinbare Götzendienst von den rohen Barbaren und der arianischen Geistlichkeit des Westens aufgenommen. Die Statuen in Erz oder Marmor, welche die Tempel des Altertums füllten, waren den christlichen Griechen anstößig, und eine ebene Fläche mit Farben ist stets als eine anständigere und harmlosere Art der Nachahmung angesehen worden.

Die Güte und die Wirkung eines Porträts hängen von seiner Ähnlichkeit mit dem Original ab, aber die Christen der Urzeit kannten die Züge Christi, seiner Mutter und der Apostel nicht. Das Standbild Christi in Paneas in Palästina war aller Wahrscheinlichkeit nach das eines irdischen Erlösers. Die Gnostiker und ihre profanen Denkmäler wurden verworfen, und die Phantasie der menschlichen Künstler konnte nur durch die heimliche Nachahmung irgendeines heidnischen Modells geleitet werden. In dieser Verlegenheit wurde durch eine kühne und geschickte Erfindung auf einmal die Ähnlichkeit des Bildes und die unschuldige Verehrung außer Zweifel gestellt. Ein neuer Fabelbau wurde durch eine syrische Volkssage auf den Briefwechsel Christi mit Abgarus gestützt, die in den Tagen des Eusebius so berühmt war und von den neueren Anwälten nur mit Widerstreben aufgegeben worden ist. Der Bischof von Cäsarea gedenkt des Briefes, aber er vergißt höchst seltsamer Weise des Bildes Christi, des vollständigen Abdruckes seines Gesichtes auf Leinwand, womit er den königlichen Fremden belohnte, der seine heilende Kraft angerufen und ihm die feste Stadt Edessa zum Schutze gegen die boshaften Juden angeboten hatte. Die Unwissenheit der ersten Kirche wird dadurch erklärt, daß das Bild lange in einer Blende der Mauer verborgen war, aus der es nach fünfhundert Jahren von einem Bischof hervorgeholt und zur gelegenen Zeit den Andächtigen gezeigt wurde. Seine erste und glorreichste Tat war die Befreiung der Stadt von Chosroes Nushirwan und es wurde bald als das geheiligte Pfand der göttlichen Verheißung verehrt, daß Edessa nie von einem auswärtigen Feinde eingenommen werden solle. Es ist allerdings wahr, daß Prokopius die doppelte Befreiung von Edessa den reichen und tapferen Bürgern zuschreibt, die einmal den Abzug des persischen Monarchen erkauften und das andere Mal seine Angriffe zurückwiesen. Er wußte nichts, der profane Geschichtsschreiber, von dem Zeugnisse, das er in der Kirchengeschichte des Evagrius zu geben gezwungen war, daß das Palladium auf dem Walle ausgesetzt worden sei, und daß das Wasser, womit man das heilige Antlitz besprengte, statt zu löschen, den Flammen neue Nahrung gegeben habe. Nach diesem wichtigen Dienste wurde das Bild von Edessa ehrfürchtig und dankbar aufbewahrt; und wenn die Armenier die Legende verwarfen, beteten die leichtgläubigeren Griechen das Bildnis an, das nicht das Werk eines irdischen Malers, sondern die unmittelbare Schöpfung des Originales war. Stil und Inhalt einer byzantinischen Hymne mögen andeuten, wie weit die Verehrung von der gröbsten Götzendienerei entfernt war. »Wie können wir mit sterblichen Augen dieses Bild betrachten, dessen himmlischen Glanz die Scharen des Himmels nicht zu schauen wagen! Er, der im Himmel wohnt, läßt sich heute herab, uns durch sein ehrwürdiges Bild zu besuchen; er, der auf Cherubim thront, sucht uns diesen Tag in einem Gemälde heim, das der Vater mit seiner unbefleckten Hand gezeichnet, das er auf eine unaussprechliche Weise geformt hat und das wir heiligen, indem wir es mit Furcht und Liebe anbeten.« Vor dem Ende des sechsten Jahrhunderts waren diese nicht von Menschen gemachten (im Griechischen ein Wort) Bilder in den Lagern und Städten des morgenländischen Reiches verbreitet. Sie waren Gegenstände der Verehrung und Werkzeuge der Wunder, ja in der Stunde der Gefahr oder des Aufruhrs konnte die Schaustellung dieser ehrwürdigen Bilder die Hoffnungen der römischen Legionen beleben, ihren Mut auffrischen oder ihre Wut bändigen. Von diesen Gemälden war der größte Teil Kopien. Sie konnten nur auf eine geringe Ähnlichkeit Anspruch erheben. Es gab aber auch einige bessere, die ihre Ähnlichkeit unmittelbarer von dem Original herleiteten, das zu diesem Zweck mit einer wunderbaren und zeugenden Kraft begabt war. Den besten schrieb man dieselbe Wunderkraft wie dem Bilde von Edessa zu; dazu gehört das Tuch der Veronika in Rom oder in Spanien oder in Jerusalem, das dadurch entstand, daß Christus in seinem Schmerzenskampfe und blutigem Schweiß ein Tuch über sein Gesicht breitete und es einer frommen Matrone schenkte. Dieses fruchtbare Beispiel wurde schleunigst bezüglich der Jungfrau Maria und der Heiligen und Märtyrer nachgeahmt. In der Kirche in Diospolis in Palästina waren die Züge der Mutter Gottes tief in eine Marmorsäule eingeprägt. Der Osten und Westen ist vom heiligen Lukas geschmückt worden und der Evangelist, der vielleicht ein Arzt war, wurde genötigt, das in den Augen der ersten Christen so gottlose und verhaßte Gewerbe eines Malers auszuüben. Der olympische Jupiter, wie ihn Homer und Phidias schuf, konnte einen Philosophen zu augenblicklicher Andacht begeistern aber diese orthodoxen Bilder waren schlecht und platt von mönchischen Künstlern in der äußersten Entartung des Geschmackes und Geistes gezeichnet.

Die Verehrung der Bilder hatte sich fast unmerklich in die Kirche eingeschlichen, und jeder kleine Schritt sagte einem gläubigen Gemüt als Trost zu und sprach frei von Sünde. Aber im Anfang des achten Jahrhunderts, auf der Höhe des Mißbrauchs, wurden die furchtsamen Griechen durch die Besorgnis gequält, sie könnten unter der Maske des Christentums die Religion ihrer Väter wiederhergestellt haben. Sie hörten mit Schmerz und Entrüstung den Namen Götzendiener, diese ewige Beschuldigung der Juden und Mohammedaner, die aus dem mosaischen Gesetze und dem Koran einen unsterblichen Haß gegen gemalte Bilder und alle darauf bezügliche Verehrung eingesogen hatten. Die Knechtschaft der Juden konnte ihren Eifer zähmen und ihr Ansehen herabsetzen, aber die triumphierenden Muselmanen, die in Damaskus herrschten und Konstantinopel bedrohten, warfen Wahrheit und Sieg in die Waagschale. Die Städte von Syrien, Palästina und Ägypten prunkten alle mit den Bildern Christi, Marias und der Heiligen, und jede Stadt nahm für sich die Hoffnung oder Verheißung einer wunderbaren Verteidigung in Anspruch. Die schnell erobernden Araber bezwangen in zehn Jahren Städte wie Bilder. Ihrer Meinung nach hatte der Herr der Heerscharen ein entscheidendes Urteil über die Anbetung und Verachtung dieser stummen und leblosen Bilder gefällt. Den Angriffen der Perser hatte Edessa allerdings getrotzt, aber auch die auserwählte Stadt, die Braut Christi, wurde in das allgemeine Verderben verwickelt, und die Ungläubigen führten das göttliche Bild als Siegeszeichen mit sich. Nach dreihundert Jahren wurde das Palladium der Andacht von Konstantinopel für ein Lösegeld von zwölftausend Pfund Silber, die Freilassung von zweihundert Muselmanen und einen immerwährenden Waffenstillstand für das Gebiet von Edessa wieder erworben. In dieser Zeit der Not und des Entsetzens wandten die Mönche ihre Beredsamkeit zur Verteidigung der Bilder an. Sie versuchten zu beweisen, daß die Sünde und das Schisma des größten Teiles der Orientalen sie um die Gunst dieser unschätzbaren Symbole gebracht und deren Wunderkraft vernichtet habe. Jetzt aber stellten sich ihnen viele einfache und verständige Christen entgegen, die sich auf das Zeugnis der Texte, der Tatsachen und auf die Urzeit der Religion beriefen und insgeheim eine Reform der Kirche wünschten. Da die Verehrung der Bilder niemals durch ein allgemeines Gesetz eingeführt worden war, hatten die Verschiedenheiten der Menschen und Sitten, der Grad örtlicher Bildung und die persönlichen Charaktere der Bischöfe deren Fortschritte im morgenländischen Reiche bald verzögert und bald beschleunigt. Die leichtsinnige Hauptstadt und die erfinderische byzantinische Geistlichkeit hing innig an dieser glänzenden Art der Andacht, während die unzivilisierten und fernen Distrikte Asiens dieser Neuerung fernblieben. Viele große Gemeinden der Gnostiker und Arianer bewahrten auch nach ihrer Bekehrung den einfachen Gottesdienst, und die Armenier, Roms kriegerischste Untertanen, hatten sich sogar im zwölften Jahrhundert mit der Verehrung der Bilder noch nicht ausgesöhnt. In diesen verschiedenen Menschen bildeten sich Quellen des Vorurteils und Abscheus; in den anatolischen und thrakischen Städten von geringerer Bedeutung konnte aber ein glücklicher Krieger, Prälat oder Eunuch entscheidenden Einfluß auf Kirche und Staat gewinnen.

Der glücklichste dieser Abenteurer war Kaiser Leo III., der aus den isaurischen Gebirgen kommend, auf den Thron des Morgenlandes stieg. Er verstand sich weder auf heilige noch auf weltliche Wissenschaften. Erziehung aber, Verstand und vielleicht Verkehr mit Juden und Arabern hatten dem kriegerischen Bauern Haß gegen die Bilder eingeflößt, und er hielt es für seine fürstliche Pflicht, seinen Untertanen die Gebote seines eigenen Gewissens aufzuerlegen. Im Beginne einer noch nicht gefestigten Regierung, während zehn mühevollen, gefährlichen Jahren, unterwarf sich Leo in niedriger Heuchelei, beugte sich vor Dingen, die er verachtete und stellte den römischen Bischof durch jährlich erfolgende Beteuerungen seiner Rechtgläubigkeit und seines Eifers zufrieden. Seine ersten Schritte zur Reformierung der Religion zeigten Mäßigung und geschahen mit Behutsamkeit; er versammelte einen großen Rat von Senatoren und Bischöfen und setzte mit ihrer Einwilligung fest, daß die Bilder vom Heiligtum und Altar weggenommen und in einer angemessenem Höhe in der Kirche, wo sie zwar dem Volke sichtbar, aber nicht zugänglich wären, aufgestellt werden sollten. Aber es war auf beiden Seiten unmöglich, den Trieb der Verehrung zu zügeln; von ihrem hohen Standpunkte erbauten die heiligen Bilder ihre Verehrer auch fernerhin und spotteten des Tyrannen. Er selbst wurde durch Widerstand und Schmähung gereizt, ja seine eigene Partei klagte ihn an, seine Pflicht unvollständig zu erfüllen und drang in ihn, das Beispiel des jüdischen Königs nachzuahmen, der ohne Bedenken die eherne Schlange des Tempels zerbrochen habe. Durch ein zweites Edikt verbot er die Verehrung religiöser Gemälde und befahl auch deren Vernichtung; die Kirchen Konstantinopels und des Ostens wurden vom Bilderdienste gereinigt; die Bilder Christi, der Jungfrau oder der Heiligen wurden zerschlagen oder mit einer Schicht Kalk überstrichen. Die Bilderfeinde wurden von fünf despotischen, glaubenseifrigen Kaisern unterstützt und Morgenland und Abendland in einen aufsehenerregenden Streit von hundertzwanzigjähriger Dauer verwickelt. Es war die Absicht des isaurischen Leos gewesen, die Verdammung der Bilder als einen Glaubensartikel durch eine allgemeine Kirchenversammlung verkünden zu lassen; aber die Einberufung einer solchen Versammlung war erst seinem Sohne Konstantin vorbehalten. Obschon diese Versammlung später von Gläubigen als eine Zusammenkunft von Narren und Atheisten gebrandmarkt worden ist, entdeckt man in ihren, nur zum Teil vorhandenen und verstümmelten Akten, Spuren von Vernunft und Frömmigkeit. Die Verhandlungen und Beschlüsse mehrerer Provinzialsynoden führten zur Berufung einer allgemeinen Kirchenversammlung, die in den Vorstädten von Konstantinopel zusammentrat (754) und aus der achtunggebietenden Anzahl von dreihundertachtunddreißig Bischöfen aus Europa und Anatolien bestand; denn die Patriarchen von Antiochia und Alexandria waren die Sklaven des Kalifen, und der römische Papst hatte die Kirchen Italiens und des Westens der Gemeinschaft der griechischen entzogen. Diese byzantinische Synode maßte sich den Rang und die Gewalt der siebenten allgemeinen Kirchenversammlung an; dieser Titel selbst jedoch war eine Anerkennung der sechs vorhergehenden Versammlungen, die das Gebäude des katholischen Glaubens mühsam aufgebaut hatten. Nach sechsmonatlicher ernster Beratung fällten und unterschrieben die dreihundertachtunddreißig Bischöfe die einstimmigen Beschlüsse: daß alle sichtbaren Symbole Christi, mit Ausnahme des heiligen Abendmahls, entweder gotteslästerlich oder ketzerisch wären; daß die Bilderverehrung eine Verderbnis des Christentums und eine Erneuerung des Heidentums sei; daß alle solchen Denkmäler zerbrochen oder ausgelöscht werden sollten und daß diejenigen, die sich weigern würden, ihre Bilder auszuliefern, sich des Ungehorsams gegen die Kirche und den Kaiser schuldig machen würden. Sie priesen laut das Verdienst ihres zeitlichen Erlösers und übertrugen die Vollstreckung ihrer geistlichen Rügen seinem Eifer und seiner Gerechtigkeit. In Konstantinopel gab wie bei allen früheren Kirchenversammlungen der Kaiser den Bischöfen die Richtschnur für den Glauben. Diesmal vermute ich jedoch, daß die große Mehrheit der Prälaten ihr Gewissen aus Furcht und Hoffnung opferte. Seit langer Zeit waren die Christen weit von der Einfachheit des Evangeliums abgekommen, und es war für sie nicht leicht, sich in den Irrgängen des Labyrinths zurechtzufinden. Die Verehrung der Bilder hing, wenigstens für eine fromme Phantasie, unzertrennlich mit dem Kreuze, der Jungfrau, den Heiligen und ihren Reliquien zusammen; der geheiligte Boden war in eine Wolke von Wundern und Gesichten gehüllt, und Forsch- und Zweifelsucht durch den gewohnten Gehorsam und Glauben erstickt. Konstantin selbst wird allerdings beschuldigt, sich die kaiserliche Freiheit herausgenommen zu haben, die katholischen Mysterien bezweifelt, geleugnet und verhöhnt zu haben, aber sie waren tief in dem Glauben seiner Bischöfe verankert, und der kühnste Bilderstürmer konnte nur mit geheimem Schauer die seinem himmlischen Beschützer geweihten Denkmäler des Volksglaubens angreifen. In der Reformation des sechzehnten Jahrhunderts hatten Freiheit und Kenntnisse alle Fähigkeiten des Menschen erweitert; der Durst nach Neuerungen überwältigte die Ehrfurcht vor dem Altertum, und das kräftige Europa konnte jene Phantome verachten, welche die kränklichen, schwachen und knechtischen Griechen erschreckten.

Abstrakte Ketzerei kann dem Volke nur durch das Geschmetter kirchlicher Trompeten kund werden, aber die Entweihung und den Sturz sichtbarer Gottheiten muß auch der Unwissendste gewahren, auch der Kälteste fühlen. Die ersten Feindseligkeiten Leos waren gegen ein erhöht angebrachtes Christusbild im Vorhofe über dem Tore des Palastes gerichtet. Eine Leiter war aufgestellt worden, aber eine Schar Zeloten und Weiber rüttelte daran mit solcher Wut, daß unter ihrem frommen Freudengeschrei die Diener des Frevels von der Höhe stürzten und auf dem Pflaster zerschmetterten, und die Verbrecher, die mit Recht für Mord und Aufruhr litten, vernichteten die Ehren alter Märtyrer. In häufigen Tumulten in Konstantinopel und in den Provinzen widersetzte man sich der Vollstreckung der kaiserlichen Edikte; Leo selbst geriet in Gefahr, seine Beamten wurden niedergemetzelt, und das enthusiastische Volk konnte nur durch die kräftigsten Anstrengungen der Zivil- und Militärgewalt unterdrückt werden. Die zahlreichen Inseln des Archipelagus waren mit Bildern und Mönchen angefüllt; ihre Verehrer schworen ohne Bedenken den Feinden Christi, seiner Mutter und der Heiligen Rache, bemannten eine Flotte, entfalteten ihr geheiligtes Panier und steuerten kühn nach dem Hafen von Konstantinopel, um einen neuen Günstling Gottes auf den Thron zu setzen. Sie verließen sich auf Wunder, aber ihre Wunder vermochten nichts gegen das griechische Feuer, und nach ihrer Niederlage und Verbrennung ihrer Flotte waren die schutzlosen Inseln den milden oder gerechten Siegern preisgegeben. Der Sohn Leos hatte im ersten Jahre seiner Regierung einen Zug gegen die Sarazenen unternommen; während seiner Abwesenheit bemächtigte sich sein Anverwandter Artavasdes, der ehrgeizige Verfechter des orthodoxen Glaubens, der Hauptstadt, des Palastes und des Purpurs. Triumphierend wurde die Verehrung der Bilder wieder erlaubt; der Patriarch legte entweder seine Heuchelei ab oder verheimlichte seine Gesinnungen, und der Usurpator wurde sowohl im alten als im neuen Rom anerkannt. Konstantin suchte Zuflucht in den Gebirgen seiner Väter, stieg von ihnen aber bald an der Spitze seiner kühnen und getreuen Isaurier herab. Sein entscheidender Sieg vernichtete die Fanatiker und mit ihnen ihre Prophezeiungen. Seine lange Regierung war von Aufruhr, Verschwörung, gegenseitigem Hasse und blutiger Rache zerrüttet; die Verfolgung der Bilder diente seinen Gegnern als Beweggrund oder Vorwand, und wenn sie das Diadem nicht errangen, wurden sie von den Griechen mit der Märtyrerkrone belohnt. Bei jedem offenen wie geheimen Verrate fühlte der Kaiser die unversöhnliche Feindschaft der Mönche, der getreuen Sklaven des Glaubens, dem sie ihre Reichtümer und ihren Einfluß verdankten. Sie beteten, predigten, sprachen, entflammten die Menge und verschworen sich; aus der Einöde von Palästina wurde ein Strom von Schmähungen ausgegossen und der heilige Johannes von Damaskus, der letzte der griechischen Kirchenväter, weihte das Haupt des Tyrannen sowohl in dieser wie in jener Welt dem Verderben. Ich kann nicht untersuchen, inwieweit die Mönche ihre wirklichen oder vorgeblichen Leiden herausgefordert oder übertrieben haben oder wie viele durch den grausamen Kaiser Leben und Gliedmaßen, Augen und Bärte verloren haben. Er züchtigte den einzelnen und schritt dann zur Abschaffung des ganzen Standes, und da dieser reich und unnütz war, wurde sein Ingrimm durch Habsucht aufgestachelt und durch Patriotismus gerechtfertigt. Der furchtbare Name und die Sendung des Drachen, seines Generalvisitators, erregten den Schrecken und Abscheu des Volkes. Die Gemeinden der Mönche wurden aufgelöst, die Gebäude in Vorratshäuser oder Kasernen verwandelt und die Ländereien, die bewegliche Habe und das Vieh eingezogen. Die Vorgänge in späteren Zeiten unterstützten die erhobene Anschuldigung, daß viele mutwillige oder boshafte Untaten an den Reliquien, ja sogar an den Büchern der Klöster verübt worden sind. Zugleich mit den Mönchen, wurde die öffentliche und häusliche Verehrung der Bilder streng geächtet, und es scheint, daß die feierliche Abschwörung der Bilderverehrung von den Untertanen oder wenigstens von der Geistlichkeit des morgenländischen Reiches gefördert wurde.

Der geduldige Osten schwor mit Widerwillen seine geheiligten Bilder ab; aber die unabhängigen Italiener hingen fest an ihnen und verteidigten sie kraftvoll. An kirchlichem Range und in der Gerichtsbarkeit waren der konstantinopolitanische Patriarch und der römische Papst einander gleich. Aber der griechische Prälat war ein Haussklave seines Gebieters, auf dessen Wink er abwechselnd auf den Thron stieg und vom Thron ins Kloster wanderte. Die gefährliche und ferne Stellung mitten unter den Barbaren des Westens machte die römischen Bischöfe mutig und frei. Daß sie vom Volke gewählt wurden, machte sie den Römern wertvoller; sie halfen mit ihrem großen Einkommen der öffentlichen sowie der häuslichen Armut ab, und die Schwäche oder die Nachlässigkeit der Kaiser zwang sie, sowohl im Frieden als im Krieg, für die Sicherheit der Stadt zu sorgen. In der Schule des Unglücks sog der Priester allmählich die Tugenden und den Ehrgeiz eines Fürsten ein; der Italiener, Grieche oder Syrer, der den Stuhl des heiligen Petrus bestieg, verfolgte dieselbe Politik, und nach dem Verlust der Legionen und Provinzen stellten die genialen Päpste mit Glück die Oberhoheit Roms abermals her. Man stimmt darin überein, daß ihre Herrschaft sich im achten Jahrhundert auf Empörung stützte und daß diese Empörung durch die Ketzerei der Bilderstürmer veranlaßt und gerechtfertigt wurde; das Verhalten des zweiten und dritten Gregor in diesem denkwürdigen Kampfe wird von Freunden und Feinden verschieden ausgelegt. Die byzantinischen Schriftsteller erklären einmütig, daß sie nach einer fruchtlosen Ermahnung die Trennung des Ostens vom Westen erklärten und dem frevelhaften Tyrannen das Einkommen und die Herrschaft von Italien entzogen. Noch klarer drücken sich die Griechen, welche die päpstlichen Triumphe sahen, über die Ausschließung aus der Kirchengemeinschaft aus, und da sie an ihrer Religion fester hingen als an ihrem Vaterland, so zollten sie dem Eifer und der Orthodoxie dieser apostolischen Männer Lob statt Tadel. Die neuen Verfechter der Sache Roms nahmen gierig das Lob an und waren mit der Trennung einverstanden; diese große und glorreiche Absetzung königlicher Ketzer wird von den Kardinälen Baronius und Bellarmin gepriesen und wenn man sie fragt, warum ähnliche Bannstrahlen nicht auch gegen die Nerone und Juliane des Altertums geschleudert worden sind, so antworten sie, daß die Schwäche der ersten Kirche der alleinige Grund für ihre geduldige Treue gewesen sei. Die eifrigen Protestanten, welche die Entrüstung und Besorgnis der Fürsten und Obrigkeiten erregen, verbreiten sich über den Hochmut und Hochverrat der beiden Gregore gegen ihren rechtmäßigen Souverän. Sie werden nur von den gemäßigten Katholiken, hauptsächlich der gallikanischen Kirche, verteidigt, die den Heiligen ehren ohne die Sünde zu billigen. Diese gemeinsamen Verteidiger der Krone und der Inful bemühen sich, die wahren Tatsachen durch Gerechtigkeit, Schrift und Überlieferung zu beweisen und berufen sich auf das Zeugnis der Lateiner und die Biographien und Briefe der Päpste selbst.

Zwei echte Briefe von Gregor II. an Kaiser Leo sind noch vorhanden. Wenn sie auch nicht als vollkommenste Muster der Logik und Beredsamkeit gepriesen werden können, so zeigen sie doch das Bild oder wenigstens die Maske des Stifters der päpstlichen Monarchie. »Zehn reine und glückliche Jahre«, wendet sich Gregor an den Kaiser, »hatten wir alljährlich den Trost, deine kaiserlichen, von deiner eigenen Hand unterschriebenen Briefe zu empfangen, die geheiligten Pfänder deiner Anhänglichkeit an den orthodoxen Glauben unserer Väter. Wie beklagenswert ist die Umwandlung! Wie entsetzlich das Ärgernis! Du klagst nun die Katholiken der Götzendienerei an und verrätst durch deine Anklage deine eigene Unfrömmigkeit und Unwissenheit. Wir sind gezwungen, uns dieser Unwissenheit anzupassen; die ersten Elemente der Heiligen Schrift reichen zu deiner Widerlegung hin, und wenn du in eine grammatikalische Schule trätest und dich zum Feinde unseres Gottesdienstes erklärtest, würden dir die einfältigen und frommen Kinder ihre ABC-Bücher, an den Kopf werfen.« Nach diesem höflichen Gruß sucht der Papst den Unterschied zwischen den Götzen des Altertums und den Bildern der Christen zu zeigen. Jene waren die phantastischen Vorstellungen von Phantomen und Dämonen zu einer Zeit, wo der wahre Gott seine Person noch in keiner sichtbaren Gestalt geoffenbart hatte. Die letzteren sind die echten Abbildungen Christi, Marias und der Heiligen, die durch viele Wunder diese Verehrung gebilligt haben. Und fürwahr, er mußte auf die Unwissenheit Leos bauen, weil er behauptete, daß Bilder seit dem apostolischen Zeitalter und bei den sechs Synoden der katholischen Kirche verehrt wurden. Als besseren Grund führt er den gegenwärtigen Besitz an Bildern und ihren allgemeinen Gebrauch an; die Übereinstimmung der christlichen Welt mache eine allgemeine Kirchenversammlung überflüssig, ja Gregor erklärt offen, daß solche Versammlungen nur unter der Regierung eines rechtgläubigen Fürsten von Nutzen sein könnten. Dem unverschämten und unmenschlichen, mit der schweren Schuld eines Ketzers beladenen Leo empfiehlt er Frieden, Schweigen und unbedingte Unterwerfung unter seine geistlichen Führer von Konstantinopel und Rom. Die Grenzen der bürgerlichen und kirchlichen Gewalt werden vom Papst bestimmt. Jener eignet er den Körper, dieser die Seele zu; das Schwert der Gerechtigkeit befinde sich in den Händen der Obrigkeit, die furchtbare Waffe der Exkommunikation sei der Geistlichkeit anvertraut, und in der Ausübung des göttlichen Berufes werde ein eifriger Sohn seinen sündhaften Vater nicht schonen; der Nachfolger des heiligen Petrus könne mit Recht die Könige der Erde züchtigen. »Du fassest nach uns, o Tyrann, mit fleischlicher und kriegerischer Hand; unbewaffnet und nackt können wir nur Christus anrufen, den Fürsten der himmlischen Heerscharen, auf daß er dir einen Teufel sende, um deinen Leib zu zerstören und deine Seele zu retten. Du erklärst mit törichtem Übermut: ich werde einen Befehl nach Rom senden, werde das Bild des heiligen Petrus zertrümmern, und Gregor soll, gleich seinem Vorgänger Martin, in Ketten vor die Stufen des kaiserlichen Thrones geschleppt werden. Wollte Gott, es wäre mir gestattet, in die Fußstapfen des heiligen Martin zu treten; aber möge das Schicksal Konstans den Verfolgern der Kirche als Warnung dienen! Nach seiner gerechten Verdammung durch die Bischöfe von Sizilien wurde der Tyrann in der Fülle seiner Sünden durch einen Diener seines Hauses getötet. Der Heilige wird noch von den Völkern Skythiens verehrt, unter denen er verbannt sein Leben endete. Unsere Pflicht aber gebietet, zur Erbauung und Beschützung des Volkes zu leben, auch haben wir nicht nötig, unser Heil von dem Ausgang eines Kampfes abhängig zu machen. Unfähig, wie du bist, deine römischen Untertanen zu verteidigen, mag vielleicht die Lage der Stadt am Meere sie deinen Räubereien aussetzen; wir aber können uns nach der ersten Festung der Lombarden begeben, die nur vierundzwanzig Meilen entfernt ist, und dann – kannst du die Winde verfolgen. Weißt du nicht, daß die Päpste das Band der Vereinigung, die Mittler des Friedens zwischen dem Osten und dem Westen sind? Die Augen der Nationen sind uns zugewendet, und sie verehren den Apostel Petrus, dessen Bild du zu zerbrechen drohst. Die fernen Königreiche des Westens bringen ihre Huldigungen Christus und seinem Stellvertreter dar, und in diesem Augenblicke schicken wir uns an, einen seiner mächtigsten Monarchen zu besuchen, der sich sehnt, aus unseren Händen das Sakrament der Taufe zu empfangen. Die Barbaren haben sich dem Evangelium unterworfen, während du allein taub bist gegen die Stimme des Hirten. Diese frommen Barbaren sind voll Wut; sie dürsten, die Verfolgung des Ostens zu rächen. Gib dein verwegenes und verderbliches Beginnen auf; denke nach, zittere, bereue. Wenn du beharrst, sind wir an dem Blute, das in dem Kampfe vergossen werden wird, unschuldig; möge es auf dein Haupt fallen!«

Dem ersten Angriff Leos auf die Bilder von Konstantinopel hatte eine Schar von Fremden aus Italien und dem Westen als Zeugen beigewohnt, die mit Schmerz und Entrüstung vom Frevel des Kaisers erzählten. Aber bei Empfang seines Ächtungsediktes zitterten sie für ihre heimischen Gottheiten; die Bilder Christi, der Jungfrau, der Engel, Märtyrer und Heiligen wurden in allen Kirchen Italiens verboten und dem Papst bedeutet, er habe zwischen der kaiserlichen Gunst als Preis für seine Willfährigkeit oder der Absetzung und Verbannung als Strafe seines Ungehorsams zu wählen. Weder Religionseifer noch Politik gestatteten ihm zu zögern, und Gregors stolzer Ton dem Kaiser gegenüber beweist sein Vertrauen entweder in die Wahrheit seiner Lehre oder auf die Mittel für seinen Widerstand. Ohne sich auf Gebete und Wunder zu verlassen, waffnete er sich kühn gegen den öffentlichen Feind und machte in seinen Hirtenbriefen die Italiener auf die Gefahr und ihre Pflicht aufmerksam. Ravenna, Venedig, die Stadt des Exarchats und der Pentapolis blieben der Religion treu; ihre Streitkräfte zu Wasser und zu Land bestanden größtenteils aus Eingeborenen, und Patriotismus und Religionseifer gingen auch auf die fremden Söldner über. Die Italiener schworen, in Verteidigung des Papstes und der heiligen Bilder zu sterben; das römische Volk war seinem Vater ergeben, und selbst die Lombarden waren begierig, am Verdienst und den Vorteilen dieses heiligen Krieges teilzunehmen. Die hochverräterischste Handlung und die schnellste Rache war das Umstürzen der Standbilder Leos. Die wirksamste und dem Volk wohlgefälligste Handlung der Empörer bestand darin, ihm den Tribut von Italien zu verweigern und ihm eine Macht zu rauben, die er kürzlich durch die Ausschreibung einer neuen Kopfsteuer mißbraucht hatte. Eine Art Verwaltung wurde durch die Wahl von Obrigkeiten und Statthaltern beibehalten. So groß war die Entrüstung der Italiener, daß sie sich anschickten, einen rechtgläubigen Kaiser zu wählen und ihn mit Heer und Flotte nach dem Palast von Konstantinopel zu führen. In diesem Palast wurden die römischen Bischöfe, der zweite und dritte Gregor, als die Urheber der Empörung verdammt, und man ließ nichts unversucht, sich durch List oder Gewalt ihrer Personen zu bemächtigen und nach ihrem Leben zu trachten. Die Stadt wurde wiederholt von Hauptleuten der Leibwache, Herzögen und Exarchen von hoher Würde mit geheimen Aufträgen besucht oder angegriffen; sie landeten mit fremden Truppen, erhielten einige Unterstützung im Lande, und das fromme Neapel muß darüber erröten, daß ihre Väter der Ketzerei anhingen. Aber der Mut und die Wachsamkeit der Römer wiesen diese geheimen oder öffentlichen Angriffe zurück. Die Griechen wurden geschlagen und niedergemetzelt, ihre Anführer erlitten einen schimpflichen Tod, und die Päpste, wie auch immer zur Milde geneigt, weigerten sich, zugunsten dieser schuldbelasteten Opfer einzuschreiten. In Ravenna hatten die verschiedenen Stadtviertel seit langer Zeit eine blutige Erbfehde gegeneinander geführt; in religiösen Streitigkeiten fanden sie dafür neue Nahrung. Aber die Verehrer der Bilder waren zahlenmäßig überlegen oder mutiger, und der Exarch, der dem Sturm Einhalt tun wollte, verlor in einem Volksaufstande das Leben. Um diese ruchlose Tat zu bestrafen und seine Herrschaft in Italien wieder herzustellen, sandte der Kaiser eine Flotte und ein Heer in den adriatischen Meerbusen. Nachdem die Griechen durch Winde und Wellen große Verluste und Verzögerung erlitten hatten, landeten sie in der Nähe von Ravenna, drohten die schuldige Stadt zu verheeren und das Beispiel Justinians II. der eine frühere Empörung mit Aushebung und Hinrichtung von fünfzig der vornehmsten Bürger bestraft hatte, nachzuahmen und vielleicht zu übertreffen. Die Frauen und die Geistlichkeit lagen in Sack und Asche auf der Erde und beteten, die Männer standen zur Verteidigung ihrer Vaterstadt unter Waffen. Die gemeinsame Gefahr hatte die Parteien vereint, und sie beschlossen, die Entscheidung durch eine Schlacht einer langen Belagerung vorzuziehen. An einem hartnäckig durchfochtenen Tage, an dem die beiden Heere abwechselnd wichen und vorrückten, sah man ein Phantom, hörte man eine Stimme, und Ravenna siegte durch seinen Glauben an den Sieg. Die Fremden zogen sich nach ihren Schiffen zurück, aber von den dichtbevölkerten Ufern stießen unzählige Boote ab, und die Gewässer des Po waren von Blut so verpestet, daß sich das Volk aus Vorurteil sechs Jahre des Genusses der Fische des Flusses enthielt. Die Einführung eines jährlichen Festtages verewigte die Verehrung der Bilder und den Abscheu gegen den griechischen Tyrannen. Gerade während des Triumphes der katholischen Waffen berief der Papst in Rom eine Synode von dreiundneunzig Bischöfen gegen die Ketzerei der Bilderstürmer ein. Mit ihrer Zustimmung sprach er eine allgemeine Exkommunikation gegen alle diejenigen aus, die es wagen würden, die Überlieferung der Väter und die Bilder der Heiligen durch Wort oder Tat anzugreifen. In dieses Urteil war der Kaiser stillschweigend mitinbegriffen, aber es scheint, daß der Bannfluch über seinem schuldigen Haupte vorerst nur schwebte. Kaum hatten die Päpste ihre eigene Sicherheit, die Verehrung der Bilder und die Freiheit von Rom und Italien befestigt, als sie auch in ihrer Strenge nachließen und die Reste der byzantinischen Herrschaft wahrten. Ihre Ratschläge verzögerten und verhinderten die Wahl eines Kaisers, und sie ermahnten die Italiener, sich von der römischen Monarchie nicht zu trennen. Man gestattete dem Exarchen, innerhalb der Mauern von Ravenna zu residieren, freilich mehr Gefangener als Gebieter, und bis zur Kaiserkrönung Karls des Großen wurde die Verwaltung von Rom und Italien im Namen der Nachfolger Konstantins geführt. Das freie Rom, von Augustus unterdrückt, wurde nach siebenhundertfünfzigjähriger Knechtschaft der Verfolgung Leo dem Isaurier entzogen. Die Triumphe der Konsuln waren von den Kaisern vernichtet worden. Im Sinken und Verfall des Reiches hatte sich der Gott Terminus, die geheiligte Grenze, allmählich vom Ozean, dem Rhein, der Donau und dem Euphrat zurückgezogen, und Rom war auf sein altes Gebiet von Viterbo bis Terracina und von Narni bis an die Mündung des Tiber beschränkt. Als die Könige verbannt wurden, ruhte die Republik auf fester, durch Weisheit und Tugend geschaffener Grundlage. Die Führung teilten miteinander zwei auf ein Jahr gewählte Obrigkeiten; der Senat leitete die Verwaltung und erteilte Rat, und die gesetzgebende Gewalt hatten die Volksversammlungen, die nach einem wohlberechneten Eigentumsmaßstabe und nach Verdiensten zusammengestellt waren. Unbekannt mit einem üppigen Leben, hatten die ersten Römer Regierungs- und Kriegskunst ausgebildet. Der Wille der Gemeinden war unumschränkt, die Rechte der einzelnen wurden heilig gehalten, hundertdreißigtausend Bürger wurden zur Verteidigung und Eroberung bewaffnet, und aus einer Schar von Räubern und Geächteten war eine Nation entstanden, die Freiheit verdiente und nach Ruhm strebte. Als aber die Souveränität der griechischen Kaiser erlosch, war Rom entvölkert und verfallen; Sklaverei waren die Römer gewohnt, in Freiheit lebten sie nur selten, und sie staunten und erschraken über sie. Die letzte Spur der ehemaligen Verfassung war aus dem Leben und Gedächtnis der Römer verschwunden, und es fehlte ihnen an Kenntnis oder Tugend, das Gebäude der Republik neu aufzubauen. Ihre kärglichen Reste, Nachkommen von Sklaven und Fremden, waren in den Augen der siegreichen Barbaren verächtlich. So oft die Franken oder Lombarden ihre bitterste Verachtung gegen einen Feind ausdrücken wollten, nannten sie ihn einen Römer und »mit diesem Namen«, sagt der Bischof Luitprand, »bezeichnen wir alles, was niederträchtig, was feige, was treulos ist, die äußerste Habsucht und Üppigkeit und jedes Laster, das die Würde der menschlichen Natur schänden kann«. Die Römer waren durch die Notwendigkeit in die harte Form einer republikanischen Regierung gegossen worden; sie sahen sich gezwungen, einige Richter für den Frieden, einige Anführer für den Krieg zu wählen. Die Edlen versammelten sich, um zu beraten, und ihre Beschlüsse konnten nicht ohne Einigung oder Zustimmung der Menge durchgeführt werden. Der Name des römischen Senats und Volkes lebte wieder auf, aber der Geist war ein anderer, und ihre neue Unabhängigkeit wurde durch Zügellosigkeit und Unterdrückung geschändet. Der Mangel an Gesetzen konnte nur durch den Einfluß der Religion ersetzt werden, und ihre auswärtigen und einheimischen Maßnahmen wurden durch den Bischof bestimmt. Seine Almosen, seine Predigten, sein Briefwechsel mit den Königen und Prälaten des Westens, seine neuerlichen Dienste, Dankbarkeit und Eid gewöhnten die Römer daran, ihn als die höchste Obrigkeit oder den Fürsten der Stadt zu betrachten. Die christliche Demut der Päpste wurde durch den Namen dominus oder Herr nicht berührt. Man sieht noch ihr Bild und ihre Inschrift auf den ältesten Münzen. Ihre zeitliche Herrschaft ist jetzt durch tausendjährige Herrschaft befestigt, und ihr edelstes Recht entstand durch die Wahl eines freien Volkes, das sie aus der Sklaverei erlöst haben.

In den Kämpfen des alten Griechenland genoß das heilige Volk von Elis dauernden Frieden unter dem Schutz Jupiters und durch Abhaltung der olympischen Spiele. Ein Heil wäre es für die Römer gewesen, wenn ein ähnliches Vorrecht das Eigentum des heiligen Petrus gegen die Drangsale des Krieges geschützt hätte, wenn die Christen, welche die heiligen Schwellen besuchten, ihre Schwerter in der Nähe des Apostels und seines Nachfolgers in die Scheide gesteckt hätten. Aber dieser mystische Kreis hätte nur durch den Stab eines Gesetzgebers und Weisen gezogen werden können. Ein solches friedliches System war mit dem Religionseifer und dem Ehrgeiz der Päpste unvereinbar. Die Römer waren nicht gleich den Bewohnern von Elis den unschuldigen und stillen Arbeiten des Ackerbaues zugetan, und die Barbaren von Italien, obgleich durch das Klima milder geworden, standen, was die Einrichtungen des öffentlichen und Privatlebens betrifft, tief unter den griechischen Staaten. Ein merkwürdiges Beispiel der Reue und Frömmigkeit gab der Lombardenkönig Luitprand. In Waffen am Tore des Vatikans hörte der Sieger auf die Stimme Gregors II., zog seine Truppe zurück, gab seine Eroberungen auf, besuchte ehrfurchtsvoll die Kirche des heiligen Petrus und brachte, nachdem er seine Andacht verrichtet hatte, sein Schwert und seinen Dolch, seinen Panzer und Mantel, sein silbernes Kreuz und seine goldene Krone auf dem Grabe des Apostels zum Opfer. Aber diese religiöse Inbrunst war Selbsttäuschung, vielleicht ein augenblicklicher Einfall. Das Gefühl des Eigennutzes ist stark und dauert an, Liebe zu Krieg und Raub lag im Charakter der Lombarden, und sowohl Fürst als Volk wurden durch die Unordnung in Italien, die Schwäche Roms und den unkriegerischen Beruf seines neuen Oberhauptes in unwiderstehliche Versuchung geführt. Nach den ersten Edikten der Kaiser erklärten sie sich zu Verfechtern der Bilder. Luitprand brach in die Provinz Romagna, die bereits diesen besonderen Namen führte, ein, die Katholiken des Exarchats unterwarfen sich willig seiner bürgerlichen und militärischen Gewalt, und zum erstenmal wurde ein auswärtiger Feind in die uneinnehmbare Festung Ravenna eingelassen. Diese Stadt und Festung wurde durch die emsigen und seemächtigen Venezianer schnell wieder erlangt, und die getreuen Untertanen gehorchten der Ermahnung Gregors, indem sie die päpstliche Schuld Leos von der allgemeinen Sache des römischen Reiches trennten. Die Griechen waren des Dienstes weniger als die Lombarden der Unbill eingedenk; die beiden Nationen, feindlich in ihrem Glauben, vereinigten sich in einem gefährlichen und unnatürlichen Bündnis. Der König und der Exarch zogen zur Eroberung von Spoleto und Rom aus. Der Sturm verbrauste ohne Erfolg, aber die Politik Luitprands beunruhigte Italien, da dieser Feindseligkeiten mit Waffenstillständen abwechseln ließ. Sein Nachfolger Astolphus erklärte sich gleichzeitig zum Feind des Kaisers und des Papstes. Ravenna wurde durch Gewalt oder List eingenommen, und diese entscheidende Eroberung beendete die Herrschaft der Exarchen, die mit untergeordneter Macht seit den Zeiten Justinians und dem Sturz der gotischen Monarchie regiert hatten. Rom wurde aufgefordert, den siegreichen Lombarden als seinen rechtmäßigen Souverän anzuerkennen. Eine jährliche Abgabe von einem Goldstück wurde als das Lösegeld jedes Bürgers festgesetzt und das Schwert aus der Scheide gezogen, um die Buße bei Nichtzahlung einzutreiben. Die Römer zauderten, baten und klagten, und die drohenden Barbaren wurden durch Waffen und Unterhandlungen hingehalten, bis die Päpste die Freundschaft eines Bundesgenossen und Rächers jenseits der Alpen gewonnen hatten.

Der erste Gregor hatte in seiner Bedrängnis Karl Martell um Hilfe angefleht, des Helden des Jahrhunderts, der die fränkische Monarchie unter dem bescheidenen Titel eines Majordomus und Herzogs beherrschte und durch seinen entscheidenden Sieg über die Sarazenen sein Vaterland und vielleicht Europa vom mohammedanischen Joch errettet hatte. Die päpstlichen Gesandten wurden von Karl mit gebührender Ehrfurcht empfangen, aber der Umfang seiner Geschäfte und die kurze Dauer seines Lebens hinderten ihn, sich in die Angelegenheiten Italiens anders als freundlich vermittelnd und erfolglos einzumischen. Sein Sohn Pipin, der Erbe seiner Macht und Tugenden, nahm das Amt eines Verteidigers der römischen Kirche an, und der Eifer des fränkischen Fürsten scheint durch Ruhmsucht und Religion angeregt worden zu sein. Aber die Gefahr bestand an den Ufern des Tiber, die Helfer befanden sich an jenen der Seine, und unser Mitgefühl bleibt bei der Schilderung fernen Elends kalt. Stephan III. faßte trotz den Tränen der Römer den hochherzigen Entschluß, die Höfe der Lombardei und Frankreichs persönlich zu besuchen, um seinen Feind durch Bitten zu erweichen oder das Mitleid und die Hilfe eines Freundes zu gewinnen. Nachdem er das verzweifelte Volk durch Litaneien und Kanzelreden besänftigt hatte, trat er seine beschwerliche Reise in Begleitung der Gesandten des fränkischen Monarchen und des griechischen Kaisers an. Der König der Lombarden war unerbittlich; aber seine Drohungen konnten weder die Klagen zum Schweigen bringen, noch die Schnelligkeit des römischen Bischofs hemmen, der über die Apenninen ging, in der Abtei St. Moritz ausruhte und sich beeilte, seinen Beschützer zu begrüßen, der weder im Kriege noch in der Freundschaft versagte. Stephan wurde als der Nachfolger des Apostels empfangen; in der nächsten Versammlung auf dem März- oder Maifelde wurden seine Unbilden einer frommen und kriegerischen Nation geschildert, und er ging über die Alpen nicht als Flehender, sondern als Eroberer an der Spitze eines fränkischen Heeres zurück, das der König persönlich anführte. Die Lombarden leisteten schwachen Widerstand, willigten in einen schimpflichen Frieden und schworen, die Besitzungen der römischen Kirche zurückzugeben und deren Heiligkeit zu ehren. Kaum aber waren die Franken abgezogen, als Astolph seine Versprechen vergaß und seine Schmach rächte. Rom wurde abermals von seinen Truppen eingeschlossen und Stephan bekräftigte, besorgt, seine eifrigen transalpinischen Bundesgenossen zu ermüden, seine Klagen und Bitten durch ein beredtes Schreiben im Namen des heiligen Petrus selbst. Der Apostel versicherte seinen Adoptivsöhnen, dem König, der Geistlichkeit und den fränkischen Edlen, daß sie im Geist leben sollten, wenn ihr irdischer Leib gestorben sei; daß sie nun die Stimme des Stifters und Beschützers der römischen Kirche hörten und ihr gehorchen müßten; daß die Jungfrau, die Engel, Heiligen, Märtyrer und alle himmlischen Heerscharen einstimmig auf Erfüllung der Bitte drängen und sie belohnen würden; daß Reichtümer, Sieg und das Paradies ihre fromme Unternehmung belohnen, und daß ewige Verdammnis die Strafe für ihre Vernachlässigung sein würde, wenn sie gestatteten, daß sein Grab, sein Tempel und sein Volk in die Hände der treulosen Lombarden fielen. Der zweite Zug Pipins war nicht minder rasch und glücklich als der erste: der heilige Petrus wurde zufrieden gestellt. Rom war abermals gerettet, und Astolph war durch das Schwert eines fremden Herrschers Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit gelehrt worden. Nach dieser doppelten Züchtigung befanden sich die Lombarden ungefähr zwanzig Jahre in einem Zustand der Erschöpfung und des Verfalles. Aber ihre Herzen waren durch ihre Lage nicht gedemütigt, und statt die friedlichen Tugenden der Schwachen anzunehmen, reizten sie trotzig die Römer durch eine Wiederholung von Ansprüchen, durch Ausflüchte und Einfälle, die sie ohne Überlegung unternahmen und ohne Ruhm beendeten. Die erlöschende Monarchie wurde von allen Seiten durch den eifrigen und klugen Papst Hadrian und durch die Übermacht des genialen und glücklichen Karl des Großen, des Sohnes Pipins, bedrängt. Diese Helden der Kirche und des Staates waren durch öffentliche und persönliche Freundschaft verbunden, und während sie den Gefallenen in den Staub traten, stellten sie ihr Vorgehen als Gerechtigkeit und Mäßigung dar. Die Pässe der Alpen und die Mauern von Pavia waren die einzige Schutzwehr der Lombarden; jene wurden vom Sohne Pipins überrumpelt, diese von ihnen belagert, und nach zweijähriger Einschließung übergab Desiderius, der letzte ihrer eingeborenen Fürsten, sein Zepter und seine Hauptstadt. Unter der Herrschaft eines auswärtigen Königs, aber im Besitze ihrer Nationalgesetze, wurden die Lombarden mehr die Brüder als die Untertanen der Franken, die ihre Herkunft, Sitten und Sprache vom gleichen deutschen Ursprung herleiteten.

Die gegenseitigen Verpflichtungen zwischen den Päpsten und der karolingischen Familie bilden das wichtige Glied zwischen der alten und neuen, zwischen der profanen und der Kirchengeschichte. Durch die Eroberung von Italien erlangten die Verteidiger der römischen Kirche eine günstige Gelegenheit, ein scheinbares Recht, die Wünsche des Volkes, die Gebete und Umtriebe der Geistlichkeit zu beeinflussen. Aber die wesentlichsten Geschenke der Päpste an die Karolinger waren die Würde eines Königs von Frankreich und eines Patriziers von Rom.

I. Unter der Priestermonarchie des heiligen Petrus begannen die Nationen wieder zu ihrer Gewohnheit zurückzukehren, an den Ufern des Tiber ihre Könige, ihre Gesetze und ihre Orakel zu suchen. Die Franken unterschieden zwischen ihrer tatsächlichen und nominellen Regierung. Alle Gewalt eines Herrschers wurde durch den Majordomus Pipin ausgeübt, und nichts fehlte ihm in seinem Ehrgeiz als der königliche Titel. Tapfer zerschmetterte er seine Feinde, vermehrte seine Freunde durch »eine Freigebigkeit, sein Vater war der Retter der Christenheit gewesen, und seine Ansprüche waren außer persönlichen Verdiensten seit vier Generationen begründet. Noch war der schwache Childeridi, Chlodwigs letzter Abkömmling, König, aber sein veraltetes Recht reizte höchstens zum Aufruhr. Die Nation wünschte eine einfache Verfassung herzustellen, und Pipin, zugleich Untertan und Fürst, brannte vor Ehrgeiz, seinen eigenen Rang zu erhöhen und das Glück seines Hauses zu begründen. Der Majordomus und die Edlen waren durch einen Treueid an das königliche Phantom gebunden; das Blut Chlodwigs war in ihren Augen rein und heilig, und ihre gemeinsamen Abgesandten wandten sich an den römischen Bischof, damit er ihre Zweifel zerstreue und sie ihres Versprechens entbinde. Das Interesse des Papstes Zacharias, des Nachfolgers der beiden Gregore, bestimmte ihn, die Fragen zu entscheiden, und zwar zu ihren Gunsten. Er erklärte, daß die Nation mit vollem Recht in ein und derselben Person sowohl den Titel als die Macht eines Königs vereinigen dürfe und daß der unglückliche Childerich, ein Opfer des Staatswohls, abgesetzt, geschoren und für den Rest seiner Tage in ein Kloster gesperrt werden solle. Die Franken nahmen eine ihren Wünschen so angenehme Antwort als die Meinung eines Kasuisten, den Ausspruch eines Richters oder das Orakel eines Propheten an. Das merowingische Geschlecht verschwand von der Erde, und Pipin wurde durch die Stimme eines freien Volkes, das gewohnt war, seinen Gesetzen zu gehorchen und unter seiner Fahne zu ziehen, auf den Schild erhoben. Seine Krönung wurde zweimal mit dem Segen der Päpste vollzogen, durch den heiligen Bonifaz, den Apostel von Deutschland und durch den dankbaren Stephan III., der im Kloster St. Denis ein Diadem auf das Haupt seines Wohltäters setzte. Die Salbung der Könige von Israel wurde nachgeahmt. Der Nachfolger des heiligen Petrus nahm den Charakter eines göttlichen Gesandten an, ein deutscher Häuptling wurde in den Gesalbten des Herrn verwandelt, und dieser jüdische Ritus hat sich durch Aberglauben und Eitelkeit des neueren Europas verbreitet und erhalten. Die Franken wurden ihres alten Eides entbunden, aber ein furchtbarer Bannfluch gegen sie und ihre Nachkommen geschleudert, wenn sie es jemals wagen sollten, sich dieselbe Freiheit noch einmal zu gestatten oder einen anderen König zu wählen, als aus dem heiligen und verdienstvollen Geschlecht der karolingischen Fürsten. Ohne irgendeine künftige Gefahr zu ahnen, freuten sich diese Fürsten der gegenwärtigen Sicherheit. Der Geheimschreiber Karls des Großen bekräftigt, daß das französische Zepter durch die Macht der Päpste übertragen worden sei, und sie berufen sich bei ihren kühnsten Unternehmungen mit Zuversicht auf diese entscheidende und erfolgreiche Ausübung ihrer weltlichen Gerichtsbarkeit.

II. Infolge der Umwandlung in Sitten und Sprachen waren die römischen Patrizier weit entfernt und von den Senatoren des Romulus oder den Palastbeamten Konstantins, von den freien Edlen der Republik oder von den fingierten Vätern des Kaisers. Nach der Wiedereroberung von Italien und Afrika durch Justinian erforderte die Wichtigkeit und Gefahr dieser fernen Provinz die Anwesenheit einer höchsten Person, die bald Exarch, bald Patrizier genannt wurde. Diese Statthalter von Ravenna, dehnten ihre Gerichtsbarkeit über die Stadt Rom nehmen, dehnten ihre Gerichtsbarkeit über die Stadt Rom aus. Seit der Empörung von Italien und dem Untergang des Exarchats hatte die Not die Römer gezwungen, einen Teil ihrer Unabhängigkeit zum Opfer zu bringen. Aber selbst da übten sie das Recht aus, über sich selbst zu verfügen, und Senat und Volk bekleideten nacheinander Karl Martell und seine Nachkommen mit der Würde eines Patriziers von Rom. Die Anführer einer mächtigen Nation würden einen knechtischen Titel und ein untergeordnetes Amt verschmäht haben, aber es wurde damit dokumentiert, daß die Herrschaft der griechischen Kaiser dadurch erloschen war, und während der Erledigung des Reiches empfingen sie eine rühmlichere Ehrenstelle vom Papste und von der Republik. Die römischen Gesandten überreichten diesen Patriziern die Schlüssel zum Grab des heiligen Petrus als Pfand und Symbol der Souveränität und eine geweihte Fahne, die sie berechtigt und verpflichtet waren, zur Verteidigung der Kirche und der Stadt zu entfalten. Zur Zeit Karl Martells und Pipins bedrohten die lombardischen Könige zwar Roms Sicherheit, deckten aber dessen Freiheit, und das Patriziat bedeutete bloß einen Titel und zeigte das Bündnis mit diesen fernen Beschützern an. Die Macht und Politik Karls des Großen vernichtete einen Feind und zwang ihnen einen Gebieter auf. Bei seinem ersten Besuch in der Hauptstadt wurde er mit allen Ehren, die sonst dem Exarchen, dem Stellvertreter des Kaisers, gezollt wurden, empfangen, und diese Ehren wurden durch die Freude und Dankbarkeit des Papstes Hadrian I. vergrößert. Sowie er Nachricht von dem unerwarteten Anzug des Monarchen erhielt, sandte er ihm die Obrigkeiten und Edlen Roms mit der Fahne bis auf dreißig Meilen entgegen. In der Entfernung von einer Meile war die flaminische Straße von den Bürgern der Nationalgemeinden der Griechen, Lombarden, Sachsen usw. besetzt; die römische Jugend stand unter Waffen, und die Kinder zarteren Alters trugen Palmen und Ölzweige in den Händen und sangen das Lob ihres Befreiers. Beim Anblick der Kreuze und der Fahnen der Heiligen stieg er vom Pferde, führte den Zug der Edlen nach dem Vatikan und küßte, als er die Treppe hinanging, fromm jede Stufe der Schwelle der Apostel. Im Porticus erwartete ihn Hadrian an der Spitze seiner Geistlichkeit; sie umarmten sich als Freunde und Gleichgestellte, aber auf dem Wege zum Altar ging der König oder Patrizier dem Papst zur Rechten. Auch begnügte sich der Franke keineswegs mit diesen eitlen und leeren Ehrenbezeigungen. In den sechsundzwanzig Jahren, die zwischen der Eroberung der Lombardei und seiner Kaiserkrönung vergingen, war Rom, das er mit dem Schwert befreit hatte, Karl dem Großen unterworfen. Das Volk schwur ihm und seiner Familie Treue; in seinem Namen wurde das Geld geschlagen und die Justiz verwaltet sowie die Wahl der Päpste durch ihn geprüft und bestätigt. Mit Ausnahme eines ursprünglichen Rechtes der Souveränität blieb keinerlei Art von Vorrecht übrig, das der Kaiser dem Patrizier von Rom gewähren konnte.

Die Dankbarkeit der Karolinger kam ihren Verpflichtungen gleich. Sie sind als die Retter und Wohltäter der römischen Kirche geheiligt. Doch ihr Eigentum an Landgütern und Häusern wurde durch ihre Güte in zeitliche Herrschaft über Städte und Provinzen verwandelt, und die Schenkung des Exarchats war die erste Frucht der Eroberungen Pipins. Astolphus verließ seufzend seine Beute; die Schlüssel und Geißeln der vornehmsten Städte wurden dem fränkischen Gesandten ausgeliefert, und er brachte sie im Namen seines Gebieters vor dem Grabe des heiligen Petrus dar. In weitem Sinne konnte man unter dem Exarchat alle Provinzen Italiens verstehen, die dem Kaiser und seinem Stellvertreter gehorcht hatten; seine strengen und eigentlichen Grenzen schlössen aber nur die Gebiete von Ravenna, Bologna und Ferrara ein, und sein unabtrennbares Anhängsel war die Pentapolis, die sich längs des Adriatischen Meeres von Rimini bis Ankona erstreckte und im Binnenland bis zu den Apenninen reichte. Man hat den Ehrgeiz und die Habsucht der Päpste in dieser Verhandlung streng verdammt. Vielleicht hätte ein demütiger christlicher Priester ein irdisches Königreich zurückweisen sollen, das er nicht wohl regieren konnte, ohne auf die Tugenden seines Berufes Verzicht zu leisten. Vielleicht würde ein treuer Untertan, ja nur ein hochherziger Feind sich weniger beeilt haben, die Beute mit den Barbaren zu teilen, und wenn der Kaiser Stephan Auftrag gegeben hatte, in seinem Namen wegen der Wiedererstattung des Exarchates zu unterhandeln, so werde ich den Papst von dem Vorwurf der Verräterei und Falschheit nicht freisprechen. Aber nach der strengen Auslegung der Gesetze kann jeder ohne Unrecht annehmen, was sein Wohltäter ohne Unrecht schenken kann. Der griechische Kaiser hatte sein Recht auf das Exarchat aufgegeben oder verwirkt, und Astolph wurde durch die stärkeren Karolinger zerbrochen. Nicht in der Sache des Bilderstürmers hatte Pipin sich selbst und sein Heer in einem doppelten Feldzug jenseits der Alpen aufs Spiel gesetzt; er besaß seine Eroberungen, konnte sie mit Recht veräußern und antwortete den zudringlichen Griechen, daß ihn keine irdische Rücksicht je bewegen werde, die Gabe zurückzunehmen, die er dem römischen Papst für Nachlassung seiner Sünden und Rettung seiner Seele gegeben hätte. Das glänzende Geschenk war ohne Beschränkung gegeben worden, und die Welt erblickte zum erstenmal einen christlichen Bischof, der mit Vorrechten eines weltlichen Fürsten bekleidet war: der Wahl der Obrigkeit, der Handhabung der Rechtssprechung, den Besteuerungsrechten und dem Reichtum des Palastes von Ravenna. Zur Zeit der Auflösung des lombardischen Königreiches suchten die Bewohner des Herzogtums Spoleto eine Zuflucht gegen den Sturm, schoren ihr Haupt nach römischer Art, erklärten sich zu den Dienern und Untertanen des heiligen Petrus und vervollständigten durch diese freiwillige Unterwerfung den gegenwärtigen Umfang des Kirchenstaates. Dieser mysteriöse Kreis wurde durch die mündliche oder schriftliche Schenkung Karls des Großen, der im ersten Entzücken des Sieges sich selbst und den griechischen Kaiser aller Städte und Inseln, die einst zum Exarchate gehört hatten, beraubte, zu einem unbestimmten Umfang erweitert. In den kühleren Augenblicken während seiner Abwesenheit aber betrachtete er nachdenklich die neue Größe seines geistlichen Verbündeten mit eifersüchtigen und neidischen Blicken. Der Erfüllung seiner und seines Vaters Versprechungen wich er aus; der König der Franken und Lombarden behauptete, daß die Rechte des Reiches unveräußerlich seien, und in seinem Leben wie nach seinem Tod wurden sowohl Ravenna als Rom in dem Verzeichnisse seiner Hauptstädte angeführt. Die Souveränität des Exarchates schwand den Päpsten unter den Händen weg; sie fanden in den Erzbischöfen von Ravenna gefährliche und heimische Nebenbuhler. Die Edlen und das Volk verschmähten das priesterliche Joch, und in den unruhigen Zeiten blieb ihnen nichts als die Erinnerung an diesen alten Anspruch, den sie jedoch in einem günstigeren Zeitalter wieder aufgefrischt und verwirklicht haben.

Betrug ist die Hilfsquelle der Schwäche und List, und der starke aber unwissende Barbar wurde oft im Netze priesterlicher Politik gefangen. Der Vatikan und der Lateran waren ein Arsenal und eine Fabrik, in denen je nach Gelegenheit eine vielfältige Sammlung falscher oder echter, veränderter oder verdächtiger Urkunden, wenn sie nur das Interesse der römischen Kirche förderten, hervorgeholt oder verborgen werden konnten. Vor Ende des achten Jahrhunderts hatte irgendein apostolischer Schreiber, vielleicht der berüchtigte Isidor, die Dekretalen und die Schenkung Konstantins, diese zwei magischen Pfeiler der geistlichen und weltlichen Monarchie der Päpste, verfaßt. Diese merkwürdige Schenkung wurde der Welt durch ein Schreiben Hadrians I. bekannt, worin er Karl den Großen ermahnt, die Freigebigkeit Konstantins des Großen nachzuahmen und in seinem Namen die Schenkung wieder zu erneuern. Nach der Legende war der erste christliche Kaiser vom heiligen Sylvester, Bischof von Rom, vom Aussatz geheilt und im Wasser der heiligen Taufe gereinigt worden; niemals wurde ein Arzt glorreicher belohnt! Sein kaiserlicher Proselyt verließ Sitz und Eigentum des heiligen Petrus, erklärte seinen Entschluß, eine neue Hauptstadt im Osten zu gründen und überließ den Päpsten die unbeschränkte und ewige Souveränität über Rom, Italien und die Provinzen des Westens. Diese Erdichtung brachte die wohltätigsten Wirkungen hervor. Die griechischen Fürsten wurden dadurch der Usurpation überführt und die Empörung Gregors diente nun zur Wiederaufnahme seines ererbten Rechtes. Die Päpste waren von ihrer Schuld zur Dankbarkeit befreit, und die nominellen Schenkungen der Karolinger waren nicht mehr als eine gerechte und unwiderrufliche Wiedererstattung eines kleinen Teiles des Kirchenstaates. Die Souveränität von Rom hing nicht mehr von der Wahl eines wankelmütigen Volkes ab, und die Nachfolger des heiligen Petrus und Konstantins waren mit dem Purpur und den Vorrechten der Kaiser bekleidet. So groß war die Unwissenheit und Leichtgläubigkeit jener Zeiten, daß auch die unwahrscheinlichste Fabel mit derselben Ehrfurcht in Griechenland und in Frankreich aufgenommen wurde und sich noch in den Dekreten des kanonischen Rechtes befindet. Die Kaiser waren so wenig wie die Römer imstande, eine Fälschung zu entdecken, die ihre Rechte und Freiheit vernichtete; der einzige Widerstand zeigte sich in einem sabinischen Kloster, das im Anfang des zwölften Jahrhunderts die Echtheit und Gültigkeit der Schenkung Konstantins bestritt. Zur Zeit des Wiederauflebens der Wissenschaften und der Freiheit wurde diese unechte Urkunde von Laurentius Valla, einem beredten Kritiker und römischen Patrioten, gebrandmarkt. Seine Zeitgenossen im fünfzehnten Jahrhundert staunten über seine lästerliche Kühnheit; so groß und unwiderstehlich sind aber die Fortschritte der Vernunft, daß die Fabel noch vor Ende des nächsten Jahrhunderts von den Geschichtsschreibern und Dichtern mit Verachtung und von den Verteidigern der römischen Kirche mit bescheidenem Tadel verworfen wurde. Die Päpste selbst haben über die Leichtgläubigkeit der Menge gelächelt; aber ein falsches und veraltetes Recht heiligt noch immer ihre Herrschaft und durch ein ähnliches Glück, wie es die Dekretalen und die sibyllinischen Orakel begleitet hat, blieb das Gebäude stehen, nachdem die Grundfesten untergraben worden waren.

Während die Päpste in Italien ihre Freiheit und Herrschaft begründeten, wurden die Bilder, die erste Ursache ihrer Empörung, im Orient wieder eingeführt. Unter der Regierung Konstantins V. hatte die vereinte Staats- und Kirchengewalt den Bilderdienst abgeschafft, ohne ihn völlig auszurotten. Die Bilder wurden insgeheim von den Mönchen und Frauen, die am meisten zur Andacht neigen, geliebt, und ihr inniges Bündnis trug zuletzt den Sieg über die Vernunft und Macht des Mannes davon. Leo IV. hielt die Religion seines Vaters und Großvaters mit geringerer Strenge; aber seine Gattin, die schöne und ehrgeizige Irene, hatte den Eifer der Athener eingesogen, die mehr die Erben der Götzendienerei ihrer Ahnen waren als ihrer Philosophie. Zu Lebzeiten ihres Gemahls wurden ihre Gefühle durch die Gefahr und die nötige Verstellung entflammt, und sie konnte nicht mehr tun, als einige ihr treue Mönche beschützen und fördern, die sie aus ihren Höhlen holte und auf die erzbischöflichen Throne des Ostens setzte. Als aber Irene in ihrem und ihres Sohnes Namen herrschte, konnte sie ernster den Sturz der Ikonoklasten betreiben. Der erste Schritt zur künftigen Verfolgung war ein Edikt allgemeiner Gewissenfreiheit. Bei Wiedereinberufung der Mönche wurden tausend Bilder zur öffentlichen Verehrung aufgestellt und tausend Legenden von ihren Leiden und Wundern erdichtet. Die bischöflichen Sitze wurden, wenn sich dazu eine günstige Gelegenheit ergab, mit Klugheit besetzt. Diejenigen, die sich am gierigsten um die Gunst der Erde oder des Himmels bewarben, kamen dem Urteile voraus und schmeichelten sich bei ihrer Fürstin ein; die Beförderung ihres Geheimschreibers Tarasius zum Patriarchen von Konstantinopel gab Irene endlich die Herrschaft über die morgenländische Kirche. Aber die Beschlüsse der allgemeinen Kirchenversammlung konnten nur durch eine ähnliche Versammlung aufgehoben werden. Die einberufenen Ikonoklasten fühlten sich kühn als Herren und waren Verhandlungen abgeneigt, und die schwache Stimme der Bischöfe verhallte in dem furchtbaren Geschrei der Soldaten und des Volkes von Konstantinopel. Das Zögern und die Umtriebe während eines Jahres, die Versetzung der mißvergnügten Truppen und die Fortsetzung einer zweiten rechtgläubigen Synode zu Nicäa entfernten diese Hindernisse, und die Bischöfe waren nach griechischer Sitte abermals den Fürsten ausgeliefert. Nicht mehr als achtzehn Tage wurden zur Vollbringung dieses wichtigen Werkes verwendet (787); die Ikonoklasten erschienen nicht als Richter, sondern als Verbrecher oder Büßende. Das Schauspiel wurde durch die Anwesenheit der Legaten des Papstes Hadrian und der orientalischen Patriarchen feierlich gestaltet. Die Beschlüsse wurden von Tarasius, der den Vorsitz führte, verfaßt und durch den Zuruf und die Unterschrift von dreihundertfünfzig Bischöfen genehmigt. Sie erklärten einstimmig, daß die Verehrung der Bilder der heiligen Schrift den Vätern und Versammlungen der Kirche angemessen sei, sie zweifelten aber, ob diese Verehrung bezüglich oder unmittelbar sei, ob die Gottheit und das Bild Christi auf dieselbe Art der Anbetung ein Recht hätten. Die Akten dieses zweiten Konsiliums von Nicäa sind noch vorhanden, ein merkwürdiges Denkmal der Unredlichkeit und der Torheit. Ich will nur das Urteil der Bischöfe über den Wert der Bilderverehrung einerseits, der Moralität anderseits anführen. Ein Mönch hatte mit dem Teufel der Hurerei einen Waffenstillstand unter der Bedingung abgeschlossen, daß er ihn in seinem täglichen Gebete vor einem Gemälde, das in seiner Zelle hing, stören dürfe. Seine Gewissenzweifel gaben ihm ein, den Abt um Rat zu fragen. »Ehe du es unterlassest, Christus und seine Mutter in ihren heiligen Bildern zu verehren«, antwortete der Kasuist, »ist es besser, daß du in jedes Schandhaus gehest und jede Schanddirne der Stadt besuchest.«

Für die römische Kirche ist es etwas peinlich, daß die zwei Fürsten, welche die zwei Kirchenversammlungen von Nicäa beriefen, mit dem Blute ihrer Söhne befleckt waren. Die Beschlüsse der zweiten dieser Versammlungen wurden von der despotischen Irene genehmigt, streng ausgeführt, und sie verweigerte ihren Gegnern die Duldung, die sie anfangs ihren Freunden gewährt hatte. Während der fünf folgenden Regierungen, einer Periode von achtunddreißig Jahren, wurde der Kampf zwischen den Bilderverehrern und Bilderstürmern mit unverminderter Wut und wechselndem Erfolge fortgesetzt. Aber ich fühle keine Neigung, dieselben Ereignisse im einzelnen zu wiederholen. Nikephorus gewährte allgemeine Freiheit und erlaubte jede Religionsausübung, aber die einzige Tugend, die er während seiner Regierung zeigte, wird von den Mönchen als die Ursache seines zeitlichen und ewigen Verderbens angegeben. Michael I. war abergläubisch und schwach, doch die Heiligen und Bilder waren nicht im Stande, ihn auf dem Throne zu erhalten. Leo V. bekannte auch im Purpur die Religion der Armenier, und die aufrührerischen Anführer wurden zu einer zweiten Verbannung verurteilt. Ihr Beifall würde den Mord eines gottlosen Tyrannen geheiligt haben, aber sein Mörder und Nachfolger, der zweite Michael, war durch seine Herkunft mit der phrygischen Ketzerei verbunden. Er versuchte zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln, und der unbezähmbare Geist der Katholiken drängte ihn allmählich den andern zu. Er war infolge seiner Schüchternheit mäßig; doch sein Sohn Theophilus, der Furcht wie dem Mitleid gleich unzugänglich, war der letzte und grausamste der Ikonoklasten. Der Enthusiasmus der Zeiten war gegen sie, und die Kaiser, die den Strom einzudämmen suchten, wurden durch den Volkshaß erbittert und bestraft. Nach dem Tode des Theophilus wurde endlich der Sieg der Bilder von einer zweiten Frau, seiner Witwe Theodora, die er als Vormünderin des Reiches eingesetzt hatte, vollendet. Ihre Maßregeln waren kühn und entscheidend. Die Erdichtung von einer späterfolgten Reue reinigte den Ruf und erlöste die Seele ihres verstorbenen Gemahls; das Urteil über bilderstürmerische Patriarchen, das früher auf Verlust der Augen lautete, wurde in zweihundert Geißelhiebe verwandelt; die Bischöfe zitterten, die Mönche jubelten und ein orthodoxer Festtag erinnert jährlich an den Triumph der Bilder. Eine Frage blieb noch übrig, ob sie nämlich mit einer eigenen innewohnenden Heiligkeit begabt wären: die Griechen des elften Jahrhunderts verhandelten darüber, und da diese Ansicht meiner Meinung nach die unsinnigste ist, so wundere ich mich, daß sie nicht ausdrücklicher bejaht wurde. Im Westen nahm Papst Hadrian I. die Beschlüsse der nicäischen Versammlung, die jetzt von den Katholiken als die siebente in der Ordnung der allgemeinen Kirchenversammlungen verehrt wird, an und verkündete sie. Rom und Italien gehorchten der Stimme ihres Vaters, der größte Teil der lateinischen Christen jedoch war auf der Bahn des Glaubens weit zurückgeblieben. Die Kirchen von Frankreich, Deutschland, England und Spanien schlugen einen mittleren Kurs zwischen der Anbetung und der Zerstörung der Bilder ein, die sie in ihre Kirchen nicht als Gegenstände der Verehrung, sondern als sprechende und nützliche Denkmäler des Glaubens und der Geschichte aufnahmen. Eine heftige Parteischrift wurde im Namen Karls des Großen verfaßt und herausgegeben. Unter seinem Vorsitz versammelte sich in Frankfurt eine Synode von dreihundert Bischöfen; sie mißbilligten die Wut der Bilderstürmer, tadelten aber streng den Glauben der Griechen, und die Beschlüsse ihrer vorgeblichen Kirchenversammlung wurden von den Völkern des Westens lange verachtet. Die Bilderverehrung machte bei ihnen nur stille und langsame Fortschritte; aber die europäischen und amerikanischen Länder entschuldigt für ihr Zögern die große Götzendienerei, die der Reformation vorausging.

Nach der nicäischen Synode und unter der Regierung der frommen Irene war es, daß die Päpste die Trennung von Rom und Italien durch die Übertragung der Kaiserwürde auf den minder orthodoxen Karl den Großen vervollständigten. Sie waren gezwungen, zwischen den rivalisierenden Nationen zu wählen; die Religion bildete nicht den einzigen Beweggrund ihrer Wahl, und während sie die Schwächen ihrer Freunde verdeckten, betrachteten sie widerwillig und argwöhnisch die katholischen Tugenden ihrer Feinde. Die andauernde Feindschaft zwischen den beiden Hauptstädten war in der Verschiedenheit der Sitten und der Sprache begründet. Sie waren einander durch ein siebzigjähriges feindliches Gegeneinanderstehen entfremdet. Während dieser Spaltung hatten die Römer die Freiheit und die Päpste die Souveränität gekostet; ihre Unterwerfung würde sie der Rache eines eifersüchtigen Tyrannen ausgesetzt haben, und die Empörung Italiens hatte sowohl die Ohnmacht als auch die Tyrannei des byzantinischen Hofes geoffenbart. Die griechischen Kaiser hatten die Bilderverehrung hergestellt, aber die Besitzungen in Kalabrien und die illyrische Diözese nicht zurückgegeben, welche die Ikonoklasten dem Nachfolger des heiligen Petrus entrissen hatten. Papst Hadrian bedrohte sie mit der Exkommunikation, wenn sie diese praktische Ketzerei nicht schleunig abschwüren. Die Griechen waren jetzt orthodoxer, aber ihre Religion konnte durch den regierenden Monarchen getrübt werden; die Franken waren jetzt widerspenstig, doch ein scharfes Auge konnte ihre baldige Bekehrung zur Anbetung der Bilder voraussehen. Der Name Karls des Großen war durch die polemische Bitterkeit seiner Geheimschreiberei befleckt; aber der Eroberer paßte sich mit dem Gleichmut eines Staatsmannes den verschiedenen Sitten Frankreichs und Italiens an. Bei seinen vier Pilgerfahrten oder Besuchen im Vatikan umarmte er die Päpste in Freundschaft und Frömmigkeit, kniete vor dem Grabe und folglich auch vor dem Bilde des Apostels nieder und schloß sich ohne Bedenken allen Gebeten und Umzügen der römischen Liturgie an. Konnte Klugheit oder Dankbarkeit den Päpsten erlauben, ihrem Wohltäter zu entsagen? Hatten sie ein Recht, sein Geschenk des Exarchats zu veräußern? Besaßen sie die Macht, seine Regierung in Rom abzuschaffen? Der Titel eines Patriziers stand unter dem Verdienst und der Größe Karls des Großen, und nur indem sie das abendländische Reich wieder ins Leben riefen, konnten sie ihre Verpflichtungen abtragen oder ihre Herrschaft sichern. Durch die entscheidende Maßnahme schnitten sie für immer alle Ansprüche der Griechen ab; aus der Erniedrigung zu einer Provinzialstadt erhob sich abermals das majestätische Rom. Die lateinischen Christen vereinigten sich unter einem höchsten Herrscher in ihrer alten Hauptstadt, und die Eroberer des Westens empfingen die Krone von den Nachfolgern des heiligen Petrus. Die römische Kirche gewann einen eifersüchtigen und achtungswerten Verteidiger; im Schatten der großen Macht der Karolinger konnte der Bischof mit Ehre und Sicherheit die Regierung der Stadt leiten.

Vor dem Sturze des Heidentums in Rom hatte die Bewerbung um das reiche Bistum häufig Tumult und Blutvergießen veranlaßt. Das Volk war minder zahlreich geworden, aber die Zeiten waren wilder, der Preis wichtiger und die vornehmen Geistlichen, die nach dem Range eines Souveräns trachteten, haben ingrimmig um den Stuhl des heiligen Petrus gekämpft. Die Regierung Hadrians I. übertrifft frühere und folgende Zeiten; die Mauern Roms, das heilige Partimonium, der Sturz der Lombardei und die Freundschaft Karls des Großen waren seine Ruhmestrophäen. Er baute in der Stille am Throne seiner Nachfolger und entwickelte in einem beschränkten Raum die Tugenden eines großen Fürsten. Sein Andenken wurde geehrt, aber bei der nächsten Wahl ein Priester des Lateran, Leo III. dem Neffen und Liebling Hadrians, den dieser zu den ersten Würden der Kirche befördert hatte, vorgezogen. Die Unzufriedenen verbargen unter Ergebung oder Reue die schwärzesten Rachepläne vier Jahre lang bis zum Tage eines Umzuges, an dem ein wütender Haufe von Verschworenen die unbewaffnete Menge zerstreute und der geheiligten Person des Papstes Schläge und Wunden zufügte. Ihre Absicht, sein Leben oder seine Freiheit zu nehmen, mißlang jedoch, vielleicht durch ihre eigene Bestürzung und Reue. Leo blieb für tot auf dem Platze liegen; bei seinem Erwachen aus der Ohnmacht, der Folge seines Blutverlustes, erlangte er Sprache und Gesicht wieder, und dieses natürliche Ereignis wurde als wunderbare Wiedererlangung seiner Sehkraft und Sprache ausgeschmückt, deren er durch das Messer der Mörder beraubt, zweimal beraubt worden wäre. Er entkam aus seinem Gefängnis nach dem Vatikan. Der Herzog von Spoleto eilte zu seiner Befreiung herbei. Karl der Große nahm Anteil an seinen Leiden und empfing oder erbat sich in seinem Lager von Paderborn in Westphalen einen Besuch des römischen Bischofs. Leo ging mit einem Geleite von Grafen und Bischöfen, seinen Beschützern und Richtern seiner Unschuld, über die Alpen zurück, und nicht ohne Widerstreben verschob der Sachsenbezwinger bis ins folgende Jahr die persönliche Ausübung dieser frommen Pflicht. Auf seiner vierten und letzten Wallfahrt wurde er in Rom mit den einem König und Patrizier gebührenden Ehren empfangen. Leo reinigte sich durch einen Eid von den ihm zur Last gelegten Verbrechen; seine Feinde wurden zum Schweigen gebracht, und der fluchwürdige Angriff gegen sein Leben mit der milden Strafe der Verbannung geahndet. Am Christfeste des letzten Jahres des achten Jahrhunderts erschien Karl der Große in der Peterskirche und hatte, um der Eitelkeit Roms zu genügen, die einfache Tracht seines Vaterlandes mit dem Gewande eines Patriziers vertauscht. Nach der Feier der heiligen Mysterien setzte Leo plötzlich eine kostbare Krone auf sein Haupt, und der Dom widerhallte vom Freudengeschrei des Volkes: »Langes Leben und Sieg Karl, dem frömmsten Augustus, von Gott zum großen und friedereichen Kaiser der Römer gekrönt!« Haupt und Leib Karls des Großen wurden königlich gesalbt; er wurde gleich den Cäsaren vom Papste begrüßt oder kniend verehrt. Sein Krönungseid enthielt das Versprechen, den Glauben und die Vorrechte der Kirche aufrecht zu erhalten, und die ersten Früchte zahlte er in reichen Gaben auf den Gräbern der Apostel. Der Kaiser beteuerte in vertrautem Gespräche, daß er in Unkenntnis von Leos Absichten gewesen sei, die durch seine Abwesenheit an diesem denkwürdigen Tage nicht hätten durchgeführt werden können. Aber die Vorbereitungen zur Feier mußten das Geheimnis enthüllt haben, und die Reise Karls des Großen zeigt sein Wissen darum und seine Erwartung; er hatte bekannt, daß der kaiserliche Titel das Ziel Seines Ehrgeizes sei, und ein römischer Senat hatte ausgesprochen, daß derselbe die einzig angemessene Belohnung seines Wertes und seines Verdienstes wäre.

Die Benennung groß ist oft beigelegt und zuweilen verdient worden, aber Karl der Große ist der einzige Fürst, bei dem der Titel mit dem Namen unwiderruflich verbunden worden ist. Dieser Name, mit dem Beisatze der Heilige, findet sich im römischen Kalender aufgenommen, und der Heilige wird, ein seltenes Glück, mit den Lobsprüchen der Geschichtsschreiber und Philosophen eines aufgeklärten Jahrhunderts geschmückt. Sein wirkliches Verdienst wird ohne Zweifel durch die Primitivität des Volkes und der Zeiten, aus der er auftauchte, erhöht, aber ebenso seine scheinbare Größe durch einen unrichtigen Vergleich übertrieben, gleichwie die Ruinen von Palmyra durch die Nacktheit der umliegenden Wüste einen zufälligen Glanz erhalten. Ohne Ungerechtigkeit gegen seinen Ruf kann ich in der Heiligkeit und Größe des Wiederherstellers des abendländischen Kaisertums einige Flecken sehen. Unter seinen moralischen Tugenden leuchtet Keuschheit nicht eben sehr hervor, aber sein öffentlicher Ruf konnte durch seine neun Weiber oder Geliebten, durch viele kleinere oder kürzere Liebschaften, durch die Menge von Bastarden, die er der Kirche vermachte, durch das lange Zölibat und die Sitten seiner Töchter, die der Vater mit zu zärtlicher Leidenschaft geliebt haben soll, nicht wesentlich gefährdet werden. Man wird mir kaum erlauben, den Ehrgeiz eines Eroberers anzuklagen; aber an einem Tage gerechter Wiedervergeltung dürften die Söhne seines Bruders Karlmann, die merovingischen Fürsten von Aquitanien und die viertausendfünfhundert Sachsen, die auf einem Fleck enthauptet wurden, etwas gegen die Gerechtigkeit und Menschenliebe Karls des Großen vorzubringen haben. Seine Behandlung der besiegten Sachsen war ein Mißbrauch der Rechte eines Siegers; seine Gesetze waren nicht minder blutdürstig als seine Waffen, und bei der Prüfung seiner Beweggründe muß, was man an Bigotterie abzieht, dem Temperament zugeschrieben werden. Der Leser, der eine sitzende Lebensart führt, wird über Karls unaufhörliche geistige und körperliche Tätigkeit staunen, und nicht minder wurden seine Untertanen und Feinde durch seine plötzliche Gegenwart in einem Augenblicke überrascht, in dem sie ihn an den fernsten Enden seines Reiches vermuteten; weder Friede noch Krieg, weder Sommer noch Winter waren für ihn eine Zeit der Ruhe, und unsere Phantasie vermag die Annalen seiner Regierung mit der Örtlichkeit seiner Unternehmungen nicht leicht in Übereinstimmung bringen. Aber dieser Tätigkeitsdrang war mehr eine nationale als eine persönliche Tugend; das Wanderleben der Franken verging auf Jagden, Wallfahrten und in kriegerischen Abenteuern, und die Reisen Karls des Großen, bei denen er zahlreiches Gefolge hatte, zeichnen sich durch einen wichtigeren Zweck aus. Sein kriegerischer Ruhm muß nach Prüfung seiner Truppen, seiner Feinde und seiner Taten bemessen weiden. Alexander siegte mit den Armeen Philipps, aber die zwei Helden, die Karl dem Großen vorangingen, hinterließen ihm ihre Namen, ihr Beispiel und die Gefährten ihrer Siege. Er unterdrückte an der Spitze seiner kampferprobten und überlegenen Heere wilde oder entartete Nationen, die nicht fähig waren, sich zu ihrer gemeinsamen Sicherheit zu verbünden; auch traf er, was Zahl, Heereszucht oder Waffen betrifft, nie auf einen gleichen Gegner. Die Kriegskunst war mit den Künsten des Friedens verlorengegangen und lebte mit ihnen wieder auf; aber seine Feldzüge sind mit keiner Belagerung, keiner Schlacht von besonderer Wichtigkeit und Erfolg ausgezeichnet, und er hat mit Neid die Siegeszeichen seines Großvaters über die Sarazenen betrachtet. Nach seinem Feldzuge in Spanien wurde seine Nachhut in den Pyrenäen vernichtet. Die Soldaten, deren Lage hoffnungslos, deren Tapferkeit nutzlos war, haben wahrscheinlich mit dem letzten Atemzug die mangelnde Geschicklichkeit oder Vorsicht ihres Feldherrn beklagt. Ich erwähne mit Ehrfurcht die Gesetze Karls des Großen, denen ein achtbarer Richter so hohes Lob gezollt hat. Sie bildeten kein System, sondern nur eine Reihe gelegentlicher und Kleinigkeiten betreffende Edikte zur Abstellung der Mißbräuche, Reform der Sitten, Verwaltung seiner Meierhöfe, Sorgfalt für das Federvieh, ja sogar zum Verkauf der Eier. Er wünschte die Gesetze und den Charakter der Franken zu veredeln, und seine Versuche, wie schwach und unvollkommen sie auch waren, verdienen Lob; die eingewurzelten Zeitübel wurden durch seine Regierung abgeschafft oder gemildert, aber ich vermag in seinen Satzungen nur selten den allgemeinen Überblick und den unsterblichen Geist eines Gesetzgebers zu entdecken, der zum Besten der Nachwelt fortlebt. Die Einheit und der Bestand seines Reiches hingen an dem Leben eines einzigen Mannes; er ahmte die gefährliche Gewohnheit nach, sein Reich unter seine Söhne zu teilen. Trotz seiner zahlreichen Reichstage schwankte doch die ganze Verfassung zwischen Anarchie und Despotismus. Seine Achtung vor der Frömmigkeit und Gelehrsamkeit der Geistlichkeit verleitete ihn, diesen ehrgeizigen Stand mit zeitlicher Herrschaft und politischer Macht auszustatten, und als sein Sohn Ludwig durch die Bischöfe beraubt und abgesetzt wurde, konnte er mit Recht seinem unklugen Vater die Schuld daran geben. Seine Gesetze legten die Zahlung des Zehnten auf, weil die Dämonen in der Luft verkündet hatten, die Nichtentrichtung dieser Steuer wäre die Ursache der letzten Mißernte gewesen. Die geistigen Verdienste Karls des Großen werden durch Gründung von Schulen, Einführung der Künste, durch die Werke, die unter seinem Namen herauskamen und durch seinen vertrauten Verkehr mit den Untertanen und Fremden bestätigt, die er an seinen Hof lud, um sowohl den Fürsten als das Volk zu erziehen. Seine eigenen Studien waren mühsam, unvollständig und spät angestellt; wenn er Latein sprach und Griechisch verstand, waren die Anfangsgründe dieser Sprachen mehr aus dem Umgange als aus Büchern geschöpft, und der Kaiser strebte erst im reifen Alter danach, sich die Kunst des Schreibens zu eigen zu machen. Grammatik und Logik, Musik und Astronomie wurden in jener Zeit nur zum Nutzen des Aberglaubens gepflegt. Aber die Forschbegier des menschlichen Geistes mußte schließlich zu dessen Veredlung führen, und es gereicht Karl dem Großen zu höchstem Glanz und Ehren, daß er die Wissenschaft aufblühen ließ. Die Würde seiner Person, die Länge seiner Regierung, das Glück seiner Waffen, die Kraft seiner Herrschaft und die Ehrfurcht ferner Nationen erheben ihn über den königlichen Troß, und Europa beginnt eine neue Zeitrechnung mit der Wiederherstellung des abendländischen Kaisertums.

Dieses Kaisertum war des Titels nicht unwürdig. Einige der schönsten Königreiche Europas bildeten das Erbe oder wurden von einem Fürsten erobert, der zu gleicher Zeit in Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und Ungarn herrschte.

I. Die römische Provinz Gallien war in die Monarchie Frankreich umgewandelt worden, aber nach dem Verfall des merovingischen Hauses wurden dessen Grenzen durch die unabhängigen Briten und die Empörung von Aquitanien verengert. Karl der Große bekriegte die Briten und beschränkte sie auf die Gestade des Ozeans; dieser wilde Stamm, durch Ursprung und Sprache von den Franken so verschieden, wurde durch Tribut, Geisel sowie Friedenszwang bestraft. Nach einem lange dauernden Kampfe wurden die sich empörenden Herzöge von Aquitanien niedergeworfen. Sie verloren ihre Provinz und ihr Leben. Eine solche Behandlung ehrgeiziger Statthalter, welche die Majordomi zu treu nachgeahmt hatten, würde schon hart und streng gewesen sein. Aber neuerlich wurde entdeckt, daß diese unglücklichen Fürsten die letzten und rechtmäßigen Erben Chlodwigs waren, ein jüngerer von Dagoberts Bruder abstammender Zweig des merovingischen Hauses. Ihr altes Königreich war auf das Herzogtum Gascogne und die Grafschaften Fezenzac und Armagnac am Fuße der Pyrenäen beschränkt; ihr Geschlecht lebte bis Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, und nachdem sie ihre karolingischen Tyrannen überlebt hatten, war es ihnen bestimmt, abwechselnd Verfolgung und Gunst durch eine dritte Dynastie zu erfahren. Durch die Wiedervereinigung mit Aquitanien wurde Frankreich bis auf seine gegenwärtigen Grenzen erweitert, mit Einschluß jedoch der Niederlande, Spaniens und des Rheins.

II. Die Sarazenen waren vom Großvater und Vater Karls des Großen aus Frankreich vertrieben worden, aber sie besaßen noch immer den größten Teil von Spanien, vom Felsen von Gibraltar bis zu den Pyrenäen. Infolge ihrer Parteispaltungen hatte ein Emir von Saragossa auf dem Reichstage von Paderborn bei Karl dem Großen um Schutz nachgesucht. Er unternahm den Feldzug, setzte den Emir wieder ein, brach, ohne den Glauben zu berücksichtigen, unparteiisch den Widerstand der Christen und belohnte den Gehorsam und die Dienste der Mohammedaner. Er errichtete die spanische Mark, die sich von den Pyrenäen bis an den Ebro ausdehnte. Barcelona war die Residenz des fränkischen Statthalters; er besaß die Grafschaften Roussillon und Katalonien, und die jungen Königreiche Navarra und Aragonien waren ihm Untertan.

III. Als König der Lombarden und Patrizier von Rom herrschte er über den größten Teil von Italien, eine Strecke von tausend Meilen, von den Alpen bis an die Grenze von Kalabrien. Das Herzogtum Benevent, ein lombardisches Lehen, hatte sich auf Kosten der Griechen über das neue Königreich Neapel ausgedehnt. Aber der regierende Herzog Arrechis weigerte sich, die Knechtschaft seines Vaterlandes zu teilen. Er nahm den Titel eines unabhängigen Fürsten an und widerstand kämpfend der karolingischen Monarchie. Seine Verteidigung war standhaft, seine Unterwerfung nicht unrühmlich, und der Kaiser begnügte sich mit einem geringen Tribut, der Abtragung seiner Festungen und der Anerkennung eines obersten Lehensherrn durch Prägung dessen Bildes auf den Münzen. Sein Sohn Grimoald fügte, um sich einzuschmeicheln, den Namen Vater hinzu, aber er behauptete seine Würde mit Klugheit, und Benevent entzog sich unmerklich dem Joch der Franken.

IV. Karl der Große war der erste, der Deutschland unter einem Zepter vereinigte. Der Name Ostfrankreich wird noch im Kreise Franken bewahrt, und Hessen und Thüringen wurde Frankreich einverleibt. Die den Römern so furchtbaren Alemannen waren die treuen Vasallen und Bundesgenossen der Franken. Ihr Land hatte die heutigen Grenzen von Elsaß, Schwaben und der Schweiz. Die Baiern behielten ihre Gesetze und Sitten, gehorchten jedoch einem ungeduldigen Gebieter. Der wiederholte Hochverrat Tassilos rechtfertigte die Abschaffung ihres erblichen Herzogtums und ihre Macht wurde unter Grafen verteilt, die über sie das Richteramt besaßen und ihre Grenzen zu verteidigen hatten. Aber der Norden Deutschlands vom Rhein an und jenseits der Elbe war noch immer feindlich gesinnt und heidnisch. Ein dreiunddreißigjähriger Krieg war erforderlich, um die Sachsen unter das Joch Christi und Karls zu beugen. Die Götzen und ihre Verehrer wurden ausgerottet, und die Gründung von acht Bistümern, Münster, Osnabrück, Paderborn, Minden, Bremen, Verden, Hildesheim und Halberstadt kennzeichnet auf beiden Seiten der Weser die Grenzen des alten Sachsens. Diese bischöflichen Sitze waren die ersten Schulen und Städte des wilden Landes. Die Religion und Menschlichkeit der Kinder macht in einem gewissen Grade die Niedermetzlung der Eltern verzeihen. Jenseits der Elbe breiteten sich die Slaven, von ähnlichen Sitten, aber verschiedenen Namen, über die neueren Länder Preußen, Polen und Böhmen aus. Vorübergehende Unterwerfungen haben die französischen Geschichtschreiber sogar verleitet, als Grenzen des Reiches die Ostsee und Weichsel anzugeben. Die Eroberung oder Bekehrung dieser Länder gehört einem späteren Zeitalter an, aber die erste Vereinigung von Böhmen mit den deutschen Landen kann mit Recht Karl dem Großen zugeschrieben werden.

V. Er suchte die Avaren oder Hunnen von Ungarn mit denselben Drangsalen heim, die sie über die Völker gebracht hatten. Ihre Ringe oder hölzernen Wälle, die ihre Bezirke und Dörfer umgaben, wurden durch ein dreifaches fränkisches Heer gebrochen, das zu Land und Wasser, durch die Karpathen und längs den Ebenen der Donau in ihr Land einbrach. Nach achtjährigem blutigen Kampfe wurde der Tod einiger fränkischer Heerführer durch die Niedermetzelung der edelsten Hunnen gerächt; die Reste der Nation unterwarfen sich. Die königliche Residenz des Chagan verödete, ihre Schätze, der Raub von zweihundertfünfzig Jahren, bereicherten die siegreichen Truppen oder schmückten die Kirchen von Italien und Gallien. Nach der Bezwingung von Pannonien dehnten sich die Grenzen des Reiches Karls des Großen bis an den Zusammenfluß der Donau mit der Theiß und Save aus; die Provinzen Istrien, Liburnien und Dalmatien bildeten einen leicht erworbenen, aber nutzlosen Zuwachs, und es war eine Folge seiner Mäßigung, daß er die Seestädte unter der wirklichen oder nominellen Souveränität der Griechen ließ. Aber diese fernen Besitzungen erhöhten mehr den Ruhm als die Macht des lateinischen Kaisers; auch wagte er keine kirchlichen Einrichtungen zu treffen, um die Barbaren von ihrem Wanderleben und Götzendienste zu bekehren. Einige Verbindungskanäle zwischen der Saone und Maas, dem Rhein und der Donau wurden lässig begonnen. Ihre Ausführung würde das Reich belebt haben, aber man verschwendete häufig mehr Kosten und Mühe auf den Bau einer Kathedrale!

Wenn wir die Grenzen dieses Gebietes verfolgen, so sehen wir, daß sich das Reich der Franken zwischen Osten und Westen vom Ebro bis an die Elbe und Weichsel, zwischen Norden und Süden von dem Herzogtume Benevent bis an die Eider, den ewigen Grenzfluß Deutschlands und Dänemarks, ausdehnte. Die persönliche und politische Wichtigkeit Karls des Großen wurde durch die Drangsale und Zersplitterungen des übrigen Europas erhöht. Um die Inseln Großbritannien und Irland kämpfte eine Schar von Fürsten sächsischer oder schottischer Herkunft, und nach Spaniens Verlust war das christliche oder gotische Königreich Alphons' des Keuschen auf den engen Bezirk der asturischen Gebirge beschränkt. Diese kleinen Fürsten verehrten die Macht oder Tugend des karolingischen Monarchen, baten um die Ehre eines Bündnisses und Beistand und nannten ihn ihren gemeinsamen Vater, den einzigen und obersten Kaiser des Abendlandes. Er verkehrte auf gleichem Fuße mit dem Kalifen Harun al Raschid, dessen Reich sich von Afrika bis Indien erstreckte, und nahm von seinen Abgesandten ein Zelt, eine Wasseruhr, einen Elefanten und die Schlüssel des heiligen Graben an. Es ist schwer, die vertraute Freundschaft eines Franken und eines Arabers, einander an Person, Sprache und Religion fremd, zu begreifen; doch ihr öffentliches Verhältnis gründete sich auf Eitelkeit und ihre Entfernung voneinander bewahrte sie vor der Nebenbuhlerschaft. Zwei Dritteile des abendländischen Reiches von Rom gehorchten Karl dem Großen und was daran fehlte, wurde durch seine Herrschaft über die unzugänglichen Länder oder schwerbezwinglichen Völker Deutschlands reichlich ersetzt. Aber wir staunen mit Recht, daß er bei der Wahl seiner Feinde den armen Norden so oft dem reichen Süden vorzog. Die dreiunddreißig schwierigen, in die Wälder und Sümpfe Deutschlands führenden Feldzüge würden hingereicht haben, die Griechen aus Italien und die Sarazenen aus Spanien zu vertreiben. Die Schwäche der Griechen mußte ihm einen leichten Sieg sichern, der heilige Kreuzzug gegen die Sarazenen hätte ihm Ruhm und Rache gebracht und wäre religiös und politisch gewesen. Vielleicht, daß seine Züge über den Rhein und die Elbe bezwecken sollten, seine Monarchie vor dem Schicksal des römischen Reiches zu bewahren, die Feinde der zivilisierten Gesellschaft zu entwaffnen und den Samen künftiger Völkerwanderungen zu vertilgen. Aber man hat mit Recht bemerkt, daß, im Lichte einer Vorsichtsmaßregel betrachtet, keine Eroberung wirksam sein könne, sie wäre denn allgemein, weil jede Ausdehnung der Grenzen größere Feindeskreise berührt. Die Unterjochung von Deutschland riß den Schleier, der die Festlande oder Inseln von Skandinavien der Kenntnis Europas so lange verborgen hatte, hinweg und rüttelte die trägen und mutigen barbarischen Eingeborenen auf. Die wildesten der sächsischen Götzendiener hatten sich vor dem christlichen Tyrannen zu ihren nordischen Brüdern geflüchtet; der Ozean und das Mittelmeer wurden von ihren Seeräuberflotten heimgesucht, und Karl der Große sah seufzend die Fortschritte der zerstörerischen Normannen, die in weniger als siebzig Jahren den Sturz seines Hauses und seiner Monarchie beschleunigten. Wenn der Papst und die Römer die ursprüngliche Verfassung wieder ins Leben gerufen hätten, so würde der Titel Kaiser und Augustus Karl dem Großen nur auf Lebenszeit erteilt worden sein und seine Nachfolger hätten bei jeder Erledigung den Thron nur mittels einer förmlichen oder stillen Wahl besteigen können. Aber die Teilnahme seines Sohnes Ludwigs des Frommen an der Regierung bekräftigte das unabhängige Recht der Monarchie und Eroberung, und der Kaiser scheint bei dieser Gelegenheit die Ansprüche der Geistlichkeit vorausgesehen und ihnen vorgebeugt zu haben. Er befahl dem königlichen Prinzen, die Krone vom Altar zu nehmen und sie sich mit eigenen Händen als ein Geschenk Gottes, seines Vater und der Nation aufzusetzen. Dieselbe Zeremonie wurde, obschon weit weniger energisch, in der folgenden Doppelregierung Lothars und Ludwigs II. wiederholt. Das Zepter der Karolinger ging vom Vater auf den Sohn in einer geraden Erbfolge während vier Generationen über, und die ehrgeizigen Päpste blieben auf die leere Ehre beschränkt, diese Erbfürsten, die bereits mit ihrer Macht durch die Geburt bekleidet waren, zu salben und zu krönen. Der fromme Ludwig überlebte seine Brüder und besaß das ganze Reich Karls des Großen. Aber die Völker und Edlen, seine Bischöfe und seine Kinder entdeckten bald, daß dieser ungeheure Körper nicht mehr von demselben Geiste belebt werde. Die Grundlagen wurden im Kernpunkte untergraben, während die äußere Oberfläche noch glatt und ganz war. Nach einem Kriege und einer Schlacht, die hunderttausend Franken das Leben kostete, wurde das Reich zwischen seinen drei Söhnen geteilt, die alle kindlichen und brüderlichen Pflichten verletzt hatten. Die Königreiche Frankreich und Deutschland wurden auf immer getrennt und die gallischen Provinzen zwischen Rhone und Alpen, Maas und Rhein samt Italien fielen Lothar zu. Bei der Teilung seines Anteiles erhielten seine jüngeren Söhne Lothringen und das Arelat, zwei neue ephemere Königreiche. Ludwig II., sein ältester Sohn, begnügt sich mit dem Königreiche Italien, dem eigentlichen und hinreichenden Erblande eines römischen Kaisers. Nach seinem Tode ohne männlichen Nachkommen stritten sich seine Oheime und Vettern um den erledigten Thron. Die Päpste benützten diese Gelegenheit mit der größten Gewandtheit, um die Ansprüche und Verdienste der Kandidaten zu prüfen und das kaiserliche Amt eines Beschützers der römischen Kirche dem willfährigsten oder freigebigsten zu verleihen. Die Hefe des karolingischen Geschlechtes zeigte weiter weder Macht noch Tugend, und die lächerlichen Beinamen des Kahlen, des Stammlers, des Dicken, des Einfältigen unterschieden die sonst einförmigen Gestalten einer Schar Könige, alle in gleichem Maße der Vergessenheit wert. Infolge des Aussterbens der Seitenlinien fiel die ganze Erbschaft an Karl den Dicken, den letzten Kaiser seines Hauses; sein Blödsinn rechtfertigte den Abfall Deutschlands, Italiens und Frankreichs. Er wurde auf einem Reichstage abgesetzt und flehte die Rebellen, die sein Leben und seine Freiheit aus Verachtung geschont hatten, um sein tägliches Brot an. Nach dem Grade ihrer Macht maßten sich die Statthalter, Bischöfe und Herren die Bruchstücke des zerfallenden Reiches an, nur daß weibliche oder unechte Nachkommen Karls des Großen einigen Vorzug erhielten. Diejenigen, die mit einem Heere vor den Toren Roms erscheinen konnten, wurden im Vatikan zu Kaisern gekrönt; häufiger aber begnügten sie sich bescheiden mit dem Titel König von Italien, und der ganze Zeitraum von vierundsiebzig Jahren, von der Abdankung Karls des Dicken bis zur Erhebung Ottos I., kann als kaiserlos angesehen werden.

Otto gehörte dem alten Geschlechte der Herzöge von Sachsen an, und wenn er wirklich von Wittekind, dem Gegner und Proselyten Karls des Großen, abstammte, so wurden die Nachkommen eines besiegten Volkes erhoben, um über ihre Sieger zu herrschen. Sein Vater, Heinrich der Städtegründer, war durch die Nation erwählt worden, das deutsche Königreich zu retten und zu begründen. Die Grenzen desselben wurden auf allen Seiten von seinem Sohne, dem ersten und größten der Ottonen, erweitert. Ein Strich von Gallien westlich vom Rhein längs den Ufern der Maas und Mosel wurde den Deutschen überwiesen, deren Blut und Sprache seit den Zeiten Cäsars und Tacitus' hier dominierten. Zwischen Rhein, Rhone und Alpen erwarben die Nachfolger Ottos eine hohle Oberhoheit über die zertrümmerten burgundischen und arelatischen Königreiche. Im Norden wurde das Christentum durch das Schwert Ottos, des Apostels und Besiegers der slavischen Völkerschaften an der Oder und Elbe, verbreitet. Die Marken Brandenburg und Schleswig wurden durch deutsche Kolonisten befestigt, und die Könige von Dänemark, die Herzöge von Böhmen und Polen bekannten sich als seine zinspflichtigen Vasallen. An der Spitze einer siegreichen Armee ging er über die Alpen, unterwarf das Königreich Italien, befreite den Papst und festigte das Kaisertum in Deutschland für immer. Von dieser denkwürdigen Epoche an wurden zwei Maximen des Staatsrechtes durch Gewalt eingeführt, die mit der Zeit genehmigt werden: 1. Daß der Fürst, der auf dem deutschen Reichstage gewählt wurde, von dem Augenblicke an die unterworfenen Königreiche Italien und Rom erlangte. 2. Daß aber dieser Fürst gesetzlich die Titel Kaiser und Augustus nicht eher annehmen durfte, als bis er die Krone aus den Händen des römischen Papstes erhalten hatte. Die kaiserliche Würde Karls des Großen wurde dem Osten durch die Veränderung in seinem Stil verkündet, und statt die griechischen Kaiser als seine Väter zu begrüßen, erdreistete er sich, sie Bruder zu nennen. Vielleicht trachtete er danach, Irene zur Gemahlin zu erhalten; seine Gesandten in Konstantinopel redeten die Sprache des Friedens und der Freundschaft und unterhandelten vielleicht insgeheim über einen Ehevertrag mit dieser ehrgeizigen Fürstin, welche die heiligsten Pflichten einer Mutter verletzt hatte. Es ist unmöglich, über Natur, Dauer und wahrscheinliche Folgen einer solchen Vereinigung zwischen zwei fernen und ungleichen Herrschern eine Vermutung zu wagen; aber das einstimmige Schweigen der Lateiner erregt den Argwohn, daß das Gerücht von Irenes Feinden erfunden wurde, um sie mit der Schuld des Verrates an der Kirche und des Staates an die westlichen Fremdlinge zu beladen. Die fränkischen Gesandten waren Zeugen und wären beinahe Opfer der Verschwörung des Nikephorus und des Nationalhasses geworden. Konstantinopel war über den Verrat und Frevel des alten Rom erbittert. Ein Sprichwort, »daß die Franken gute Freunde und schlimme Nachbarn wären«, ging von Mund zu Mund, aber es war gefährlich einen Nachbar zu reizen, der in Versuchung kommen konnte, in der St. Sophienkirche die Zeremonie seiner Kaiserkrönung zu wiederholen. Nach einer langwierigen Reise voller Umwege und Verzögerungen trafen die Gesandten des Nikephorus ihn in seinem Lager am Ufer der Saale. Karl der Große machte sich das Vergnügen, sie in ihrer Eitelkeit zu demütigen, indem er in einem fränkischen Dorfe den Pomp oder wenigstens den Hochmut der Byzantiner zeigte. Die Griechen wurden nacheinander durch vier Audienzhallen geführt, in der ersten waren sie bereit, vor einer schimmernden Person auf einem Prunkstuhle niederzufallen, bis man ihnen sagte, daß es nur ein Diener, der Stallmeister des Kaisers wäre. Derselbe Irrtum, dieselbe Antwort wurde in den Hallen des Pfalzgrafen, des Hofmeisters, des Kämmerers wiederholt, und ihre Ungeduld steigerte sich allmählich, bis die Tore des eigentlichen Audienzsaales sich öffneten und sie den wirklichen Monarchen auf seinem Throne in reichem Prunke des Auslandes, den er verachtete, und von seinen ihn liebenden, ehrfürchtigen siegreichen Heerführern umgeben, erblickten. Ein Friedens- und Freundschaftsvertrag wurde zwischen den beiden Reichen geschlossen und die Grenzen des Westens und Ostens durch den gegenwärtigen Besitzstand bestimmt. Aber die Griechen vergaßen bald diese demütigende Gleichheit oder erinnerten sich ihrer nur, um die Barbaren zu hassen, von denen sie ihnen aufgedrungen worden war. Während kurzer Zeit begrüßten sie den Augustus Karl ehrfurchtsvoll mit dem Namen eines Basileus und Kaisers der Römer. Die byzantinischen Briefe an seinen Sohn trugen jedoch die Überschrift: »An den König oder, wie er sich nennt, Kaiser der Franken und Lombarden.« Nachdem sowohl Macht als Tugend geschwunden, versagten sie Ludwig II. seinen erblichen Titel und setzten ihn durch die barbarische Benennung rex oder rega zur übrigen Schar der lateinischen Fürsten herab. Seine Antwort ist bezeichnend für seine Schwäche; er beweist mit einiger Gelehrsamkeit, daß sowohl in der weltlichen wie in der heiligen Geschichte der Name König mit dem griechischen Basileus synonym sei; wenn auch in Konstantinopel dieser Titel im ausschließlichen Sinne genommen würde, so leite er von seinen Ahnen und dem Papste die Berechtigung her, an den Ehren des römischen Purpurs teilzunehmen. Derselbe Streit wurde unter der Regierung der Ottonen wieder aufgefrischt. Ihr Gesandter beschreibt in lebendigen Farben den übermütigen byzantinischen Hof. Die Griechen erkünstelten Verachtung für die Armut und Unwissenheit der Franken und Sachsen und weigerten sich, auch in ihrem äußersten Verfall die Könige von Deutschland mit dem Titel römischer Kaiser auszuzeichnen.

Diese Kaiser fuhren bei den Wahlen der Päpste fort, die Macht auszuüben, die sich die gotischen und griechischen Fürsten angemaßt hatten, und die Wichtigkeit dieses Vorrechtes nahm mit dem weltlichen Staate und der geistlichen Macht der Kirche zu. In der christlichen Aristokratie bildeten die vornehmsten Mitglieder der Geistlichkeit dauernd einen Senat, um dem Bischof bei seiner Verwaltung beizustehen und ihn im Falle der Erledigung zu ersetzen. Rom war in achtundzwanzig Pfarreien geteilt und jede Partei wurde von einem Kardinalpriester oder Presbyter geleitet, ein Titel, der, wie gewöhnlich und bescheiden er auch nach seinem Ursprung gewesen sein mag, mit dem Königstitel wetteifern sollte. Ihre Anzahl wurde durch die Beigesellung von sieben Diakonen der vornehmsten Hospitäler, der sieben Pfalzrichter des Lateran und einiger Würdenträger der Kirche erweitert. Dieser kirchliche Senat wurde von sieben Kardinalbischöfen der römischen Provinz geleitet, die in ihren außerstädtischen Sprengeln Ostia, Porto, Veliträ, Tusculum, Präneste, Tibur und Sabinum minder beschäftigt waren, als durch ihren wöchentlichen Dienst im Lateran und ihre Teilnahme an den höheren Ehren und der Macht des apostolischen Stuhles. Nach dem Tode eines Papstes empfahlen diese Bischöfe dem Kardinalkollegium einen Nachfolger, und ihre Wahl wurde durch den beifälligen oder mißfälligen Zuruf des römischen Volkes angenommen oder verworfen. Aber die Wahl war unvollständig und der Papst konnte gesetzlich nicht eher geweiht werden, als bis der Kaiser, der Verteidiger der Kirche, huldreich seine Billigung und Zustimmung gegeben hatte. Der kaiserliche Bevollmächtigte untersuchte an Ort und Stelle Form und Freiheit des Wahlverfahrens, und erst nach vorangegangener Prüfung der Eigenschaften der Kandidaten nahm er den Treueid an und bestätigte die Schenkungen, die nach und nach das Vermögen des Stuhles des heiligen Petrus bereichert hatten. Bei den nicht selten vorkommenden Spaltungen wurden die Ansprüche der Kandidaten dem Urteile des Kaisers vorgelegt, ja in einer Synode von Bischöfen konnte er wagen, einen schuldigen Papst zu richten, zu verdammen und zu bestrafen. Otto I. zwang dem Senate und Volke einen Vertrag auf, indem es sich verpflichtete, den seiner Majestät angenehmsten Kandidaten vorzuziehen; seine Nachfolger kamen der Wahl zuvor oder hinderten sie, verliehen die römische Papstwürde wie die Bistümer Köln oder Bamberg ihren Kanzlern und Lehrern, und wie groß auch das Verdienst eines Sachsen oder Franken sein mochte, so beweist doch schon sein Name hinlänglich die Einmischung einer fremden Macht. Die Ausübung eines solchen Vorrechtes wurde durch die einer Volkswahl anhaftenden Unordnungen beschönigt. Der Bewerber, der von den Kardinälen ausgeschlossen worden war, bediente sich der Leidenschaften oder Habsucht der Menge; der Vatikan und Lateran wurden mit Blut befleckt, und die vornehmsten Senatoren, die Herzoge von Toscana und die Grafen von Tusculum hielten den apostolischen Stuhl in langer und schmählicher Knechtschaft. Die römischen Päpste des neunten und zehnten Jahrhunderts wurden von ihren Tyrannen mißhandelt, eingekerkert, ermordet; und so groß war ihre Armut nach dem Verlust oder der Usurpation der Besitzungen der Kirche, daß sie weder fürstlichen Glanz entfalten noch priesterliche Mildtätigkeit ausüben konnten. Der Einfluß von zwei Schwestern, Marozia und Theodora, gründete sich auf ihren Reichtum und ihre Schönheit, auf ihre politischen Machenschaften und Liebesintrigen. Der kräftigste ihrer Liebhaber wurde mit der römischen Inful belohnt. Ihre Herrschaft mag in den finsteren Jahrhunderten die Fabel von einer Päpstin Johanna veranlaßt haben. Der uneheliche Sohn, Enkel und Urenkel der Marozia, eine seltene Genealogie, saßen auf dem Thron des heiligen Petrus. Der zweite von ihnen war erst neunzehn Jahre alt, als er das Oberhaupt der lateinischen Kirche wurde. In seiner Jugend und seinem Mannesalter verhielt er sich in angemessener Art, und die Pilgerscharen konnten Zeugnis für die Beschuldigungen ablegen, die in einer römischen Synode und in Gegenwart des Kaisers Otto des Großen gegen ihn vorgebracht wurden. Da Johann XII. auf die Tracht und den würdevollen Anstand seines Berufes Verzicht geleistet hatte, mag der Soldat vielleicht durch den Wein, den er trank, das Blut, das er vergoß, die Flammen, die er entzündete und die tollen Spiele der Lust nicht entehrt worden sein. Seine offenkundige Simonie war die Folge der Not und seine lästerliche Anrufung des Jupiter und der Venus konnte, wenn sie anders begründet ist, nicht ernstlich gemeint sein. Aber wir lesen mit Erstaunen, daß der würdige Enkel der Marozia in öffentlichem Ehebruch mit den römischen Damen lebte; daß der lateranische Palast in eine Schule der Schändung umgewandelt wurde und daß seine Vergewaltigung von Jungfrauen und Witwen die Pilgerinnen abhielt, das Grab des heiligen Petrus zu besuchen, um bei dieser frommen Handlung nicht etwa Gewalt von seinem Nachfolger zu erleiden. Die Protestanten verweilen mit boshafter Freude bei diesen Eigenschaften eines Antichristen, einem philosophischen Auge erscheinen aber die Laster der Geistlichkeit weniger gefährlich als ihre Tugenden. Nach einer langen Reihe schändlicher Vorfälle wurde der apostolische Stuhl durch den strengen Gregor VII. reformiert und geläutert. Dieser ehrgeizige Mönch widmete sein Leben der Ausführung von zwei Plänen: 1. Die Unabhängigkeit und Freiheit der Wahl dem Kardinalkollegium fest zu übertragen und für immer das Recht oder die Anmaßung der Kaiser und des römischen Volkes abzuschaffen. 2. Das abendländische Reich als ein Lehen oder Benefizium der Kirche zu verleihen oder zurückzunehmen und seine zeitliche Herrschaft über die Könige und Reiche der Welt auszudehnen. Nach fünfzigjährigem Kampf wurde der erste dieser Pläne durch die Unterstützung der Geistlichkeit, deren Freiheit mit jener ihres Oberhauptes in innigem Zusammenhang stand, durchgesetzt. Aber dem zweiten Plane, obwohl er mit teilweisem und scheinbarem Erfolg gekrönt wurde, widersetzte sich die weltliche Macht mit aller Kraft und er scheiterte endlich gänzlich.

Durch die Erneuerung des römischen Reiches konnten weder der Bischof noch das Volk Karl dem Großen oder Otto die Provinzen verleihen, die durch das wechselnde Glück der Waffen verloren gegangen oder gewonnen worden waren. Aber den Römern stand es frei, sich einen Gebieter zu wählen. Die Gewalt, die den Patriziern erteilt worden war, wurde den fränkischen und sächsischen Kaisern des Abendlandes unwiderruflich übertragen. Die unvollständigen Berichte jener Zeiten geben noch Zeugnis von ihrem Palast, ihren Münzen, ihrem Tribunal, ihren Edikten und dem Schwerte der Gerechtigkeit, das vom Kaiser herrührend, noch im dreizehnten Jahrhundert der Präfekt der Stadt besaß. Durch die Intrigen der Päpste und die Gewalttätigkeiten des Volkes wurde diese Oberhoheit erdrückt und vernichtet. Sich mit den Titeln Kaiser und Augustus begnügend, vernachlässigten die Nachfolger Karls des Großen die Ausübung dieser örtlichen Macht. In der Stunde des Glückes wurde ihr Ehrgeiz durch lockendere Gegenstände abgelenkt, und zur Zeit des Verfalles und der Teilung des Reiches waren sie mit der Verteidigung ihrer Erbländer beschäftigt. Mitten unter den Trümmern Italiens forderte die berüchtigte Marozia einen der Usurpatoren auf, ihr dritter Gemahl zu werden. König Hugo von Burgund wurde von ihrer Partei in den Molo Hadrians oder der Engelsburg eingelassen, welche die Hauptbrücke und den Hauptzugang von Rom beherrscht. Ihr Sohn erster Ehe, Alberich, wurde gezwungen, dem Hochzeitsbankett beizuwohnen. Dieser undankbare Dienst, den er nur mit Widerwillen leistete, wurde ihm von seinem neuen Vater mit einem Schlage vergolten. Dieser Schlag hatte eine Revolution zur Folge. »Römer«, rief der Jüngling aus, »einst waret ihr die Herren der Welt und diese Burgunden waren eure verworfensten Sklaven. Sie herrschen jetzt, die gefräßigen und viehischen Wilden, und mein Schimpf ist der Anfang eurer Knechtschaft.« Die Sturmglocken riefen in allen Vierteln zu den Waffen; die Burgunden zogen sich in Eile und Schmach zurück, Marozia wurde von ihrem siegreichen Sohne eingesperrt und sein Bruder Papst Johann XI. auf die Ausübung seiner geistlichen Verrichtungen beschränkt. Alberich hatte mit dem Fürstentitel über zwanzig Jahre die Regierung von Rom inne, und er soll dem Volk dadurch geschmeichelt haben, daß er das Amt oder wenigstens den Titel der Konsuln und Tribunen wieder herstellte. Sein Sohn und Erbe Oktavian nahm die päpstliche Würde und den Namen Johann XII. an. Gleich seinen Vorfahren wurde er durch die lombardischen Fürsten genötigt, für die Kirche und die Republik einen Befreier zu suchen. Die Dienste Ottos wurden mit der kaiserlichen Würde belohnt. Aber der Sachse war gebieterisch, die Römer wurden ungeduldig, die Krönungsfeier wurde durch den geheimen Kampf um Macht und Freiheit gestört, ja Otto befahl seinem Schwertträger, nicht von seiner Seite zu weichen, sonst könne er am Fuße des Altars angefallen und ermordet werden. Bevor der Kaiser über die Alpen zurückging, bestrafte er die Empörung des Volkes und den Undank Johanns XII. Der Papst wurde in einer Synode abgesetzt, der Präfekt, auf einem Esel reitend, durch die Stadt gepeitscht und dann in den Kerker geworfen, dreizehn der Schuldigsten wurden gehangen und andere verstümmelt oder verbannt. Dieses strenge Verfahren wurde durch die alten Gesetze des Theodosius und Justinian gerechtfertigt. Die öffentliche Meinung hatte Otto II. einer treulosen und blutigen Tat beschuldigt, der Niedermetzelung der Senatoren, die er unter dem Schein der Gastfreiheit und Freundschaft zu seiner Tafel einlud. Zur Zeit Ottos II. machte Rom einen kühnen Versuch, das sächsische Joch abzuschütteln und der Konsul Crescentius wurde der Brutus der Republik. Aus einem Untertanen und Verbannten wurde er zweimal zum Herren über die Stadt, unterdrückte, vertrieb und ernannte die Päpste und versuchte eine Verschwörung zur Wiederherstellung der Macht der griechischen Kaiser. In der Engelsburg hielt er eine hartnäckige Belagerung aus, bis der unglückliche Konsul in die Schlingen eines wortbrüchigen Gegners fiel; sein Leichnam wurde an einen Galgen gehangen und sein Haupt auf die Zinne der Burg gesteckt. Das Glück wandte sich, und Otto wurde, nachdem er seine Truppen geteilt hatte, drei Tage ohne Nahrung in seinem Palast belagert, nur eine schmähliche Flucht rettete ihn vor den gerechten oder wütenden Römern. Der Senator Ptolemäus war der Anführer des Volkes, und die Witwe des Crescentius genoß die Wonne, ihren Gemahl durch Gift, das sie ihrem kaiserlichen Liebhaber beibrachte, gerächt zu haben. Es war die Absicht Ottos III. gewesen, die rauheren nordischen Länder zu verlassen, seinen Thron in Italien aufzurichten und die römische Monarchie wieder ins Leben zu rufen. Aber seine Nachfolger erschienen nur einmal in ihrem Leben an den Ufern des Tiber, um im Vatikan ihre Krone zu empfangen. Ihre Abwesenheit machte sie verächtlich, sie waren gehaßt und gefürchtet. Sie stiegen an der Spitze ihrer Völker, die dem Lande fremd und feindlich gesinnt waren, von den Alpen nieder, und ihr vorübergehender Besuch gab zu Tumult und Blutvergießen Anlaß. Eine schwache Erinnerung an ihre Ahnen peinigte die Römer fortwährend, und sie sahen mit frommer Entrüstung die Sachsen, Franken, Schwaben und Böhmen, die den Purpur und die Vorrechte der Cäsaren usurpierten.

Es gibt vielleicht nichts, das der Natur und Vernunft mehr widerspräche, als ferne Länder und fremde Nationen gegen ihre Neigung und ihr Interesse in Botmäßigkeit zu erhalten. Ein Barbarenstrom mag über die Erde brausen, aber ein ausgedehntes Reich muß sich auf ein verfeinertes System der Politik und Unterdrückung stützen: im Mittelpunkte eine unumschränkte Gewalt, schnell zur Tat, reich an Hilfsquellen, eine rasche und leichte Verbindung zwischen den äußersten Enden, Festungen, um die erste Ausbreitung einer Empörung zu hemmen, eine regelmäßige Verwaltung zu Schutz und Strafe und ein wohldiszipliniertes Heer, das Furcht einflößt, ohne Unzufriedenheit und Verzweiflung zu erregen. Ganz verschieden war die Lage der deutschen Kaiser, die Italien in Banden zu schlagen strebten. Ihre Domänen dehnten sich längs des Rhein aus oder waren in den Provinzen verstreut; aber auch dieser große Besitz wurde durch die unklugen oder bedürftigen Fürsten veräußert, und ihr aus kleinlichen und drückenden Vorrechten fließendes Einkommen reichte kaum zur Bestreitung ihres Haushaltes hin. Ihre Truppen wurden mit gesetzlichem! Zwang oder freiwillig durch ihre Vasallen gebildet, die ungern über die Alpen gingen, sich des Raubes und der Unordnung schuldig machten und trotzig noch vor Ablauf des Feldzuges davonzogen. Ganze Armeen wurden durch das pestilenzialische Klima dahingerafft; die Überlebenden brachten die Gebeine ihrer Fürsten und Edlen zurück und schrieben die Folgen ihrer eigenen Unmäßigkeit häufig dem Verrat der boshaften Italiener zu, die sich zum mindesten über die Drangsale der Barbaren freuten. Diese unregelmäßige Tyrannei kämpfte auf gleichem Fuße mit den kleinen italienischen Tyrannen, aber weder das Volk, noch der Leser wird sich für diesen Streit sehr interessieren. Allein im elften und zwölften Jahrhundert entzündeten die Lombarden die Flamme der Freiheit, und ihr hochherziges Beispiel wurde endlich von den Republiken von Toskana nachgeahmt. In den italienischen Städten war die Munizipalregierung nicht ganz abgeschafft worden. Ihre ersten Privilegien wurden ihnen aus Gunst oder Politik vom Kaiser bewilligt, die eine plebejische Schranke gegen die Unabhängigkeit der Edlen zu errichten wünschten. Aber die rapiden Fortschritte, die tägliche Ausdehnung der Macht und Ansprüche dieser Gemeinden gründeten sich auf ihre Anzahl und ihren Mut. Jede Stadt war das Haupt ihres Sprengels oder Distriktes; die Gerichtsbarkeit der Bischöfe, Markgrafen und Grafen wurde abgeschafft, und die stolzesten Edlen ließen sich überreden oder wurden gezwungen, ihre Schlösser zu verlassen und den ehrenvollen Stand von Freien oder Obrigkeiten zu ergreifen. Die gesetzgebende Macht wohnte der allgemeinen Versammlung inne, die ausübende Gewalt war jedoch drei Konsuln vorbehalten, die jährlich aus den Kapitänen, Valvassoren und Gemeinen, den drei Ständen, in welche die Bevölkerung geteilt war, gewählt wurden. Unter dem Schutze gleicher Gesetze lebten Ackerbau und Handel allmählich wieder auf; aber der kriegerische Geist der Lombarden wurde durch die bestehende Gefahr genährt, und so oft die Glocken gezogen, die Fahnen gehißt wurden, strömte aus den Toren der Stadt eine zahlreiche und unerschrockene Schar, deren Eifer in ihrer eigenen Sache bald durch Gebrauch und Kenntnis der Waffen gesteigert wurde. An diesem Volkswall brach der Stolz der Cäsaren, und der unbezwingliche Geist der Freiheit siegte über die zwei Friedriche, die größten Fürsten des Mittelalters, einer vielleicht an kriegerischer Tapferkeit überlegen, der andere unstreitig durch friedliche Eigenschaften und Gelehrsamkeit ausgezeichnet.

Aus Ehrgeiz, den Glanz des Purpurs wiederherzustellen, bekriegte Friedrich I. die lombardischen Republiken. Er entwickelte die Künste eines Staatsmannes, die Tapferkeit eines Soldaten und die Grausamkeit eines Tyrannen. Die neuerliche Auffindung der Pandekten hatte eine dem Despotismus höchst günstige Wissenschaft erneuert, und seine käuflichen Anwälte riefen den Kaiser als den unumschränkten Gebieter über Leben und Eigentum seiner Untertanen aus. Seine königlichen Vorrechte wurden in einem minder häßlichen Sinne auf dem Reichstag von Roncaglia anerkannt und das Einkommen von Italien auf dreißigtausend Pfund Silber festgesetzt. Die raubsüchtigen Fiskalbeamten erhöhten jedoch ihre Forderungen in maßloser Weise. Die hartnäckigen Städte wurden durch Schrecken oder Gewalt seiner Waffen bezwungen, seine Gefangenen dem Henker überliefert oder von seinen Wurfmaschinen geschleudert, Mailands stattliche Gebäude nach der Belagerung und Übergabe der Erde gleich gemacht, dreihundert Geißeln nach Deutschland gesandt und die übrigen Bewohner unter dem Joch des unbeugsamen Siegers in vier Ortschaften zerstreut. Aber Mailand erhob sich bald aus seinen Trümmern. Der lombardische Bund wurde durch die Not fester gekettet, Venedig, Papst Alexander III. und der griechische Kaiser ergriffen für sie Partei, der Bau der Unterdrückten wurde an einem Tage gestürzt, und in dem Vertrage von Konstanz bestätigt Friedrich mit einigem Vorbehalt die Freiheit von vierundzwanzig Städten. Sein Enkel kämpfte bald mit ihnen in ihrer Vollkraft und Reife; aber Friedrich II. war mit persönlichen Vorteilen ausgestattet. Seine Geburt und Erziehung empfahlen ihn den Italienern, und in dem unversöhnlichem Kampfe der beiden Parteien hingen die Gibellinen dem Kaiser an, während die Guelfen die Fahne der Freiheit und der Kirche entfalteten. Der römische Hof hatte geschlummert, als er seinem Vater Heinrich VI. gestattete, die Königreiche Neapel und Sizilien mit dem Reiche zu vereinen. Aus diesen Erbländern zog der Sohn eine reiche und bereitwillig gewährte Hilfe an Truppen und Schätzen. Dennoch wurde Friedrich zuletzt durch die lombardischen Waffen und die Bannstrahlen des Vatikan erdrückt; sein Königreich wurde einem Fremden gegeben und der letzte seines Hauses in Neapel auf dem Schaffott öffentlich enthauptet. Während sechzig Jahren erschien kein Kaiser in Italien, und man erinnerte sich dieses Namens nur durch den schmählichen Verkauf der letzten Reste der Souveränität.

Es freute zwar die deutschen Eroberer des Abendlandes, ihr Oberhaupt mit dem kaiserlichen Titel zu schmücken, keineswegs aber war es ihre Absicht, ihn mit der despotischen Gewalt Konstantins und Justinians zu bekleiden. Die Deutschen waren frei, ihre Eroberungen gehörten ihnen selbst, und ihr Nationalcharakter war von einem Geiste beseelt, der die knechtische Jurisprudenz des neuen wie des alten Rom mit Verachtung verwarf. Es wäre ein eitles und vergebliches Unternehmen gewesen, den bewaffneten Freien, die einer Obrigkeit überdrüssig waren, einen Monarchen aufzuzwingen, den Kühnen, die sich zu gehorchen weigerten, den Mächtigen, die nach Herrschaft strebten. Das Reich Karls des Großen und Ottos war unter die Herzöge der Nationen oder Provinzen, die Grafen der kleineren Bezirke, die Markgrafen der Grenzmarken verteilt, welche die ganze bürgerliche und militärische Gewalt, wie sie dem Stellvertreter der ersten Cäsaren übertragen gewesen war, in sich vereinigten. Die römischen Statthalter, die größtenteils vom Glück emporgehobene Soldaten waren, verführten ihre Söldlingslegionen, nahmen den kaiserlichen Purpur an, und ihre Empörung mißlang oder glückte ihnen, ohne die Macht und Einheit der Regierung selbst zu schädigen. Wenn Deutschlands Herzöge, Markgrafen und Grafen minder kühne Ansprüche machten, waren doch die Folgen ihrer Aufstände bleibender und für den Staat verderblicher. Statt nach dem höchsten Rang zu streben, arbeiteten sie in der Stille daran, ihre Provinzialunabhängigkeit zu begründen und sich die Macht anzueignen. Ihr Ehrgeiz wurde durch das Gewicht ihrer Besitzungen und Vasallen, durch ihr gegenseitiges Zusammenhalten, das gemeinsame Interesse des untergeordneten Adels, den Wechsel der Fürsten und Regentenfamilien, die Minderjährigkeit Ottos III. und Heinrichs IV., den Ehrgeiz der Päpste und die eitle Verfolgung der fliehenden Krone von Italien und Rom unterstützt. Die Befehlshaber der Provinzen maßten sich allmählich die sämtlichen Vorrechte der königlichen und Territorial-Hoheit an: das Recht über Krieg und Frieden, über Leben und Tod, der Münze und Besteuerung, privater Bündnisse und heimischer Verwaltung. Was immer sie durch Gewalt an sich gerissen hatten, wurde aus Gunst oder Not bestätigt, als der Preis eines zweifelhaften Votums oder eines freiwilligen Dienstes verliehen. Was dem einen gewährt worden, konnte seinem Nachfolger oder seinesgleichen nicht versagt werden, und jede Bestimmung über lokalen oder temporären Besitz wurde allmählich in die Verfassung des deutschen Königreiches aufgenommen. In jeder Provinz stand der Herzog oder Graf zwischen dem Thron und den Edlen; die Untertanen des Reiches wurden die Vasallen eines Privathäuptlings, und die Fahne, die er vom Herrscher empfing, wehte oft im Felde in ihm feindlichen Reihen. Die zeitliche Macht der Geistlichkeit wurde durch den Aberglauben oder die Politik der karolingischen und sächsischen Dynastien, die sich blind auf ihre Mäßigung und Treue verließen, begünstigt und gehoben, und die Bistümer Deutschlands wurden an Umfang und Vorrecht den größten der militärischen Staaten gleich gemacht und waren ihnen an Reichtum und Bevölkerung überlegen. Solange die Kaiser das Vorrecht behielten, diese geistlichen und weltlichen Lehen bei jeder Erledigung weiter zu verleihen, wurde ihre Sache durch ihre dankbaren oder ehrgeizigen Freunde und Günstlinge aufrechterhalten. Aber in dem Kampfe um Investitur wurden sie ihres Einflusses auf die bischöflichen Kapitel beraubt. Die Freiheit der Wahl wurde wieder hergestellt und der Souverän mit feierlichem Hohn auf die Empfehlung beschränkt, die er einmal in seiner Regierung bei einer einzigen Pfründe in jeder Kirche erteilen konnte. Die weltlichen Statthalter, statt nach dem Willen eines Höheren abberufbar zu sein, konnten nur durch Urteilsspruch von ihresgleichen entsetzt werden. In der ersten Zeit der Monarchie wurde die Nachfolge eines Sohnes in dem Herzogtum oder der Grafschaft seines Vaters von diesem als eine Gunst erbeten; sie wurde allmählich zur Gewohnheit und als Recht angesehen. Die Linealerbfolge wurde häufig auf die Seitenverwandtschaft und den weiblichen Stamm ausgedehnt. Die Reichsländer (ihre gewöhnliche, zuletzt ihre gesetzliche Benennung) konnten durch Testament und Kauf geteilt und veräußert werden, und jeder Begriff eines öffentlichen Amtes ging über dem eines! immerwährenden Privaterbes verloren. Der Kaiser konnte nicht einmal durch eine zufällige Verwirkung oder das Erlöschen einer Familie bereichert werden; er war verpflichtet, binnen Jahresfrist über das erledigte Lehen zu verfügen und mußte bei der Wahl eines Kandidaten entweder den Reichstag oder die Provinzialversammlung zu Rate ziehen.

Nach dem Tode Friedrichs II. war Deutschland eine hundertköpfige Hydra. Eine Schar von Fürsten und Prälaten stritt sich um die Trümmer des Reiches. Die Herren zahlloser Schlösser waren geneigter, ihre Oberen nachzuahmen, als ihnen zu gehorchen, und ihre unaufhörlichen Feindseligkeiten dienten, je nach ihrer Macht, entweder zur Eroberung oder zum Raub. Eine solche Anarchie war die unvermeidliche Folge der europäischen Gesetze und Sitten, und die Königreiche Frankreich und Italien wurden durch die Gewalt desselben Sturmes zersplittert. Aber die italienischen Städte und die französischen Vasallen waren getrennt und wurden vernichtet, während die Einheit der Deutschen ein großes Förderativsystem unter dem Namen eines Reiches hervorgebracht hat. Durch die häufigen und zuletzt immerwährenden Reichstage wurde der Nationalgeist lebendig erhalten, und die Macht einer gemeinsamen Gesetzgebung wurde noch im achtzehnten Jahrhundert durch die drei Zweige oder Kollegien der Kurfürsten, der Fürsten und der freien Reichsstädte Deutschlands ausgeübt. I. Sieben der mächtigsten Vasallen übernahmen mit besonderem Namen und Rang das ausschließliche Recht, den römischen Kaiser zu wählen; diese Kurfürsten waren der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf am Rhein und die drei Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln. II. Das Kollegium der Fürsten und Prälaten wurde gesiebt; die große Anzahl der unabhängigen Grafen wurde auf vier repräsentative Stimmen beschränkt und der Stand der Edlen oder Ritter ausgeschlossen, von dem einst sechzigtausend, wie in den polnischen Reichstagen, beritten auf dem Wahlfelde erschienen waren. III. Die stolzen Männer durch Geburt und Herrschaft, Schwert und Inful ausgezeichnet, nahmen weislich die Gemeinen als den dritten Zweig in die Gesetzgebung auf. Sie wurden bei dem Fortschreiten der bürgerlichen Gesellschaft um dieselbe Zeit auch in den Nationalversammlungen Frankreichs, Englands und Deutschlands eingeführt. Der Hansabund beherrschte den Handel und die Schiffahrt des Nordens; die Rheinbündner sicherten den Frieden und Verkehr des Binnenlandes; der Einfluß der Städte war ihrem Reichtum und ihrer Politik angemessen, und ihr Veto machte die Beschlüsse der beiden oberen Kollegien der Kurfürsten und Fürsten ungültig.

Im vierzehnten Jahrhundert sehen wir den Zustand und Gegensatz des römischen Reiches zu Deutschland, das außer an den Grenzen des Rheines und der Donau keine einzige Provinz Trajans oder Konstantins mehr besaß, im stärksten Lichte. Ihre geringen Nachfolger waren die Grafen von Habsburg, Nassau, Luxemburg und Schwarzburg. Kaiser Heinrich VII. verschaffte seinem Sohne die Krone von Böhmen, und sein Enkel Karl IV. war unter einem, selbst nach Ansicht der Deutschen, fremden und barbarischen Volk geboren. Nach der Exkommunikation Ludwigs von Bayern empfing er von den Päpsten, die in ihrer Verbannung und Gefangenschaft in Avignon die Herrschaft der Welt in Anspruch nahmen, das Geschenk oder die Verheißung des erledigten Reiches. Der Tod seiner Mitbewerber vereinigte das Kurkollegium, und Karl wurde einmütig als römischer König und künftiger Kaiser begrüßt, ein Titel; der in demselben Jahrhundert an die Cäsaren von Deutschland und von Griechenland weggeworfen wurde. Der deutsche Kaiser war nichts weiter als das gewählte und ohnmächtige Oberhaupt einer Aristokratie von Fürsten, die ihm nicht ein Dorf gelassen hatten, das er sein Eigen nennen konnte. Sein bestes Vorrecht war noch, im Nationalsenate, der sich auf sein Ausschreiben versammelte, den Vorsitz zu führen und Vorschläge zu machen, und sein heimisches Königreich Böhmen, minder wohlhabend als die benachbarte Stadt Nürnberg, bildete den festesten Sitz seiner Macht und die reichste Quelle seines Einkommens. Die Armee, mit der er über die Alpen ging, bestand aus dreihundert Reitern. In der Kathedrale des heiligen Ambrosius wurde Karl mit der eisernen Krone, welche die Sage der lombardischen Monarchie zuschrieb, gekrönt; aber er allein wurde mit einem friedlichen Gefolge eingelassen. Man schloß die Tore hinter ihm, und der König von Italien war ein Gefangener Viscontis, den er in der Souveränität über Mailand bestätigte. Im Vatikan wurde er abermals mit der goldenen Reichskrone gekrönt, doch infolge eines geheimen Vertrages entfernte sich der Kaiser ohne Verzug und ohne auch nur eine einzige Nacht in den Mauern Roms auszuruhen. Der beredte Petrarca, dessen Phantasie den Glanz des Kapitols träumerisch wieder aufleben ließ, beklagt und schmäht die schimpfliche Flucht des Böhmen, und sogar seine Zeitgenossen mochten bemerken, daß die einzige Ausübung seiner Macht in einem einträglichen Verkaufe von Vorrechten und Titeln bestanden habe. Das Gold Italiens sicherte die Wahl seines Sohnes; aber so groß war die schimpfliche Armut des Kaisers, daß er in Worms von einem Fleischer im Gasthof festgehalten wurde, als Pfand oder Geisel für die Bezahlung der Zehrung.

Von dieser demütigenden Szene wenden wir uns zu den scheinbaren Majestät desselben Karls auf den Reichstagen. Die Goldene Bulle, welche die deutsche Verfassung festlegt, ist im Stil eines Souveräns und Gesetzgebers erlassen. Hundert Fürsten beugten sich vor seinem Throne und vergrößerten ihre eigene Würde durch die freiwilligen Ehren, die sie ihrem Oberhaupte oder Diener zollten. Bei dem kaiserlichen Bankett verrichteten die Erzämter, die sieben Kurfürsten, an Rang und Titeln Königen gleich, die feierlichen Hausdienste des Palastes. Die Siegel des dreifachen Königreiches wurden in Pomp von den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier getragen, den ständischen Erzkanzlern des Reiches in Deutschland, Italien und im Arelat. Der Erzmarschall zu Pferde verrichtete sein Amt mit einem silbernen Hafermaß, dessen Inhalt er auf den Boden ausschüttete. Dann stieg er sofort ab, um die Ordnung der Gäste durchzuführen. Der Erztruchseß, Pfalzgraf des Rheins, stellte die Schüsseln auf die Tafel. Der Erzkämmerer, Markgraf von Brandenburg, reichte nach dem Mahle Kanne und Becken aus Gold zum Waschen dar. Der König von Böhmen als Erzmundschenk wurde von dem Bruder des Kaisers, dem Herzog von Luxemburg und Brabant, vertreten, und der Zug wurde vom Erzjägermeister beschlossen, der einen Eber und einen Hirsch mit einer Koppel Hunde mit sich führte. Ja, die Oberhoheit des Kaisers war nicht bloß auf Deutschland beschränkt; die erblichen Monarchen von Europa anerkannten die Überlegenheit seines Ranges und seiner Würde. Er war der erste der christlichen Fürsten, das zeitliche Oberhaupt des Abendlandes; lange Zeit kam nur ihm der Titel Majestät zu, und er stritt mit dem Papst um das erhabene Vorrecht, Könige zu ernennen und Kirchenversammlungen zu berufen. Das Orakel des Zivilrechtes, der gelehrte Bartolus, stand in Karls VI. Solde, und seine Schule widerhallte von der Lehre, daß der römische Kaiser der rechtmäßige Souverän der Erde sei vom Sonnenaufgang bis zum Niedergange. Die entgegengesetzte Meinung wurde nicht als Irrtum, sondern als Ketzerei verdammt, denn selbst das Evangelium hatte ausgesprochen: »Und es erging ein Gesetz vom Cäsar Augustus, daß die ganze Welt besteuert werden sollte.« Wenn wir Zeit und Raum zwischen Augustus und Karl aufheben, so ist der Gegensatz der beiden Kaiser groß und auffallend: einerseits der Böhme, der seine Schwäche unter der Maske des Prunkes verbarg, anderseits der Römer, der seine Macht unter dem Schein der Bescheidenheit barg. An der Spitze seiner siegreichen Legionen, in seiner Herrschaft über See und Land vom Nil und Euphrat bis an den Atlantischen Ozean gab sich Augustus als der Diener des Staates und als den seiner Mitbürger. Der Besieger von Rom und der Provinzen nahm den volkstümlichen und gesetzlichen Titel eines Zensors, Konsuls und Tribunen an. Sein Wille war das Gesetz der Menschheit, aber bei Kundmachung seiner Gesetze erbat er die Zustimmung des Senates und Volkes, von deren Beschlüssen der Gebieter seinen zeitlichen Auftrag, das Reich zu verwalten, empfing und erneuern ließ. Augustus bewahrte in seiner Tracht, Dienerschaft, Titulaturen, in allen Belangen des geselligen Lebens den Charakter eines römischen Privatmannes, und seine schlauesten Schmeichler ehrten das Geheimnis seiner unumschränkten Monarchie.

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