Husein will nach Kufa reisen
Abu Michnaf sagt: Als Muslim ben 'Akil und Hânî ben 'Orwa
ermordet waren, wurde Husein die Geschichte verheimlicht; es
überkam ihn eine große Unruhe, er versammelte seine
Angehörigen, teilte ihnen mit, was er selbst dachte, und
befahl ihnen nach Medina aufzubrechen; sie bepackten ihre
Kamele und gingen ihm voran, bis er nach Medina kam. Er
besuchte das Grab seines Großvaters, breitete seine Arme
darüber aus und fing an bitterlich zu weinen, dann wurden ihm
die Augen schwer, er schlief ein und sah im Traume seinen
Großvater, welcher ihn anredete: mein lieber Sohn, schnell!
schnell! eile! eile! dein Vater, deine Mutter und dein Bruder
sind schon hier, alle erwarten dich sehnsüchtig, darum komme
schnell zu uns. Abu Michnaf sagt: Da erwachte er traurig unter
Tränen aus Sehnsucht nach seinem Vater; er begab sich zu
seinem Bruder Muhammed Ibn el-Hanefija, der krank war, und
erzählte ihm, was er im Traume gesehen hatte ; Muhammed Ibn el-Hanefija fing nun selbst an zu weinen und sagte: lieber
Bruder, was willst du thun? Er antwortete: ich will nach 'Irak
ziehen, denn ich bin wegen meines Vetters Muslim ben 'Akil
sehr in Unruhe. Muhammed entgegnete: lieber Bruder, ich bitte
dich bei Gott, bei der Gerechtigkeit deines Großvaters des
Gottgesandten, gehe nicht zu diesen Leuten, welche deinen
Vater treulos behandelt und es deinem Bruder ebenso gemacht
haben; bleibe vielmehr in dem Heiligtume deines Großvaters,
wo nicht, so kehre nach dem Heiligthume Gottes zurück, dort
hast du viele Hilfe. Husein erwiderte: es ist für mich
unvermeidlich nach 'Irak zu gehen. Da sprach Muhammed: о
lieber Bruder, es schmerzt mich, dass du dich trennen willst,
und nur die große Schwäche, an der ich leide, hindert mich
mit dir zu ziehen; bei Gott! ich kann weder ein Schwert, noch
den Schaft einer Lanze halten; wenn du gehst, werde ich nie
wieder froh werden. Er fing wieder an heftig zu weinen, bis er
ohnmächtig wurde, und als er wieder zu sich kam , sprach er :
Gottes Schutze empfehle ich dich, unschuldiger Märtyrer! und Husein sagte ihm Lebewohl.
Hischâm el-Machzümi erzählt: Ich kam zu meinem Gebieter
Husein, als er mit der Anordnung zur Abreise nach 'Irak
beschäftigt war; ich trat bei ihm ein und redete ihn an: о
Sohn des Gottgesandten! ich komme zu dir mit einer Warnung.
Sprich, sagte er, denn ich habe dich niemals für unaufrichtig
gehalten. — Ich fuhr also fort : о mein Gebieter! ich habe
erfahren, dass du nach Kufa reisen willst; ich bin bei dieser
deiner Reise für dich sehr besorgt, weil du in ein Land
kommst, wo Regierungs- und Verwaltungs-Beamte sind, welche
Schatzkammern zur Verfügung haben; die Menschen tun nun
einmal nichts ohne klingende Münze und ich glaube nicht, dass
die, welche dir schrieben und dir ihre Unterstützung
versprochen haben, für dich gegen deine Feinde kämpfen werden.
— Husein erwiderte: Möge es dir vergolten werden, mein Oheim,
du hast mich gewarnt und meinst es gut, ich werde deinem Rate
und deiner Warnung folgen, du bist mir ein zuverlässiger
Rathgeber. — Hischâm erzählt weiter: Ich verließ ihn nun und
trat bei el-Hârith ben Chalaf ben Fajjâdh ein, der fragte mich
: bist du bei Husein gewesen? — Ja! — Was hast du ihm gesagt
und was hat er dir geantwortet? — Ich sagte so und so, und er
antwortete so und so. — Du hast ihn gewarnt und beim Herrn der
Ka'ba ! der Rath, den du ihm erteilt hast, wird ein Segen
werden, wenn er ihn annimmt.
Auch Abdallah ben el-'Abbas kam zu Husein und sprach zu
ihm: lieber Vetter, ich habe erfahren, dass du nach 'Irak
reisen willst, erkläre mir deutlich, was du zu tun gedenkst.
Er antwortete: Ich habe beschlossen in den nächsten zwei
Tagen, so Gott will, abzureisen. — Ja, wenn du zu Leuten gehen
willst, die ihren Emir getötet haben, ihre Feinde am Leben
lassen und ruhig in ihrem Lande bleiben, dann reise zu ihnen,
und da sie dies getan haben, so rufen sie dich zu einem
schimpflichen Kriege und einer schändlichen Regierung , und
ich will dir nicht dafür stehen, dass sie dich hintergehen und
im Stich lassen. Er beschwor ihn bei Gott und seinem Erbarmen
nicht auszuziehen, aber er wollte nicht anders, und jener
verließ ihn.
Zuletzt erschien auch Abdallah ben el-Zubeir bei ihm und
redete eine Stunde mit ihm, dann sagte er: Ich weiß nicht aus
welchem Grunde wir die Regierung, die sich ein anderer
angemaßt hat, aufgeben sollten, da wir dazu mehr berechtigt
und geeignet sind. Husein erwiderte: Mein Gefühl hat mir
gesagt, dass ich nach Kufa reisen müsse, und ich habe an meine
Anhänger und die vornehmen Bewohner von Kufa geschrieben, dass
ich zu ihnen kommen würde. Ibn el-Zubeir bemerkte: Wenn ich
eine solche Partei hätte wie du , würde ich sie mit nichts
anderem vertauschen; und da er fürchtete, dass dies verdächtig
klingen möchte, setzte er hinzu: bei Gott! wenn du in Hi'gaz
bleiben und hier die Regierung übernehmen wolltest, so würde
es dir nicht schwer werden. Dann erhob er sich und ging von
ihm fort, und Husein sprach bei sich: Ja, das wäre für ihn das
leichteste, wenn ich von Medina nach 'Irak ginge, damit er
Hi'gaz für sich allein behielte.
Am anderen Morgen kam Abdallah ben el-'Abbas noch einmal zu
ihm und sagte: lieber Vetter, gewiss ich fürchte etwas für
dich von der Seite, wohin du dich wenden willst; du weißt,
dass das Volk von Irak treulos und hinterlistig ist, lass dich
von ihm nicht täuschen und bleib in dem Heiligtume deines
Großvaters ; wenn die Irakar dich haben wollen, so schreib
ihnen, dass sie ihre Feinde vertreiben, dann wollest du zu
ihnen kommen ; wenn du aber nur einen Zug unternehmen willst,
so geh nach Jemen, dort sind Burgen, wasserreiche Gegenden,
und lange, breite Landstrecken, dort findest du Anhänger, du
bist bei den Leuten in Ansehen und vor deinen Feinden in
Sicherheit; du schreibst an die Leute, setzest ihnen deine
Verhältnisse auseinander und verbreitest den Aufruf für dich
in den großen Städten: so hoffe ich, wirst du, so Gott will,
erreichen, was du wünschest. — Husein entgegnete: lieber
Vetter, ich weiß, dass du ein vorsichtiger Rathgeber bist ,
aber über die Reise nach Irak ist mein Entschluss gefasst. —
Ibn el-'Abbas sprach: Wenn dies ist und unabänderlich
feststeht, so nimm wenigstens deine Töchter, Buben und Frauen
nicht mit dir. ich fürchte für dich, dass du getötet wirst,
wie Othman ben Affan getötet wurde, während seine Frauen
zusahen. Dann setzte er hinzu: lieber Vetter, man sieht Ibn
el-Zubeir schon die Freude an den Augen an, dass du Hi'gaz
verlassen und daraus fortziehen willst, und heute, wo du noch
da bist, sieht ihn keiner an; bei Gott! wenn ich wüsste, dass
du mir folgsam sein würdest, wenn ich dein Haar und deine
Frisur annähme, bis die Menschen sich um mich und dich
vereinigt hätten, so würde ich es tun. — Als er ihn verließ,
kam er an Ibn el-Zubeir vorüber, welcher an seiner Tür saß,
und sagte zu ihm: Man sieht deinen Augen die Freude an, o Ibn
el-Zubeir; dann wandte er diese Verse an:
O du Lerche in dem Fruchtgefilde
Frei ist für dich die Luft, nun brüte und singe,
Und suche Futter, soviel du suchen willst;
Unaufmerksam ist der Jäger an dir vorübergegangen, nun
verkünde fröhlich:
Dieser Husein ist zur Reise ausgezogen
Nach Irak in der Hoffnung zu siegen
Über Jazid, wenn er mit Anmaßung kommt.