Der Tod des Husein ...

Der Tod des Husein ben Ali und die Rache

Ein historischer Roman aus dem Arabischen

Ferdinand Wüstenfeld

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Husein will nach Kufa reisen

Abu Michnaf sagt: Als Muslim ben 'Akil und Hânî ben 'Orwa ermordet waren, wurde Husein die Geschichte verheimlicht; es überkam ihn eine große Unruhe, er versammelte seine Angehörigen, teilte ihnen mit, was er selbst dachte, und befahl ihnen nach Medina aufzubrechen; sie bepackten ihre Kamele und gingen ihm voran, bis er nach Medina kam. Er besuchte das Grab seines Großvaters, breitete seine Arme darüber aus und fing an bitterlich zu weinen, dann wurden ihm die Augen schwer, er schlief ein und sah im Traume seinen Großvater, welcher ihn anredete: mein lieber Sohn, schnell! schnell! eile! eile! dein Vater, deine Mutter und dein Bruder sind schon hier, alle erwarten dich sehnsüchtig, darum komme schnell zu uns. Abu Michnaf sagt: Da erwachte er traurig unter Tränen aus Sehnsucht nach seinem Vater; er begab sich zu seinem Bruder Muhammed Ibn el-Hanefija, der krank war, und erzählte ihm, was er im Traume gesehen hatte ; Muhammed Ibn el-Hanefija fing nun selbst an zu weinen und sagte: lieber Bruder, was willst du thun? Er antwortete: ich will nach 'Irak ziehen, denn ich bin wegen meines Vetters Muslim ben 'Akil sehr in Unruhe. Muhammed entgegnete: lieber Bruder, ich bitte dich bei Gott, bei der Gerechtigkeit deines Großvaters des Gottgesandten, gehe nicht zu diesen Leuten, welche deinen Vater treulos behandelt und es deinem Bruder ebenso gemacht haben; bleibe vielmehr in dem Heiligtume deines Großvaters, wo nicht, so kehre nach dem Heiligthume Gottes zurück, dort hast du viele Hilfe. Husein erwiderte: es ist für mich unvermeidlich nach 'Irak zu gehen. Da sprach Muhammed: о lieber Bruder, es schmerzt mich, dass du dich trennen willst, und nur die große Schwäche, an der ich leide, hindert mich mit dir zu ziehen; bei Gott! ich kann weder ein Schwert, noch den Schaft einer Lanze halten; wenn du gehst, werde ich nie wieder froh werden. Er fing wieder an heftig zu weinen, bis er ohnmächtig wurde, und als er wieder zu sich kam , sprach er : Gottes Schutze empfehle ich dich, unschuldiger Märtyrer! und Husein sagte ihm Lebewohl.

Hischâm el-Machzümi erzählt: Ich kam zu meinem Gebieter Husein, als er mit der Anordnung zur Abreise nach 'Irak beschäftigt war; ich trat bei ihm ein und redete ihn an: о Sohn des Gottgesandten! ich komme zu dir mit einer Warnung. Sprich, sagte er, denn ich habe dich niemals für unaufrichtig gehalten. — Ich fuhr also fort : о mein Gebieter! ich habe erfahren, dass du nach Kufa reisen willst; ich bin bei dieser deiner Reise für dich sehr besorgt, weil du in ein Land kommst, wo Regierungs- und Verwaltungs-Beamte sind, welche Schatzkammern zur Verfügung haben; die Menschen tun nun einmal nichts ohne klingende Münze und ich glaube nicht, dass die, welche dir schrieben und dir ihre Unterstützung versprochen haben, für dich gegen deine Feinde kämpfen werden. — Husein erwiderte: Möge es dir vergolten werden, mein Oheim, du hast mich gewarnt und meinst es gut, ich werde deinem Rate und deiner Warnung folgen, du bist mir ein zuverlässiger Rathgeber. — Hischâm erzählt weiter: Ich verließ ihn nun und trat bei el-Hârith ben Chalaf ben Fajjâdh ein, der fragte mich : bist du bei Husein gewesen? — Ja! — Was hast du ihm gesagt und was hat er dir geantwortet? — Ich sagte so und so, und er antwortete so und so. — Du hast ihn gewarnt und beim Herrn der Ka'ba ! der Rath, den du ihm erteilt hast, wird ein Segen werden, wenn er ihn annimmt.

Auch Abdallah ben el-'Abbas kam zu Husein und sprach zu ihm: lieber Vetter, ich habe erfahren, dass du nach 'Irak reisen willst, erkläre mir deutlich, was du zu tun gedenkst. Er antwortete: Ich habe beschlossen in den nächsten zwei Tagen, so Gott will, abzureisen. — Ja, wenn du zu Leuten gehen willst, die ihren Emir getötet haben, ihre Feinde am Leben lassen und ruhig in ihrem Lande bleiben, dann reise zu ihnen, und da sie dies getan haben, so rufen sie dich zu einem schimpflichen Kriege und einer schändlichen Regierung , und ich will dir nicht dafür stehen, dass sie dich hintergehen und im Stich lassen. Er beschwor ihn bei Gott und seinem Erbarmen nicht auszuziehen, aber er wollte nicht anders, und jener verließ ihn.

Zuletzt erschien auch Abdallah ben el-Zubeir bei ihm und redete eine Stunde mit ihm, dann sagte er: Ich weiß nicht aus welchem Grunde wir die Regierung, die sich ein anderer angemaßt hat, aufgeben sollten, da wir dazu mehr berechtigt und geeignet sind. Husein erwiderte: Mein Gefühl hat mir gesagt, dass ich nach Kufa reisen müsse, und ich habe an meine Anhänger und die vornehmen Bewohner von Kufa geschrieben, dass ich zu ihnen kommen würde. Ibn el-Zubeir bemerkte: Wenn ich eine solche Partei hätte wie du , würde ich sie mit nichts anderem vertauschen; und da er fürchtete, dass dies verdächtig klingen möchte, setzte er hinzu: bei Gott! wenn du in Hi'gaz bleiben und hier die Regierung übernehmen wolltest, so würde es dir nicht schwer werden. Dann erhob er sich und ging von ihm fort, und Husein sprach bei sich: Ja, das wäre für ihn das leichteste, wenn ich von Medina nach 'Irak ginge, damit er Hi'gaz für sich allein behielte.

Am anderen Morgen kam Abdallah ben el-'Abbas noch einmal zu ihm und sagte: lieber Vetter, gewiss ich fürchte etwas für dich von der Seite, wohin du dich wenden willst; du weißt, dass das Volk von Irak treulos und hinterlistig ist, lass dich von ihm nicht täuschen und bleib in dem Heiligtume deines Großvaters ; wenn die Irakar dich haben wollen, so schreib ihnen, dass sie ihre Feinde vertreiben, dann wollest du zu ihnen kommen ; wenn du aber nur einen Zug unternehmen willst, so geh nach Jemen, dort sind Burgen, wasserreiche Gegenden, und lange, breite Landstrecken, dort findest du Anhänger, du bist bei den Leuten in Ansehen und vor deinen Feinden in Sicherheit; du schreibst an die Leute, setzest ihnen deine Verhältnisse auseinander und verbreitest den Aufruf für dich in den großen Städten: so hoffe ich, wirst du, so Gott will, erreichen, was du wünschest. — Husein entgegnete: lieber Vetter, ich weiß, dass du ein vorsichtiger Rathgeber bist , aber über die Reise nach Irak ist mein Entschluss gefasst. —

Ibn el-'Abbas sprach: Wenn dies ist und unabänderlich feststeht, so nimm wenigstens deine Töchter, Buben und Frauen nicht mit dir. ich fürchte für dich, dass du getötet wirst, wie Othman ben Affan getötet wurde, während seine Frauen zusahen. Dann setzte er hinzu: lieber Vetter, man sieht Ibn el-Zubeir schon die Freude an den Augen an, dass du Hi'gaz verlassen und daraus fortziehen willst, und heute, wo du noch da bist, sieht ihn keiner an; bei Gott! wenn ich wüsste, dass du mir folgsam sein würdest, wenn ich dein Haar und deine Frisur annähme, bis die Menschen sich um mich und dich vereinigt hätten, so würde ich es tun. — Als er ihn verließ, kam er an Ibn el-Zubeir vorüber, welcher an seiner Tür saß, und sagte zu ihm: Man sieht deinen Augen die Freude an, o Ibn el-Zubeir; dann wandte er diese Verse an:

O du Lerche in dem Fruchtgefilde
Frei ist für dich die Luft, nun brüte und singe,
Und suche Futter, soviel du suchen willst;
Unaufmerksam ist der Jäger an dir vorübergegangen, nun verkünde fröhlich:
Dieser Husein ist zur Reise ausgezogen
Nach Irak in der Hoffnung zu siegen
Über Jazid, wenn er mit Anmaßung kommt.

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