Muslim wird ermordet
Muslim bemerkte in dem Hofraume am Thore einen Becher und
Krüge voll Wasser, er hatte seit zwei Tagen nichts gegessen
und nichts getrunken und konnte vor Durst kaum atmen; er bat
den Thürsteher: lieber Alter! gib mir einen Trunk Wasser zu
trinken, wenn ich am Leben bleibe, werde ich dich bezahlen,
wenn ich sterbe, wird es der Gottgesandte dir vergelten. Er
reichte ihm einen Becher mit Wasser, er nahm ihn und setzte
ihn an den Mund, und als die Kälte des Wassers mit der Wärme
des Blutes zusammentraf, fielen seine Zähne in den Becher, da
wurde das Wasser zu klarem Blute. Er gab nun den Becher zurück
und sagte: nimm ihn, ich habe kein Wasser nötig.
Man führte ihn dann zu Obeidallah ben Zijâd und als Muslim
dessen Hochmut bemerkte, sagte er: Gegrüßt sei der, welcher
den rechten Weg verfolgt und die Vergeltung in jenem Leben
fürchtet. Ihn Zijad verzog sein Gesicht ein wenig zum lachen
und einer der Kammerherrn sagte: о Muslim, siehst du nicht,
dass der Emir über dich lacht ? das geschähe nicht, wenn du
gesagt hättest: gegrüßt seiest du, о Emir! Er erwiderte: ich
kenne keinen Emir, als meinen Herrn und meine Augenlust Husein
ben' Ali; wenn hier dieser mich töten will, so grüsse ich ihn
nicht, wenn er es nicht beabsichtigt, werde ich ihm noch öfter
meinen Gruß sagen. Jetzt sprach der erbärmliche Ibn Zijâd zu
ihm: es ist gleich viel, ob du grüssest oder nicht, denn du
wirst noch heute zu Tode gebracht werden. Muslim erwiderte:
Wenn dies unvermeidlich ist, so habe ich dir noch einen Wunsch
auszusprechen. — Und der wäre ? — Erlaube mir, dass ich einem
der Anwesenden meinen letzten Willen mitteile. — Tu, was dir
gefällt. — Da erhob sich Amr ben Sa'd und sagte: teile mir
deinen letzten Willen mit. — Komm hierher, mein lieber Vetter
! und als er sich ihm näherte, begann er: Mein erster Wunsch
ist die Ablegung des Glaubensbekenntnisses: Es ist kein Gott
außer Allah, Muhammed ist sein Diener und sein Gesandter und
'Ali der Fürst der Gläubigen, sein Stellvertreter und
Nachfolger unter seinem Volke. Der zweite Wunsch ist, dass ihr
diesen meinen Panzer verkauft und damit meine Schulden
bezahlt, die ich auf 700 Dirhem schätze. Der dritte und
wichtigste Wunsch ist, dass ihr an meinen Herrn und Gebieter
schreibt, dass, wenn er sich diesem euren Lande nähern würde,
ihm ein ähnliches Schicksal bevorstände, wie es mich betroffen
hat; denn ich habe ihm geschrieben, dass er kommen möchte, und
ich zweifle nicht, dass er es tun wird, dann ist es deine
Schuldigkeit, nicht Mitleid mit uns, dass du jemand zu ihm
schickst, der ihm Nachricht bringt und ihm deutlich macht, wie
es mir ergangen ist und wie ich geendet habe. — Amr ben Sa'd
erwiderte: Was das Glaubensbekenntnis betrifft, so ist es
das unser aller; was du über den Verkauf deines Panzers und
die Bezahlung deiner Schulden erwähnst, so haben wir jetzt ein
Näherrecht ; wenn wir wollen, bezahlen wir, und wenn wir
wollen, bezahlen wir nicht. In Bezug auf Husein leidet es
keinen Zweifel, dass er zu uns kommen wird, dann werden wir
ihm den Tod zu kosten geben einen Hals voll nach dem anderen.
— Der nichtswürdige wandte sich dann zu Ibn Zijâd und erzählte
ihm, was er ihm heimlich anvertraut hatte, da sagte er: Gott
vergelte dir deine Schande, da er dich gebeten hat, das
Geheimnis zu bewahren; bei Gott! hätte er es mir anvertraut,
ich würde es bewahrt und getan haben, was er wünscht; jetzt
da du sein Geheimnis verraten und seine Wünsche bekannt
gemacht hast, wird niemand ausser dir zum Kriege gegen Husein
ausziehen. — Dann befahl er, Muslim ben 'Akiloben auf das
Schloss steigen zu lassen und gab einem Manne von Kinda den
Auftrag ihm den Kopf abzuschlagen, diesen herabzuwerfen und
den Rumpf folgen zu lassen. Muslim bat den Mann, noch zwei
Gebete sprechen zu dürfen, dann möge er thun, was ihm gefiele,
und als er erklärte, dazu keine Erlaubnis zu haben, fing
Muslim an zu weinen und sprach:
Gott vergelte für uns an unserem Volke mit der
schlimmsten Vergeltung,
mit schlechten Untertanen, ja die noch unfolgsamer und
ungerechter sind! Sie haben uns unser Recht verwehrt und uns
bekriegt,
und sie streben dahin, dass wir gedemütigt und gezwungen
werden. Sie fallen über uns her um unser Blut zu vergießen,
und nehmen keine Rücksicht auf Schutzbündnis und
Blutsverwandtschaft. Wir sind die Söhne des Auserwählten, kein
Verbündeter ist uns gleich,
die Zuflucht des nächtlichen Wandrers, wenn seine Hilfsmittel
vernichtet sind.
Als er mit seinem Gedichte zu Ende war, rief Amr ben Sa'd :
Wie lange willst du noch zögern? lass ihn den Weg des
Verderbens antreten. Da wurde ihm der Kopf abgeschlagen und
von der Höhe des Schlosses hinabgeworfen und der Rumpf
hinterher. Hierauf wurde Hânî ben 'Orwa herbeigeholt, nach dem
Platze, wo das Vieh verkauft wird, führt und ihm der Kopf
abgeschlagen. Als die Verse, welche Muslim gesprochen hatte,
zu den Madshi'g kamen, erhoben sie sich bis auf den letzten
Mann und richteten drei Tage lang ein entsetzliches Blutbad
an. Die Omeijaden zogen die Leichen des Hânî und Muslim durch
die Strassen, die Madshi'g kamen herbei, nahmen sie weg,
wuschen sie, zogen ihnen Totenkleider an, hielten das Gebet
für sie und begruben sie in der Moschee von Kufa. Darauf
bezieht sich das Gedicht des Abdallah ben el-Zabir oder des
Farazdak:
Wenn du (Frau) nicht wissen solltest, was der Tod ist,
so sieh nach Hani auf dem Markte und nach Ibn 'Akîl hin,
Nach dem Helden, dem das Schwert das Gesicht gespalten hat,
und nach dem anderen, welcher getötet von der Mauer
herabgestürzt wurde.
Beide traf der Befehl des Emir, da wurden sie zum Gespräch für
die, welche auf allen Strassen umherlaufen.
Du siehst einen Leichnam, dessen Farbe der Tod schon verändert
hat, und einen mit Blut bespritzten, welches in beliebigem
Fluss herabfließt.
Einen Mann, züchtiger als eine züchtige Jungfrau, und
durchschlagender als ein zweischneidiges blankes Schwert.
Reitet wohl Asmâ eines der willigen Rosse sicher, wenn ihn die
Madshi'g verfolgen um Rache zu nehmen?
Wenn ihr für euren Bruder die Rache nicht nehmen wollt, so
seid Strauße, die mit dem Stricke festgebunden werden.
Als dies die Madshi'g hörten, sagten sie: der Fall mit Asmâ
ben Châri'ga war für uns wichtiger, als der mit unserem
Anführer Hânî ben 'Orwa, und wenn wir sein Blut rächen
wollten, so würden wir Muhammed ben el-Asch'ath nehmen; indes
es ist auf Befehl des Sultans geschehen. — Es wird erzählt,
dass Ihn Zijâd, als er Muslim und Hâni hatte umbringen lassen,
ihre Köpfe an Jazid ben Mu'awija geschickt habe durch Hânî ben
Abu Hajja el-Wadâ'i und el-Zubeir ben el-Arwah el-Tamimi ; er
befahl seinem Sekretär Omar ben el-Anfa' an Jazid einen
Bericht zu machen und ihn wissen zu lassen, was für eine
Bewandtnis es mit Muslim und Hânî ben 'Orwa habe. Er schrieb
also einen ausführlichen Bericht, indes Ibn Zijâd war, als er
ihn sah, damit nicht zufrieden und sagte: wozu diese
Weitläufigkeit? schreib: Gelobt sei Gott, welcher dem Fürsten
der Gläubigen seine Macht hat zu Teil werden lassen und ihm
gegen seine Feinde ein genügender Schutz gewesen ist. Ich habe
zu melden, dass Muslim ben 'Akîl nach Kufa gekommen und in dem
Hause des Hânî ben 'Orwa el-Murâdi abgestiegen war; ich habe
die Augen auf sie gerichtet und sie überlistet, bis ich sie
habe vorführen und ihnen die Köpfe habe abschlagen lassen. Ich
schicke dir ihre beiden Köpfe durch Hâni ben Abu Hajja und
el-Zubeir ben el-Arwah el-Tamimi, ein Paar zuverlässige und
gehorsame Männer, frage sie nach dem, was du zu wissen
wünschest, sie sind unterrichtet und aufrichtig. — Als Jazid
den Brief erhielt, war er darüber aufs höchste erfreut lind
schrieb ihm als Antwort: Du hast so, wie ich es liebe,
umsichtig und entschlossen gehandelt, hast auf den beherzten
Löwen einen kühnen Angriff gemacht, du hast deine Pflicht zur
Genüge erfüllt und meine Ansicht und Meinung, die ich von dir
hatte, gerechtfertigt. Ich habe auch deine beiden Abgeordneten
rufen lassen und sie über die näheren Umstände gefragt und ich
habe beide so gefunden, wie du sie geschildert hast^ lass sie
deinem ferneren Wohlwollen empfohlen sein. Nun ist mir
gemeldet, dass Husein ben 'Ali gegen 'Irak heranmarschiere,
stelle die Kundschafter gegen ihn aus und suche ihn am
Vormarsch zu hindern und schreibe mir jeden Morgen, was fallen
ist.
Muhammed ben el-Asch'ath hatte das Schwert, den Panzer und
das Panzerhemd des Muslim ben 'Akil an sich genommen und
darüber sprach Abdallah ben Omar die Verse :
Und du hast Muslim verlassen ohne für ihn zu kämpfen,
aus Furcht vor dem Tode, wenn du hingestreckt würdest.
Und du hast getötet den Abgesandten der Hausgenossen
Muhammeds und hast ihm Schwert und Panzer als Beute
abgenommen.
Wenn du Gott gefürchtet hättest, dessen Strafe brennt, würdest
du Ahmed in jenem Leben als Vermittler haben.
[ B . Der Auszug des Muslim ben 'Akil (von Mekka) nach Kufa
war Dienstag den 8. Schawwâl des J. 60 und er wurde ermordet
woch den 9. Dsul-Hi'g'ga d. i. am Tage des Festes auf dem 'Arafa,
und Husein ben 'Alf brach von Mekka nach 'Irak auf am Tage
(vor) der Ermordung des Muslim ben 'Akil in Kufa d. i. am Tage
Tarwia, dem er in Mekka den Rest des Scha'bân, den Ramadhân,
Schawwâl, Dsul - Ca'da und acht Tage des Dsul-Hi'g'ga sich
aufgehalten hatte. Während der Zeit seines Aufenthaltes in
Mekka hatte sich eine Anzahl von Bewohnern aus Hi'gâz, Kufa
und Baçra bei ihm versammelt und sich mit seinen Hausgenossen
und Dienern vereinigt.]