Hadschi Baba

Die Abenteuer des Hadschi Baba aus Isfahan

James Morier

Inhaltsverzeichnis

Sechzehntes Kapitel - Hadschi kleidet sich neu und hofft, eine Stellung zu erlangen

Allah sei Dank. Aus dieser höchst unerfreulichen Sache, die ich mir doch lediglich selbst eingebrockt, hatte ich mich glimpflich herausgezogen und konnte wirklich von Glück sagen, so leichten Kaufes davongekommen zu sein. Es zog mich wiederum in den Kleiderbasar. Ich trat in den Laden neben dem Toreingange und erkundigte mich nach dem Preise des roten Tuches, aus dem ich mir gar zu gern einen Rock hätte machen lassen, da mir die Leute, die solche trugen, ganz gewaltig imponierten. Warum sollte so ein Gewand nicht auch mir ein würdevolles Ansehen verleihen? Der Ladeninhaber, der mich von oben bis unten musterte, fragte: »Also einen Baruni möchtet Ihr ansehen? Für wen braucht Ihr ihn, und wer wird dafür bezahlen?« – »Für mich selbst soll er sein!« erwiderte ich keck.

»Aber wozu bedarf ein armer Teufel wie Ihr so eines Mantels? Den tragen nur Mirzas und Khane; eine hochgestellte Persönlichkeit seid Ihr doch sicher nicht?« Als ich wütend antworten wollte, kam gerade ein Dällal oder Kleiderhändler vorbei, der allerlei getragene Gewänder zum Kaufe ausbot. Sogleich wandte ich mich an diesen, trotz wiederholter Lockrufe des Ladenbesitzers, der nun zu spät einsah, mich übereilt vertrieben zu haben. In einem Winkel, am Eingange der nahen Moschee, breitete der Dällal seine Ware vor mir aus. Ich frug nach dem Preise eines herrlichen Wamses aus schillernder Seide, mit Goldknöpfen und Borten besetzt, das mir ganz besonders in die Augen stach. Der Dällal pries die Schönheiten des Gewandes und meinen vortrefflichen Geschmack, schwor mir, es habe einem Günstling des Schahs gehört, der es nur zweimal am Leibe gehabt, lief, nachdem er es mir übergestreift, ganz entzückt um mich herum und drückte seine Bewunderung mit den Worten aus: »Maschallah – Maschallah!« Ich selbst fand mich in dem Wamse so wunderschön, daß ich notgedrungen einen dazu passenden Gürtel aussuchen mußte. Er bot mir einen alten, durchlöcherten, ganz verflickten Kaschmirschal an, der, wie er hoch und heilig beteuerte, einer Dame im königlichen Harem gehört habe, den er aber trotzdem sehr billig berechnen wolle. Meine Eitelkeit bewog mich, diesen alten Fetzen einem neuen Kermanschal vorzuziehen, der auch nicht mehr gekostet hätte, als der völlig vertragene Kaschmir, den ich so geschickt, daß alle Schäden verdeckt wurden, um die Taille wand. Nur der Dolch fehlte, um meinen Anzug mustergültig zu vervollständigen. Als mir der Dällal auch diesen verschaffte, war ich so prachtvoll angetan, daß ich nicht umhinkonnte, meine allerhöchste Zufriedenheit zu äußern; auch der Kleiderhändler, der nicht mit seiner größten Bewunderung geizte, versicherte mir, in ganz Teheran fände man keinen schöneren und besser gekleideten Mann als mich. Als es jetzt aber ans Bezahlen ging, nahm die ganze Sache eine weniger erfreuliche Wendung. Zuerst versicherte mir der Dällal, er sei der ehrlichste aller Menschen, er verlange nicht, wie andere seinesgleichen, zuerst hundert Toman, um später mit fünfzig zufrieden zu sein. Daraufhin forderte er fünf Toman für das Wams, fünfzehn für den Schal und vier für den Dolch, zusammen vierundzwanzig Toman. Als ich diesen enormen Preis vernahm, war mein Entzücken gänzlich verflogen. Ich hatte kaum zwanzig Toman in der Tasche, war gerade dabei, die Kleiderpracht von mir zu werfen und abermals in meine alten Fetzen zu schlüpfen, als mich der Dällal zurückhielt und sagte: »Vielleicht erscheint Euch der Preis etwas zu hoch, aber bei meinem Kopf und bei Eurer Seele, ich mußte selbst so viel bezahlen; sagt, was Ihr mir eigentlich dafür geben wollt?« Ich erwiderte, ein Handel mit solchen Bedingungen käme für mich gar nicht in Frage. Wenn er mir alles für fünf Toman ließe, so könnten wir handelseinig werden, ein Angebot, das er mit Entrüstung von sich wies, worauf ich die Herrlichkeiten von mir streifte und zurückgab. Als er die Kleider wieder zusammengepackt und jedes Geschäft zwischen uns gescheitert schien, sagte er: »Ich empfinde wirklich Freundschaft für Euch, und wahrlich, für meinen Bruder würde ich nicht tun, was ich für Euch tun will. Wollt Ihr alles für zehn Toman haben?« Nachdem ich zuerst abermals energisch nein gesagt hatte, feilschten und handelten wir dann so lange herum, bis wir endlich dahin übereinkamen, ich solle ihm sechs Toman geben und einen darüber, mittels dessen er sich selbst ein Gewand erstehen wolle. Als er weggegangen, packte ich meine Einkäufe zusammen mit der Absicht, mich erst nach dem Bade vollständig auszustaffieren, erstand unterwegs ein Paar grüne Pantoffeln mit hohen Absätzen, ein blauseidenes Hemd, ein Paar karmoisinrote seidene Beinkleider, band diese Schätze in mein Taschentuch und begab mich ins Bad.

Niemand beachtete mich, als ich eintrat. Wie hätte meine ärmliche Erscheinung auch Aufsehen erregen sollen? Ich aber tröstete mich mit dem Gedanken, daß, sobald ich meine neuen Kleider trüge, die Sache ein ganz anderes Gesicht hätte, legte mein Bündel in eine Ecke, entkleidete mich, band ein Tuch um meine Hüften und betrat den Baderaum. Da hier äußerlich keine Standesunterschiede zu existieren schienen, konnte ich mir schmeicheln, meine schöngeformten Glieder, meine hochgewölbte breite Brust, sowie meine schlanke Taille würden ein Gegenstand der Bewunderung sein. Ich rief einen Dällak oder Badewärter zu meiner Bedienung, der mich mit den Händen kneten und mit dem Handschuh aus Kamelhaar abreiben sollte, befahl ihm, ebenfalls meinen Kopf zu rasieren, Henna zum Färben meines Bartes, meiner Locken, der inneren Handflächen sowie der Fußsohlen, nebst einem Enthaarungsmittel bereitzuhalten – kurz, gab ihm zu verstehen, mein Bad solle geradezu ein Reinigungsfest werden. Als der Dällak mich abzureiben begann, bekundeten laute Ausrufe seine größte Bewunderung für meine breite hochgewölbte Brust. Ich aber malte mir unwillkürlich aus, welchen Effekt ich in meinen neuen Kleidern machen würde, und benahm mich wie einer, dem diese Art von Lob und Bewunderung gar nichts Neues ist. Nach beendeter Prozedur hüllte man mich in trockene Tücher, ich öffnete hierauf mein Bündel und beschaute mit unbeschreiblichem Entzücken meine herrliche Gewandung. Jedes Stück, das ich anlegte, steigerte die Empfindung meiner völligen Wiedergeburt. Noch niemals hatte Seide meine Glieder umschmiegt. Mit der Miene eines vornehmen Weltmannes band ich meine Beinkleider fest; beim Knistern meines Wamses wendete ich triumphierend den Kopf, um zu beobachten, ob mich jemand anstaune. Meinen Schal band ich nach der neuesten Mode, vorne in etwas schmäler fallende, rückwärts in breit auslaufende Falten. Als auch noch der Dolch in meinem Gürtel blinkte, ward mir klar, meine Ausstattung sei von unübertrefflicher Eleganz. Die Mütze setzte ich denkbarst schief auf und drückte den oberen Teil, nach echt höfischer Manier, etwas ein. Als mir der Badewärter zum Zeichen, es sei nun Zeit, zu bezahlen, den Spiegel vorhielt, ließ ich ihn nicht eher los, bis ich selbst meine Locken hinter dem Ohre schön gewunden und meine Schnurrbartspitzen gegen die Augen emporgedreht hatte. Den Dällak entlohnte ich reichlich und stolzierte dann so gespreizt von dannen, wie das nur ein sehr vornehmer Mann tut.

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