Siebenunddreißigstes Kapitel - Hadschi berichtet über die
Schlacht
Des Krieges müde, bat ich meinen Vorgesetzten, der mir
wohlwollte, nach Teheran zurückkehren zu dürfen, was er mir
gerne erlaubte. Erstens wollte er dem Serdar zeigen, er könne
nach Gutdünken über seine Untergebenen verfügen; zweitens war
ihm auch daran gelegen, durch mich seine persönliche
Tapferkeit ins rechte Licht zu stellen. Darum gab er mir
einige Verhaltungsmaßregeln, was ich in dieser Sache dem
Großwesir zu berichten hätte.
»Hadschi, du bist selbst dabei gewesen,« sagte er mir, »du
kannst daher den ganzen Vorgang ebenso genau beschreiben, wie
ich es vermöchte. Allerdings einen direkten Sieg haben wir
nicht erfochten, und Feindesköpfe haben wir leider auch keine
aufzuweisen; aber geschlagen wurden wir deshalb doch nicht.
Daß dieser Esel, der Serdar, anstatt auf die Artillerie zu
warten und sich der Infanterie zu bedienen, eine Stadt, die
von Mauern umgeben ist, mit der Kavallerie allein erstürmen
wollte und hinterher ganz erstaunt ist, wenn die Besatzung
ihre Tore schließt und ihn von den Wällen aus beschießt – – –
– natürlich konnte er da nichts ausrichten und mußte sich mit
Schimpf und Schande bedeckt zurückziehen. Wenn ich euch
geführt hätte, wäre alles ganz anders gekommen, war ich doch
der einzige Mann, der tatsächlich mildem Feinde handgemein
wurde und eine tödliche Wunde davontrug; nur der Fluß zwischen
mir und dem Feinde verhinderte mich, alles niederzumachen bis
auf den letzten Mann, der den Vorgang hätte erzählen können.
Dies alles kannst du berichten und überdies so viel, als dir
sonst gut dünkt.«
Nachdem er mir ein Paket mit Briefen für den Großwesir und
andre hochgestellte Persönlichkeiten, nebst einem ›Arizeh‹ für
den Schah eingehändigt hatte, befahl er mir, abzureisen.
Trotzdem der Herbst seinem Ende zuging und die Zeit zur
Rückkehr nach Teheran herannahte, fand ich den Schah noch
immer in Sultanijé gelagert. Beim Lever des Großwesirs stellte
ich mich mit verschiedenen andern, aus allen Teilen des
Reiches eingetroffenen Eilboten vor und übergab ihm meine
Papiere. Als er diese gelesen hatte, sagte er vernehmbar: »Ihr
seid willkommen; auch Ihr seid in Hamamlüh gewesen? Ja, die
Ungläubigen wagten sich nicht an die Kisilbaschen heran – eh?
– – Dem persischen Reitersmann und dem persischen Schwerte
kann nachgerade niemand Trotz bieten. Wie ich vernehme, ist
euer Khan verwundet worden? – – Gut, daß es nicht schlimmer
ausfiel. – An jenem Flußübergange muß es heiß für euch
hergegangen sein.«
Auf alles das und vieles andre sagte ich »ja, ja« und
»nein, nein« so schnell, als es die Frage erheischte, und es
gewährte mir große Befriedigung, daß ich behandelt wurde wie
einer, der gerade aus der Schlacht kommt.
Daraufhin rief der Wesir einen seiner Mirzas oder Sekretäre
herzu und sagte: »Ihr müßt nun ein ›Fäth-nameh‹ ausarbeiten
und dieses sogleich in alle Teile des Reiches senden, vor
allem nach Khorasan, um den dortigen aufrührerischen Khanen
gehörige Furcht einzujagen; laßt den Text so lauten, wie es
der Rang und die Würde unsres siegreichen Monarchen
erheischen. Gerade jetzt ist ein Sieg für uns ganz unerläßlich.
Aber vergeßt nicht – es muß ein richtiger, unzweifelhafter und
höchst blutiger Sieg sein!«
»Wie stark war die Anzahl der Feinde?« fragte der Mirza und
schaute dabei zu mir herüber.
»Bisyar, bisyar! (viele, viele),« antwortete ich zögernd
und verlegen, da ich nicht recht wußte, wieviele ich angeben
sollte, um genehm zu sein.
»Schreibt fünfzigtausend,« sagte kaltblütig der Wesir.
»Wieviele wurden getötet?« fragte der Mirza, der bei der
Frage zuerst den Wesir und dann mich anschaute.
»Schreibt, es wurden zehn- bis fünfzehntausend getötet,«
antwortete der Minister. »Weniger als zehn- bis
fünfzehntausend zu töten, wäre ganz unter der Würde des
Schahs. Oder möchtet Ihr, daß er kleiner dastünde als Rustem
oder schwächer als Afrasiab? – Nein, unsre Könige müssen,
sollen sie bei ihren Untertanen und den benachbarten Nationen
in Ansehen stehen, Bluttrinker und Menschenwürger sein! – Nun,
habt Ihr das alles niedergeschrieben?« fragte der Großwesir.
»Ja, Eurer Hoheit zu dienen, ich habe geschrieben«; und er
las nun vor: »Die ungläubigen Hunde von Moskowitern (die Allah
in seiner Gnade auf brennende Pfähle spießen möge) wagten
bewaffnet in der Zahl von fünfzigtausend, unterstützt von
hundert feuer- und schwefelspeienden Schlünden, zu erscheinen;
aber sobald die alles besiegende Macht des Schahs erschienen
war, gaben zehn- bis fünfzehntausend Feinde ihren Geist auf,
während die Masse der Gefangenen zu einer so ungeheuren Zahl
anschwoll, daß die Preise der Sklaven auf allen Sklavenmärkten
Asiens um hundert Prozent gefallen sind.«
»Barikallah! (wohlgegeben),« rief der Großwesir, »das habt
Ihr schön zu Papier gebracht. Alles verhält sich zwar nicht
ganz so, aber da es sich bei dem bekannten Glücke des Schahs
so verhalten könnte, kommt es aufs gleiche heraus. Wahrheit
ist etwas Köstliches, wenn sie unsre Pläne fördert, im
gegenteiligen Falle aber etwas höchst Unbequemes.«
»Ja,« bemerkte der Mirza, der aufschaute und, um zu
schreiben, die Hand auf das Knie stützte, »Saadi sagt:
Besser zu gutem Zweck eine Lüge,
Als Wahrheit, die üble Früchte trüge.«
Der Wesir verlangte hierauf seine Schuhe, erhob sich von
seinem Sitze, bestieg das Pferd, das vor der Tür des Zeltes
harrte, und begab sich zur Audienz, um dem Schah über die
verschiedenen eben eingetroffenen Eilbriefe Vortrag zu halten.
Ich folgte ihm und wartete inmitten des zahlreichen
Dienertrosses so lange stehend, bis er sich mir zuwandte und
sagte: »Ihr seid entlassen, geht und ruht Euch aus.«