Im Namen Allahs, des Erbarmers, des BarmherzigenDie 58. Konsultation – Eindeutigkeit der Überlieferung von
Ghadir
27.
Muharram 1330 (17.1.1912)
Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der
Friede sei mit
Dir und die Gnade
ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.
Ich weiß, dass Dein
Herz noch nicht ganz beruhigt ist, durch das, worauf Du
bisher hingewiesen wurdest und dass Du Dich noch nicht darauf
verlassen kannst. Den
Gesandten Allahs (s.) weißt Du wohl zu würdigen. Ebenso
schätzt Du den hohen Grad seiner Weisheit, seine Verpflichtung
zur Sündlosigkeit und sein besiegelndes
Prophetentum. Auch zweifelst Du nicht daran, dass er der
Herr der Weisen und das
Siegel des Prophetentums ist:
„Und er äußert sich nicht nach seiner eigenen Laune. Er
ist nichts als eine offenbarte Offenbarung. Es hat sie ihn der
Starke an Kraft gelehrt.“ (Heiliger
Qur'an 53:1-4).
Und wenn die Philosophen unter den Eiferern Dir die Frage
stellten, was damals der Prophet beim
Brunnen von Chumm (zu seiner Aussage) veranlasst hat, und
wenn sie fragten: Warum hat er damals die Abertausenden von
der Weiterreise abgehalten, warum hat er sie in der glühenden
Mittagshitze ihren Marsch unterbrechen lassen? Und weshalb hat
er dafür gesorgt, dass die Vorangeeilten wieder umkehren und
die Zurückgebliebenen erneut den Anschluss finden? Und welchen
Grund gab es für ihn, sie alle dort in dieser Wüste ohne Brot
und Wasser verweilen zu lassen?
Er sprach dann zu ihnen über
ALLAH, den Allmächtigen und Erhabenen; an diesem Ort, den
jene, die zugegen waren, danach verlassen, um die anderen, die
nicht dabei sein konnten, zu unterrichten. Zu welchem Zweck
verkündete er ihnen am Anfang seiner Rede sein bevorstehendes
Ableben? Er sagte nämlich:
„ALLAH
ist im Begriffe mich, den
Gesandten Seines Herrn, zu Ihm zu rufen und ich werde
diesem Rufe folgen. So wie ich rechenschaftspflichtig bin,
seid auch ihr es.“
„Und welche Botschaft“ wird der
Prophet (s.) gefragt werden, „hast Du überbracht?“.
Die Gemeinschaft wird man fragen, ob sie ihm Gefolgschaft
geleistet hat. Und warum stellte er ihnen die Frage:
„Bekennst ihr nicht, dass es keinen
ALLAH gibt außer
ALLAH, und dass
Muhammad sein
Diener und
Gesandter ist? Und dass sein
Paradies und auch sein Höllenfeuer Wirklichkeit sind? Und
dass es sowohl den
Tod als auch die
Auferstehung nach dem
Tode wirklich gibt? Und dass die Stunde des Gerichts ohne
Zweifel kommen wird? Und dass
ALLAH die Toten aus den
Gräbern auferstehen lassen wird?“ Sie antworteten:
„Doch, wir bekennen es.“
Und warum ergriff er damals sofort
Alis Hand und hielt sie in die Höhe, bis dass man das
Weiße seiner Achselhöhle erblicken konnte? Er sagte: „Ihr
Menschen! Allah ist mein
Schutzherr und ich bin der
Schutzherr der Gläubigen.“ Und warum kommentierte er
seine Worte: „Ich bin der
Schutzherr der
Gläubigen“, mit dem folgenden Satz:
„Habe ich nicht mehr Anspruch auf sie, als sie auf sich
selbst?“
Und warum wohl sprach er nach diesem Kommentar: „Wessen
Schutzherr ich bin, dessen
Schutzherr sei dieser.“ Oder auch:
„Wessen
Gebieter [wali] ich bin, dessen
Gebieter [wali] sei dieser. Oh
ALLAH, sei jedem Freund, der auch ihm ein Freund ist, und
sei jedem ein Feind, der auch sein Feind ist. Lass denjenigen
siegreich sein, der auch ihm Beistand leistet, aber verlasse
den, der auch ihn im Stich lässt?“
Warum wohl bedachte er ihn mit diesen Segenswünschen, die
sich doch eigentlich nur für die
Imame der Wahrheit und die
Kalifen der Rechtschaffenheit ziemen? Und warum wohl ließ
er sie das Vorhergehende bezeugen, als er sagte: „Habe ich
nicht mehr Anspruch auf euch als ihr selbst?“, worauf sie
mit
„selbstverständlich“ antworteten.
Und er sagte: „Wessen
Schutzherr [mawla] ich bin, dessen
Schutzherr sei
Ali“, oder auch: „Wessen
Gebieter [wali] ich bin, dessen
Gebieter sei
Ali.“ Und warum wohl setzte er seine Nachkommen mit
dem Buche (Allahs) in Beziehung und ließ sie bis zum
Tag des Gerichts ein Beispiel sein für all jene, die
verständig sind? Und warum besteht solch ein außerordentliches
Interesse an dieser Situation bei diesem weisen
Propheten? Und welche wichtige Angelegenheit war es wohl,
die so viele einleitende Worte nötig gemacht hat? Welches Ziel
stand hinter diesem öffentlichen Ereignis? Und was für eine
Botschaft war es denn, die
ALLAH, der Allmächtige und Erhabene, ihm zu übermitteln
aufgetragen hat, als Er nämlich sagte:
„Oh du Gesandter, mache bekannt, was zu dir herab
gesandt wurde von deinem Herrn, und wenn du es nicht tust, so
hast du Seine Gesandtschaft nicht bekannt gemacht, und
ALLAH beschützt dich vor den Menschen,
ALLAH leitet ja nicht das Volk der Glaubensverweigerer
recht.“ (Heiliger
Qur'an 5:67)
Um welche Angelegenheit handelte es sich denn wohl, dass
ALLAH ihr einen derartigen Nachdruck verlieh? Und weshalb
glich die Aufforderung, jene Botschaft zu überbringen, einer
Drohung? Warum fürchtete der
Prophet, wenn er die Botschaft übermittelte, den Aufruhr?
Und warum sollte denn wohl in diesem Falle der Schutz
ALLAHs vor der Schädigung der Heuchler nötig sein?
Bei deinem Großvater! Würdest Du, sollte man Dich nach all
diesem fragen, etwa antworten, dass
ALLAH, der Allmächtige und Erhabene, sowie sein
Gesandter (s.) nichts weiter als den Beistand, den
Ali gegenüber den
Muslimen leisten sollte und seine Freundschaft zu ihnen,
verkünden wollten? Ich glaube kaum, dass Du mit einer
derartigen Antwort zufrieden wärest, und ich kann mir einfach
nicht vorstellen, dass Du der Auffassung bist,
ALLAH, der Herr und der
Fürst der Weisen, der ja das
Siegel der Gesandten und Propheten ist, hätten dem Inhalt
diese Bedeutung beimessen wollen.
Du bist doch zu erhaben, als dass Du von ihm erwarten
könntest, er habe sich alle Mühe gegeben und das getan, was in
seiner Kraft stand, um lediglich etwas darzulegen, was der
Darlegung gar nicht bedurft hätte, und um etwas zu
verdeutlichen, was sowohl nach dem Gefühl als auch nach dem
Augenschein bereits deutlich genug war. Zweifelsohne würdigst
Du seine Wort und Taten auf angemessene Weise erläutern, so
dass sie weder der Geringschätzung der Intellektuellen noch
der Missbilligung der Philosophen und Weisen anheim fallen.
Außerdem wirst Du doch fraglos wissen, welche Stellung seinen
Worten und Taten in Bezug auf die Weisheit und Sündlosigkeit
eingeräumt werden, hat doch
ALLAH, der Erhabene gesagt:
„... der Kraft besitzt und beim Herrn des Thrones
hochgestellt ist, dem man gehorcht und der treu ist. Euer
Gefährte ist kein Besessener.“ (Heiliger
Qur'an 81:20-22)
ALLAH, der Erhabene und sein Gesandter sind weit davon
entfernt, dass der
Prophet bereits Deutliches hätte erläutern,
Selbstverständliches hätte erneut darlegen und
Unmissverständlichkeiten eine sachfremde Einleitung hätte
voranstellen müssen. Dies sind vielmehr Dinge ohne
Zusammenhang, die irrelevant sind. Und Du weißt, möge
ALLAH mit Deiner Hilfe die Wahrheit bewahren, dass gemäß
seiner Situation, damals in der Mittagshitze, seine Worte und
Taten beim
Brunnen von Chum der Verkündung seines
Gelübdes und der Ernennung eines würdigen Führers nach
seinem
Ableben galten. Sowohl der sprachliche Kontext als auch
die verständlichen Hinweise sprechen klar und deutlich dafür,
dass der
Prophet (s.) damals ausschließlich
Ali als Nachfolger nach seinem
Ableben berufen wollte. So stellt die
Überlieferung mit all ihren Indizien ein offenkundiges
Beweismittel für die Nachfolgerschaft
Alis dar, und die vorher angeführte Auslegung kann daher
nicht zugelassen werden. Eine Abwandlung der Bedeutung liegt
nicht im Bereich des Möglichen. Dies ist offenkundig „für
denjenigen, für den es einen Verstand gab oder der zuhörte,
während er Zeuge ist.“ (Heiliger
Qur'an 50:37)
Der (von dir) behauptete Sinnzusammenhang entbehrt jeder
Grundlage und schafft Verwirrung. Es ist sehr geschickt (die
Tatsachen) zu vermengen und zu übertreiben, denn (tatsächlich)
sandte der
Prophet (s.)
Ali zweimal in den
Jemen. Zum ersten Mal im Jahre 8
n.d.H., als Verleumder ihre Gerüchte verbreiteten und nach
ihrer Rückkehr in
Medina beim
Propheten über ihn Klage erhoben. Dieser jedoch
missbilligte ihr Benehmen und zeigte seinen Unwillen, so dass
sie Ähnliches nicht weiter wagten. Die zweite (Mission in den
Jemen) fiel in das Jahr 10
n.d.H.. Damals übergab der
Prophet (s.) ihm die Standarte und setzte ihm persönlich
den Turban auf. Daher sagte er ihm: „Geh nun fort und
schenke niemandem Beachtung (der Dich abzulenken sucht)!“
So machte er sich auf den Weg und zog solange rechtgeleitet
weiter, bis er den Auftrag des
Propheten (s.) erfüllt hatte.
Auf der
Abschiedspilgerfahrt dann wurden seine Verdienste
gewürdigt und der
Gesandte Allahs (s.) ließ ihn an seiner Führung [bihadihi]
teilhaben. Dieses Mal verbreiteten die Verleumder keine
Gerüchte über ihn und die Vorurteilsvollen ergriffen nicht
mehr gegen ihn Partei. Weshalb aber sollte sich die
Überlieferung (ausgerechnet) auf die Aussage von
Alis Gegnern gründen, vorgebracht als Vergeltung, wie sie
behaupten?
Die bloße Parteinahme für
Ali kann kein (ausreichender) Grund dafür sein, dass der
Prophet (s.) damals am
Brunnen von Chum von der
Kanzel herab
Ali vor aller Öffentlichkeit in einem derartigen Maße
gelobt hat. Es sei denn –
Allah möge uns davor bewahren – er ist in seinen Worten
und Taten, in seinen Gedanken und Entschlüssen leichtsinnig
gewesen, ausgenommen seine heilige Weisheit.
So hat
Allah, gepriesen sei Er, gesagt: „Er ist ja bestimmt
das Wort eines edlen Gesandten, und er ist nicht das Wort
eines Dichters, wenig ist es, woran ihr glaubt. Und nicht das
Wort eines Weissagers, wenig ist es, woran ihr euch erinnert.
Eine Herabsendung vom Herrn der Welten.“ (Heiliger
Qur'an 69:40-43)
Hätte der
Prophet lediglich seine Verdienste bekannt gegeben und ihn
vor seinen Gegnern in Schutz nehmen wollen, so hätte er
gesagt: „Er ist mein Cousin und mein Schwager, der Vater
meiner Kinder und der Herr der Angehörigen meines Hauses. Tut
mir nicht Unrecht mit ihm!“
Tatsächlich jedoch enthalten die Worte der
Überlieferung keinen anderen als den von uns erwähnten
Sinn, welches Motiv auch immer ihnen zugrunde gelegen haben
mag. Ihre Bedeutung entspricht dem Inhalt, der sofort
verstanden werden kann, und umfasst nicht – wie es bekannt
sein dürfte – eigens die Motive (dieser Äußerung).
Was nun die Hervorhebung der
Angehörigen des Prophetenhauses in dieser
Überlieferung anbelangt, so kann dies als Bestätigung der
von uns angeführten Bedeutung verstanden werden, verband er
sie dort doch mit dem
Qur'an und bestimmte sie als Vorbild für jene, denen
Verstand gegeben worden ist. So sagte er: „Wenn ihr an dem,
was ich euch hinterlasse, festhaltet, werdet ihr nicht in die
Irre gehen: Es sind das
Buch
ALLAHs und die
Nachkommenschaft meines Hauses.“ Dies hat er getan, um
der
muslimischen Gemeinschaft zu zeigen, dass es nach dem
Ableben des
Propheten keine Autorität außer diesen beiden gibt und
dass allein auf sie Verlass ist.
Du siehst, dass den
Imamen der
reinen Nachkommenschaft Gefolgschaft zu leisten ist. Sie
stehen in Verbindung mit dem
Buch
ALLAHs, des Allmächtigen und Erhabenen, das niemals die
Lüge hervorbringen kann. Ebenso wie es nicht statthaft
ist, sich auf ein
Buch zu beziehen, das im Widerspruch zu den Bestimmungen
des
Buches
ALLAHs steht – gepriesen sei Er, der Hocherhabene – ist es
(auch) nicht erlaubt, sich auf einen
Imam zu beziehen, der den Bestimmungen der
Imame aus der
Nachkommenschaft zuwiderhandelt.
So lauten
seine (s.) Worte: „Beide werden nicht getrennt werden,
bis sie bei mir am
Wasserbecken eintreffen.“ Dies gilt als Hinweis
darauf, dass nach seinem
Ableben die Erde niemals ohne einen ihrer
Imame sein wird. Sie entsprechen dem
Buch. Wer die
Überlieferungen betrachtet, wird bemerken, dass sie darauf
abzielen, die Nachfolgerschaft auf die
Imame der
reinen Nachkommenschaft zu begrenzen. Bestätigt findet
sich dies durch die Worte von
Zaid ibn Thabit, die
Imam Ahmad ibn Hanbal in seinem "Musnad"
veröffentlicht hat. Dort sagt der
Gesandte Allahs (s.): „Ich hinterlasse euch zwei
Nachfolger, das
Buch
ALLAHs, ein zwischen
Himmel und
Erde sich erstreckendes
Seil und die
Nachkommenschaft meines Hauses. Beide werden nicht
getrennt werden, bis sie bei mir am
Wasserbecken eingetroffen sind.“ Dies ist ein
Textbeleg über die Nachfolgerschaft der
Imame der
Nachkommenschaft, der
Friede sei mit ihnen allen.
Du weißt, dass der Textbeleg, der die Gefolgschaft
gegenüber (den
Imamen) der
Nachkommenschaft zur Pflicht macht, ebenso ein Beleg dafür
ist, auch
Ali nachzufolgen, denn er ist der unbestrittene Fürst der
Nachkommenschaft und zweifelsohne auch deren
Imam.
So ist die Überlieferung von
Ghadir einerseits der Beleg sowohl für seine Eigenschaft
als
Imam der
Nachkommenschaft als auch für die Tatsache, dass sein von
ALLAH und dessen
Gesandten verliehener Rang dem des
Qur'an entspricht, andererseits ist er (aber auch) die
Bestätigung seiner hervorragenden Persönlichkeit. Er ist
wahrlich jedem ein
Gebieter [wali], dem auch der
Gesandte
ALLAHs ein
Gebieter [wali] war.
Der
Friede sei mit Dir.
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59. Konsultation – Wahrheit und Ausweichen.