Die Konsultation
Die Konsultation [al-muradschaat]

Aussprache: al muradscha-aat
arabisch: المرجعات
persisch:
englisch: consultation [muraja'at]

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Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen

Die 80. Konsultation – Es gab keinen Konsens

25. Safar 1330 (14.2.1912)

Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der Friede sei mit Dir und die Gnade ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.

Ich meine, dass er (s.) mit seinen Worten: „Meine Umma wird niemals in einem Irrtum miteinander übereinstimmen“ und „Sie wird niemals darin übereinstimmen, vom rechten Wege abzuweichen“, Folgendes deutlich machen wollte: Irrtum und Abweichung vom rechten Wege werden nur dann zurückgewiesen, wenn die Umma sich beratschlagt und in aller Freiwilligkeit und Einmütigkeit entschieden hat. Dies geht eindeutig aus der Sunna hervor.

Was nun aber die Tatsache betrifft, dass einige Individuen der Umma die Macht an sich rissen, um so die Möglichkeit zu erlangen, den maßgebenden Menschen den Beschluss aufzuzwingen, so ist dies kein Beweis für die Richtigkeit. Das Treuebekenntnis unter dem Zeltdach der Banu Sa´da  ist nicht auf der Grundlage allgemeiner Beratung geleistet worden, sondern gründete sich lediglich auf den zweiten Kalifen al-Chatab, auf Abu Ubaida ibn Dscharra und jene Männer, welche die beiden begleiteten. Sie sind außerdem völlig unerwartet an die maßgeblichen Menschen herangetreten. Die Verhältnisse machten es ihnen leicht, das zu erreichen, was sie sich vorgenommen hatten. Entsprechend betonte Abu Bakr auch, dass seine Ernennung zum Kalifen nicht durch allgemeine Beratung und prüfende Überlegung zustande gekommen war. Er gab dies bekannt, als er sich zu Beginn seines Kalifats in einer Rede entschuldigend an die Menschen wandte: „Meine Ernennung zum Kalifen kam gänzlich unerwartet. Behüte uns ALLAH vor ihrem Unheil, ich fürchte einen Bürgerkrieg!“ Siehe hierzu bitte die entsprechende Überlieferung.

Umar legte hiervon in einer Rede, die er an einem Freitag in den letzten Tagen seines Kalifats in aller Öffentlichkeit von der Kanzel  des Propheten herab gehalten hatte, Zeugnis ab. Sie ist überall bekannt geworden und wurde auch von Buchari in seinem "Sahih" veröffentlicht. Ich zitiere Dir im Folgenden einen Ausschnitt im Wortlaut. Er sagte: „Bei ALLAH! Wenn Umar stirbt, werde ich den So-und-so als Kalifen anerkennen. Man darf sich jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ernennung Abu Bakrs zum Kalifen gänzlich unerwartet kam. Jedoch ist es nun einmal so gekommen und ALLAH behüte uns vor dem Unheil.“ Und er sagte weiter: „Erkennt jemand einen Mann als Kalifen an, so ist dies nicht erlaubt, wenn nicht vorher allgemein darüber beraten wurde, selbst, wenn jener das Amt angenommen hat. Es könnte nämlich sein, dass man getötet würde.“ Und weiter sagte er: „Es ist uns bekannt geworden, dass es mit den Ansar zu Meinungsverschiedenheiten kam, als ALLAH seinen Propheten (s.) zu sich genommen hatte. Alle hatten sich unter dem Zeltdach der Banu Sa´da versammelt. Ali, Zubair und jene Männer, die beide begleiteten, widersprachen uns.“ Umar fuhr mit seinem Bericht fort, indem er auf die Zwietracht und Meinungsverschiedenheiten unter jenem Zeltdach hinwies: „Als die Stimmen lauter wurden, hatte man Angst um den Islam. Unter diesen Umständen also leistete Umar gegenüber Abu Bakr den Treueid.“

Es ist aus den entsprechenden Quellen hinlänglich bekannt, dass die Angehörigen der Familie des Propheten, die für die Mission ausgewählt worden waren, nicht an der Huldigung teilnahmen. Sie waren vielmehr im Hause Alis zurückgeblieben. Unter ihnen befanden sich Salman, Abu Dharr, Miqdad, Ammar, Zubair, Chuzaima ibn Thabit, Abu ibn Kab, Farwa ibn Amr ibn Wadaqa al-Ansari, Bara ibn Azib, Chalid bin Sa´id bin al-Asch al-Ummawi und ihresgleichen. Wie hätte denn nun der Konsens überhaupt erreicht werden sollen, angesichts der Abwesenheit all dieser Leute, unter denen auch die Gefährten Muhammads (s.), die führenden Köpfe der Umma waren? Sie sind die Augen des Gesichts, das Gewicht des Gesandten Allahs und seine Vertrauten. Sie sind die Gerechtigkeit des Buches ALLAHs und seine Abgesandten. Sie sind die Rettungsschiffe der Umma und die Pforte der Vergebung ihrer Sünden. Sie sind der Schutz vor der Abweichung vom rechten Weg des Glaubens und das Symbol der Rechtleitung. Dies haben wir bereits nachgewiesen. Ihr Ansehen macht keinen Beweis notwendig, nachdem schon das Gewissen ihr Zeuge gewesen ist.

Buchari und Muslim haben in ihrem jeweiligen "Sahih-Werken" ebenso bestätigt, dass Ali beim Treuebekenntnis nicht anwesend war, wie all die anderen Gewährsmänner der Überlieferungen zu den Geschehnissen. Er schloss so lange keinen Frieden, bis sechs Monate nach dem Treueid auch die Fürstin der Frauen – wie vorher ihr Vater (s.) – aus dem Leben schied. Da wurde er durch die Sorge um das unter diesen Umständen gefährdete islamische Gemeinwohl zur Versöhnung und Ausgleich gezwungen. In diesem Zusammenhang gibt es eine Überlieferungg von Aischa, nach der sie berichtete: Zahra hielt sich von Abu Bakr fern. Nach dem Ableben des Gesandten Allahs sprach sie bis zu ihrem Ableben kein Wort mehr mit ihm.“

Als Ali schließlich mit ihnen Frieden schloss, warf er ihnen vor, eigenmächtig seinen Anspruch auf das Kalifat für sich in Anspruch genommen zu haben. In der Überlieferung hierzu ist dagegen nicht davon die Rede, dass er während dieser Versöhnung das Treuebekenntnis ihnen gegenüber abgelegt hätte. Wie wirkungsvoll waren doch seine Argumente, als er zu Abu Bakr sprach: „Wenn Du die Verwandtschaft als Beweismittel gegen deine Gegner ins Feld führst, so gibt es jemanden, der des Propheten würdiger ist und der ihm auch näher stand als Du. Wenn Du aber nach allgemeiner Beratung an die Macht gekommen bist, wie ist es dann möglich, dass jene, die sich hätten beraten sollen, gar nicht anwesend waren?“

Mit ähnlichen Argumenten protestierte auch Abbas ibn Abd-ul-Mutallib gegen Abu Bakr. Während einer Auseinandersetzung sagte er zu ihm: „Wenn Du Deine Ansprüche mit dem Gesandten Allahs begründet hast, so hast Du das erhalten, was auch wir hätten beanspruchen können. Wenn Du aber deine Ansprüche mit den Gläubigen rechtfertigst, so sind freilich wir diejenigen, die an deren Spitze stehen. Wenn Du letzteren Weg gewählt hast und Du begründest, dass Dir Dein Amt von den Gläubigen auferlegt worden wäre, hätte es nicht dazu kommen dürfen, wenn wir nicht einverstanden sind.“ Wo bleibt da der Konsens der Gemeinde nach diesen Äußerungen des Onkels des Gesandten Allahs (s.), dem Bruder seines Vaters, und nach den Äußerungen seines Cousins, seines Beauftragten [wali] und Bruders, und denen seiner Angehörigen und Verwandten?

Der Friede sei mit Dir.

Weiter zur 81. Konsultation – Konsens wurde später vervollständigt.

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