Im Namen Allahs, des Erbarmers, des BarmherzigenDie 86. Konsultation – Das Unglück vom Donnerstag
8.
Rabi-ul-Awwal 1330 (27.2.1912)
Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der
Friede sei mit
Dir und die Gnade
ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.
Die Fälle, in denen sie sich nicht an die Textbelege
gehalten haben, sind unzählbar. Ich hoffe, Dir genügt die
Beschreibung des „Unglücks vom Donnerstag“, das als das
bekannteste Ereignis gilt. Es war das schwerste Unglück, das
von den
Überlieferern der authentischen
Überlieferungen, von
den
Überlieferern der
Sunna des
Propheten (s.) und den
Geschichtsschreibern und Biographen beschrieben worden ist.
Bitte begnüge Dich mit dem, was
Buchari, gestützt auf
Ubaidullah bin Abdallah bin Utba bin Mas´ud nach
Ibn Abbas
veröffentlicht hat.
Er hat gesagt: „Als dem Gesandten Allahs
(s.) bewusst
wurde, dass er bald sterben müsse, hielten sich einige Männer,
unter ihnen auch
Umar ibn
Chatab, in seinem Hause auf. Der
Prophet (s.) sagte: ‚Ich werde euch eine Schrift niederlegen,
nach der ihr niemals in die Irre gehen werdet.’ Da sprach
Umar:
‚Der
Prophet ist schwer erkrankt. Ihr habt doch den
Qur'an.
Verlassen wir uns allein auf das
Buch
ALLAHs!’ Darüber kam es
zu Meinungsverschiedenheiten und Streit unter den Leuten im
Haus. Einige meinten: ‚Kommt näher, damit der
Prophet eine
Schrift für euch niederlegen kann, nach der ihr niemals in die
Irre gehen werdet!’ Die anderen wiederholten die Worte
Umars.
Als ihr törichtes Geschwätz zunahm und der Streit in Gegenwart
des
Propheten immer heftiger wurde, sagte der Gesandte Allahs
zu ihnen: ‚Steht auf ’“
Ibn Abbas berichtete weiter: „So groß
war die Schmach, dass der
Gesandte Allahs
(s.) durch ihre
laute Streiterei davon abgehalten wurde, die Schrift niederzulegen.“
Die Authentizität der
Überlieferung und ihr Ursprung können
nicht bezweifelt werden. Sie wurde von
Buchari an mehreren
Stellen seines "Sahih" und auch von
Muslim im Kapitel über
die letzten Anweisungen in seinem "Sahih" veröffentlicht.
Ebenfalls nach
Ibn
Abbas haben auch
Ahmad ibn
Hanbal im
Musnad
und die anderen
Überlieferer der
Sunna
und der Geschichte diese
Überlieferung niedergeschrieben. Allerdings sind sie
mit der
Überlieferung recht freizügig umgegangen und haben
lediglich ihren Sinn übertragen. Der tatsächliche Wortlaut des
Vorwurfs ist nämlich: „Der
Prophet ist nicht mehr ganz bei
Sinnen“. Sie aber erwähnten nur, dass
Umar gesagt habe:
„Der
Prophet ist schwer erkrankt“. Diese Ausdrucksweise kann auch
als Korrektur verstanden werden, und zwar für jene, welche die
Formulierung, dass er nicht mehr ganz bei Sinnen war,
missbilligen könnten. Darauf deutet auch hin, was
Abu Bakr Ahmad ibn Abdulaziz al-Dschawhari im Buch „al-Saqifa“ nach
Ibn Abbas veröffentlicht hat. Er sagte:
„Als sich dem
Gesandten Allahs der
Tod näherte, hielten sich einige Männer, darunter
auch
Umar
ibn Chatab, in seinem Hause auf. Der
Gesandte Allahs sagte: ‚Bringt mir ein Tintenfass und ein Blatt, damit
ich euch eine Schrift niederlegen kann, nach der ihr niemals
in die Irre gehen werdet.’“
Ibn Abbas sagte weiter:
„Da sprach
Umar einige Worte mit der Bedeutung, dass der
Gesandte Allahs
(s.) schwer erkrankt sei und fuhr fort: ‚Wir haben den
Qur'an.
Verlassen wir uns allein auf das
Buch
ALLAHs!’ So kam es zu
Meinungsverschiedenheiten und Streit unter denen, die sich im
Hause befanden. Einige sagten: ‚Kommt näher, damit der
Prophet
euch etwas aufschreiben kann.’ Die anderen aber meinten das,
was schon
Umar gesagt hatte. Als dann ihr törichtes Gerede
zunahm und der Streit immer heftiger wurde, begann sich der
Prophet zu ärgern und sagte: ‚Steht auf (und geht)’“.
Siehe hierzu bitte die entsprechende
Überlieferung.
Du siehst hier ganz deutlich, dass sie den Einspruch
Umars
nicht im Wortlaut, sondern sinngemäß wiedergegeben haben. Dies
weist aber auch darauf hin, dass die
Überlieferer,
die damals den Namen des Widersprechenden nicht genannt haben,
den Einspruch zunächst nach seinem Wortlaut übertragen haben.
In seinem "Sahih" sagt
Buchari im
Abschnitt "Dschawa´iz al-Wafd"
, das im "Buch über die Anstrengung auf Gottes Weg und die
Lebensführung" enthalten ist:
Qubaisa hat uns berichtet, dass
uns
Ibn Ayina von
Sahman al-Ahwal nach
Said ibn
Dschubair
erzählt hat, dass
Ibn Abbas Folgendes gesagt hat: „Donnerstag
war es, aber was für ein Donnerstag!“ Dabei weinte er
bitterlich, bis seine Tränen die Steine benetzten.
Und weiter sagte
Ibn Abbas: „Am Donnerstag, als sich der
Zustand seiner Krankheit verschlimmert hatte, sagte er:
‚Bringt mir etwas zu schreiben, damit ich euch eine Schrift
niederlegen kann, nach der ihr niemals in die Irre gehen
werdet.’ Obwohl es in Gegenwart des
Propheten nie zum Streit
kommen sollte, begannen sie eine heftige Auseinandersetzung
und sagten: ‚Der
Gesandte Allahs ist nicht mehr ganz bei
Sinnen.’ Da sprach
er (s.): ‚Lasst mich! Denn der Zustand, in
dem ich mich befinde, ist besser, als ihr es mir wünschen
könnt.’ Kurz vor seinem
Tod gab er dann drei Anweisungen:
„Vertreibt die
Ungläubigen von der
arabischen Halbinsel und gestattet es, Delegationen zu entsenden, so wie ich es getan
habe.’ Das Dritte, was er uns sagen wollte, habe ich
vergessen.“
Diese
Überlieferung wurde auch von
Muslim am Ende des Kapitels "al-Wasiyya" in seinem "Sahih", von
Ahmad ibn
Hanbal
als
Überlieferung nach
Ibn Abbas in seinem
Musnad und von all
den anderen
Überlieferern bekannt gegeben.
Muslim notierte diese
Überlieferung
im Kapitel "al-Wasiyya" in seinem "Sahih" nach
Sadschad
ibn Dubair, aber auch von
anderer Seite nach
Ibn Abbas. Dieser sagte: „Donnerstag war
es, aber was für ein Donnerstag!“ Dabei kamen ihm die Tränen
so heftig, dass sie wie Perlen einer Kette auf seinen Wangen
schienen. Und weiter sagte
Ibn Abbas: „Der
Gesandte
Allahs
sagte. ‚Bringt mir Blatt und Tintenfass oder Tafel und
Tintenfass, damit ich euch eine Schrift niederlegen kann, nach
der ihr niemals in die Irre gehen werdet.’ Da sagten die
Anwesenden: ‚Der
Gesandte Allahs ist nicht mehr ganz bei
Sinnen.’“
Wer von der
Überlieferung her mit dieser Schmach vertraut
ist, wird denjenigen, der damals sinngemäß sagte „der
Gesandte Allahs hat die Kontrolle über seinen Verstand verloren“
kennen. Es war
Umar und jene Anwesenden, die seine Meinung
teilten, ahmten ihn nach. Du hast doch die Worte
Ibn Abbas –
in der ersten
Überlieferung – gehört: Deshalb kam es unter den
Leuten im Hause zu Meinungsverschiedenheiten und Streit.
Einige sagten: „Kommt näher, damit der
Prophet eine Schrift
für euch niederlegen kann, nach der ihr niemals in die Irre
gehen werdet.“ Die anderen aber meinten das, was schon
Umar
gesagt hatte, nämlich: „Der
Gesandte
Allahs ist nicht mehr
ganz bei Sinnen.“ Nach der Darstellung von
al-Tabarani in
al-Ansat nach
Umar heißt es:
„Als der
Prophet erkrankt war,
sagte er: ‚Bringt mir ein Blatt und das Tintenfass, damit ich
euch eine Schrift niederlegen kann, nach welcher ihr niemals
in die Irre gehen werdet.’ Die Frauen aber, die sich hinter
dem Vorhang befanden, sagten: ‚Habt ihr nicht gehört, was der
Gesandte
Allahs (s.) gesagt hat?’ Darauf entgegnete ich: ‚Ihr
seid die Gefährtinnen
Yusufs. Wenn der
Gesandte
Allahs krank
war, habt ihr geweint, und wenn er gesund war, seid ihr auf
ihm geritten.“ Und
Umar fuhr fort:
„Da sagte der
Gesandte
Allahs: ‚Lasst sie, sie sind besser als ihr.’“
Du siehst, dass sie sich in diesem Falle nicht an seine
Verfügung gehalten haben; hätten sie es getan, so wären sie
vor Irrtum sicher gewesen. Es wäre ebenfalls besser gewesen,
wenn sie nicht in Nachahmung verfallen wären und seine Worte
nicht zurückgewiesen hätten, indem sie sagten: „Verlassen
wir uns allein auf das
Buch
ALLAHs“. Als ob sie nicht gewusst
haben, welchen Rang das
Buch
ALLAHs bei ihm einnahm und als ob
sie besser darüber informiert gewesen wären, welcher innere
Gehalt und Nutzen in diesem
Buch beschlossen ist! Es wäre auch
besser gewesen, wenn sie sich zufrieden gegeben hätten, als er
vor ihnen im Sterben lag, und den Propheten nicht mit den
Worten „der
Gesandte
Allahs ist nicht mehr ganz bei Sinnen“
überrumpelt hätten. Was für einen Abschiedsgruß haben sie ihm
da nur geboten. Als ob sie, die doch seine Verfügung nicht
befolgten, da ihnen angeblich das
Buch
ALLAHs genügte, nicht
bei Tag und bei Nacht an ihren Versammlungsorten den Ruf des
Qur'ans vernommen hätten:
„... Was der Gesandte euch nun gibt, das nehmt an! Aber
verzichtet auf das, was er euch verwehrt!“ (Heiliger
Qur'an 59:7)
Und als ob sie, da sie doch meinten, der Gesandte Allahs
ist nicht mehr ganz bei Sinnen, die Worte des Erhabenen nicht
gehört hätten:
„Das ist die Rede eines edlen Gesandten, der beim Herrn des
Thrones über große Gewalt verfügt und Macht hat, und dem man
gehorcht und der treu ist.. Euer Gefährte ist kein
Besessener“, (Heiliger
Qur'an 81:19-22)
und
„Euer Gefährte geht nicht irre und ist nicht einem Irrtum
erlegen. Und er spricht nicht aus persönlicher Neigung. Er ist
nichts anderes als eine offenbarte Offenbarung. Belehrt hat
ihn einer, der starke Kräfte hat,...“ (Heiliger
Qur'an 53:2-5)
Die reine Vernunft allerdings ist hiervon unabhängig und
kommt durch sich selbst zum gleichen Schluss. Sie wussten,
dass der
Gesandte
Allahs vor hatte, sein Versprechen,
Ali mit
dem
Kalifat zu betrauen, schriftlich niederzulegen und die
Verfügungen hinsichtlich
Ali im besonderen und hinsichtlich
der
Imame seiner Abstammung im Allgemeinen zu bestätigen.
Deshalb haben sie ihn davon abgehalten, wie es schon der
zweite
Kalif in einem Disput mit
Ibn Abbas zugegeben hat.
Wenn Du Dir die Worte des
Propheten, nämlich:
„Bringt
mir..., damit ich euch eine Schrift niederlegen kann, nach der
ihr niemals in die Irre gehen werdet“ sehr genau anhörst und
in Beziehung setzt zu den Worten von den
beiden Gewichtigen:
„Ihr werdet nicht in die Irre gehen, wenn ihr an dem
festhaltet, was ich euch hinterlassen habe: Das
Buch
ALLAHs
und die
Nachkommen meiner Familie“, dann wird offensichtlich,
dass in beiden
Überlieferungen ein und dasselbe Ziel verfolgt
wird und dass er vor hatte, während seiner Krankheit die
Einzelheiten dessen, was er ihnen bereits in der
Überlieferung über die
zwei Gewichtigen auferlegt hatte,
schriftlich niederzulegen.
In Wahrheit hat er nur deshalb sein Vorhaben aufgegeben,
weil ihn ihre unerwarteten Worte getroffen und ihn gezwungen
haben, davon Abstand zu nehmen. Denn das Niederlegen der
Schrift hätte nur Zwietracht und Streit darüber zur Folge
gehabt, ob das, was er geschrieben hätte, Unsinn sei oder
nicht; so, wie sie darüber bereits in seinem Beisein in
törichtes Gerede und Geschrei verfallen waren. Hätte er auf
seiner Absicht bestanden, so hätten sie darauf beharrt, dass
er nicht mehr ganz bei Sinnen war und ihre Gefolgsleute hätten
alles daran gesetzt, sein Verrücktsein zu beweisen.
ALLAH
bewahre uns davor. Sie hätten Märchen darüber geschrieben und
ihre Schriftrollen wären voll davon gewesen. Und all das als
Antwort auf die Schrift und auf jene, die sich darauf bezogen
hätten. Seine tiefe Weisheit forderte daher von ihm,
stillschweigend auf die Niederschrift zu verzichten, damit
die Gegner und ihre Gefolgsleute sie nicht zum Anlass nehmen
konnten, das
Prophetentum als Ganzes anzufechten – wir nehmen
Zuflucht zu
ALLAH und bitten um seine Hilfe!
Er (s.) sah aber auch, dass
Ali und seine Freunde sehr wohl
am Inhalt der beabsichtigten Schrift festhalten würden,
gleichgültig, ob sie nun niedergeschrieben wurde oder nicht,
und dass die anderen niemals ihr Handeln nach ihr ausrichten
würden, selbst wenn alles schriftlich festgehalten worden
wäre. Unter diesen Umständen war es weise, darauf zu
verzichten, da eine Ablehnung bekanntlich nichts anderes zur
Folge gehabt hätte als Zwietracht.
Der
Friede sei mit Dir.
Weiter zur
87. Konsultation – Diskussion zur Donnerstagstragödie.