Im Namen Allahs, des Erbarmers, des BarmherzigenDie 92. Konsultation – Rechtfertigung nicht haltbar
22.
Rabi-ul-Awwal 1330 (11.3.1912)
Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der
Friede sei mit
Dir und die Gnade
ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.
Du hast eingeräumt, dass von
Usamas Kompanie einige beim
Abmarsch zauderten und sich stattdessen weiterhin die ganze
Zeit in
al-Dschurf aufhielten, obwohl der
Prophet ihnen
höchste Eile geboten hatte. Darüber hinaus hast Du bestätigt,
dass sie an
Usamas Ernennung zum Heerführer Kritik übten,
obwohl sie gesehen und gehört hatten, welche eindeutigen
Verfügungen es dazu in Wort und Tat gegeben hat.
Weiter hast Du zugegeben, dass sie von
Abu Bakr verlangt
haben,
Usama von seinem Posten zu entheben, obwohl der
Prophet
(s.) wegen ihrer Verleumdungen zornig geworden war, und trotz
seines Fiebers in sein Tuch gehüllt das Haus verlassen hatte,
um in einer Rede, die Du als eine besondere historische
Begebenheit bezeichnet hast, von der Kanzel herab Kritik an
ihnen zu üben. In dieser Rede hat er bekräftigt, dass
Usama zu
diesem Posten befähigt sei.
Außerdem hast Du eingestanden, dass sie den
Kalifen
Abu Bakr aufgefordert haben, das Heer
Usamas aufzulösen, jenes
Heer, das der
Gesandte Allahs
(s.) selbst entsenden wollte,
und die Standarte einzuziehen, jenes Banner, das der
Prophet
selbst mit seiner eigenen edlen Hand übergeben hatte. Und all
dies, obwohl sie gesehen hatten, wie sehr der
Prophet auf die
Ausführung des Befehls und auf einen Abmarsch in aller Eile
bedacht war und wie oft er diese Anordnung gab. Und
schließlich hast Du eingestanden, dass einige der Männer, die
der
Prophet aufgestellt und unter die Befehlsgewalt von
Usama
gestellt hatten, dem Heer ferngeblieben sind.
All dies hast Du zugegeben, gemäß den Berichten der
Geschichtsschreiber und gemäß der einhelligen Meinung von
Überlieferern und Bewahrern der
Tradition. Du hast dies damit
zur rechtfertigen versucht, dass sie für ihr Verhalten gute
Gründe hatten. Was Du damit im Grunde genommen aussagst,
bedeutet, dass sie in dieser Angelegenheit ihre eigene
Auffassung bezüglich des Wohls des
Islams über die
Bestimmungen des
Propheten gestellt haben. Ich selbst aber
habe in diesem Zusammenhang nichts anderes als gerade dies
behauptet. Anders ausgedrückt war es das Thema unseres Disputes, ob sie an der Gesamtheit der
prophetischen
Bestimmungen festgehalten haben oder nicht. Du hattest die
Ansicht vertreten, dass sie es taten, und ich meinte, sie
haben es nicht getan. Jetzt allerdings wird Dein
Eingeständnis, dass sie wohl doch nicht an der Gesamtheit der
prophetischen Bestimmungen festgehalten haben, zu einer
Bestätigung meiner Behauptung. Ob ihr Verhalten in diesen
Fällen zur rechtfertigen ist, liegt außerhalb des Themas
unserer Untersuchung.
Angesichts der Tatsache, dass nun nachgewiesen worden ist,
wie die Männer der Kompanie von
Usama ihre eigene Auffassung
bezüglich des Wohls des
Islams bevorzugt im Auge hatten, als
an den verbindlichen Verfügungen des
Propheten festzuhalten,
stellt sich die Frage: Warum erwähnst Du dann nicht, dass sie
auch nach dem Ableben des
Propheten (s.) eben auch in der
Nachfolgerfrage das Wohl des
Islams nach ihrem eigenen
Dafürhalten im Auge hatten als an der Verfügung vom
Brunnen
von Chum oder anderem festzuhalten.
Das Verhalten jener, die
Usamas Führungsqualitäten
leugneten, hast Du mit dem Hinweis zu rechtfertigen gewusst,
dass jener noch sehr jung, sie aber greise, alte Männer waren.
Du sagtest, ihre Seelen hätten von Natur aus eine Abneigung
dagegen, sich von Jüngeren lenken zu lassen. Warum räumst Du
dann nicht ein, dass dies auch für die Tatsache gilt, dass sie
sich nicht an die Verfügung vom
Brunnen von
Chum gehalten
haben, die
Ali zum Nachfolger des
Propheten bestimmten, weil
er gegenüber den greisen und alten
Gefährten des
Propheten
viel jünger war. Sie haben – und zwar nach ihren eigenen
Berichten notwendigerweise –
Ali ebenso für zu jung gehalten,
wie sie schon am Tag, als der
Gesandte Allahs (s.)
Usama die
Führung über die Kompanie übertrug, diesen für zu jung gehalten hatten. Was für ein gewaltiger Unterschied besteht
aber zwischen dem
Kalifat und der Führung einer Kompanie!
Wenn sie es schon abgelehnt haben, sich in einer Kompanie von
einem Jüngeren führen zu lassen, weil das gegen ihre Natur
ginge, wie viel weniger erst sind sie dann dazu geeignet, sich
von einem Jüngeren ein ganzes Leben lang sowohl in weltlichen
wie auch in religiösen Dingen führen zu lassen!
Wenn Du erwähnst, die Seelen der greisen und alten Männer
haben von Natur aus eine Abneigung dagegen, den Jüngeren
Gefolgschaft zu leisten, so ist dies unzutreffend für den
Fall, dass Du ganz allgemein urteilen wolltest. Die
Gläubigen
unter den alten Männern nämlich, die ganz in ihrem
Glauben
aufgehen, haben keine Abneigung dagegen,
ALLAH und seinem
Gesandten Gefolgschaft zu leisten, auch wenn sie dafür die
Führung eines Jüngeren in allen anderen Dingen anerkennen
müssen.
„Aber nein, bei deinem Herrn! Sie sind solange nicht
gläubig, bis sie Dich zum Schiedsrichter machen über das, was
zwischen ihnen umstritten ist, und sich hierauf durch die
Entscheidung, die du getroffen hast, nicht bedrückt fühlen,
sondern sich in völliger Ergebung fügen.“ (Heiliger
Qur'an 4:65)
„... und was der Gesandte euch zukommen lässt, das sollt
ihr nehmen. Und was er euch verwehrt, davon sollt ihr euch
fernhalten ...“ (Heiliger
Qur'an 59:7)
Was die von
al-Schahrastani als unbestrittene Tatsache
bezeichnete Äußerung über jene, die
Usamas Heer ferngeblieben
waren, betrifft, so wurde sie auch als zuverlässige
Überlieferung von
Abu Bakr Ahmad ibn Abdulaziz al-Dschawhari
in seinem Buch al-Saqifa veröffentlicht. Ich zitiere sie hier
im Wortlaut:
Ahmad ibn Ishaq ibn Salih berichtet uns nach
Ahmad ibn Siyar,
Salim ibn Kathir Ansari und seinen Männern, dass
Abdullah ibn Abdurrahman gesagt hat: „Während der
Gesandte Allahs (s.) sterbenskrank war, übergab er
Usama bin Zaid bin
Haritha die Führung über ein Heer, in das die meisten der
Muhadschirun und der
Ansar eingezogen worden waren. Unter
ihnen befanden sich
Abu Bakr,
Umar,
Abu Ubaida ibn Dscharra,
Abdurrahman ibn Auf,
Talha und
Zubair. Er befahl
ihm, die Stadt
Mutah anzugreifen, wo sein Vater
Zaid getötet
worden war, und in das Tal
Palästinas einzumarschieren.
Usama
aber fand es zunehmend beschwerlicher und mit ihm auch sein
Heer. Der
Gesandte Allahs (s.) litt teils mehr teils weniger
an seiner Krankheit, aber immer legte er Nachdruck darauf, die
Expedition auch wirklich durchzuführen. Bis ihm dann
Usama
sagte: ‚Du stehst an der Stelle meines Vaters und meiner
Mutter. Würdest Du mir wohl erlauben, einige Tage zu
verweilen, bis
ALLAH, der Erhabene, deine Gesundheit wieder
hergestellt hat?’ Er aber entgegnete: ‚Breche auf und ziehe
los mit dem Segen
ALLAHs!’ Da sprach
Usama: ‚Oh
Gesandter Allahs! Wenn ich Dich in diesem Zustand verlassen muss, dann
gehe ich mit einer Wunde in meinem Herzen’, und der
Gesandte Allahs sagte: ‚Ziehe los mit Erfolg und Gesundheit!’ Usama
meinte: ‚Oh
Gesandter Allahs! Ich mag die Reiter nicht nach
Dir fragen.’ Der
Gesandte Allahs sprach abschließend: ‚Tue
das, was ich Dich geheißen habe’ und verlor das Bewusstsein.
Usama aber erhob sich und bereitete sich auf den Abmarsch vor.
Als dann der
Gesandte Allahs (s.) wieder zu sich kam,
fragte er nach
Usama und der Expedition. Man berichtete ihm,
dass sie dabei seien, sich vorzubereiten. Da sagte er: ‚Führt
die Expedition
Usamas durch! Wer ihr fernbleibt, wird von
ALLAH verdammt werden.’ Dies wiederholte er mehrmals. Hierauf
zog dann
Usama mit wehender Standarte los, unter sich die
Gefährten des
Propheten, bis sie
al-Dschurf erreichten und sich dort niederließen. Bei ihm
waren
Abu Bakr,
Umar und die
meisten der
Muhadschirun. Von den
Ansar waren
Asid ibn Hudair,
Baschir ibn Saad und andere hochgestellte Persönlichkeiten
dabei. Da kam mit einemmal ein Bote von
Umm al-Ayman, der sagte:
‚Begib Dich zur Stadt, denn der
Gesandte Allahs liegt im
Sterben!’ Usama machte sich sofort auf und betrat die Stadt
mit der Standarte. Er nahm sie und stellte sie neben die Tür
des
Gesandten Allahs. In dieser Stunde starb der Gesandte
Allahs.“
Hier endet der Wortlaut der
Überlieferung; zahlreiche
Historiker haben sie wiedergegeben. Unter ihnen befand sich
auch der Gelehrte
al-Mu´tazili, der sie am Ende von Seite 20
und auf den folgenden Seiten im zweiten Band seines Kommentars
zum
Nahdsch-ul-Balagha veröffentlicht hat.
Der
Friede sei mit Dir.
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93. Konsultation – Erbittung weiterer Beispiele.