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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen
Die 102. Konsultation – Abwesenheit der nahen Gefährten bei
Ernennung
10.
Rabi-ul-Thani 1330 (29.3.1912)
Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der
Friede sei mit
Dir und die Gnade
ALLAHs und Seine Barmherzigkeit.
Alle wissen, dass der
Imam, seine Gefolgsleute von den
Banu Haschim und die anderen an der Ernennung zum
Kalifen
nicht teilgenommen und an jenem Tag den Platz unter dem
Zeltdach nicht betreten haben. Also waren sie dort weder
anwesend, noch hatten sie von den dortigen Geschehnissen
Kenntnis. Sie waren vollauf mit dem ihnen widerfahrenen
Unglück beschäftigt, nämlich mit dem
Ableben des
Gesandten
Allahs (s.). Sie sorgten sich um die Vorbereitungen zu seiner
Beisetzung und konzentrierten sich voll und ganz darauf. Als
sie
ihn (s.) dann in seinem heiligen
Grab beerdigt hatten,
waren die Leute unter dem
Zeltdach mit ihren Angelegenheiten
zu einem Ende gekommen. Sie beschlossen die endgültige
Ernennung, bestätigten die Abmachung und einigten sich mit
aller Entschiedenheit darauf, jedes Wort und jede Handlung zu
unterbinden, die der Ernennung im Wege stehen, ihre Abmachung
beeinträchtigen oder gar Unruhe und Verwirrung unter ihren
Leuten verbreiten könnte. Der
Imam war doch viel zu weit vom
Ort des Geschehens entfernt, als dass er gegen die Ernennung
von
Abu Bakr Widerspruch hätte einlegen können! Wie wäre es
ihm möglich gewesen, Einspruch dagegen zu erheben, wenn die
Ernennung bereits abgeschlossen war und die maßgeblichen Leute
Härte zeigten und mit Gewaltanwendung drohten?
Wäre es denn in unserer heutigen Zeit möglich, den
Herrschenden entgegenzutreten, um ihre Macht infrage zu
stellen und ihren Staat für nichtig zu erklären? Würden sie
jemanden in Ruhe lassen, wenn er mit einer solchen Absicht zu
ihnen käme? Was für ein Trugschluss! Du kannst die
Vergangenheit ruhig mit der Gegenwart vergleichen: Die
Menschen bleiben
Menschen und
Zeit bleibt
Zeit.
Ali sah damals
voraus, dass ein Einspruch keine andere Auswirkung zur Folge
gehabt hätte, als einen Aufruhr. Deshalb gab er unter diesen
Umständen lieber seinen Anspruch auf, als einen Aufruhr zu verursachen, denn er fürchtete um die
muslimische
Gemeinschaft und um das Wort von der
Einheit
ALLAHs.
Ich habe das schon in einer früheren
Konsultationen
ausgeführt und dazu angemerkt: Er litt unter etwas, worunter
niemand sonst gelitten hat: Zwei Schicksalsschläge lasteten
auf seinen Schultern. Zum einen war es das
Kalifat mit all
den Texten und Versprechungen, die darauf hinwiesen. Es schrie
ihn förmlich um Hilfe an und brachte ihn so sehr in Aufregung,
dass sein
Herz zu bluten begann, ja, er stöhnte so sehr, dass
sich fast sein Innerstes nach außen kehrte. Zum anderen waren
dort die grausamen Kämpfe des Bürgerkriegs, die ihm als
Zeichen galten für den Aufstand der Völker der arabischen
Halbinsel, für den Umsturz bei den
Arabern und für die
Vernichtung des
Islam.
Er stand vor der Gefahr, die verkörpert wurde von den
Heuchlern unter den Bewohnern
Medinas, die sich ja schon an
die
Heuchelei gewöhnt hatten. Sie waren von Beduinen umgeben,
die nach dem
Qur'an
Heuchler waren und dem
Unglauben und der
Heuchelei näher standen. Sie waren auch eher geneigt, die
Gebote, die
ALLAH auf seinen
Gesandten als Offenbarung
herabgesandt hat, zu missachten. Nachdem der
Gesandte
ALLAHs
gestorben war, sind deren Kräfte gewachsen.
Die
Muslime glichen nach seinem
Ableben den in einer Winternacht entlaufenen Schafen, denen Wölfe und andere wilde
Tiere auflauern. Sie waren umgeben von
Musailima, dem Lügner,
von
Tulaiha ibn Chuwailid, dem Betrüger, von
Sadscha bint al-Harith, der Quacksalberin und all deren Gefolgsleuten, die
nur darauf warteten, den Islam auszurotten und die Muslime zu
vernichten. Auch die
Byzantiner, die
Perserkönige und andere
lagen auf der Lauer. Darüber hinaus gab es zahlreiche von
Übereifer getriebene Elemente, die voller Hass und Groll
gegen
Muhammad (s.),
seine Familie und seine
Gefährten waren.
Äußerst ablehnend gegenüber dem Wort des
Islam, trachteten sie
danach, seine Fundamente zu erschüttern, um ihn dann völlig
beseitigen zu können. Diese Kräfte wurden getrieben von
Tatendrang, Eile und Überhastung. Sie sahen, dass die Sache
für sie günstig stand und dass nach dem
Ableben des
Propheten
die Zeit reif sei. Die Gelegenheit nutzend, wollten sie vom
dem Chaos profitieren, bevor Kraft und Ordnung in der
islamischen Welt wiederhergestellt waren.
Auf diese Weise war
Ali mit den beiden Gefahren
konfrontiert, weshalb es nur allzu natürlich war, dass er
seinen Rechtsanspruch zugunsten des Überlebens der
Muslime
geopfert hat. Das Recht selbst auf die Nachfolge aber wollte
er gewahrt wissen, ebenso wie seinen Anspruch auf Protest
gegen jene, die sie ihm streitig machten, und zwar auf eine
Weise, dass die
Muslime nicht dadurch gespalten würden und
dass wegen dieser Frage kein Aufstand unter ihnen ausbrechen
würde, den die Feinde für ihre Zwecke nutzen könnten. Deshalb
ist er zuhause geblieben, bis man ihn gegen seinen Willen von
dort wegholte, ohne dass es allerdings zum Kampf gekommen
wäre.
Wäre er andererseits zu ihnen geeilt, hätte er kein
Argument und keinen überzeugenden Beweis gegen sie vorbringen
können. So brachte seine Haltung die Sorge um die Erhaltung
der
Religion mit der Wahrung seines Rechts auf das
Kalifat in
Einklang. Als er sah, dass die Erhaltung des
Islams und
gleichzeitig die Abwehr des Feindes nur möglich war, wenn man
Versöhnung und Ausgleich suchte, begann er damit, eben diesen
Weg der Versöhnung zu beschreiten, indem er Frieden mit den
Verantwortlichen schloss, um die Umma zu schützen; er trug
Sorge für die Religionsgemeinschaft und nahm Rücksicht auf die
Religion selbst. Die jenseitigen Werte schätzte er sehr hoch
ein und stellte deshalb die diesseitigen Dinge ganz zurück.
Er kam seinen Pflichten immer nach, und zwar sowohl in der
Übereinstimmung mit dem offenbarten Gesetz des
Islam als auch
im Einklang mit der Vernunft. Dabei räumte er – im Falle einer Unvereinbarkeit – dem Wichtigeren gegenüber dem weniger
Wichtigen den Vorrang ein. Die damaligen Verhältnisse
erlaubten weder den Gebrauch des Schwertes, noch den von
Argumenten.
Trotzdem zeigten er und seine Söhne Weisheit, als sie vom
Testament sprachen und die erhabene Weisheit verbreiteten.
Den aufmerksamen Beobachtern ist dies bekannt.
Der
Friede sei mit Dir.
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103. Konsultation (Frage zum Verhalten der Imame).