Divan der persischen Poesie
Enweri
Abschied von der Poesie
Ein Dichterlein frug gestern mich: Schreibst
du noch oft Gedichte?
Ich sagte: Nein, da ich seit lang auf Lob und Schimpf
verzichte.
Warum? frug er. Weil klar mir's ward, daß Dichten nur
Verirrung.
Jetzt floh der Wahn, nie wieder kehrt der Zustand der
Verwirrung.
Einst schrieb ich Panegyriken, Satiren und Ghasele,
Weil Habsucht, Zorn und Leidenschaft mir heiß durchtobt' die
Seele.
Pfui Liebesdichter, die die Nacht in heißer Angst verbringen,
Wie sie am besten Zuckermund und Lockenpracht besingen;
Pfui Lobpoeten, die den Tag in bittrer Qual durchsinnen,
Von wem und wo am besten wol fünf Drachmen zu gewinnen;
Pfui Satiristen, die sich freun gleich schwachen kranken
Hunden,
Wenn einen Schwächren als sie selbst, sie packen und
verwunden.
Weh euch ihr drei, die hungernden und grimmen Hunden gleichen,
Mög' euch der Herr auf ewiglich aus meiner Nähe scheuchen!
Ich selbst schrieb Panegyriken, Ghasele und Satiren;
Wie konnt', o Gott, Verstand und Geist so grausam ich
torquiren!
Geschwätz und Schein, o Enweri, sind keines Mannes Werke,
Du fehltest, segne Gott dein Wort mit Mannheit jetzt und
Stärke.
Im Winkel birg bescheiden dich, den Pfad der Rettung gehe,
Und denke, daß des Lebens Frist dem Odem gleich verwehe.
Schlechta Wssehrd. (Franz Xaver Schlechta
von Wschehrd)