Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Enweri

Kasside auf das Prachtschloß eines Veziers

O Herr, schau' ich ein Fürstenschloß?
Ist das des Himmels Heiligtum?
Flammt mondbeglänzt der Himmel mir?
Ein kaiserlich Palladium?

Schau' ich ein leuchtend Paradies?
Durchströmt von Quellen frisch und rein?
Ist dies ein goldener Pokal,
Zum Rand gefüllt mit goldnem Wein?

Wo Mond und Sonne trunken gehn
Im Tanz – der Wolken Saal ist dies?
Ist dies der Ort, da Nacht und Tag
Die Engel kosen mit Huris?

Musik erfüllt ringsum die Luft,
Als wäre ewig Hochzeit hier,
Und Dichtermunde streu'n Gesang
Und Lied ins Ohr wie Perlen dir.

Ein ew'ger Frühling füllt die Luft
Mit Duft und Glanz, kein Winter droht!
Des Weltgerichts Posaunenton
Verhallt und weckt nicht auf den Tod.

Ein dunkler, kühler Schatten schützt
Rings vor des Tages Sonnenglut –
Doch nachts, wenn auffährt Stern an Stern,
Wie Licht glänzt selbst des Dunkels Flut.

Des ew'gen Gottes Morgenlicht
Scheucht fort des Unglücks schwere Nacht
Aus diesem Haus; des Hauses Herr,
Des Aug' ob unsrem Reiche wacht –

Sein Ruhm erfüllt die weite Welt,
Gesetze schreibt der Welt er vor
Mit Weisheit, und als Säule ragt
In Staat und Kirche er empor.

Und was das Schicksal lang bestimmt,
Führt aus von ihm ein Federzug,
Ihm, dessen Banner, wo es flog,
Den Sieg in Feindeslanzen trug.

Von seiner Huld und Güte tönt
Die Erde wieder und die Luft,
Er haßt den Geiz, streut aus das Gold,
Füllt in die Becher Weines Duft.

Gleichgroß mit Feder und mit Schwert,
Des Reiches Lenker, Schwert und Schild,
Strahlt er uns vor und ewig blüh'
Uns seine Herrschaft, stark und mild:

So lang die Erde sehnsuchtsvoll
Im Brautgemach, im Frühlingshag
Erschauert unter'm Sonnenkuß,
So lang die Sonne zeugt den Tag.

Julius Hart

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