Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Hafis

Schems-ed-dîn Muhammed, bekannter unter dem Namen Hâfis (d. i. der Koranfeste, Gedächtnisstarke) wurde zu Schîrâs im Anfange des 14. Jahrhunderts geboren. Er lebte in einer Zeit, da sein Vaterland nach dem Verfall der von Dschingiskhan gegründeten Mongolenherrschaft politisch völlig zerrissen war; überall hatten sich kleine unabhängige Staaten gebildet, wie zu Schîrâs, Hormus, Jesd, Ispahan, Bagdad u. s. w. In der Vaterstadt des Dichters herrschte seit 1318 die Dynastie der Musafferiden, die bis zum Jahre 1392 über das eigentliche Persien regierten; sieben Fürsten gehörten ihr an. Die Herrschaftsdauer dieses Geschlechtes deckt sich ungefähr mit der Lebenszeit Hâfis'. In seinen Liedern rühmt dieser besonders einen Sohn des Stifters der Dynastie (Mubâris-ed-dîn Muhammed), Schâh, Schadschâ (1348–75) und einen Enkel ebendesselben, Schâh Manssûr (1384–92), die ihm ihre Gunst reichlich zugewandt hatten. Aber auch fremde Höfe, wie die von Bagdad, Hormus, warben um den Dichter und luden ihn zu sich ein. Hafis zog jedoch das Leben in der Heimat allem anderen vor. Nur einmal ging er auf eine Einladung des Schâh Jahja nach Jesd, kehrte aber bald zurück; offenbar enttäuscht, denn auch die üblichen Geschenke blieben von dem Sultane aus. Auf einer Reise nach Dekhan kam er nur bis Hormus; ein Sturm schreckte ihn von der Seefahrt zurück. Die Pilgerfahrt nach Mekka hat er wohl nicht angetreten. Im Hause des durch seine Freigebigkeit berühmten Veziers Kirwân-ed-dîn Hassan war er als Privatlehrer thätig und erhielt von diesem eine Anstellung an der von ihm gegründeten öffentlichen Schule, an welcher er lange mit großem Beifall lehrte. Im übrigen gehörte er dem religiösen Orden der Sufis an, dem er wohl früh beigetreten ist. Später wurde er wahrscheinlich Scheikh desselben. Ein erwachsener Sohn starb ihm am 23. Dez. 1362. 1387 kam Timur, der Zertrümmerer der Musafferidenherrschaft, nach Schîrâs und ließ den Dichter zu sich rufen. Hâfis Geist und Witz entzückten ihn so, daß er den Dichter mit reichen Geschenken überhäufte. Bald darauf starb Hafis, hochbetagt, im Jahre 1389. Die über den Freigeist erzürnten Rechtgläubigen wollten ihm das ehrliche Begräbnis verweigern. Man holte sich zuletzt Bescheid bei dem im Orient so beliebten Versestechen, indem man mit einer Nadel aufs geradewohl in ein Buch stößt und die getroffene Stelle als Schicksalswort gelten läßt. Man traf auf die Hafis'schen Verse: »Wende den Fuß dereinst von Hafis' Leichenbahre nicht ab; wenn auch in Sünden versunken, so geht er doch zum Lande der Seligen ein.« (s. S. 171.) So gaben die Orthodoxen nach; der Dichter wurde in dem von ihm viel gepriesenen Mussella bei Schiras begraben, wo noch heute sein Grabmal gezeigt wird. Dasselbe hatte ihm Muhammed Mo 'ammai, Bezier des Sultans Babur Behardirkhan, errichtet, als dieser Schirâs eroberte, Hafis' Divan wurde erst nach seinem Tode von seinen Freunden zusammengestellt. Er ward im Orient ebenso bewundert wie befeindet. Die Rechtgläubigen wüteten gegen den Dichter, der, obwohl selber Sufi, doch alle priesterliche Heuchelei mit der Geißel seines Spottes zerfetzt hatte. Als alle Verbote aber Hafis aus dem Herzen des Volkes nicht verdrängen konnten, deutete man seine Dichtungen in mystischem Sinne, wie das »Hohelied Salomonis« bei uns gedeutet wird. Man gab dem Dichter die Beinamen Lisân-ul-ghaib (Mystische Zunge) und Terdschumân-ul-esrar (Dolmetscher der Geheimnisse). Obwohl nun die meisten und besten Erzeugnisse Hafis' durchaus realistisch zu nehmen sind, und wirklich nichts als irdischen Wein und irdische Liebe besingen, die Schalen des Spottes über Zeloten und Heuchler ausgießen, so darf man doch nicht verkennen, daß auch rein mystische Klänge seinem Munde entströmten, wie z. B. das »Buch des Schenken«. Andere Gedichte weisen ein seltsames Gemisch auf, ja sind in sich selbst widersprechend. Wahrscheinlich gehört die realistische Periode dem kräftigen Mannes- und Greisenalter an. Den ersten vernünftigen Kommentar, der die mystischen Deutungen mit Spott zurückweist, schrieb der aus Bosnien stammende Sûdi († 1591) zum Divan. An diesen schließen sich auch die in Wien und Leipzig veranstalteten zwei Textausgaben von V. v. Rosenzweig-Schwannau und Brockhaus an. Darnach hat Hafis im ganzen 693 lyrische Gedichte geschrieben: 573 Ghaselen, ferner 42 Ghaselen-Fragmente (Mukathaat; Ghaselen, denen der erste Hauptreim fehlt), 69 Vierzeiler, 6 zweizeilig gereimte Gedichte, darunter »Buch des Schenken«, und »Buch des Sängers«, 2 Kassiden und ein Lied in fünfzeiligen Strophen.

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