Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Hafis

Vierzeilige Gedichte. (Kubajjat.)

1. (1.)

Ich ernte nichts als steten Gram im Leben,
Kann in der Liebe nichts als Gram erstreben;
Mir ist kein Freund, der Gleiches mit mir fühlte,
Und kein Gespiele als der Gram gegeben.

2. (4.)

Ich hielt mich fest an seinen Sünbülhaaren
Und bat ihn, Hilfe doch mir Trauerndem zu geben.
Er sprach: Nimm meinen Mund, laß meine Locken fahren,
Halt' an die Freude dich und nicht ans lange Leben.

Rosenzweig.

3. (10.)

Das Glück der Welt wägt eine Ungerechtigkeit nicht auf,
Und alle Lust des Daseins wägt ein ernstes Leid nicht auf.
Selbst siebentausend Jahre voll der höchsten Freud' und Wonne,
Sie wägen sieben kurze Tage Sorgenzeit nicht auf.

Nesselmann.

4. (12.)

Sieh, ich sterbe vor Verlangen nach Umarmung und nach Kuß,
Sieh, ich sterbe vor Begierde nach des saft'gen Munds Genuß;
Doch was spreche ich noch länger? Kurz und bündig will ich sein:
Komm' zurück, denn sieh, ich sterbe schon durch der Erwartung Pein!

5. (16.)

Du sprachst: »Dein will ich werden, steh' drum in Sorgen nicht,
Und freue dich; nur mache dir die Geduld zur Pflicht.«
Geduld und Herz, was sind sie? Das, was du nennst ein Herz,
Ist nur ein Tropfen Blutes und tausendfacher Schmerz.

6. (21.)

Der Paradies und Hölle teilet, der Knotenlöser, Gott,
Läßt meine Füße nimmer straucheln und wehret meiner Not,
Soll dieses Treiben frecher Wölfe noch länger fortbestehn?
Laß, Löwe Gottes, mich die Klauen, die sieggewohnten, sehn.

7. (29.)

Schon naht der Lebenswüste ein Strom, der mächtig schwillt.
Bald ist des Lebens Becher bis an den Rand gefüllt:
Sei auf der Hut, o Meister, denn aus des Lebens Haus
Schafft des Geschickes Träger schon das Gepäck hinaus.

8. (32.)

Es frommt am Rande eines Bechers zu weilen stets beim Wein,
Es frommt am fernsten Rande zu weilen der Trauer und der Pein;
Zehn kurze Tage, wie die Rose, währt unsre Lebenszeit:
Drum frommt's der Lippe stets zu lächeln, dem Antlitz frisch zu sein.

Rosenzweig.

9. (35).

Dem braven Mann nicht gut und treu sein ziemt sich nicht,
Auf Wüstenpfad ein Diw und Leu sein ziemt sich nicht,
Sinnlos erpicht auf Schwelgerei sein ziemt sich nicht,
Auf eignen Wert voll Prahlerei sein ziemt sich nicht.

10. (38.)

Wie darfst du wegen Sorgen gleich wie junger Wein aufbrausen?
Umsonst läßt man vorm Sorgenheer das Schwert zum Kampf aufsausen.
Wie Wiesen grün ist deine Lipp', halt' ihr das Glas nicht fern;
Schön ist's am grünen Uferrand den frischen Wein aufschmausen.

Nesselmann.

11. (44.)

Weswegen ist dein Haar voll Locken und voll Glanz?
Weswegen senkt in Schlaf dein trunknes Auge sich?
Es warf ja doch kein Mensch ein Rosenblatt auf dich:
Weswegen riechst du denn nach Rosenwasser ganz?

12. (48.)

Den edlen Herzen wert, dem Volke wohlbekannt,
Beredt, gemessener Art, dem Vollmondglanz verwandt,
Ist, der im Land Schiras in hohem Rufe steht,
Und holde Lieder singt, Hadschi Hafis Ahmed.

13. (52.)

Gar schmählich handelt, wer sich selbst erhebt,
Und nach dem Vorrang vor den andern strebt;
Nimm bei dem Augensterne Unterricht,
Auf alle blickt er, auf sich selber nicht.

Rosenzweig.

14. (54.)

Die ganze Welt von Pol zu Pol in einem Mörser reiben,
Neun Himmelssphären mit dem eignen Herzensblut bekleiben,
Und hundert Jahr gefangen hinter Schloß und Thoren bleiben,
Ist besser als nur kurze Zeit Genoß von Thoren bleiben.

Nesselmann.

15. (58.)

In eitlen Wünschen nur vergeude ich das Leben,
Was hat des Himmels Lauf mir Nützliches gegeben?
Und wen ich immer noch um Freundschaft hab' beschworen,
Der wurde mir zum Feind. O wär' ich nie geboren!

Rosenzweig.

16. (69.)

O Herr, da ja der Schöpfer deß, was beglückt, du bist,
Der Richter auch und Schlichter deß, was uns drückt, du bist,
Wie soll ich das Geheimnis des Herzens dir bekennen,
Da Kenner deß, was tief sich dem Aug' entrückt, du bist.

Nesselmann.

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