Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Mahmud Schebisteri

Fünfte Andeutung über die Orte des äußeren Lebens

Befreiung von dem Ich wird im Bordell erscheinen.
Unglauben ist die Selbstsucht, wenn auch in dem Reinen.
An Eines halten sich, die wüste Pfade wallen,
Einswerdung läßt die angehängten Dinge fallen.
Den Wüsten ist die Welt die ganze Wüstenei,
Die Stätte Liebender, die aller Sorgen frei.
Der Wüsten Stelldichein ist Vogelnest der Seele,
Bordell und Schenke sind raumlosen Hauses Schwelle.
Auf Wüstem Wüstes liegt in Wüster Stelldichein,
Auf jenem Felde liegt die Welt als Wasserschein.
Die wüste Stätte hat nicht Grenzen und nicht Wände,
Noch keiner sah davon den Anfang und das Ende.
Wenn hundert Jahre du auch weilst in diesen Gründen,
So wirst du weder dich noch andere dorten finden.
Ein Haufe weilet dort, die kopflos, fußlos sind,
Die nicht Ungläubige und auch nicht Gläub'ge sind.
Der Wein der Selbstentäußerung hat sie ergriffen,
Sie hat Verzicht auf das, was gut und bös, ergriffen.
Sie trinken alle Wein, doch ohne Mund und Gaumen,
Sie thaten all Verzicht auf guten, bösen Namen,
Auf Sage, mystisches, auf himmlisches Gesicht,
Auf Bild der Einsamkeit und auf der Würde Licht.
Von Hefenduft sind sie bewußtlos hingesunken,
Von dem Geschmack des Nichtseins sind sie ganz betrunken.
Den Stab, den Wasserkrug, den Gurt und Rosenkranz,
In Hefen opfern sie's mit einemmale ganz.
Bald fallen und bald stehn sie auf in Thon und Flut,
Entströmend ihrem Aug' der Thränen statt nur Blut:
Bald tragen sie im Rausch in der Mysterienwelt,
Des Königs Läufern gleich, den Nacken hoch gestellt;
Bald drücken sie ihr schwarz Gesicht hart an die Wand,
Bald zeigen rot geschminkt sie sich im höchsten Stand;
Bald drehen sie sich auf des Reigens hehrem Pfade,
So ohne Kopf als Fuß im Kreis gleich einem Rade.
Mit jedem Tone, den der Sänger ihnen bringt,
Begeisterung in sie von andren Welten dringt.
Der Seele Reigen ist nicht leeres Wort und Schall,
Nein! jede Melodie Geheimniswiederhall.
Die Kutte ziehe aus und wirf sie in die Luft,
Gereiniget alsdann von Farbe und von Duft.
Hinweggewaschen dann vom reinen Weine, schau
Die Farben all, das Schwarz, das Rot und Grün und Blau.
Wer einen Becher trinkt alsdann vom reinen Wein,
Der wird ein Ssufi sein von Eigenschaften rein;
Die Seele reiniget er von allem Staub und Mist,
Er kann nicht sagen dann, wie ihm geschehen ist.
Er greifet nach dem Saum vom trunkenen Gesicht
Und kümmert weiter sich um Scheich und Jünger nicht.
Was braucht er Tugend hier, was Eingezogenheit?
Der Jünger und der Scheich, die Leute stehen weit.
Willst du nach Großem und nach Kleinem dich bescheiden,
Wird Götz' und Gurt und Christentum dich besser kleiden.
Der Trunkenheit im Schlaf ist unser Sein zum Raub,
Zum Herrn des Herren, wie verhält sich denn der Staub?
Verwundert fragt Vernunft, was wohl das Wort beweist,
Daß du nach meinem Aug' gemacht, gebildet seist.

Joseph von Hammer-Purgstall

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