Divan der persischen Poesie
Chaqani
Effal-ed-dîn Hakaiki, mit dem Beinamen Châqâni, weil er bei
dem Fürsten von Schirwan, Châqân Minutschehr, in hohem Ansehn
stand, wurde gegen 1100 geboren. Als er bei dem genannten
Herrscher in Ungnade gefallen war und auch sieben Monate lang
in der Festung Schabran geschmachtet hatte, wo er viel mit
Christen Umgang hatte, machte er eine Wallfahrt nach Mekka und
ging auf Veranlassung des Dichters Achestegi an den Hof
Arslans, des Sohnes Toghruls, wo unter anderen Dichtern auch
Sahir Farjabi und Schabur von Nischapur lebten. Er starb zu
Tebris im Jahre 1186. Ein mächtiger Oden- und Satirendichter,
den man mit Pindar und Victor Hugo verglichen hat, auch voll
erhabener Dunkelheiten, und darum für den europäischen Leser
fast unleserlich.
Ghasel
Von deiner Reize Netzen der Himmel ist umstrickt,
Die Erd' ist, dich zu lieben, von Himmelslust entzückt,
Der Ring an deinen Ohren möcht' gern die Herrin fliehn,
Weil er so nah den Wangen, nicht für sie kann erglühn.
Und deine dunklen Locken, mit Perlen rings geziert,
Sind Teufel, die den Engel der Unschuld selbst verführt;
Und gleichen einer Kette, zum Himmel reichend, an;
Dein Antlitz raubt die Herzen, wie Reiche ein Tyrann.
Von Wonne glühend rötet sich deiner Lippen Flur,
Noch rosenrot von Kewsers Paradiesesquelle. verliebter Küsse
Spur.
In Châqâns Dichterherzen die süße Liebe brennt;
Er, der die Zwillingssterne der Wissenschaften kennt,
Der Perlentaucher in der Beredtsamkeiten Meer,
Er liebt dich ja so brünstig, du Jungfrau hold und hehr.
Wollheim.
Vierzeilen
1.
Mag Gutes ich, mag Böses sehn, er weiß es;
Mag Recht, mag Unrecht er begehn, er weiß es.
So lang ich lebe, weicht nicht meine Treue,
Auf dieser werd' ich fest bestehn, er weiß es.
2.
Du kannst dich, während Schmerz zerreißt Châkâni, freu'n!
Von deinem Gram mög' einst umkreist Châkâni sein!
Wenn je gedenkend du bereust Châkânis Pein,
Dann steh' für dich der reinste Geist Châkânis ein.
3.
Nacht war's, da ward dein Brief mir zugebracht:
Ich las und sieh, ein neuer Tag erwacht':
Vor mir ging auf, was du so schön gedacht,
Und tausend Sonnen strahlten durch die Nacht.
4.
Giebt's eine Last des Unglücks wohl, die ich nicht
trage?
Giebt's eine Unbill des Geschicks, die mich nicht plage?
Sie fragen mich: was ist's, daß Tag und Nacht du seufzest?
Giebt's Plagen Tag und Nacht, um die jetzt ich nicht klage?
5.
Dahin, den Stein im Herzen, geh ich, gleich dem Wasser,
Dorn und Gestrüpp fort trag jäh' ich, gleich dem Wasser,
In Ruh an keinem Orte steh ich, gleich dem Wasser,
Und bin ich fort, zurück nicht seh' ich, gleich dem Wasser.
6.
Du hast durch deine Härte stets mich Tag für Tag
verletzet,
Bis endlich der Geduld Gewand du nach und nach zerfetzet.
Von deiner Güte ließest du nie eine Spur mich sehen:
Hinweg! Wie hast du mitleidlos mir Schlag am Schlag versetzet.
7.
Ich leid' um dich, was meine Plage, ach! das weiß ich,
Du quälest mich, um was ich klage, ach! das weiß ich.
Dein ist der Plage Wahl, mein ist der Treue Qual:
Was du thust, weißt du, was ich trage, ach! das weiß ich.
8.
Die Sonne du, Nenuphar dem schwankenden gleich bin ich,
Mit lächelnder Lippe versunken im Thränenteich bin ich,
Gesenket des Herzens Haupt und die Wange so bleich bin ich,
Des nachts tot vor Gram, durch dich tags im Lebensreich bin
ich.
9.
Schmerz, den des Himmels Zelt nicht faßt, hab' ich,
Schrei'n, das der Mund geschwellt nicht faßt, hab' ich.
Was bringt, fragst du, die Welt für Kummer dir?
O Kummer, den die Welt nicht faßt, hab' ich!
10.
Das Bild mit Engelsangesicht hielt ich in meinem Arm
geschlungen,
Nach jener beiden Locken Ball hatt' ich den Schlägel
hingeschwungen.
Indes den Feinden vor der Thür mich aufzufinden nicht
gelungen.
In der Umarmung Heiligtum ward Lob sei Gott! von mir gesungen!
K. H. Graf.