Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Scheich Hilâlî

Aus einer tschagataischen Familie entsprossen, aber zu Astrachan erzogen. Als Jüngling ging er nach Chorassan und ließ sich zu Herat nieder. Im Jahre 1529 ließ ihn Abidchan, der Fürst der Usbegen, als einen Schiiten hinrichten, obwohl er bei den Schiiten im Verdachte stand, ein Sunnit zu sein. Als der Scharfrichter, ein noch junger Mann, den sich der Dichter selber zum Henker gewünscht hatte, beim ersten Streiche verfehlte und ihn nur am Kopfe verwundete, improvisierte der Blutende, wie der persische Biograph Sam Mirsa erzählt, noch einen Vers:

Blut ist's nicht, Hilâlî, was auf dem Gesichte erscheint,
Sondern das Herz, das aus Gram zu dem Gesichte herläuft.

Hilâlî ist Verfasser von drei Mesnewi, von denen das berühmteste eine Art romantischen Gedichtes ist, »der König und Derwisch;« es behandelt die innige Freundschaft eines Derwisch zu einem Prinzen, die verschiedenen Stadien derselben, Trennung und Wiedersehen. Das eigentlich Stoffliche ist belanglos, zart und schön aber einige Naturschilderungen, der Ausdruck der Sehnsucht ist oft feurig und von kräftiger Leidenschaft. Europäischem Geschmack dürfte aber diese Schwärmerei wenig zusagen, wenn man sich auch sagt, daß das Ganze mystisch zu verstehen und mit dem König der Gott des Çufismus gemeint ist.

Aus »König und Derwisch.«

Eingang: Lob Gottes

O du, des Sein der Urgrund aller Wesen,
Der ist, sein wird und immerdar gewesen,
Ob hoch, ob niedrig – du schaffst alles Sein,
Das All ist nichts – nur du bestehst allein!
Die Schrift der Ewigkeit – Gestalt gewann
Durch dich sie, der nie endet, nie begann;
Denn keine Zeit kann deinen Anfang künden,
Und keine deines Ausgangs Ziel ergründen.
Die Menschheit all, so lang das Weltall steht,
Sie zeugt für deine einz'ge Majestät.
Du liest ein Blatt, auch wenn es unbeschrieben,
Kennst Worte gar, die ungehört geblieben.
Es küssen Engel selbst vor dir die Erde,
Daß nur ein einzig Körnlein ihnen werde.
Die Blicke heben wir zu dir hinan,
Allüberall schaut uns dein Antlitz an,
An deinem Vorhof werfen wir zum Gruß
Uns nieder, wandeln unser Haupt zum Fuß.
Des Firmamentes hochgewölbtes Zelt –
Vor deiner Hofburg es in Nichts zerfällt.
Es ist die Kaba deiner Schwelle Stein,
Die Kibla führt zu dir ins Haus hinein –
Zwielicht und Morgenrot webst du zusammen
Vermischest Wasser mit des Feuers Flammen,
Den Tag hüllst du ins Lockenhaar der Nacht,
Durch dich glänzt Sonn' und Mond in voller Pracht.
Doch ist der Sphärenkreis, daran sie strahlen,
Gezeichnet Tag und Nacht mit Kummersmalen.
Der Erdball rings um dich – in Staub gebückt
Ist er zum Sklavendienst herabgedrückt.
Es ward aus Scheu vor dir zum flüss'gen Naß
Das Meer und wallt und wogt ohn' Unterlaß.
Der Berge Richtung selbst geht himmelwärts,
Um dich trägt schwerer Steine Last ihr Herz.
Es muß der Wind um dich in Seufzern klagen,
Die Erd' um dich ein staubig Antlitz tragen.
Der Sehnsucht Mal zeigt auch des Feuers Glut,
Im Erdenstaub der Grund des Wassers ruht.
Doch alle sind in deinen Schluß ergeben,
Nach deiner Gunst allein ringt aller Streben.
Was oben, unten ist, umfaßt du all,
Nur eine Welle ist dies ganze All.
Grämt sich das Meer, wenn ihm die Well' gebricht,
Doch fehlt das Meer – ist auch die Welle nicht.
Dies öde Diesseits gleicht der Well' im Meer,
Ein Bild im Wasser, schwankt es hin und her;
Zusammen wirft es eine andre Welle,
Ein Lufthauch trübt und stört es, auf der Stelle. –
In Hoffnung auf ein seltenes Gestein
Trieb in den Strudel ich mein Schiff hinein,
Heb' du mein Schiff nun aus dem Wogenschwall,
Der Woge gleich, empor zum Himmelsball!
Kann ich auch nichts als eitel Sünde thun,
So darf dein Edelmut doch nimmer ruhn;
Mag durstig auch am Staub die Lippe hangen,
Dein ist ein Meer von Huld – was soll ich bangen?
Du Arzenei für alle Herzenswunden,
Balsam, der Herzgeknickte läßt gesunden,
Bin ich auch ganz voll Sünd' und Schuld geblieben,
Ist schwarz der Thaten Buch, das ich geschrieben,
Von dieser schwarzen Schrift sieh weg in Huld,
Nur deine Güte sieh – nicht meine Schuld!
Scham treibt mein Thun mir selbst ins Angesicht,
Am jüngsten Tag, o Herr, verwirf mich nicht.
Üb' ich auch nichts als Sünd' und Fehle hier,
Ruht meiner Seele Hoffnung doch auf dir.
Sei huldvoll gegen mich, den Grambedrückten,
Schau mitleidsvoll mich an, den Herzzerstückten,
Seitdem wir dir uns weihten voll Vertrauen,
Bist du das Ziel, nach dem wir strebend schauen.
Tu bist der Edle – ich dein armer Knecht,
Dein ist des Königs, mein des Bettlers Recht;
Doch Bettler – nein! denn alles möcht' ich haben,
Woran begierig Seel' und Herz sich laben.
In mir zum Bettler wird der Schmerz, der bange,
Die Thräne, rot wie Blut – die blasse Wange;
Seit ich auf deinem Pfad des Schmerzes Raub,
Erheb' ich mich nicht mehr, werd' ich gleich Staub.
Und sink' in Staub ich arm und elend hin,
So hebst du mich empor mit güt'gem Sinn,
Will Feuer gleich in Funken mich verzehren,
Was thut's, mag auch ein Funken mich versehren?
Doch – kann ich, Sklave, sagen: »üb' Erbarmen?«
Was du beliebst, das thu mit mir, dem Armen! –
Seit diese Welt die Sonn' mit Licht entzückt,
Hält täglich sie der Rache Schwert gezückt.
Weh, daß so lange Sonn' und Himmel prangen,
Der Liebe Sonne nirgend aufgegangen!
Zu wem auch immer sich mein Flehen kehrt,
Nicht eines Huldblicks hält sein Stolz mich wert,
Wem ich auch biet' der Unterwerfung Gruß,
Er setzt nur grausam mir aufs Haupt den Fuß.
Von jedem duld' ich mancher Unbill Leid,
Dich Einz'gen fleh' ich um Gerechtigkeit!
Tritt Hoch und Niedrig auch mit Füßen mich,
Faß rettend meine Hand, erbarme dich!
Laß mich an allen stolz vorübergehn,
Von allen weg auf deinen Weg nur sehn,
Zu dir hin kehre meines Flehens Wangen
Und laß zur Wahrheit meinen Pfad gelangen!
Der Schönen Lockenhaar hat mich verzückt,
Ihr Mundrubin in Feuersqual entrückt;
Wenn so mich Götzen fort und fort entflammen,
Vergilt mir's nicht dereinst mit Höllenflammen!
Glüh' ich bei Mondes bleichem Schmelz vor Wonne,
Zerschmilz mich nicht, o Auferstehungssonne!
Genug ist's, muß ich hier im Feuer sein,
Behüt' uns, Herr, vor Höllenfeuerspein!
Wie stillt an solchem Wicht sich Feuerswut?
Ob meiner Schmach entbrennt der Hölle Glut.
Verzeih mein Böses, nimm mein Gutes hin,
In einem reich, im andren arm ich bin,
Und sterb' ich einst in nächt'ger Dunkelheit,
So sei des Glaubens Fackel mein Geleit.
Trennt auch zum Schluß ein Band vom andren sich,
O binde du mein Band dann fest an dich,
Mach der Vereinigung teilhaftig mich,
Daß ich nicht weiß, ob du es bist, ob ich!
Nizâmîs Perle leihe meinem Schatz,
Gönn' Dschâmîs Wein in meinem Becher Platz!
Der Zunge Schwert erglänz' in hellem Schein,
Vom reinen Wasser sei ihr Edelstein,
Daß Perlen ich der Rede Meer entringe,
Und dem Propheten nun den Heilsgruß bringe.

Hermann Ethe

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