Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Rumi

Aus dem Divan - Der Du herrschest auf dem ew'gen Throne

Der Du herrschest auf dem ew'gen Throne,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!
Du des Lebens, der Erbarmung Krone,
Großer Gott, verzeihe und verschone!

Der Du schaffest und voll Huld ernährest,
Nächte dunkel machst und Tage klärest,
Und Vergebung jeder Schuld gewährest,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Der Du das Verhüllende verdeckest,
Das Geheimste aus den Tiefen weckest,
Alle Thaten kennest und vollstreckest,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Mächtig bist Du, und ich bin der Schwache,
Schlafend leb' ich, und Du bist der Wache,
Sündig bin ich, Huld ist Deine Rache,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Wenn ein Thor hat Falsch und Trug gesponnen,
Wenn ein Weiser Kluges hat begonnen,
Wenn ein Diener fehlte unbesonnen,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Wer den Hals von Deinem Reich gewendet,
Hat stets spur- und namenlos geendet,
Der Du Dürft'gen Hilfe stets gespendet,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Thaten will ich, Kenntnis nicht erflehen;
Schlau und falsch hat man mich stets gesehen.
Der Du nie und nimmer wirst vergehen,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Laß mich, ach, nicht meine Fehler lieben,
Fürst, der nur Gerechtigkeit kann üben,
Weil ich Frevel sonder Zahl getrieben,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Der Du Balsam in die Herzen gießest,
Freundlich jeden Körperschmerz versüßest,
Und, als Schlüssel, jedes Thor erschließest,
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Auf der Flur hat man des Ostes Wehen
Frech der Rose Hemd zerreißen sehen,
Und es schien ihr holdes Aug' zu flehen:
»Großer Gott! Verzeihe und verschone!«

O Gefährte Du der dunkeln Mächte!
Du erschufst und nährest Deine Knechte.
Leite meine Seele hin zum Rechte:
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Sprich: » Ein Gott herrscht in der Welten Reichen,
Einig, einig, nimmer zu erreichen;
Und ich konnte andre ihm vergleichen?
Großer Gott! Verzeihe und verschone!«

Der Du schufst die lichten Himmelssäle!
Blicke nicht auf meine häuf'gen Fehle,
Denn gleich sündig stets blieb meine Seele;
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Nur die Gottheit kann Dein Wesen lehren;
Ewig werden Deine Zeichen währen;
Deine Spiegel sind des Sieges Ehren;
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Netze sind auf Berg und Thal zu sehen:
Mocht' ich fromm sein, mocht' ich mich vergehen,
Horcht' nicht minder auf des Sängers Flehen;
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Ich erlitt zu wiederholten Malen
Von den Menschen jede Art von Qualen;
Rein vom Roste soll mein Herz doch strahlen;
Großer Gott! Verzeihe und verschone!

Leicht durchschreiten wir der Welt Gefährde,
Wenn uns Gott erleichtert die Beschwerde.
Rufe stets: »O Unbestand der Erde!
Großer Gott! Verzeihe und verschone!«

Glaubenssonne! Im Tebris der Seele
Drückst das Siegel du auf die Befehle;
Sprich vom Herzen denn mit lauter Kehle:
»Großer Gott! Verzeihe und verschone!«

Vinzenz Rosenzweig von Schwannau

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