Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Sadi

Aus dem Bostan. Siebente Abteilung: Sadi in der Nisamieh zu Bagdad.

In der Nisamieh ward mir Sold entrichtet,
Ich Tag und Nacht zu lehren dort verpflichtet.
Zum Meister sprach ich einst: »O weiser Mann,
Der und der Freund sieht nur mit Neid mich an;
Da tiefrer Lehre Pfad ich nicht verfehle,
Ergrimmet in sich selbst die schlechte Seele.«
Er hört' es, der der Weisheit Vorbild war,
Mit strengem Blick rief er: »O wunderbar!
Neid willst beim Freund so übel du empfinden,
Wer lehrte dich, Verleumdung gut zu finden?
Mag ihn des Neides Weg zur Hölle ziehn,
Auf diesem Weg gelangst auch du dahin.«

Feriduns Vezier.

Vezier war einer an Feriduns Hand,
Fernseh'nden Blicks, erleuchtet von Verstand,
Bestrebt, erst zu gehorchen Gottes Willen,
Dann das Gebot des Königs zu erfüllen.
Das Volk plagt der Vezier, der, schlecht gesinnt,
Nur strebt, daß er mehr Geld und Gut gewinnt:
Willst du auf Gott nicht erst die Blicke richten,
Auf Lohn vom König auch mußt du verzichten.
Einst kam jemand am Morgen früh zum Schah:
»An jedem Tag sei Rat und Glück dir nah!
Nicht Tücke, guter Rat ist's, wenn ich's sage,
Daß heimlich der Vezier dir feind ist, klage.
Nicht einen siehst du in dem Heere ziehn,
Dem er nicht Silber oder Gold geliehn,
Mit der Bedingung, wenn der Schah das Leben
Verläßt, dann alles ihm zurückzugeben;
Der Eigennütz'ge will dein Leben nicht,
Aus Furcht, er leiste auf sein Geld Verzicht.«
Da blickt auf den Vezier, des Reiches Stütze,
Der Schah mit finsterm Grimm und Zornesblitze:
»Du, der in Freundsgestalt vor mir erscheint,
Warum denn bist im Innern du mein Feind?«
Den Boden küssend, sprach er: »Auf die Frage
Ziemt's, daß ich jetzt, was ich verbarg, dir sage.
Mein Wunsch, glorreicher König, ist allein,
Dein Heil mög' eines jeden Wunsch nur sein;
Da nun der Tod sie zwingt, daß Geld zu geben,
Wünscht man aus Furcht vor mir, du mögest leben.
Willst du nicht, daß aufrichtig ihr Gebet
Wohlsein und langes Leben dir erfleht?
Gewinn bringt das Gebet zum Glück und Heile,
Ein Panzer ist es für des Unglücks Pfeile.«
Der Schah war ob der Rede hocherfreut,
Sein Antlitz that sich auf voll Freundlichkeit;
War der Vezier schon vorher hoch geehret,
Ihm wurde Ehr' und Würde noch vermehret.

Ist der Verleumder nicht der größte Thor?
Nie kam ein Unglücksel'gerer mir vor;
Voll Unverstand und ohne Überlegen
Wird Zwiespalt zwischen Freunden er erregen,
Doch zwischen diesen tritt Versöhnung ein,
Unglücklich und beschämt wird er nur sein!
Ein Feu'rentzünden zwischen zwei'n, und drinnen
Sich selbst verbrennen, thörichtes Beginnen!
Der weiß, wie Einsamkeit an Süße reich,
Wer bei der Welt Thun schweiget, Sadi gleich.
Was nützliches du weißt nur, sprich vor allen,
Und sollt' es keinem einz'gen auch gefallen;
Einst hebt die Reue ihre Stimm' und spricht:
Warum, ach! hörten wir die Wahrheit nicht.

Karl Heinrich Graf

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