Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Sadi

Aus dem Bostan. Vierte Abteilung: Von der Demut.

Lokman als Sklave.

Lokman sah schwärzlich aus, wie ich gehöret,
War hübsch nicht von Gestalt, nicht wohl genähret.
Einst hielt für seinen Sklaven ihn ein Mann
In Bagdad, stellt zur Lehmarbeit ihn an.
In einem Jahr bracht' er ein Haus zustande,
Indes sein Herr ihn nur als Sklaven kannte.
Als der entfloh'ne Sklave wiederkam,
Ergriff den Herrn vor Lokman Furcht und Scham.
Er will die Knie' entschuld'gend ihm umfassen:
Was hilft Entschuld'gung? spricht Lokman gelassen.
Mich quält' ein Jahr lang deiner Härte Schmerz:
Macht eine Stunde frei davon mein Herz?
Und doch sei dir, o guter Mann, verziehen;
Dein Nutzen hat auch mir Gewinn verliehen;
Du hast dir deine Wohnung fest gemacht,
Mir hat es weise Lehre viel gebracht.
Mir steht zuhaus ein Sklave zubefehle,
Den oftmals ich durch harte Dienste quäle;
Hartherzig quäl' ich diesen nicht fortan,
Gedenkend, wie ich Lehmarbeit gethan.«
Wer nicht den Druck gefühlt von mächt'gen Armen,
Erglüht nicht gegen Schwache von Erbarmen.
Drum sagte Behram zum Vezier mit Recht:
»Begegne streng und finster nicht dem Knecht!«
Ist hart für dich die Rede der Gebieter,
So sei nicht hart den Untergebnen wieder.

Karl Heinrich Graf

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