Beidseitige Überlegenheit von Mann und Frau
Einige nehmen an, dass der Islam den Mann
als der Frau überlegen ansieht und die Frau als ein minderes,
unfähiges Geschöpf beurteilt. Das aber ist nicht der Fall. Aus
dem Heiligen Qur´an wird ersichtlich, dass der Islam
hinsichtlich einiger Aspekte den Mann und bezüglich anderer
die Frau als überlegen versteht, so dass sie sich beide ideal
ergänzen können.
Beispielsweise gehören
Widerstandsfähigkeit, Ausdauer, Geduld, Güte, Freundlichkeit,
Zuneigung, besondere pädagogische und erzieherische
Fähigkeiten und vieles andere mehr zu jenen Eigenschaften, in
denen sich die Überlegenheit der Frau zeigt, weshalb der
Prophet (s.) sagte: „Das Paradies liegt unter den Füßen der
Mütter!“.
In den meisten Fällen erlernt der Mensch
Sprache, Verhalten, Moral und Glauben in seinen ersten
Lebensjahren durch die Mutter, welche die Grundsteine für
seine Erziehung legt. Die Gesellschaft wird aufgrund der
geeigneten Erziehung der Mütter, die diese ihren Kindern
zuteil werden lassen, mit bedeutenden, hervorragenden
Persönlichkeiten bereichert. Wie wir schon sagten, misst der
Heilige Qur´an den Frauen eine so hohe Bedeutung bei, dass ein
Prophet wie Moses (a.) acht Jahre lang für die Familie
Schuaibs (a.) gearbeitet hat, um eine seiner Töchter heiraten
zu können.
Er (Schuaib
(a.)) sprach: „Ich möchte dir eine
meiner beiden Töchter zur Ehe geben, wenn du dich,
verpflichtest, mir acht Jahre lang zu dienen.“
Heiliger Qur´an 28:27
Damals, in der vor-islamischen Zeit,
wurde die Morgengabe noch an den Vater gegeben. Selbst wenn es
sich bei dem genannten Beispiel um einen Sonderfall eines
prophetischen Lebensweges handelt, wird damit dennoch die hohe
Wertschätzung gegenüber der Frau ausgedrückt.
Mit Blick auf einige Eigenschaften wie
Großmut, Politik, Kühnheit, Mut usw. wird die Überlegenheit
des Mannes sichtbar, infolgedessen der Heilige Qur´an den Mann
zum Oberhaupt der Familie bestimmt und sagt:
"Den Männern obliegt die Verantwortung
für die Frauen wegen der Vorzüge, die Er den einen vor den
anderen gab, und die Männer sind bezüglich des Vermögens,
welches sie hingeben, den Frauen überlegen."
Heiliger Qur´an 4:34
In Betonung des Aspektes, dass die
Überlegenheit beidseitiger Natur ist, heißt es im Heiligen
Qur´an:
„Wegen der Vorzüge, die Er den einen
vor den anderen gab“
Heiliger Qur´an Sure 4:34
Dazu lesen wir in einem vorangehenden
Vers im Heiligen Qur´an:
"Und begehrt nicht das, womit Gott die
einen von euch vor den anderen ausgezeichnet hat. Die Männer
sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst, und die
Frauen sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst. Und
bittet Gott um seine Huld. Wahrlich, Gott hat vollkommene
Kenntnis von allen Dingen!"
Heiliger Qur´an Sure 4:32
Die Unterschiede zwischen Mann und Frau
sind derart, dass sie sich ideal gegenseitig ergänzen; man
kann es nicht oft genug wiederholen. Sie haben nicht mit einer
Unvollkommenheit des einen oder Vollkommenheit des anderen zu
tun. Mann und Frau, die sicherlich für ein gemeinsames Leben
geschaffen worden sind, vervollkommnen sich gegenseitig durch
diese Unterschiede. Das Alleinleben widerspricht hingegen
ihrer Natur. Eine Art Zölibat wird daher im Islam abgelehnt.
Wie bereits erwähnt, unterscheidet sich
der Grundgedanke, der im Islam die Beziehungen zwischen Mann
und Frau sowie ihre Rechte in der Familie bestimmt, sowohl von
den vor vierzehn Jahrhunderten herrschenden als auch von den
heute verbreiteten Gedanken. Wir stellten fest, dass der Islam
keinen Zweifel daran lässt, dass Mann und Frau
gleichberechtigte Menschen sind und innerhalb der Familie
gleichwertige Rechte besitzen müssen. Nach islamischer
Auffassung sind beide gleichwertige Menschen und genießen die
gleichen Menschenrechte. Die Gleichwertigkeit vor Gott wird
unter anderem dadurch deutlich, dass für einen verstorbenen Muslim, der
seine Pilgerfahrt trotzt Befähigung dazu verpasst hat, mit
einem Teil seines Erbes jemand anderes beauftragt werden kann,
die Pilgerfahrt sozusagen stellvertretend durchzuführen. Und
hierbei kann eine Frau einen verstorbenen Mann vertreten und
umgekehrt, wie es bereits erwähnt wurde.
Es steht aber außer Frage, dass Mann und
Frau in vielerlei Hinsicht nicht identisch sind. Nicht einmal
die Wahrnehmung ihrer Umwelt ist gleichartig. Die Schöpfung
wollte keine Übereinstimmung, sondern Ergänzung durch die
jeweiligen Stärken und gegenseitiges “Bedecken“ der
Schwächen des Anderen. Daher ist es erforderlich, dass sich
auch ihre Rechte, Pflichten und Verantwortungen voneinander
unterscheiden.
In der
Westlichen Welt wird versucht, für
Mann und Frau in Bezug auf Gesetze, Vorschriften, Rechte,
Pflichten und Verantwortung eine identische Situation zu
schaffen, wobei die natürlichen Unterschiede der Geschlechter
ignoriert werden, und hierin liegt der Unterschied zwischen
dem Islam und den westlichen Systemen.
Allama Tabatabai
schreibt in seinem berühmten Werk zur Interpretation des
Heiligen Qur´an “Al Mizan“:
Obgleich Gott im Heiligen Qur´an deutlich
machte, dass Frau und Mann Triebe einer Wurzel sind, der
Wurzel der Menschheit, wie beschrieben in
"Eure Seele von ihrer Seele (Ihr seid von den anderen),.."
Heiliger Qur´an 4:25
besteht kein Widerspruch, wenn einer vor
den anderen, Mann und Frau mit Besonderheiten versehen ist,
die dem anderen nicht gegeben wurden.
Die Besonderheiten des männlichen
Geschlechts betreffen seine Kraft wie seine Standfestigkeit,
und die der Frau beziehen sich auf ihre Güte und ihre
Zartheit, denn die menschliche Natur bedarf hinsichtlich des
schöpfungsmäßigen, menschlich natürlichen wie auch des
gesellschaftlichen Lebens sowohl der Kraft und Standfestigkeit
als auch der Güte und Liebe. Beide Naturelle sind Ausdruck für
die der menschlichen Gesellschaft gegebenen, allgemeinen
Anziehungs- und Schutzfähigkeit. Daher muss Gleichwertigkeit
im gesellschaftlichen Leben herrschen, das heißt
gesellschaftliche Freiheit.
Die Frau muss frei sein wie der Mann, und
in der Tat ist der Mensch, da er ein Mensch mit Verstand und
Willen ist, in der Lage, Gewinn und Nutzen zu ziehen und
Schaden abzuwenden. Der westlichen Frau wurden bis Anfang des
20. Jahrhunderts selbst die elementarsten Rechte vorenthalten.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten die Abendländer
nachzuholen, was sie versäumt hatten, da diese Bewegung als
Fortsetzung der früheren Bewegungen für Freiheit und
Gleichheit mit den Beziehungen der Menschen untereinander in
Zusammenhang steht und die Frau, weil sie ein Mensch ist und
als Mensch frei geschaffen wurde, Anspruch auf gleichwertige
Rechte hat.
Nichtsdestoweniger sind Mann und Frau
unterschiedliche Wesen mit spezifischen Eigenarten. Sie sind
gleichwertig, weil sie beide gleichwertige Menschen sind. Sie
sind jedoch Menschen mit unterschiedlichen Charakteristika und
Psychen. Diese Unterschiede gehen nicht auf geographische,
historische und soziale Faktoren zurück, sondern sind schon in
der Schöpfung von Mann und Frau vorprogrammiert.
Es besteht kein Zweifel, dass die Frau in
unserer Epoche in zahlreichen Ländern von einer Reihe von
Schwierigkeiten befreit wurde. Es stellt sich jedoch die
Frage, warum sie wieder mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert
wurde. Gibt es für sie denn nur die Wahl zwischen zwei Übeln?
Was hindert sie daran, weder das eine noch das andere zu
akzeptieren?
Die Wahrheit ist, dass dazu keine
Notwendigkeit besteht. Ihr altes Unglück war darauf
zurückzuführen, dass ihr die Menschenwürde abgesprochen wurde.
Ihr neues Unglück verdankt sie der Tatsache, dass ihr
absichtlich oder irrtümlich ihre Weiblichkeit, ihre natürliche
Stellung, ihr Auftrag, ihr Wirkungskreis, ihre angeborenen
Bedürfnisse und ihre besonderen Fähigkeiten aberkannt wurden.
Ist von den natürlichen und instinktiven
Unterschieden der Frau und des Mannes die Rede, so wertet
manch einer diese Unterschiede als Unzulänglichkeit der Frau
und Überlegenheit des Mannes, die schließlich die Ursache für
die privilegierte Stellung des einen und die missliche Lage
des anderen sein sollten. Sie übersehen dabei, dass es hier
nicht um Unzulänglichkeiten bzw. Überlegenheit geht. Es war
nicht der Sinn der Schöpfung, den einen vollkommen und den
anderen unvollkommen, den einen privilegiert und den anderen
benachteiligt zu schaffen.
Nach dieser “logischen“ und “weisen“
Einsicht, dass die Frau von Natur aus ungerecht behandelt und
schwach und unvollkommen geschaffen wurde, will man die Sache
noch verschlimmern und eine weitere Ungerechtigkeit
hinzufügen. Handeln wir etwa menschlicher, wenn wir die
natürliche Situation der Frau einfach ignorieren? Genau das
Gegenteil ist der Fall! Je weniger wir ihre Situation
beachten, umso mehr tragen wir zur Beeinträchtigung ihrer
Rechte bei. Wenn der Mann an der Ansicht festhält, dass die
Frau ihm vollkommen gleich sei und die gleiche Arbeit und
Verantwortung zu übernehmen habe, die gleiche Belohnung oder
Bestrafung zu erfahren habe, die schwere und harte Arbeit mit
ihm zu teilen habe, ihrer Leistung entsprechend Lohn zu
bekommen habe, keinen besonderen Respekt und keine
Unterstützung für z.B. ihre Mutterschaft zu erwarten habe,
ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten habe, die
Unterhaltskosten der Kinder anteilig zu übernehmen habe, sich
vor Gefahren selber zu schützen und für den Mann ebensoviel
Geld auszugeben habe, wie er für sie ausgegeben hat, so wäre
sie in der Tat sehr benachteiligt, denn Arbeitskraft und
Leistungsfähigkeit der Frau sind gebremst, sowohl durch Kinder
als auch ihrer von Natur aus geringeren körperlichen Kraft.
Die Menstruation und Härten der Schwangerschaft, der
Entbindung und die Fürsorge für die Kinder bringen die Frau in
eine Situation, in der sie der Unterstützung des Mannes bedarf
und weniger anderweitigen Verpflichtungen übernehmen, jedoch
mehr Rechte erhalten sollte. Andernfalls führt es zu einer
Situation, in der Kinder in der Gesellschaft nicht mehr
willkommen sind; eine Situation, die wir heute in der
westlichen Welt schmerzlich spüren.
Die Arbeitsaufteilung zwischen Mann und
Frau ist keine Besonderheit des Menschen. Alle in Paaren
zusammenlebenden Lebewesen verhalten sich so. Instinktiv
gewährt das männliche Lebewesen dem weiblichen Schutz. Die
Rücksichtnahme auf die unterschiedlichen Instinkte und die
Andersartigkeit der Natur von Mann und Frau sowie der Respekt
gegenüber ihrer menschlichen und rechtlichen Gleichheit
versetzen die Frau in eine günstige Situation, wodurch weder
ihre Rechte noch ihre Würde angetastet werden. Vielmehr
erlangt sie dadurch die Sicherheit eines vertrauten Heims,
deren Innenministerin sie ist, das notwendig ist für das
Gedeihen mutiger Kinder, die sich gegen Unrecht auflehnen.
Diese natürliche “Innenausrichtung“ der
Frau spiegelt sich auch bei der rituellen Waschung der Muslime
wieder, bei der es Frauen empfohlen ist zuerst die Innenseite
der Arme zu waschen und dann die Außenseite, wohingegen der
Mann zuerst die Außenseite wäscht, worauf bereits hingewiesen
wurde.
Der Heilige Qur´an hat – darin sind sich
Freund und Feind einig – wesentlich zur Wiederherstellung der
Rechte der Frau beigetragen. Selbst seine Gegner geben
zumindest zu, dass der Heilige Qur´an zur Zeit seiner
Offenbarung große Veränderungen zugunsten der Frau und ihrer
Menschenrechte bewirkt hat. Er hat aber niemals als Preis für
ihre Anerkennung als Mensch und Partnerin des Mannes bei der
Inanspruchnahme der Menschenrechte die Weiblichkeit der Frau
und die Männlichkeit des Mannes übersehen oder den einen höher
als den anderen bewertet. Mit anderen Worten: Der Heilige
Qur´an hat sie so angenommen, wie sie von Natur aus sind. Aus
diesem Grunde besteht eine vollkommene Harmonie zwischen den
Geboten des Heiligen Qur´an und den Geboten der Natur.
Bis zum 20. Jahrhundert wurden der
europäischen Frau Menschenrechte weder gesetzlich noch
tatsächlich zugestanden. Sie besaß weder die gleichen noch
gleichwertige Rechte, wie sie dem Mann eingeräumt worden
waren. Infolge einer nicht ausreichend durchdachten Bewegung,
die in weniger als einem Jahrhundert im Namen der Frau und für
die Frau entstand, wurden ihr Rechte, die mehr oder weniger
mit den Rechten des Mannes identisch waren, zugebilligt.
Aufgrund ihrer natürlichen Konstitution und ihrer besonderen
seelischen und körperlichen Veranlagung konnte sie auf diese
Art letztlich keine Gleichberechtigung mit dem Mann erreichen,
da sie von der Schöpfung her andere Voraussetzungen als der
Mann besitzt. Denn gleichwertige Rechte und gleiches Glück für
Mann und Frau können nur dann erreicht werden, wenn identische
Rechte aufgehoben werden und dem Mann die ihm und der Frau die
ihr entsprechenden spezifischen Rechte zugestanden werden. Nur
auf diese Weise kann eine echte innere Zusammengehörigkeit
zwischen Mann und Frau entstehen. Der Mann seinerseits kann
nur unter diesen Voraussetzungen aufrichtig und ohne
Hintergedanken die Frau als gleichberechtigt empfinden und
seine ihm obliegenden höheren Belastungen in anderen Bereichen
als denen der Frau mit Freude tragen.
Hier soll nicht behauptet werden, dass in
den pseudo-islamischen Gesellschaften die Frauen
gleichberechtigt gegenüber den Männern behandelt werden. Wir
haben des Öfteren betont, dass die Lage der Frau in diesen
Gesellschaften genauestens untersucht werden und ihr die
zahlreichen vom Islam zugestandenen Rechte, die ihr im Verlauf
der Geschichte vorenthalten worden sind, wieder zugebilligt
werden müssen.
Natürlich sollten in den Ländern der
Muslime nicht in blinder Nachahmung der westlichen Methode,
die dem Westen selbst große Schwierigkeiten beschert hat, eine
falsche Ansicht unter schönem Namen propagiert und den
östlichen Schwierigkeiten der Frau noch westliche hinzugefügt
werden. Wir behaupten, dass die nichtidentischen Rechte der
Frau und des Mannes ihren nichtidentischen Naturen
entsprechen, damit sie sowohl der Sache der Gerechtigkeit als
auch des Naturrechts Rechnung tragen, das Familienglück am
besten aufrechterhalten und der Entwicklung der Gesellschaft
dienlicher sind. Und das wollen wir als Muslimas, die im
Westen beheimatet sind, hier auch ausdrücken können und
dürfen.
Wir sind der Ansicht, dass es gerade dem
Sinn der Gerechtigkeit und der Natur sowie den Menschenrechten
entspricht, dass Mann und Frau in manchen Bereichen keine
identischen Rechte genießen. Uns geht es also um die
rechtsphilosophische Betrachtung des Problems. Es betrifft das
Gerechtigkeitsprinzip, welches eines der Prinzipien der
islamischen Theologie und des islamischen Rechts ist. Diesem
Prinzip ist es zu verdanken, dass im Islam das Gebot der
Übereinstimmung der religiösen Gesetze mit der Natur besteht.
Das heißt, wenn sich nach islamischem Recht erweisen sollte,
dass ein von Menschen geschaffenes Gesetz gegen das
Gerechtigkeitsprinzip verstößt, werden wir es nach dem Gebot
der Religion in religiöser Hinsicht ablehnen müssen, denn die
Gesetze des Islam können nach diesem von ihm gelehrten Prinzip
die Gerechtigkeit und das Naturrecht nicht umstoßen.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir uns an
die bestehenden Gesetze zu halten haben, denn auch dazu
verpflichtet uns der Islam.