Die bewusste, aufgeklärte Frau
Der Islam gibt dem Menschen – ob Mann
oder Frau – im Heiligen Qur´an die Gelegenheit, sich über alle
wesentlichen Bereiche des Lebens aufzuklären. Der Mensch wird
als das höchste Wesen der Schöpfung – sogar höher als die
Engel – dargestellt. Dies birgt natürlich auch eine große
Verantwortung gegenüber anderen Geschöpfen wie Tieren,
Pflanzen und der Umwelt. Während der Schwerpunkt der
Verantwortung des Mannes im Bereitstellen der äußeren
Rahmenbedingungen liegt, wie z.B. der materiellen bzw.
finanziellen Notwendigkeiten, liegt der Schwerpunkt der
Verantwortung der Frau in den inneren Entwicklungen und der
Formung der Gesellschaft. Diese Aufgabe gibt der Frau im Islam
eine so große Bedeutung, dass sie dadurch in eine sehr hohe
Position kommt, die ihr Selbstbewusstsein stärkt. So gestärkt
kann sie sich selbst erziehen ohne Minderwertigkeitskomplexe.
Sie ist eine Frau, welche die bereits erwähnten
Missbrauchsvarianten ihrer Weiblichkeit nicht billigt. Sie ist
aufgeschlossen, aufmerksam, informiert und möchte ihren
Lebensweg selbst wählen. Sie möchte den Weg nicht ziellos,
sondern überlegt, überzeugt und ein klares Ziel anstrebend
gehen.
Es bleibt die Frage: Welche
Weltanschauung, welche Ideologie ist diejenige, die der Frau
am besten ihre Verwirklichung gemäß ihrer natürlichen
Veranlagung ermöglicht? Daher lautet in dieser Zeit die
kritischste Frage einer bewussten Frau: „Wie soll ich sein?“
Denn sie weiß wohl, dass sie nicht so bleiben kann, wie sie
ist, zumal sie Wahrheit und Wahrhaftigkeit anstrebt.
Andererseits möchte sie die angeblich moderne Maske, mit der
sie ihre scheinbar altertümliche Erscheinung überdecken soll,
nicht akzeptieren, da sie ihr nicht zur Wahrheit und Würde
verhilft. Sie möchte selbst entscheiden, ihre neue Identität
selbst wählen. Sie möchte wahrhaftig, unabhängig und
selbstbewusst sein.
Entscheidet sich die Frau für eine andere
Richtung als den Islam, so wird sie bei sachlicher Analyse
schnell erkennen, dass diese nicht mit der Ganzheitlichkeit,
Erhabenheit, Allgemeingültigkeit und Qualität des Islam
vergleichbar ist. Ebenso wird sie feststellen, dass in den
heutigen “modernen“ Lehren keinerlei Raum für wirkliche
Aufklärung, Erkenntnis, Menschlichkeit, Freiheit, Logik und
das konstruktive Wissen bestehen. Sie wird insbesondere
erkennen, dass jene anderen Richtungen der Würde, der
Identität und der Unantastbarkeit der Frau kaum Beachtung
schenken. In fast all jenen Modellen wird der Mensch
verdinglicht, und Dinge werden vergöttert. Und selbst eigene
Erkenntnisse bezüglich Mann und Frau werden missachtet, um dem
Götzen der “Freiheit“ und “Gleichmacherei“ huldigen zu können.
So ist es beispielsweise längst erwiesen,
dass ein gemeinsamer Schulunterricht für Jungen und Mädchen in
Fächern wie Mathematik oder Englisch jeweils das eine oder
andere Geschlecht benachteiligt. Obwohl dafür sehr aufwändige
wissenschaftliche Untersuchungen nötig waren, kann auch jeder
aus seiner eigenen Schulerinnerung jenes Ergebnis bestätigen.
Gleichzeitig wurde aber auch nachgewiesen, dass bei getrenntem
Unterricht beide Geschlechter in beiden Fächern ähnlich gute
Ergebnisse erzielen können, wenn auch auf unterschiedlichen
Lern- und Lehrwegen. Dennoch wird an dem Dogma der Koedukation
festgehalten, weil die Geschlechtertrennung als
“mittelalterlich“ diffamiert wird. Ist das nicht auch eine
Form der Diskriminierung?
Doch die bewusste, aufgeklärte
muslimische Frau der erwachten Generation hat verstanden. Sie
hat die Erfordernisse der Zeit erkannt, sie strebt nach
Freiheit und Gerechtigkeit für alle, nach Wissen, Aufklärung
der noch Unaufgeklärten, nach Beseitigung jeglicher Art von
Unterdrückung, Gewalt und Diskriminierung. Sie will Selbst-
und Verantwortungsbewusstsein in der Bevölkerung wecken. Sie
und ihre erwachte Generation haben die bittere Wahrheit des
Verrates, den jene säten und dessen reiche Früchte die
kolonialistische, imperialistische Welt in der muslimischen
Welt erntete, zur Genüge gekostet. Sie sind nicht mehr bereit,
sich willenlos zu unterwerfen und sich ihrer Identität,
Lebensauffassung, der ethisch-geistigen Werte und ihres
Glaubens berauben zu lassen. Sie haben den Wert ihrer
islamischen Kultur erkannt, zu ihr zurückgefunden oder diese
aus Überzeugung angenommen und begonnen, sich auf ihren
eigenen menschlichen Wert und ihre eigene Zivilisation der
Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit zu besinnen. Und solch eine
menschenwürdige Zivilisation hat keine regionalen Grenzen.
Sie, die bewusste erwachte Frau, möchte
sich entwickeln, entfalten und in den muslimischen Ländern
einer drohenden geistigen, imperialistisch diktierten Dekadenz
entgehen und sogar dem auch entgegen wirken. Und die bewusste
Muslima im Westen möchte im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf
ihre eigene Gesellschaft dahingehend einwirken, dass diese
aufhört, imperialistisch zu sein. Sie hat festgestellt, dass
all jenes, wonach sie strebt, in dem Vorbild einer
einheitlichen Familie, die wir aus der islamischen Geschichte
kennen, zu finden ist. Die Familie der Ahl-ul-Bait
haben es ihr vorgelebt. Der Prophet (s.) und Chadidscha (a.)
haben es ihr vorgelebt. Imam Ali (a.) und Fatima (a.) haben es
ihr vorgelebt.
Die muslimische Frau hat erkannt, dass
wir im Grunde all das besitzen, was für uns bei unserem
Bemühen, uns zu entfalten, aufzubauen und uns der Erniedrigung
zu widersetzen, beispielhaft sein kann. Denn wir haben
Vorbilder, die maßgebend sind.
Imam Ali (a.) ist nach dem Propheten
Muhammad (s.) die personifizierte Wahrheit und das Symbol der
fortschrittlichsten Denkschule. Er ist eine wahrhaftige
Tatsache, ein Idealbild des Menschen, nur noch übertroffen
durch den Propheten (s.) des Islam. Imam Alis (a.) Ehefrau und
Tochter des Propheten (s.), Fatima (a.), ist eine
hervorragende Gestalt, nachahmenswert und ideal. Ihre Kinder,
die Geschwister Imam Hasan (a.), Imam Husain (a.) und Zainab
(a.) haben mit ihrer großen historischen Revolution die
Freiheit erst erstrebenswert, Despotismus und Volksverdummung
aber verdammenswert gemacht.
Die zunehmend erwachenden muslimischen
Bevölkerungen haben überall in der Welt um das Haus Fatimas
(a.) eine neue Kultur entstehen lassen. Eine Geschichte voller
Leidenschaft, Bewegung, Mut und Tugend nimmt ihren Verlauf aus
diesem Haus, sie ist wie ein reiner erquickender Fluss, der
alle Generationen der Muslime und Muslimas ernährt und immer
mehr in das tiefe Bewusstsein des Volkes fließt. Sie ist eine
Frau, welche erkannt und sich reformistisch und revolutionär
aller Niedertracht, Ungerechtigkeit und Infamie widersetzt
hat. Nur eine Frau, die sich in einer kritischen,
differenzierenden Bewegung einem “Puppendasein“, der
Diskriminierung und Entwürdigung ihrer Persönlichkeit
entgegenstellt, ist zu solch einem tiefen Bewusstsein in der
Lage, da sie sich verantwortlich weiß. Aufgrund der
konstruktiven Aufklärungsarbeit engagierter,
verantwortungsbewusster islamischer männlicher und weiblicher
Gelehrter wurde das politische, kulturelle, religiöse und
soziale Bewusstsein der Muslima wachgerufen.
Gegenüber wem weiß sie sich
verantwortlich? Sie weiß sich verantwortlich gegenüber Gott
als der Ursache der menschlichen Vervollkommnung und Bewegung
in Richtung des direkten, rechten Weges. Sie weiß sich
verantwortlich gegenüber der Lehre, der Ideologie, von der sie
überzeugt ist. Sie hat diese Ideologie bewusst gewählt, die
ein weiterer Faktor zur Rehabilitation jeder Frau ist, zur
“Wiederbelebung“ ihres wahren, menschlichen Wesens, zur
“Wiederfindung“ ihrer wahren Identität. Und sie trägt
Verantwortung gegenüber sich selbst, gegenüber ihrer großen,
sozialen und pädagogischen Aufgabe, die sie innerhalb der
Gesellschaft zu erfüllen hat. Denn sie, die Frau, ist es,
durch deren Erziehung wunderbare, für die Gesellschaft
wertvolle Menschen erzogen werden, wie Imam Husain (a.) und
seine Schwester Zainab (a.). Doch falls sie ihrer Aufgabe
nicht gerecht wird, kann sie auch tyrannische, selbstsüchtige
Menschen erziehen, wie einen “Yazid“
oder seine Großmuter “Hind“.
Wie kann sie erreichen, so zu werden,
wonach sie strebt? Wie kann sie lernen, das Leben menschlich
zu leben, entsprechend ihrer Aufgabe und Würde? Das Leben
menschenwürdig und menschlich zu leben, ist – um Irrungen und
Verwirrungen zu vermeiden – am sichersten und einfachsten mit
Hilfe eines geeigneten Lehrers, eines Vorbildes erlernbar.
Und der geeigneteste Lehrer, das trefflichste Vorbild, welches
der Frau, der Muslima wie den Menschen allgemein Orientierung
sein kann, sind der Prophet und seine Familie, sind
insbesondere für die Frau gesegnete Frauen wie Fatima und
Chadidscha, Asia, Maria und Zainab, die noch im Buch erwähnt
werden. Der Friede Gottes sei mit ihnen allen.
Wofür mühten sie sich? Wofür kämpften
sie? Ihr Einsatz galt dem Bestreben, Gerechtigkeit zu
verkünden und die Ungerechtigkeit der bestehenden Tyrannei
aufzuzeigen. Die Bewegung der gesegneten Fatima (a.) und der
gesegneten Zainab (a.) war eine Aufforderung! Sie war
Ablehnung und Verurteilung der Tyrannei, Gewalt, Verbrechen
und Ungerechtigkeit. Ihre Bewegung war das Vorbild eines
gesellschaftlichen Einsatzes. Sie war ein Aufruf zur
Verteidigung der Gerechtigkeit, zum Widerstand gegenüber
Ungerechtigkeit, Grausamkeit, Willkür und Gewalt. Sie sind
Symbol der mutigen, bewussten, sozial engagierten, gläubigen
und verantwortungsbewussten Frau. Es gilt daher, diese
leuchtenden Vorbilder unserer Ideologie, unserer Lehre kennen
zu lernen, ihr Leben, ihr Verhalten und ihre Ziele zu
studieren, um sie danach mit den Frauentypen unserer Zeit zu
vergleichen. Auf diese Weise wird es ein Leichtes sein, sich
für ein rechtes Lebenskonzept und ein Lebensziel zu
entscheiden. Ist uns das bewusst geworden, wird unsererseits
wahres “Muslimisch-Sein“ Wirklichkeit werden können –
inschaallah (so Gott will).
In dieser bedeutsamen Epoche der
islamischen Geschichte ist in der gesamten Islamischen Welt,
u.a. in der Islamischen Republik Iran, eine überzeugende
Bewegung der Frauen in Gang gesetzt worden, deren deutlichster
Erfolg an den Universitäten des Iran sichtbar wird. Fast 60 %
aller Studienplätze werden inzwischen von Frauen belegt, so
dass offen über eine “Männerquote“ nachgedacht wird, um
Studienplätze für sie zu sichern. Und rund 50 % der
Ingenieursstudiengänge werden von Frauen belegt, eine Quote,
bei der keine einzige so genannte westliche Industrienation
mit angeblicher Frauenemanzipation mithalten kann.
„Die gläubigen Männer und die
gläubigen Frauen sind einer des anderen Freund. Sie gebieten
das Gute und verwehren das Schlechte, verrichten das Gebet und
entrichten die Zakat (Armenabgabe) und gehorchen Allah und
Seinem Gesandten. Sie sind es, derer Allah sich erbarmen wird.
Wahrlich, Allah ist Allmächtig und Allweise!“
Heiliger Qur´an 9:71