Faszination Frau

Faszination
Frau im Islam

 Fatima Özoguz und Mihriban Özoguz

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Die bewusste, aufgeklärte Frau

Der Islam gibt dem Menschen – ob Mann oder Frau – im Heiligen Qur´an die Gelegenheit, sich über alle wesentlichen Bereiche des Lebens aufzuklären. Der Mensch wird als das höchste Wesen der Schöpfung – sogar höher als die Engel – dargestellt. Dies birgt natürlich auch eine große Verantwortung gegenüber anderen Geschöpfen wie Tieren, Pflanzen und der Umwelt. Während der Schwerpunkt der Verantwortung des Mannes im Bereitstellen der äußeren Rahmenbedingungen liegt, wie z.B. der materiellen bzw. finanziellen Notwendigkeiten, liegt der Schwerpunkt der Verantwortung der Frau in den inneren Entwicklungen und der Formung der Gesellschaft. Diese Aufgabe gibt der Frau im Islam eine so große Bedeutung, dass sie dadurch in eine sehr hohe Position kommt, die ihr Selbstbewusstsein stärkt. So gestärkt kann sie sich selbst erziehen ohne Minderwertigkeitskomplexe. Sie ist eine Frau, welche die bereits erwähnten Missbrauchsvarianten ihrer Weiblichkeit nicht billigt. Sie ist aufgeschlossen, aufmerksam, informiert und möchte ihren Lebensweg selbst wählen. Sie möchte den Weg nicht ziellos, sondern überlegt, überzeugt und ein klares Ziel anstrebend gehen.

Es bleibt die Frage: Welche Weltanschauung, welche Ideologie ist diejenige, die der Frau am besten ihre Verwirklichung gemäß ihrer natürlichen Veranlagung ermöglicht? Daher lautet in dieser Zeit die kritischste Frage einer bewussten Frau: „Wie soll ich sein?“ Denn sie weiß wohl, dass sie nicht so bleiben kann, wie sie ist, zumal sie Wahrheit und Wahrhaftigkeit anstrebt. Andererseits möchte sie die angeblich moderne Maske, mit der sie ihre scheinbar altertümliche Erscheinung überdecken soll, nicht akzeptieren, da sie ihr nicht zur Wahrheit und Würde verhilft. Sie möchte selbst entscheiden, ihre neue Identität selbst wählen. Sie möchte wahrhaftig, unabhängig und selbstbewusst sein.[1]

Entscheidet sich die Frau für eine andere Richtung als den Islam, so wird sie bei sachlicher Analyse schnell erkennen, dass diese nicht mit der Ganzheitlichkeit, Erhabenheit, Allgemeingültigkeit und Qualität des Islam vergleichbar ist. Ebenso wird sie feststellen, dass in den heutigen “modernen“ Lehren keinerlei Raum für wirkliche Aufklärung, Erkenntnis, Menschlichkeit, Freiheit, Logik und das konstruktive Wissen bestehen. Sie wird insbesondere erkennen, dass jene anderen Richtungen der Würde, der Identität und der Unantastbarkeit der Frau kaum Beachtung schenken. In fast all jenen Modellen wird der Mensch verdinglicht, und Dinge werden vergöttert. Und selbst eigene Erkenntnisse bezüglich Mann und Frau werden missachtet, um dem Götzen der “Freiheit“ und “Gleichmacherei“ huldigen zu können.

So ist es beispielsweise längst erwiesen, dass ein gemeinsamer Schulunterricht für Jungen und Mädchen in Fächern wie Mathematik oder Englisch jeweils das eine oder andere Geschlecht benachteiligt. Obwohl dafür sehr aufwändige wissenschaftliche Untersuchungen nötig waren, kann auch jeder aus seiner eigenen Schulerinnerung jenes Ergebnis bestätigen. Gleichzeitig wurde aber auch nachgewiesen, dass bei getrenntem Unterricht beide Geschlechter in beiden Fächern ähnlich gute Ergebnisse erzielen können, wenn auch auf unterschiedlichen Lern- und Lehrwegen. Dennoch wird an dem Dogma der Koedukation festgehalten, weil die Geschlechtertrennung als “mittelalterlich“ diffamiert wird. Ist das nicht auch eine Form der Diskriminierung?

Doch die bewusste, aufgeklärte muslimische Frau der erwachten Generation hat verstanden. Sie hat die Erfordernisse der Zeit erkannt, sie strebt nach Freiheit und Gerechtigkeit für alle, nach Wissen, Aufklärung der noch Unaufgeklärten, nach Beseitigung jeglicher Art von Unterdrückung, Gewalt und Diskriminierung. Sie will Selbst- und Verantwortungsbewusstsein in der Bevölkerung wecken. Sie und ihre erwachte Generation haben die bittere Wahrheit des Verrates, den jene säten und dessen reiche Früchte die kolonialistische, imperialistische Welt in der muslimischen Welt erntete, zur Genüge gekostet. Sie sind nicht mehr bereit, sich willenlos zu unterwerfen und sich ihrer Identität, Lebensauffassung, der ethisch-geistigen Werte und ihres Glaubens berauben zu lassen. Sie haben den Wert ihrer islamischen Kultur erkannt, zu ihr zurückgefunden oder diese aus Überzeugung angenommen und begonnen, sich auf ihren eigenen menschlichen Wert und ihre eigene Zivilisation der Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit zu besinnen. Und solch eine menschenwürdige Zivilisation hat keine regionalen Grenzen.

Sie, die bewusste erwachte Frau, möchte sich entwickeln, entfalten und in den muslimischen Ländern einer drohenden geistigen, imperialistisch diktierten Dekadenz entgehen und sogar dem auch entgegen wirken. Und die bewusste Muslima im Westen möchte im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf ihre eigene Gesellschaft dahingehend einwirken, dass diese aufhört, imperialistisch zu sein. Sie hat festgestellt, dass all jenes, wonach sie strebt, in dem Vorbild einer einheitlichen Familie, die wir aus der islamischen Geschichte kennen, zu finden ist. Die Familie der Ahl-ul-Bait[2] haben es ihr vorgelebt. Der Prophet (s.) und Chadidscha (a.) haben es ihr vorgelebt. Imam Ali (a.) und Fatima (a.) haben es ihr vorgelebt.

Die muslimische Frau hat erkannt, dass wir im Grunde all das besitzen, was für uns bei unserem Bemühen, uns zu entfalten, aufzubauen und uns der Erniedrigung zu widersetzen, beispielhaft sein kann. Denn wir haben Vorbilder, die maßgebend sind.

Imam Ali (a.) ist nach dem Propheten Muhammad (s.) die personifizierte Wahrheit und das Symbol der fortschrittlichsten Denkschule. Er ist eine wahrhaftige Tatsache, ein Idealbild des Menschen, nur noch übertroffen durch den Propheten (s.) des Islam. Imam Alis (a.) Ehefrau und Tochter des Propheten (s.), Fatima (a.), ist eine hervorragende Gestalt, nachahmenswert und ideal. Ihre Kinder, die Geschwister Imam Hasan (a.), Imam Husain (a.) und Zainab (a.) haben mit ihrer großen historischen Revolution die Freiheit erst erstrebenswert, Despotismus und Volksverdummung aber verdammenswert gemacht.

Die zunehmend erwachenden muslimischen Bevölkerungen haben überall in der Welt um das Haus Fatimas (a.) eine neue Kultur entstehen lassen. Eine Geschichte voller Leidenschaft, Bewegung, Mut und Tugend nimmt ihren Verlauf aus diesem Haus, sie ist wie ein reiner erquickender Fluss, der alle Generationen der Muslime und Muslimas ernährt und immer mehr in das tiefe Bewusstsein des Volkes fließt. Sie ist eine Frau, welche erkannt und sich reformistisch und revolutionär aller Niedertracht, Ungerechtigkeit und Infamie widersetzt hat. Nur eine Frau, die sich in einer kritischen, differenzierenden Bewegung einem “Puppendasein“, der Diskriminierung und Entwürdigung ihrer Persönlichkeit entgegenstellt, ist zu solch einem tiefen Bewusstsein in der Lage, da sie sich verantwortlich weiß. Aufgrund der konstruktiven Aufklärungsarbeit engagierter, verantwortungsbewusster islamischer männlicher und weiblicher Gelehrter wurde das politische, kulturelle, religiöse und soziale Bewusstsein der Muslima wachgerufen.

Gegenüber wem weiß sie sich verantwortlich? Sie weiß sich verantwortlich gegenüber Gott als der Ursache der menschlichen Vervollkommnung und Bewegung in Richtung des direkten, rechten Weges. Sie weiß sich verantwortlich gegenüber der Lehre, der Ideologie, von der sie überzeugt ist. Sie hat diese Ideologie bewusst gewählt, die ein weiterer Faktor zur Rehabilitation jeder Frau ist, zur “Wiederbelebung“ ihres wahren, menschlichen Wesens, zur “Wiederfindung“ ihrer wahren Identität. Und sie trägt Verantwortung gegenüber sich selbst, gegenüber ihrer großen, sozialen und pädagogischen Aufgabe, die sie innerhalb der Gesellschaft zu erfüllen hat. Denn sie, die Frau, ist es, durch deren Erziehung wunderbare, für die Gesellschaft wertvolle Menschen erzogen werden, wie Imam Husain (a.) und seine Schwester Zainab (a.). Doch falls sie ihrer Aufgabe nicht gerecht wird, kann sie auch tyrannische, selbstsüchtige Menschen erziehen, wie einen “Yazid“[3] oder seine Großmuter “Hind“[4].

Wie kann sie erreichen, so zu werden, wonach sie strebt? Wie kann sie lernen, das Leben menschlich zu leben, entsprechend ihrer Aufgabe und Würde? Das Leben menschenwürdig und menschlich zu leben, ist – um Irrungen und Verwirrungen zu vermeiden – am sichersten und einfachsten mit Hilfe eines geeigneten Lehrers, eines Vor­bildes erlernbar. Und der geeigneteste Lehrer, das trefflichste Vorbild, welches der Frau, der Muslima wie den Menschen allgemein Orientie­rung sein kann, sind der Prophet und seine Familie, sind insbesondere für die Frau gesegnete Frauen wie Fatima und Chadidscha, Asia, Maria und Zainab, die noch im Buch erwähnt werden. Der Friede Gottes sei mit ihnen allen.

Wofür mühten sie sich? Wofür kämpften sie? Ihr Einsatz galt dem Bestreben, Gerechtigkeit zu verkünden und die Ungerechtigkeit der bestehenden Tyrannei aufzuzeigen. Die Bewegung der gesegneten Fatima (a.) und der gesegneten Zainab (a.) war eine Aufforderung! Sie war Ablehnung und Verurteilung der Tyrannei, Gewalt, Verbrechen und Ungerechtigkeit. Ihre Bewegung war das Vorbild eines gesellschaftlichen Einsatzes. Sie war ein Aufruf zur Verteidigung der Gerechtigkeit, zum Wider­stand gegenüber Ungerechtigkeit, Grausamkeit, Willkür und Gewalt. Sie sind Symbol der mutigen, bewussten, sozial engagierten, gläubigen und verantwortungsbewussten Frau. Es gilt daher, diese leuchtenden Vorbilder unserer Ideologie, unserer Lehre kennen zu lernen, ihr Leben, ihr Verhalten und ihre Ziele zu studieren, um sie danach mit den Frauentypen unserer Zeit zu vergleichen. Auf diese Weise wird es ein Leichtes sein, sich für ein rechtes Lebenskonzept und ein Lebensziel zu entscheiden. Ist uns das bewusst geworden, wird unsererseits wahres “Muslimisch-Sein“ Wirklichkeit werden können – inschaallah (so Gott will).

In dieser bedeutsamen Epoche der islamischen Geschichte ist in der gesamten Islamischen Welt, u.a. in der Islamischen Republik Iran, eine überzeugende Bewegung der Frauen in Gang gesetzt worden, deren deutlichster Erfolg an den Universitäten des Iran sichtbar wird. Fast 60 % aller Studienplätze werden inzwischen von Frauen belegt, so dass offen über eine “Männerquote“ nachgedacht wird, um Studienplätze für sie zu sichern. Und rund 50 % der Ingenieursstudiengänge werden von Frauen belegt, eine Quote, bei der keine einzige so genannte westliche Industrienation mit angeblicher Frauenemanzipation mithalten kann.

„Die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen sind einer des anderen Freund. Sie gebieten das Gute und verwehren das Schlechte, verrichten das Gebet und entrichten die Zakat (Armenabgabe) und gehorchen Allah und Seinem Gesandten. Sie sind es, derer Allah sich erbarmen wird. Wahrlich, Allah ist Allmächtig und Allweise!“

Heiliger Qur´an 9:71

[1] Teilweise übernommen aus “Fatima ist Fatima“ von Dr. Ali Schariati

[2] Prophet Muhammad (a.), Fatima (a.) und die Zwölf Imame. Der erste Imam war Imam Ali (a.), der Ehemann Fatimas (a.)

[3] Tyrannischer Herrscher der Umayyaden, Sohn von Muawiya, der im missbrauchten Namen des Islam Imam Husain (a.) ermorden ließ und Zainab als Gefangene behandelte.

[4] Hind war die Großmutter Yazids, die den gesegneten Prophetenonkel Hamza ermorden ließ und danach sein Herz verzehrte.

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