Es gibt auch heute Zainabs
In so vielen Familien, in so vielen
Häusern leben und wirken auch heute lauter Zainabs und
versuchen ihrem historischen Vorbild nachzueifern. So lange es
die historischen Umstände nicht notwendig machen, treten sie
nicht unbedingt öffentlich in Erscheinung. Aber ihr Wirken in
Familie und Gesellschaft ist dadurch nicht minder bedeutsam.
Eine solche Frau ist die Ehefrau von Imam
Chamenei. Ende 1992 hat sie einen ihrer äußerst seltenen
öffentlichen Auftritte gehabt in Form eines Interviews, das
sie der persischen Frauenzeitschrift “Mahdschubah - Magazin
für muslimische Frauen“ gab. Die deutsche Übersetzung kann
helfen, das Denken der Gemahlin von Imam Chamenei, dem
Oberhaupt der Islamischen Republik Iran, besser zu verstehen,
stellvertretend für viele andere “Zainabs“ der Zeit. Sie wurde
im Jahre 1947 in Maschhad (Iran) geboren.
Frage: Würden Sie uns
bitte über Ihre schulische Bildung berichten?
Frau Chamene’i: Ich
erlernte die notwendigen Fertigkeiten, um Bücher zu lesen,
religiöse Studien zu betreiben, so wie auch künstlerisches
Gestalten und Handarbeiten, daneben habe ich in unserer
Großfamilie Hausarbeit verrichtet. Ich habe eine lebendige
Erinnerung an meine Schulzeit, besonders an meine
Qur´an-Lehrerin, die erst kürzlich von uns gegangen ist. Die
Kleidung dieser hochgeachteten und geschätzten Dame war
einzigartig. Obgleich sie keinen Tschador trug, hatte sie
einen perfekten Hidschab.
Ihre lange Kopfbedeckung, der Kopf und Schultern völlig
bedeckte, reichte bis zu ihrer Taille hinab. Diese Dame hatte
einen unvergleichlich innovativen Stil in ihrem
Qur´an-Unterricht. Ihr Antlitz, das voller Würde und
Ausgeglichenheit war, ist noch jetzt vor meinen Augen, und ich
werde sie niemals vergessen.
Eine andere Erinnerung, die ich habe,
stammt aus der selben Zeit: Die meisten der religiösen
Zeremonien, wie Qur´an-Lesen in der Klasse, oder das
Gemeinschaftsgebet in der Schule zu beten, die eine religiöse
Schule gewesen ist, sind mir in fester Erinnerung. Natürlich
wurde in den (staatlichen) Mädchen-Grundschulen und in den
höheren Mädchenschulen in jenen Tagen das Rezitieren des
Qur´an oder das Rezitieren religiösen Liedgutes nicht
praktiziert, weil aber unsere Schule eine religiöse Schule war
und von einer religiösen Dame geleitet wurde, wurden solche
Zeremonien (dennoch) abgehalten.
Frage: Wie wurden Sie
mit Ihrem Gemahl bekannt?
Frau Chamene’i: Ich habe ihn im
Jahre 1964 geehelicht. Die Heirat fand natürlich statt, bevor
wir uns nahe gekommen waren, denn wie es jener Tage in
religiösen Familien üblich gewesen ist, war seine Mutter mit
dem Vorschlag zu uns gekommen und nach den üblichen Gesprächen
wurde die Hochzeit vollzogen.
Frage: Wie viele Kinder
haben Sie?
Frau Chamene’i: Wir haben
vier Söhne und zwei Töchter, all unsere Söhne wurden vor der
(Islamischen) Revolution (im Iran) geboren, unsere Töchter
wurden nach der Revolution geboren.
Frage: Bitte erzählen
Sie uns ein wenig von Ihrem Leben während der Zeit des
Islamischen Aufstandes gegen den Schah von Persien.
Frau Chamene’i: Jene Zeit
war eine Zeit der Härten und der Prüfungen durch Gott, und ich
hatte mich auf alle möglichen Schwierigkeiten vorbereitet und
mich niemals über irgend etwas beschwert. Ich erinnere mich,
dass mich mein Mann in den ersten Monaten nach unserer Heirat
eines Tages gefragt hat: "Wenn ich eines Tages verhaftet
würde, welches Gefühl hättest du?" Es war eine unerwartete
Frage gewesen und zuerst war ich bekümmert und beunruhigt,
doch er erzählte so viel vom Engagement, dessen Gefahren und
Schwierigkeiten und von jedermanns Pflicht in dieser
Beziehung, dass ich ziemlich beruhigt wurde. Genau an dem Tag,
an dem Imam Chomeini aufs Neue verhaftet und von Qum nach
Teheran gebracht wurde, um in die Türkei ins Exil verbannt zu
werden, an diesem Tag bereiteten sich Herr Chamenei und andere
in Maschhad darauf vor, um ihre Opposition dagegen
auszudrücken, und zu genau diesem Anlass stellte er diese
Frage. Daher trug ich alle Schwierigkeiten leicht, wann immer
er eingekerkert oder ins Exil geschickt wurde, oder wenn wir
seine Aktivitäten verbergen mussten.
Später hatten wir mehrere Kinder und
natürlich war das Leben zeitweise hart, aber Gott half uns,
und niemals war ich verzweifelt. Der Kampf (gegen das Unrecht)
brachte andere Schwierigkeiten mit sich als das Gefängnis oder
das Exil, die mehr oder weniger gleich bleibend waren. Angst,
materielle Armut, die Annäherung falscher Menschen und einige
Entbehrungen waren alles Folgen des Kampfes, und wir gewöhnten
uns daran. Natürlich war die spirituelle Unterstützung und die
Zuneigung durch meine Familie und durch seine Familie eine
große Unterstützung, und immer verließ ich mich auf Gott.
Frage: Wie unterstützten
Sie Ihren Gemahl in seinem Einsatz?
Frau Chamene’i: Ich denke,
meine größte Aufgabe war es, die Atmosphäre im Haus ruhig zu
halten, so dass er seine Arbeit fortsetzen konnte. Ich
versuchte zu verhindern, dass er über mich oder die Kinder
verstimmt wurde. Wenn ich ihn dann manchmal im Gefängnis
besuchte, sagte ich ihm gar nichts über Probleme, die wir
hatten, und als Antwort auf seine Frage nach dem Befinden von
mir oder den Kindern überbrachte ich ihm nur die guten
Nachrichten.
Bei unseren Treffen im Gefängnis oder
auch in Briefen im Exil zum Beispiel sagte oder schrieb ich
niemals etwas über die Krankheiten der Kinder. Natürlich war
ich bei einigen Angelegenheiten aktiv beteiligt, wie dem
Austeilen von Flugblättern, dem Übermitteln von Botschaften,
dem Verbergen von Schriftstücken und so weiter; Aktionen, die
meiner Meinung nach aber der Erwähnung nicht wirklich würdig
sind. In den letzten Monaten des Kampfes war ich beschäftigt
mit dem Übermitteln von Botschaften von Imam Chomeini aus
Paris, die mich telefonisch erreichten, und ich übergab sie
den Zentren zur Vervielfältigung und Verteilung in Maschhad
und anderen Städten, sammelte die Nachrichten aus Maschhad und
anderen Städten Chorasans und übermittelte sie nach Paris.
Doch ich denke, die wichtigste Aufgabe der Frauen von
Freiheitskämpfern jener Zeit war die spirituelle
Unterstützung, die Zuneigung, das Verbergen von Geheimnissen
und das Verhindern des Entstehens von Schwierigkeiten.
Frage: Hilft Ihr Gemahl
Ihnen im Haus?
Frau Chamene’i: Gegenwärtig
hat er weder die Gelegenheit dazu, noch erwarten wir das von
ihm. Aber eine sehr gute Eigenschaft, die er hat und die
vorbildlich für andere ist, ist dass er versucht, obwohl er
meist ermüdet von der täglichen Arbeit ist, die Atmosphäre des
Hauses nicht mit den Problemen seines Büros zu belasten.
Frage: Gehorchen Sie
Ihrem Gemahl, ohne zu fragen?
Frau Chamene’i: In einigen
meiner persönlichen Angelegenheiten bitte ich ihn um Rat, und
in einigen erbitte ich seine Erlaubnis, so wie es meine
religiöse Pflicht ist. Ich verheimliche nichts von meinen
persönlichen Angelegenheiten, und in allen erforderlichen
Angelegenheiten stimme ich mit seiner Meinung überein.
Frage: Was für eine Art
Vater ist Imam Chamene’i?
Frau Chamene’i: Er ist
einfühlsam in Sachen Religion, Moral und bei der Erziehung der
Kinder und ermutigt sie zu beten, Qur´an zu lesen und Sport zu
treiben. In Bezug auf die Erziehung unserer Mädchen sagte er
immer wieder, er hätte gerne, dass sie einmal Ärztinnen
werden.
Frage: Arbeiten Sie für
die Regierung?
Frau Chamene’i: Als
muslimische Frau in der Islamischen Republik Iran habe ich
einige Pflichten, wie alle anderen muslimischen Schwestern,
und ich komme ihnen nach besten Kräften nach, aber ich habe
keine besonderen offiziellen Verantwortlichkeiten.
Frage: Was erwartet Ihr
Gemahl von Ihnen?
Frau Chamene’i: Er erwartet
Ausgeglichenheit und eine glückliche und gesunde familiäre
Umgebung mehr als alles andere.
Frage: Bitte verraten
Sie unseren Lesern Ihre Ansichten über sittsame islamische
Bekleidung.
Frau Chamene’i: Meiner
Meinung nach ist die beste Kleidung für Frauen außerhalb des
Hauses (im Iran) ein Tschador. Natürlich bedeutet es keinen
Verstoß gegen die Religion, andere Bekleidung zu tragen, wenn
diese den Körper vollständig verhüllt und nicht eng anliegend
oder figurbetont ist. Letztlich bevorzuge ich den Tschador.
Für den Gebrauch innerhalb des Hauses ist es recht
unterschiedlich. Natürlich soll die Bekleidung insgesamt der
islamischen Sittsamkeit entsprechen.
Frage: Welche Art
Lebensstil führen Sie?
Frau Chamene’i: Schon vor
Jahren haben wir luxuriöse Dinge aus unserem Haus restlos
entfernt. Schönheit ist gut, aber wir sollten keinen
luxuriösen Lebensstil führen und diesem verfallen. In unserem
Haus haben wir keine Ausschmückungen im üblichen Sinne,
wertvolle Teppiche, Vorhänge, Möbel usw. Wir haben uns schon
vor langer Zeit von diesen Dingen getrennt. Wir versuchen, in
unserem Leben nur das zu besitzen, was wir wirklich brauchen.
Die Eltern von Herrn Chamenei waren beispielhaft in dieser
Beziehung, seine Mutter kritisiert solche (luxuriösen)
Anschaffungen, und ich bin derselben Ansicht. Meinen Kindern
rate ich immer, in ihrem persönlichen Verhalten der selben
Weise zu folgen. Wir denken, dass Ausgaben für luxuriöse Dinge
unnötig sind.
Frage: Arbeiten Sie
außerhalb des Hauses?
Frau Chamene’i: Arbeiten im
allgemeinen Sinne nicht. Wenn einige Dienste nach ihrer
Auffassung Arbeiten darstellen, dann könnte man sagen, dass
ich zeitweise außerhalb des Hauses gearbeitet habe.
Frage: Und was ist mit
sozialer Arbeit?
Frau Chamene’i: Meiner
Ansicht nach sollte man direkt auf die Armen zugehen und ihnen
helfen, und wenn alle das gemäß ihren Mitteln tun, dann
bestünde kein Bedarf nach offiziellen Organisationen, um den
Armen zu helfen. Das Betrachten nicht gut entwickelter
Gegenden, das Besuchen von Häusern, Arbeitsstätten und Schulen
in solchen Gegenden verschafft jedem eine Gelegenheit, den
Armen und unterprivilegierten Menschen zu helfen.
Frage: Haben Sie eine
Botschaft an unsere Leserinnen?
Frau Chamene’i: Meine
Botschaft an alle Damen aller Nationen und aller Religionen
ist, dass sie die Würde und die Größe der Frauen schützen
sollen, durch ihr Betragen, ihr Verhalten und durch die
Wahrung der weiblichen Keuschheit und Reinheit. Muslimische
Frauen sollten den Wert der islamisch sittsamen Kleidung
verstehen, und sie sollten nie vor den Verlockungen des
Gegners hinsichtlich des Hidschab nachgeben. Mein weiterer Rat
an muslimische Frauen ist, dass sie sich nicht von sozialen
und politischen Aktivitäten zurückziehen sollten. Im Iran hat
die Anwesenheit von Frauen auf diesen Schauplätzen zum Erfolg
der Islamischen Revolution geführt, und gegenwärtig beteiligen
sich Frauen bei allen Aktivitäten im Land, ob sozial,
politisch oder wissenschaftlich.