Religiöse Riten der Muslima
Sicherlich wird sich der eine oder andere
Leser fragen, ob denn das religiöse Leben einer Muslima nur
aus Hidschab und besonderen Taburegeln gegenüber dem anderen
Geschlecht besteht, oder warum in einem Buch über die Frau im
Islam nur selten etwas über das Gebet, das Fasten, die Hadsch
und andere Riten zu finden ist. Die Antwort auf diese Frage
ist leicht zu beantworten. Es gibt kaum nennenswerte
Unterschiede in den religiösen Riten zwischen Mann und Frau,
so dass sie zwar in den Büchern über Gebet oder Fasten
Erwähnung finden, nicht aber in solch einem Buch. Dennoch ist
die Faszination des Islam für eine Muslima selbstverständlich
nicht vorstellbar ohne Gebet, Fasten und all die anderen
Riten.
In dem einen oder anderen Detail kommt
dann aber auch der Unterschied der Geschlechter zum Ausdruck.
So ist die Verrichtung von fünf Ritualgebeten am Tag Pflicht.
Die Frau ist davon entlastet, wenn sie ihre Monats- oder
Wochenbettblutung hat. Bittgebete kann jede Muslima – und
jeder Muslim – so oft sie oder er will und in jedem möglichen
Zustand an seinen Schöpfer richten, aber das Ritualgebet
bedarf einer besonderen Vorbereitung hinsichtlich Reinheit.
Die entsprechenden vorbereitenden Waschungen sind bei Frau und
Mann fast identisch. Es gibt aber ein Detail, dass die
gegenseitige Ergänzung verdeutlicht. Bei den rituellen
Waschungen werden die kompletten Unterarme mit Wasser benetzt.
Hierbei ist es den Frauen empfohlen, zuerst die Innenseite der
Unterarme und dann die Außenseite zu waschen, wohingegen dem
Mann empfohlen wird, genau umgekehrt zu verfahren. Spiegelt
das nicht genau die bereits mehrfach beschriebene Situation
wieder? Beide waschen ihre Unterarme komplett, aber die
Schwerpunkte bzw. die Reihenfolge sind unterschiedlich.
Ein weiterer Ritus, der in der westlichen
Welt oft auffällt, ist die Tatsache, dass Frauen immer
“hinter“ den Männern beten, wenn es zu einem
Gemeinschaftsgebet kommt. Das hat aber eher praktische
Erwägungen als eine “Herabwürdigung“, denn die Geschlechter
werden beim Ritualgebet getrennt. Beim Freitagsgebet in
Teheran z.B. beten Männer und Frauen “nebeneinander“ getrennt
durch eine Sichtschutzwand auf gleicher Höhe. Und in so
mancher sunnitischer Moschee beten die Frauen “über“ den
Männern auf einer Art Veranda, weshalb auch niemand auf die
Idee käme zu behaupten, sie würden in jenen Moscheen “über“
den Männern stehen.
Es gibt aber tatsächlich einen einzigen
Ort, an dem Frauen und Männer unmittelbar nebeneinander und
“durcheinander“ beten können: In der Heiligen Moschee in Mekka
um die Kaaba herum zur Pilgerzeit. Das hängt mit dem
besonderen Charakter der Pilger zusammen, die jenen Ort in
einem besonderen Weihezustand mit besonderen Kleidern
betreten. Denn mit Eintritt in den Weihezustand “trennen“ sie
sich von dieser Welt. Sie “sterben, bevor sie sterben“.
Verheiratete lassen sich mit dem Eintritt in jenen Zustand
symbolisch scheiden. Dort ist für eine kurze Zeit jegliche
Geschlechtlichkeit aufgehoben. Entsprechend erfolgen am Ende
bestimmte Riten zur “Wiederverheiratung“.
Ansonsten lässt sich nicht viel über
“besondere“ Riten der Frau sagen. Reiche Frauen geben genau so
ihre Armenabgaben wie die Männer, oder sogar mehr, da sie ja
die eigene Familie nicht versorgen müssen. Frauen müssen genau
so zur Hadsch wie Männer und werden eines Tages genau so
begraben, nur dass die Frauen ein Tuch mehr für den Kopf
haben, ansonsten mit den gleichen Waschungen und Gebeten.
Muslimas lesen genau so den Heiligen Qur´an, haben ebenso
gelehrte Frauen unter sich. Es gibt auch Übersetzerinnen des
Heiligen Qur´an und auch Kommentatorinnen. Und genau wie
einige Männer im Heiligen Qur´an ausgezeichnet werden, werden
auch einige Frauen besonders erwähnt.
„(Es gibt) vier Dinge, die jedem
vernünftigen und bewussten Menschen aus meiner Umma
zu eigen sein sollten! Als der Prophet (s.) gefragt wurde,
welches diese vier Dinge sind, sagte er: „Das Hinhören zum
Wissen, dieses zu bewahren, weiterzugeben und zu praktizieren“