Stellung der Frau im Heiligen Qur´an
Der Heilige Qur´an ist nicht nur eine
Gesetzessammlung. Er umfasst nicht ausschließlich nüchterne
und klare Vorschriften und Gesetze, sondern enthält außerdem
noch historische Begebenheiten, Predigten, Interpretationen
der Schöpfung und viele andere Themen. Werden stellenweise
Gesetzesvorschriften verkündet, so begegnen wir andernorts
Interpretationen der Existenz. Der Heilige Qur´an erzählt von
der Erschaffung des Himmels, der Erde, der Pflanzen, der Tiere
und der Menschen, von dem Geheimnis des Lebens und des Todes,
von Ehre und Schmach, von Fortschritt und Niedergang, von
Wohlstand und Armut.
Der Heilige Qur´an ist kein
philosophisches Werk, äußert sich aber dennoch über die drei
grundlegenden Themen der Philosophie: Welt, Mensch und
Gesellschaft. Er beschränkt sich nicht auf die Verkündung von
Geboten und Belehrungen, sondern vermittelt den Gläubigen
durch die Interpretation der Schöpfung eine besondere
Weltanschauung. Dieser Interpretation der Schöpfung liegen die
islamischen Vorschriften über gesellschaftliche Fragen wie
Eigentumsrecht, Regierung, Familienrecht usw. zugrunde.
Eines der im Heiligen Qur´an erörterten
Themen beschäftigt sich mit der Erschaffung von Frau und Mann.
Der Heilige Qur´an schweigt sich darüber nicht aus und bietet
so den “Alleswissern“ keine Gelegenheit, von sich aus
Vorschriften über Mann und Frau zu ersinnen und sie als Folge
angeblich Frauen verachtender Ansichten des Islam auszugeben.
Wenn wir uns mit der Erschaffung der Frau und des Mannes aus
der Sicht des Heiligen Qur´an befassen, haben wir nicht darauf
zu achten, welche Ansichten andere religiöse Schriften zu
diesem Thema vertreten. Eine Gegenüberstellung kann aber
teilweise hilfreich sein, um den Gleichberechtigungscharakter
des Islam besser zu verstehen. Daher stellen sich folgende
Fragen: Sind Mann und Frau aus der Sicht des Heiligen Qur´an
gleich erschaffen, mit anderen Worten, entsprechen sie
einander entsprechend ihrer Veranlagung und Natur? In
zahlreichen Versen des Heiligen Qur´an wird eindeutig die
Ansicht vertreten, dass Frauen und Männer aus einem
gemeinsamen Wesen erschaffen worden sind. Über den ersten
Menschen heißt es:
„ ... Der euch aus einem einzigen
Wesen geschaffen hat, aus diesem erschuf Er ihm die Gefährtin,
und aus beiden ließ Er viele Männer und Frauen sich vermehren
...“
Heiliger Qur´an 4:1
Über die Menschen im allgemeinen wird
gesagt:
„Gott erschuf aus euch Gefährtinnen
für euch ..“
Heiliger Qur´an 3:4 und 30
Im Gegensatz zu anderen Heiligen
Schriften fällt im Heiligen Qur´an kein Wort darüber, dass die
Frau aus niederer Materie geschaffen bzw. aus der linken Rippe
des Mannes entstanden sei und als Anhängsel des Mannes
betrachtet werde. Der Heilige Qur´an äußert sich also nicht in
herabwürdigender Weise über Erschaffung oder Schöpfung der
Frau.
In der Vergangenheit wurde vielfach eine
frauenfeindliche Ansicht vertreten, die auch in der
Weltliteratur unliebsame Spuren hinterlassen hat, dass die
Frau der Ursprung der Sünde sei. Sie führe die Männer in
Versuchung, sie sei der kleine Teufel, und bei allen von
Männern begangenen Verbrechen habe eine Frau ihre Finger im
Spiel gehabt. Noch heute gilt im Französischen bei einem
Kriminalfall der Spruch “Cherchez la femme“ (sucht die
Frau). Die Männer seien von Natur aus frei von Sünde und
würden nur von den Frauen dazu veranlasst. Der Teufel würde
nicht unmittelbar dem Mann böse Gedanken einflüstern, sondern
versuchen, ihn durch die Frau zu verführen. Adam sei erst
aufgrund der Beeinflussung Evas den Versuchungen des Teufels
erlegen und deshalb aus dem Paradies vertrieben worden.
Auch im Heiligen Qur´an wird die
Geschichte Adams im Paradies erzählt. Es ist aber keine Rede
davon, dass der Teufel bzw. die Schlange zuerst Eva und Eva
dann ihrerseits Adam verführt habe. Im Heiligen Qur´an wird
Eva weder als Hauptschuldige bezeichnet noch von der Schuld
freigesprochen.
Wir lesen: „Und Gott sagte: Adam,
verweile du und deine Gattin im Paradies und esst Früchte, von
wo ihr wollt !“
Sobald jedoch die Geschichte der
Versuchung durch den Satan erzählt wird, werden die Pronomen
in dem im Arabischen möglichen Dual verwendet:
„Da flüsterte ihnen der Satan böse
Gedanken ein ...“ „... und so verführte er sie beide, indem er
sie beide betörte, und er beschwor sie beide: ’Ich rate euch
gut!’ “
Heiliger Qur´an 7:19-21
Der Heilige Qur´an richtet sich also
gegen diese damals vertretene und noch heute in einigen
Gegenden der Welt anzutreffende Ansicht und spricht die Frau
von der Anschuldigung frei, ein Mittel der Versuchung und der
Ursprung der Sünde zu sein. Bedauerlicherweise gibt es aber
einige dem Propheten (s.) zugeschriebene so genannte
Überlieferungen, die in der umayyadischen Periode erfunden
wurden, um ein frauenverachtendes Verhalten späterer Kalifen
zu rechtfertigen. Sie werten die Frau ab, sind aber eben nicht
authentisch. So genannte “Islamexperten“ beziehen sich jedoch
gerne darauf.
Es gibt noch ein weiteres abfälliges
Urteil über die geistigen Fähigkeiten der Frau. Es wurde
behauptet, sie käme nicht in den Himmel, weil sie nicht die
notwendige Vollkommenheit erreichen könne. Die Frau könne Gott
niemals so nahe stehen wie der Mann. In vielen Versen des
Heiligen Qur´an wird jedoch betont, dass Gottes Lohn und
Aufmerksamkeit dem gebühren, der glaubt und danach handelt.
Der Heilige Qur´an nennt neben jedem großen und heiligen Mann
eine große und heilige Frau.
Eine weitere abwertende Ansicht über die
Frau betrifft die sexuelle Entsagung und die hohe religiöse
Wertschätzung der Ehelosigkeit, wie sie in manchen Religionen
praktiziert wird. Wie wir wissen, ist der Geschlechtsverkehr
nach Auffassung einiger Religionen verpönt bzw. nur im
Zusammenhang der möglichen Kinderzeugung akzeptabel. Nach
dieser Auffassung können nur diejenigen eine hohe Stufe der
geistigen Entwicklung erreichen, die ein Leben in Ehelosigkeit
leben. Die Ehe sei letztendlich nur deshalb erlaubt, da sie
zur Erhaltung der Menschheit notwendig sei, also ein
notwendiges Übel. Da die meisten Männer nicht imstande seien,
sich zu beherrschen und sich deshalb der Unzucht hingaben,
kämen sie zwangsläufig mit vielen Frauen in Berührung. Um dies
auszuschließen, sei es daher ratsam für sie, zu heiraten. Die
Idee der sexuellen Entsagung und der Befürwortung der
Ehelosigkeit entspricht einer frauenfeindlichen Gesinnung,
welche die Liebe zur Frau als ein großes moralisches
Verderbnis betrachtet.
Der Islam stellt sich gegen diesen
Aberglauben und sieht die Ehe als heilig, die Ehelosigkeit
jedoch als Missstand an. Er bezeichnet die Liebe zur Frau als
edlen Brauch der Propheten: Bertrand Russel sagt: „Mit
Ausnahme des Islam ist in allen Religionen ein gewisses
Misstrauen gegenüber der sexuellen Neigung zu beobachten.“
Im Interesse der Gesellschaft hat zwar auch der Islam die
Grenzen dieser Neigung aufgezeigt und Vorschriften erlassen,
die Sexualität an sich aber niemals als schlecht bezeichnet.
Ganz im Gegenteil soll die Sexualität zwischen Mann und Frau
in der Ehe die Ehepartner einander näher bringen und ihre
Liebe erweitern. Im Islam sind der Sexualität zwischen
Ehepartnern bis auf geringe Ausnahmen kaum Grenzen gesetzt.
Die Sexualität soll in der Ehe in vollen Zügen ausgelebt
werden, damit weder Mann noch Frau auf abwegige Gedanken
kommen, etwas außerhalb der Ehe zu suchen. Darum sollte im
Islam z.B. eine Frau ihren Mann auch nicht abweisen außer in
begründeten Fällen wie z.B. Krankheit, in denen vom Mann
ohnehin entsprechende Rücksicht durch den Islam gefordert
wird. Ein ständig abgewiesener Mann läuft irgendwann Gefahr –
selbst wenn er seine Frau liebt – die Sexualität, die er
benötigt, anderenorts zu suchen, was wiederum zum Nachteil für
die Frau, aber auch die gesamte Familie wäre.
Der Islam umreißt das Ziel der Schöpfung
mit klaren Worten: Himmel und Erde, Wind und Wolken, Pflanzen
und Tiere seien für den Menschen geschaffen worden. So sind
auch Mann und Frau nach islamischer Auffassung
gleichberechtigt füreinander geschaffen worden. Dazu heißt es
im Heiligen Qur´an:
„Sie sind euch ein Gewand, und ihr
seid ihnen ein Gewand“.
Heiliger Qur´an 2:187
Schließlich wurde verächtlich über die
Frau geäußert, sie sei ein notwendiges Übel. Trotz der großen
Vorteile, deren die Männer sich durch die Frau erfreuten,
verachteten die meisten ihre Frau und betrachteten sie als
Ursache ihres Unglücks und ihrer Schwierigkeiten. Dieser
Aspekt findet im Heiligen Qur´an besondere Erwähnung durch
Richtigstellung. In ihm heißt es, die Frau bedeutet für den
Mann Glück und innere Ruhe.
Eine letzte unter den vorislamischen
Arabern sowie einigen anderen Völkern vorherrschende Meinung
maß der Rolle der Frau bei der Fortpflanzung eine geringe
Bedeutung bei. Sie betrachteten den Körper der Mutter als eine
Art Behälter, der den Samen des Mannes, welcher die
eigentliche Saat sei, zum Heranwachsen des Kindes aufnehme.
Durch die Feststellung des Heiligen Qur´an: „Ihr seid von
Mann und Frau gezeugt worden“
sowie andere Verse, wurde dieser Denkweise durch den Islam ein
Ende bereitet.
Wir haben also feststellen können, dass
der Islam weder eine philosophisch noch eine
schöpfungsgeschichtlich begründete abfällige Meinung über die
Frau vertritt; im Gegenteil, er hat solche Ansichten
zurückgewiesen.