Faszination Frau

Faszination
Frau im Islam

 Fatima Özoguz und Mihriban Özoguz

Zum Inhaltsverzeichnis

Zeitehe

Das, was wir im Deutschen als “Zeitehe“ [mut’a] bezeichnen, heißt eigentlich “Genussehe“ (das Wort "mut'a" bedeutet Genuss) und verdeutlicht, wie unbefangen der Islam mit den Thema umgeht. Um einem Missverständnis vorzubeugen, sei bereits hier darauf hingewiesen, dass die permanente Ehe noch viel genussvoller ist, da sie noch vielmehr Genüsse beinhaltet.

Die Zeitehe bzw. Genussehe ist eine Form der im Islam erlaubten Ehe, bei der die Dauer der Ehe von vornherein abgesprochen und festgelegt wird. Diese kann nach verschiedenen Rechtsgelehrten zwischen einer Stunde und 99 Jahren betragen – also unbegrenzt, aber nur für das Diesseits. Die Wartezeit der Frau nach Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Ableben des Ehemannes gilt auch bei dieser Form, wenn auch nur 45 Tage, wie auch die Brautgabe und viele andere Regeln der zeitlich unbegrenzten Ehe. Im Gegensatz zu der unbegrenzten Ehe können aber bei der Zeitehe Beschränkungsvereinbarungen getroffen werden, die bei der zeitlosen Ehe nicht zulässig sind. So kann z.B. eine nur eingeschränkte Sexualität vereinbart werden und vieles andere mehr. Zudem besteht auch keine Unterhaltspflicht des Mannes in einer befristeten Ehe. Daher wird diese Form der Ehe auch oft wie z.B. eine “Verlobung“ durchgeführt.

Bei der islamischen Legitimation der Zeitehe gehen die Meinungen auseinander. Während diese Form der Ehe in der Schia erlaubt ist, wird sie bei Sunniten verboten. Ein weiterer Unterschied ist, dass ein Schiit eine Nichtmuslima, die einer Buchreligion angehört (z.B. Christinnen), nur in Zeitehe ehelichen darf, wohingegen ein Sunnit sie zeitlos ehelicht. Nach sunnitischer Rechtsauffassung wurde die Erlaubnis zur Zeitehe, die im Heiligen Qur´an zweifelsfrei (siehe 4:24) vermerkt ist, vom Propheten Muhammad (s.) aufgehoben. Die Aufhebung eines Verses des Heiligen Qur´an durch eine externe Quelle, und selbst wenn es der Prophet Muhammad (s.) wäre, ist nach schiitischer Ansicht nicht möglich und auch niemals von den Ahl-ul-Bait[1] praktiziert worden. Es existiert kein Fall, in dem ein Vers außerhalb des Heiligen Qur´an abrogiert wurde - zumindest nicht durch Allah und seinen Propheten Muhammad (s.) und Seine Imame (a.). Hierin wurzelt daher auch die Regel, dass eine der Grundbedingungen für die Authentizität einer Überlieferung, deren völlige Widerspruchslosigkeit zum Heiligen Qur´an eine unerlässliche Bedingung ist. Darüber hinaus stellt der Heilige Qur´an die höhere Autorität dar. Darin heißt es:

„...Und was ihr genossen [istamta'tum] habt gemäß Vereinbarung, gebt ihnen ihre Brautgabe als Vorschrift. Und es ist keine Sünde, wenn ihr über die Vereinbarung hinaus miteinander eine Übereinkunft trefft, nach Erfüllung der Vorschrift. Seht, Allah ist Allwissend und Allweise.“

Heiliger Qur´an 4:24

In diesem Vers wurde weder der Begriff “Ehe“, noch irgend eines seiner Derivate benutzt, sondern ein Derivat des Wortes “Mut'a“ (Genuss- bzw. Zeitehe): “Istamta'tum“. Das Wort "istamta'a" ist eine Verbalform der Wurzel “m-t-a“. Dementsprechend ist die Mut'a eine Form der Ehe, doch die Regularien unterscheiden sich etwas von denen der permanenten Ehe, einschließlich der Tatsache, dass das Paar seinen Vertrag verlängern kann, wie auch das Ende des Verses schon spezifiziert. Es besteht Übereinstimmung unter den Rechtsgelehrten aller Rechtsschulen, dass obiger Vers zunächst die Erlaubnis der Zeitehe beschrieb. Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob und von wem der Vers zu einem späteren Zeitpunkt auf­geho­ben wurde. Während sunnitische Gelehrte die Aufhebung auf den Propheten Muhammad (s.) beziehen, verweisen schiitische Rechtsgelehrte auf das Verbot ab der Kalifenzeit Umar ibn Chatabs[2]. Zahlreiche sunnitische Kommentatoren, wie Fachr al-Radhi[3], bestätigen, dass o.g. Vers (4:24) bezüglich der Zeitehe offenbart wurde. Sie erklären gerade heraus, dass die Zeitehe aufgrund o.g. Verses erlaubt wurde und sagen, sie sei später verboten worden. Zudem zitieren auch diese Gelehrten teilweise eine sehr bedeutsam klingende Aussage von Imam Ali (a.): "Ali (r.a.[4]) sagte: Die Mut'a ist eine Gnade von Allah an seine Diener. Wäre es nicht aufgrund des Verbotes durch Umar, würde niemand die Sünde der Unzucht begehen außer den Schlimmsten".[5]

Umar selbst bezog sich bei seinem Verbot nie auf ein Verbot durch den Propheten Muhammad (s.). Das haben andere erst später getan. Umar sagte selbst: "Die Zeitehe war erlaubt zu Zeiten des Propheten, und ich verbiete sie". Der große sunnitische Gelehrte Fachr al-Radhi schrieb in seinen umfangreichen Auslegungen zum Heiligen Qur´an unter o.g. Vers: „Umar sagte: ‚Zwei Arten der Zeitehe waren (legal) zur Zeit des Propheten und ich verbiete sie beide, und ich bestrafe jene, die sie begehen. Dies sind: Zeitehe der Pilgerfahrt und die allgemeine Zeitehe’ “.[6]

Zahlreiche Überlieferungen hierzu zeigen, dass beide Formen der Zeitehe zu Zeiten des Propheten Muhammad (s.) und Abu Bakr[7] praktiziert wurden sowie in den frühen Zeiten von Umars Regierung. Doch verboten wurden sie durch Umar, wie er es auch selbst in weniger bekannten Überlieferungen bezeugt. Einer der Gefährten, welcher in Opposition zur Gesetzesänderung durch Umar stand, war sein Sohn Abdullah ibn Umar! Er bestand auf der Legalität beider Formen der Zeitehe: „Jemand fragte Abdullah Ibn Umar über die Zeitehe der Pilgerfahrt, und er antwortete: ’Sie ist erlaubt [halal]’. Daraufhin fragte man ihn: 'Dein Vater verbot sie'. Er sagte: 'Glaubst du, dass mein Vater verbieten kann, was der Prophet erlaubte? Soll ich dem folgen, was mein Vater sagte oder dem, was der Prophet anordnete?' Der Mann antwortete: 'Natürlich dem, was der Prophet anordnete.'“[8] Selbst in einem der beiden bekanntesten sunnitischen Überlieferungswerke wird auf diesen Umstand hingewiesen:

Des weiteren berichtet Dschabir ibn Abdullah: ‚Wir schlossen Vereinbarungen über "Zeitehen" ab für eine Handvoll Datteln oder Getreide zu Zeiten des Propheten (s.) und zu Zeiten Abu Bakrs, bis Umar uns dies verbot wegen Amr Ibn Huraith’ “[9]

Über den Sinn und die Bedeutung der Zeitehe gibt ein gekürzter Auszug aus Ayatollah Morteza Motahharis Buch “Stellung der Frau im Islam“ einige Hinweise:

Den Ehepartnern erwachsen aus der Dauerehe mehr Verantwortung und Pflichten. Daher gibt es kaum Mädchen und Jungen, die schon zu Beginn ihrer Volljährigkeit, d.h. während sie bereits voll unter dem Druck ihres Geschlechtstriebes stehen, imstande sind, diese Verantwortung auch zu übernehmen. Es ist eine Charakteristik unserer Zeit, dass der Abstand zwischen der biologischen Reife und der sozialen Mündigkeit zur Gründung einer Familie immer größer wird. Wenn Sie heute einem 18-jährigen Schüler, der auf Höhe seiner sexuellen Reife steht, vorschlagen zu heiraten, wird er Sie auslachen, ebenso eine 16-jährige Schülerin. Es ist praktisch unmöglich, dass sie in diesem Alter die Bürde der Dauerehe und die Verantwortung eines Lebens, das mit vielen Verpflichtungen gegenüber dem Ehepartner und den Kindern verbunden ist, auf sich zu nehmen.

Welche Alternativen gibt es? Vorläufige Enthaltsamkeit, sexueller Kollektivismus oder Zeitehe? Es wäre interessant zu wissen, was unter diesen Umständen mit der Natur des Menschen und seinem sexuellen Trieb geschehen soll. Soll der Mensch dahingehend beeinflusst werden, dass die Volljährigkeit verzögert wird, bis wir unsere Ausbildung beendet haben, weil uns heutzutage die Umstände nicht erlauben, mit 18 bzw. 16 Jahren zu heiraten?

Sind die jungen Menschen bereit, eine Zeit lang wie Mönche zu leben, Entbehrungen auf sich zu nehmen und ein asketisches Leben zu führen, bis eine Möglichkeit für die Dauerehe gefunden worden ist? Angenommen, ein junger Mensch ist bereit, eine vorläufige Enthaltsamkeit zu akzeptieren, wird sich die Natur diesem Zwang soweit anpassen, dass die zu erwartenden gefährlichen psychischen Folgen dieses Verzichts, die durch die moderne Psychologie festgestellt wurden, ausbleiben?

Es bleiben nur zwei Alternativen: Wir überlassen die jungen Menschen sich selbst, erlauben einem jungen Mann, unzählige Mädchen zu verführen und sehen großzügig darüber hinweg, wie ein Mädchen zu mehreren Männern uneheliche Beziehungen unterhält und ein Kind nach dem anderen abtreibt; denn es entspricht nach Meinung kurzsichtiger Interpreten dem Geiste der Menschenrechtserklärung, wenn Mann und Frau gemeinsam und Schulter an Schulter marschieren, auch wenn der Weg ins Ungewisse führt. Werden solche Jungen und Mädchen mit solchen uneingeschränkten Beziehungen während ihrer Ausbildung später die Männer und Frauen fürs Leben sein, wenn sie die Dauerehe miteinander eingehen? Die zweite Alternative ist die freiere Zeitehe. Die Zeitehe hält an erster Stelle die Frau davon ab, gleichzeitig die Partnerin mehrerer Männer zu sein. Die an die Zeitehe gekoppelte Verantwortung führt somit auch zur Selbstbeschränkung des Mannes.[10]

Wirft man einen Blick auf die Wünsche und Sehnsüchte der heutigen Jugend auch im deutschsprachigen Raum, so kann man ohne Vorurteile feststellen, dass die Jugend durchaus den Partner für das Leben sucht und durchaus das Ideal verfolgt, mit dem “Ersten“ auch zusammen zu bleiben. Dass dieser Wunsch dann leider oft nicht in Erfüllung geht, hat vielfältige Gründe. Falsche Moralvorstellungen mancher muslimischer Eltern hingegen führen zu einer unnatürlichen Entwicklung, die ebenfalls nicht dem Ideal nahe kommt. Die Zeitehe gibt denjenigen eine Chance, welche die Verantwortung für eine Dauerehe noch nicht übernehmen können, dennoch eine geregelte Partnerschaft einzugehen. Denn sie verpflichten sich ja dazu, Verantwortung zu übernehmen und gehen die Verpflichtung bewusst ein.

Abschließend soll daran erinnert werden, dass die Zeitehe zwar eine Möglichkeit, nicht aber das Ideal darstellt. Das Ideal ist die Dauerehe! Aber so manche Zeitehe hat den Weg zur Dauerehe geebnet.

Unabhängig davon, ob in genussvoller Zeit- oder noch genussvollerer Dauerehe, die Muslima schenkt ihre Schönheit ganz bewusst einem Mann, den sie bewusst und selbst ausgewählt hat. Alle anderen erhalten nicht den Genuss ihres Anblicks, sondern müssen sich mit ihr als “Mensch“ begnügen, was sie durch ihren Hidschab – die Verhüllung – ausdrückt, die ihre Schönheit nur dem zeigt, den sie sich dann erwählt hat, nämlich ihren Ehemann!

„Und diejenigen, welche sprechen: „Unser Herr, gewähre uns an unseren Frauen und Kindern Augentrost und mache uns zu einem Vorbild für die Gottesehrfürchtigen.“

Heiliger Qur´an 25:75

[1] Prophet Muhammad (s.), Fatima (a.) und die Zwölf Imame (a.)

[2] Er war der zweite Kalif.

[3] Fachr al-Radhi (1149 - 1209 n.Chr.) war ein bekannter Geistlicher und Philosoph aus dem Iran und stammt aus Rey (heute Vorort von Teheran). Er wurde in einer schafiitisch (eine sunnitische Rechtsschule) orientierten Familie geboren, welche der Philosophie der Aschariyya anhing. Ihm werden 60 umfangreiche Werke zugeschrieben, darunter auch eine Enzyklopädie. Er gilt als Philosoph, Geschichtsschreiber, Mathematiker, Astronom, Physiker und Theologe und betrieb Auslegung [tafsir] des Heiligen Qur´an zugleich. Seine Anhänger gaben ihm den Titel "Imam al-Mushakkikien" (Imam der Zweifler), da er die Bedenken der Zweifler beseitigen konnte. Aber er selbst starb mit Zweifel.

[4] Sunnitische Gelehrte setzen die Formel „radhiallahu anhu“ (Gott mit ihm zufrieden sein) hinter den Namen von Imam Ali (a.)

[5] Sunnitische Quellen zu dieser Aussage: Tafsir al-Kabir von al-Tha'labi, Tafsir al-Kabir von Fachr al-Radhi, Tafsir al-Kabir von Ibn Dscharir al-Tabari, Tafsir al-Durr al-Manthur von al-Suyuti, Tafsir al-Qurtubi, Tafsir Ibn Hayyan, Tafsir Nisaburi von al-Nisaburi.

[6] Tafsir al-Kabir, al-Fachr al-Radhi, und Musnad Ahmad Ibn Hanbal, Band 1

[7] Der erst Kalif und Vorgänger von Umar, der die Zeitehe verbot.

[8] Sahih al-Tirmidhi, Band 1, - Tafsir al-Qurtubi, Band 2

[9] Sahih Muslim Überlieferung 3249 im Abschnitt über die Zeitehe: Bab Nikah al-Mut'a

[10] Auszug aus Stellung der Frau im Islam von Ayatollah Morteza Motahharis - Islamisches Echo in Europa, Vierte Folge, Islamisches Zentrum Hamburg, April 1982, Seiten 50-85

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de