Zeitehe
Das, was wir im Deutschen als “Zeitehe“ [mut’a]
bezeichnen, heißt eigentlich “Genussehe“ (das Wort "mut'a"
bedeutet Genuss) und verdeutlicht, wie unbefangen der Islam
mit den Thema umgeht. Um einem Missverständnis vorzubeugen,
sei bereits hier darauf hingewiesen, dass die permanente Ehe
noch viel genussvoller ist, da sie noch vielmehr Genüsse
beinhaltet.
Die Zeitehe bzw. Genussehe ist eine Form
der im Islam erlaubten Ehe, bei der die Dauer der Ehe von
vornherein abgesprochen und festgelegt wird. Diese kann nach
verschiedenen Rechtsgelehrten zwischen einer Stunde und 99
Jahren betragen – also unbegrenzt, aber nur für das Diesseits.
Die Wartezeit der Frau nach Beendigung der Ehe durch Scheidung
oder Ableben des Ehemannes gilt auch bei dieser Form, wenn
auch nur 45 Tage, wie auch die Brautgabe und viele andere
Regeln der zeitlich unbegrenzten Ehe. Im Gegensatz zu der
unbegrenzten Ehe können aber bei der Zeitehe
Beschränkungsvereinbarungen getroffen werden, die bei der
zeitlosen Ehe nicht zulässig sind. So kann z.B. eine nur
eingeschränkte Sexualität vereinbart werden und vieles andere
mehr. Zudem besteht auch keine Unterhaltspflicht des Mannes in
einer befristeten Ehe. Daher wird diese Form der Ehe auch oft
wie z.B. eine “Verlobung“ durchgeführt.
Bei der islamischen Legitimation der
Zeitehe gehen die Meinungen auseinander. Während diese Form
der Ehe in der Schia erlaubt ist, wird sie bei Sunniten
verboten. Ein weiterer Unterschied ist, dass ein Schiit eine
Nichtmuslima, die einer Buchreligion angehört (z.B.
Christinnen), nur in Zeitehe ehelichen darf, wohingegen ein
Sunnit sie zeitlos ehelicht. Nach sunnitischer
Rechtsauffassung wurde die Erlaubnis zur Zeitehe, die im
Heiligen Qur´an zweifelsfrei (siehe 4:24) vermerkt ist, vom
Propheten Muhammad (s.) aufgehoben. Die Aufhebung eines Verses
des Heiligen Qur´an durch eine externe Quelle, und selbst wenn
es der Prophet Muhammad (s.) wäre, ist nach schiitischer
Ansicht nicht möglich und auch niemals von den Ahl-ul-Bait
praktiziert worden. Es existiert kein Fall, in dem ein Vers
außerhalb des Heiligen Qur´an abrogiert wurde - zumindest
nicht durch Allah und seinen Propheten Muhammad (s.) und Seine
Imame (a.). Hierin wurzelt daher auch die Regel, dass eine der
Grundbedingungen für die Authentizität einer Überlieferung,
deren völlige Widerspruchslosigkeit zum Heiligen Qur´an eine
unerlässliche Bedingung ist. Darüber hinaus stellt der Heilige
Qur´an die höhere Autorität dar. Darin heißt es:
„...Und was ihr genossen [istamta'tum]
habt gemäß Vereinbarung, gebt ihnen ihre Brautgabe als
Vorschrift. Und es ist keine Sünde, wenn ihr über die
Vereinbarung hinaus miteinander eine Übereinkunft trefft, nach
Erfüllung der Vorschrift. Seht, Allah ist Allwissend und
Allweise.“
Heiliger Qur´an 4:24
In diesem Vers wurde weder der Begriff
“Ehe“, noch irgend eines seiner Derivate benutzt, sondern ein
Derivat des Wortes “Mut'a“ (Genuss- bzw. Zeitehe): “Istamta'tum“.
Das Wort "istamta'a" ist eine Verbalform der Wurzel “m-t-a“.
Dementsprechend ist die Mut'a eine Form der Ehe, doch die
Regularien unterscheiden sich etwas von denen der permanenten
Ehe, einschließlich der Tatsache, dass das Paar seinen Vertrag
verlängern kann, wie auch das Ende des Verses schon
spezifiziert. Es besteht Übereinstimmung unter den
Rechtsgelehrten aller Rechtsschulen, dass obiger Vers zunächst
die Erlaubnis der Zeitehe beschrieb. Die Meinungen gehen
darüber auseinander, ob und von wem der Vers zu einem späteren
Zeitpunkt aufgehoben wurde. Während sunnitische Gelehrte die
Aufhebung auf den Propheten Muhammad (s.) beziehen, verweisen
schiitische Rechtsgelehrte auf das Verbot ab der Kalifenzeit
Umar ibn Chatabs.
Zahlreiche sunnitische Kommentatoren, wie Fachr al-Radhi,
bestätigen, dass o.g. Vers (4:24) bezüglich der Zeitehe
offenbart wurde. Sie erklären gerade heraus, dass die Zeitehe
aufgrund o.g. Verses erlaubt wurde und sagen, sie sei später
verboten worden. Zudem zitieren auch diese Gelehrten teilweise
eine sehr bedeutsam klingende Aussage von Imam Ali (a.):
"Ali (r.a.)
sagte: Die Mut'a ist eine Gnade von Allah an seine Diener.
Wäre es nicht aufgrund des Verbotes durch Umar, würde niemand
die Sünde der Unzucht begehen außer den Schlimmsten".
Umar selbst bezog sich bei seinem Verbot
nie auf ein Verbot durch den Propheten Muhammad (s.). Das
haben andere erst später getan. Umar sagte selbst: "Die
Zeitehe war erlaubt zu Zeiten des Propheten, und ich verbiete
sie". Der große sunnitische Gelehrte Fachr al-Radhi
schrieb in seinen umfangreichen Auslegungen zum Heiligen
Qur´an unter o.g. Vers: „Umar sagte: ‚Zwei Arten der
Zeitehe waren (legal) zur Zeit des Propheten und ich verbiete
sie beide, und ich bestrafe jene, die sie begehen. Dies sind:
Zeitehe der Pilgerfahrt und die allgemeine Zeitehe’ “.
Zahlreiche Überlieferungen hierzu zeigen,
dass beide Formen der Zeitehe zu Zeiten des Propheten Muhammad
(s.) und Abu Bakr
praktiziert wurden sowie in den frühen Zeiten von Umars
Regierung. Doch verboten wurden sie durch Umar, wie er es auch
selbst in weniger bekannten Überlieferungen bezeugt. Einer der
Gefährten, welcher in Opposition zur Gesetzesänderung durch
Umar stand, war sein Sohn Abdullah ibn Umar! Er bestand auf
der Legalität beider Formen der Zeitehe: „Jemand fragte
Abdullah Ibn Umar über die Zeitehe der Pilgerfahrt, und er
antwortete: ’Sie ist erlaubt [halal]’. Daraufhin fragte man
ihn: 'Dein Vater verbot sie'. Er sagte: 'Glaubst du, dass mein
Vater verbieten kann, was der Prophet erlaubte? Soll ich dem
folgen, was mein Vater sagte oder dem, was der Prophet
anordnete?' Der Mann antwortete: 'Natürlich dem, was der
Prophet anordnete.'“
Selbst in einem der beiden bekanntesten sunnitischen
Überlieferungswerke wird auf diesen Umstand hingewiesen:
„Des weiteren berichtet Dschabir ibn
Abdullah: ‚Wir schlossen Vereinbarungen über "Zeitehen" ab für
eine Handvoll Datteln oder Getreide zu Zeiten des Propheten
(s.) und zu Zeiten Abu Bakrs, bis Umar uns dies verbot wegen
Amr Ibn Huraith’ “
Über den Sinn und die Bedeutung der
Zeitehe gibt ein gekürzter Auszug aus Ayatollah Morteza
Motahharis Buch “Stellung der Frau im Islam“ einige Hinweise:
Den Ehepartnern erwachsen aus der
Dauerehe mehr Verantwortung und Pflichten. Daher gibt es kaum
Mädchen und Jungen, die schon zu Beginn ihrer Volljährigkeit,
d.h. während sie bereits voll unter dem Druck ihres
Geschlechtstriebes stehen, imstande sind, diese Verantwortung
auch zu übernehmen. Es ist eine Charakteristik unserer Zeit,
dass der Abstand zwischen der biologischen Reife und der
sozialen Mündigkeit zur Gründung einer Familie immer größer
wird. Wenn Sie heute einem 18-jährigen Schüler, der auf Höhe
seiner sexuellen Reife steht, vorschlagen zu heiraten, wird er
Sie auslachen, ebenso eine 16-jährige Schülerin. Es ist
praktisch unmöglich, dass sie in diesem Alter die Bürde der
Dauerehe und die Verantwortung eines Lebens, das mit vielen
Verpflichtungen gegenüber dem Ehepartner und den Kindern
verbunden ist, auf sich zu nehmen.
Welche Alternativen gibt es? Vorläufige
Enthaltsamkeit, sexueller Kollektivismus oder Zeitehe? Es wäre
interessant zu wissen, was unter diesen Umständen mit der
Natur des Menschen und seinem sexuellen Trieb geschehen soll.
Soll der Mensch dahingehend beeinflusst werden, dass die
Volljährigkeit verzögert wird, bis wir unsere Ausbildung
beendet haben, weil uns heutzutage die Umstände nicht
erlauben, mit 18 bzw. 16 Jahren zu heiraten?
Sind die jungen Menschen bereit, eine
Zeit lang wie Mönche zu leben, Entbehrungen auf sich zu nehmen
und ein asketisches Leben zu führen, bis eine Möglichkeit für
die Dauerehe gefunden worden ist? Angenommen, ein junger
Mensch ist bereit, eine vorläufige Enthaltsamkeit zu
akzeptieren, wird sich die Natur diesem Zwang soweit anpassen,
dass die zu erwartenden gefährlichen psychischen Folgen dieses
Verzichts, die durch die moderne Psychologie festgestellt
wurden, ausbleiben?
Es bleiben nur zwei Alternativen: Wir
überlassen die jungen Menschen sich selbst, erlauben einem
jungen Mann, unzählige Mädchen zu verführen und sehen
großzügig darüber hinweg, wie ein Mädchen zu mehreren Männern
uneheliche Beziehungen unterhält und ein Kind nach dem anderen
abtreibt; denn es entspricht nach Meinung kurzsichtiger
Interpreten dem Geiste der Menschenrechtserklärung, wenn Mann
und Frau gemeinsam und Schulter an Schulter marschieren, auch
wenn der Weg ins Ungewisse führt. Werden solche Jungen und
Mädchen mit solchen uneingeschränkten Beziehungen während
ihrer Ausbildung später die Männer und Frauen fürs Leben sein,
wenn sie die Dauerehe miteinander eingehen? Die zweite
Alternative ist die freiere Zeitehe. Die Zeitehe hält an
erster Stelle die Frau davon ab, gleichzeitig die Partnerin
mehrerer Männer zu sein. Die an die Zeitehe gekoppelte
Verantwortung führt somit auch zur Selbstbeschränkung des
Mannes.
Wirft man einen Blick auf die Wünsche und
Sehnsüchte der heutigen Jugend auch im deutschsprachigen Raum,
so kann man ohne Vorurteile feststellen, dass die Jugend
durchaus den Partner für das Leben sucht und durchaus das
Ideal verfolgt, mit dem “Ersten“ auch zusammen zu bleiben.
Dass dieser Wunsch dann leider oft nicht in Erfüllung geht,
hat vielfältige Gründe. Falsche Moralvorstellungen mancher
muslimischer Eltern hingegen führen zu einer unnatürlichen
Entwicklung, die ebenfalls nicht dem Ideal nahe kommt. Die
Zeitehe gibt denjenigen eine Chance, welche die Verantwortung
für eine Dauerehe noch nicht übernehmen können, dennoch eine
geregelte Partnerschaft einzugehen. Denn sie verpflichten sich
ja dazu, Verantwortung zu übernehmen und gehen die
Verpflichtung bewusst ein.
Abschließend soll daran erinnert werden,
dass die Zeitehe zwar eine Möglichkeit, nicht aber das Ideal
darstellt. Das Ideal ist die Dauerehe! Aber so manche Zeitehe
hat den Weg zur Dauerehe geebnet.
Unabhängig davon, ob in genussvoller
Zeit- oder noch genussvollerer Dauerehe, die Muslima schenkt
ihre Schönheit ganz bewusst einem Mann, den sie bewusst und
selbst ausgewählt hat. Alle anderen erhalten nicht den Genuss
ihres Anblicks, sondern müssen sich mit ihr als “Mensch“
begnügen, was sie durch ihren Hidschab – die Verhüllung –
ausdrückt, die ihre Schönheit nur dem zeigt, den sie sich dann
erwählt hat, nämlich ihren Ehemann!
„Und
diejenigen, welche sprechen: „Unser Herr, gewähre uns an
unseren Frauen und Kindern Augentrost und mache uns zu einem
Vorbild für die Gottesehrfürchtigen.“
Heiliger Qur´an 25:75