Das korrekte Verhalten (Erzähler: Freunde des Märtyrers)
Wir fuhren durch die 17. Schahriwar-Straße. Ich saß auf dem
Motorrad hinter Ibrahim. Plötzlich fuhr ein anderer
Motorradfahrer aus einer Seitenstrasse heraus und bog in
dieselbe Straße ein wo wir gerade entlang fuhren,
glücklicherweise prallten wir nicht zusammen. Doch Ibrahim
musste stark bremsen.
Der junge Motorradfahrer, der der kein besonders gutes
Aussehen hatte, brüllte: „Hey, was machst du da!“, dann hielt
er und schaute uns empört an! Alle wussten, dass er Schuld
hatte. Ich hätte gerne gesehen, dass Ibrahim, der gut
durchtrainiert war, vom Motorrad gestiegen wäre und ihm eine
verpasst hätte. Aber Ibrahim sagte auf seine Frechheit hin mit
einem Lächeln auf den Lippen: „Salam!”
Der verärgerte Motorradfahrer war erstaunt. Es schien als
hätte er so ein Verhalten nicht erwartet. Nach kurzem Zögern
sagte er: „Salam, ich bitte um Entschuldigung“ und fuhr
weiter. Wir fuhren ebenfalls weiter. Unterwegs begann Ibrahim
zu reden und beantwortete die bei mir entstandenen Fragen:
„Hast du gesehen, was passiert ist? Mit einem Salam war die
Wut des Mannes abgeflaut. Er hat sich sogar entschuldigt. Nun,
wenn ich auch geschrieen hätte und auf den Streit eingegangen
wäre, hätte ich nur meiner Moral geschadet, mehr nicht.“
Ibrahims Handhabung, das Gute zu gebieten und das Schlechte
zu verwehren, war sehr interessant. Wenn er sagen wollte,
etwas sollte man nicht tun, machte er es indirekt.
Beispielsweise verwies er auf die negativen medizinischen oder
sozialen Aspekte einer Tat, damit die Person selber zu dem
Ergebnis komme, es zu lassen. Daraufhin führte er ihm
Beispiele von religiösen Vorschriften vor Augen.
Einer von Ibrahims Freunden hatte die Gewohnheit fremden
Frauen nachzuschauen. Ständig suchte er unmoralische
Beschäftigungen. Keiner seiner Freunde konnte etwas an seinen
Gewohnheiten ändern, ob durch gutes Zureden oder durch
Anschreien.
Der Junge wurde von den wenigsten respektiert. Aber Ibrahim
hatte sich mit ihm angefreundet! Er nahm ihn sogar mit zum
Sportverein und gab ihm das Gefühl respektiert zu werden vor
allem vor anderen.
Eine Weile verging bis Ibrahim mit ihm redete. Als Erstes
sprach er seine Ehre an, indem er sagte: „Was würdest du
machen, wenn jemand deiner Mutter oder deiner Schwester
hinterher gehen und sie belästigen würde?“ Der Junge
antwortete wütend: „Ich würde seine Augen herausreißen!“
Ibrahim sagte im Anschluss: „Junge, wenn du für die Ehre
deiner eigenen Mutter oder Schwester dermaßen empfindlich
bist, warum tust du dann selber diese falsche Tat?“ „Schau
mal, wenn jeder den Müttern, Frauen und Schwestern anderer
nachschauen und hinterherlaufen würde, würde die Gesellschaft
auseinanderbrechen und es würde kein Stein mehr auf dem
anderen bleiben.“
Ibrahim redete dann über das Haram des unreinen Blickes auf
eine fremde Frau und las ihm eine Überlieferung des Propheten
(a.) vor: „Hütet eure Augen vor unzüchtigen Blicken, um die
Wunder zu sehen."(Mizan Al-Hekmah, B. 10, S. 72
89). Er führte ihm weitere Beispiele an und der Junge
bestätigte ihn. Dann sagte er: „Entscheide dich, wenn wir
Freunde bleiben wollen, musst du dir diese Sache abgewöhnen“.
Ibrahims angemessene Haltung und die Gründe, die er
angeführt hatte, führten zu einer allgemeinen Änderung seines
Verhaltens. Er wandelte sich und wurde einer der guten Jungen
in der Gegend. Sein früheres Fehlverhalten hatte er
aufgegeben. Er war ein Beispiel für diejenigen, die Ibrahim
mit seinem guten Verhalten und seinen Argumentationen und
wohlwollenden Beratungen ändern konnte.
Eine unserer Gassen bekam seinen Namen. Er wurde Märtyrer!
***
Es war Herbst 1361. Wir waren mit dem Motorrad unterwegs in
Richtung „Azadi“-Platz. Ich wollte Ibrahim, der an die Front
reisen wollte, zum westlichen Busterminal bringen als ein
schickes Auto an uns vorbei fuhr. Eine Frau, deren Hijab sehr
schlecht war, war die Beifahrerin. Sie blickte in Ibrahims
Richtung und beschimpfte ihn. Ibrahim forderte mich auf,
schnell hinterher zu fahren! Ich verfolgte das Auto mit hoher
Geschwindigkeit und als wir es erreichten signalisierten wir,
es solle am Straßenrand anhalten. Ich dachte nur, diesmal
kommt es zum Streit. Ich wartete gespannt auf Ibrahims
Reaktion. Er winkte kurz und begrüßte sie dann herzlich
während er auf dem Motorrad sitzen blieb! Der Fahrer, der ja
alles mit angesehen hatte, hatte mit einer solchen Begrüßung
nicht im geringsten gerechnet.
Ibrahim sagte: „Ich bitte äußerst um Verzeihung. Ihre Frau
hat mich und alle die einen Bart tragen beleidigt. Ich möchte
gerne wissen...“. Der Fahrer unterbrach Ibrahim und sagte:
„Meine Frau hätte sich das nicht erlauben dürfen, sie hat
damit einen Fehler gemacht.“ Ibrahim entgegnete: „Nein, reden
Sie nicht so über Ihre Frau. Ich würde nur gerne wissen, ob
sie ein Recht an mir hat? Habe ich etwas Falsches getan, dass
sie sich mir gegenüber derart verhalten hat?“
Der Mann war sprachlos. Er stieg aus dem Auto, küsste
Ibrahims Gesicht und sagte: „Nein mein lieber Freund, Sie
haben nichts Falsches getan. Wir haben einen Fehler gemacht
und wir schämen uns dafür“. Nachdem der Mann sich abermals
entschuldigte trennten wir uns. Dieses Verhalten von Ibrahim
in jener Zeit war für mich sehr eindrucksvoll. Damit zeigte er
uns, wie man mit den Menschen korrekt umgeht. Er sagte immer
diesen Satz: „Im Leben sind diejenigen erfolgreicher, die bei
der Wut der anderen geduldiger sind und nicht irrational
handeln.“ Dies war Ibrahims Erfolgsformel bei seinen
Konfrontationen.
Sein Verhalten erinnerte mich an folgenden Koranvers: „Die
Diener des Gnadenreichen sind diejenigen, die in würdiger
Weise auf Erden wandeln, und wenn die Unwissenden sie anreden,
sprechen sie: „Frieden“.“ (Heiliger Quran
25:63)