Der Gefangene (Erzählende: Mehdi Faridwand, Morteza
Parsaian)
Zu Ibrahims Eigenschaften gehörten sein Respekt gegenüber
anderen, sogar gegenüber Kriegsgefangene. Immer wieder hörte
ich von Ibrahim wie er sagte: „Die meisten unserer Feinde sind
unwissend und uninformiert. Sie müssen den wahren Islam durch
uns kennen lernen. Dann werdet ihr sehen wie sehr sie gegen
die Baath-Partei sein werden.“ Ibrahims erster Gedanke bei den
Einsätzen war, seine Gegner gefangen zu nehmen nicht zu töten.
Er ging mit ihnen sehr korrekt um. Drei irakische Gefangene
wurden in die Stadt gebracht. Noch war kein Platz für ihren
Aufenthalt vorgesehen. Ibrahim hatte die Verantwortung für
ihre Bewachung. All das was sie alle zum Lebensunterhalt
bekamen verteilte Ibrahim auch unter den Gefangenen. Das
führte dazu, dass alle ebenso die Gefangenen von Ibrahims
Verhalten begeistert waren. Er konnte auch ein wenig arabisch
reden. Wenn er nichts zu tun hatte, setzte er sich zu den
Gefangenen und redete mit ihnen. Zwei Tage lang war er mit
ihnen zusammen bis der Wagen zum Abtransport kam. Sie fragten
Ibrahim, ob er auch mitkomme? Als die Antwort negativ war,
wurden sie sehr traurig. Sie flehten ihn weinend an, mit den
Worten, lass uns hier bleiben. Wir machen alles was ihr wollt.
Wir sind sogar bereit, gegen die Baathis zu kämpfen.
***
Die Einsätze in den Bazideraz-Höhen begannen. Wir beide
gingen ein wenig in Richtung dieser Höhen und entfernten uns
dabei von unseren Kameraden. Plötzlich erreichten wir einen
Graben, in dem sich irakische Soldaten befanden. Ich
signalisierte mit meiner Waffe, dass sie heraus kommen
sollten. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so viele waren!
Wir waren nur zwei, sie fünfzehn. Ich forderte sie auf sich in
Bewegung zu setzen aber sie rührten sich nicht vom Fleck! Sie
standen derart um uns herum, dass jeden Augenblick die
Möglichkeit eines Angriffs bestand. Ich forderte sie noch
einmal laut auf sich zu bewegen, aber alle Iraker schauten nur
zu dem Offizier, der hinter ihnen stand. Der Offizier der
Baath Partei deutete mit einer Geste an, dass sie stehen
bleiben sollen. Ich hatte Angst. Bisher war ich noch nie in
einer solchen Situation gewesen. Ich hatte schon einen
bitteren Geschmack im Mund. Dann dachte ich kurz daran zu
schießen, das wäre aber nicht korrekt gewesen.
Jeden Moment bestand die Gefahr das etwas passiert. Aus
Angst umklammerte meine Hand die Waffe, wobei ich Gott um
Hilfe bat. Dann sah ich, dass Ibrahim in unsere Richtung kam.
Ich verspürte eine innere Ruhe. Als er uns erreichte wandte
ich meinen Blick nicht von den Gefangenen ab, ich sagte nur:
„Herr Ibrahim, Hilfe!“ Er fragte: „Was ist denn passiert?“ Ich
sagte: „Das Problem hier ist der Offizier. Er will nicht, dass
seine Leute sich bewegen!“ Dann zeigte ich auf den Offizier.
Seine Uniform und sein Grad schien sehr auffällig zu sein.
Ibrahim schulterte seine Waffe und ging vor. Mit einer Hand
ergriff er den Kragen des Mannes und mit der anderen seinen
Gürtel, er hob ihn hoch und warf ihn mehrere Meter weit nach
vorne.
Alle Iraker setzten sich vor Angst hin und erhoben ihre
Hände. Der Offizier flehte Ibrahim an: „Gnade, Gnade“. Ich
freute mich so sehr und meine ganze Angst war verflogen.
Ibrahim brachte den irakischen Offizier zurück zu den anderen
Gefangenen. An jenem Tag hatte Gott uns Ibrahim zur Hilfe
geschickt. Schließlich brachten wir alle zu unserem
Stützpunkt.