Die Unschuld (Erzähler: Mehdi Ramezani)
Obwohl ich noch sehr jung war hat Gott mir das Geschenk
gegeben, mit seinen besten Dienern in der Komeil-Division
zusammen sein zu können.
In der Nacht des Einsatzes gingen wir bis zum dritten
Graben vor. Dieser Graben war sehr eng und ungefähr ein Meter
tief. Im Gegensatz zum zweiten Graben, der groß war und voller
Hindernisse. Doch noch in der gleichen Nacht kehrten alle
Soldaten zurück zum zweiten Graben, der später als der „Komeil“
Graben bekannt wurde. Ich verbrachte mit anderen Kameraden
fünf Tage darin.
Am Morgen des nächsten Tages zielten irakische
Scharfschützen auf jedes bewegliche Objekt. Es war einfach nur
schrecklich. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie
Ibrahim mit seiner ganzen Kraft, mannhaft den Graben
verteidigte! Der Kommandeur und sein Stellvertreter waren
gefallen oder verletzt worden und Ibrahim war der Einzige, der
die Männer leitete. Er teilte sie alle auf. Drei Personen
bildeten jeweils eine Gruppe und jede Gruppe befand sich mit
einem gewissen Abstand von der anderen im Graben. Eine Person
hielt Wache am Rand des Grabens, drei weitere im Graben. Die
Märtyrer brachte Ibrahim an das Ende des Grabens, damit diese
sich weit von den Männern befanden. Die Verletzten wiederum
brachte er wo anders unter um sie vor dem Feindesfeuer zu
schützen.
Zur Zeit des Gebets rief Ibrahim den Gebetsruf aus und wir
verrichteten unter diesen schweren Umständen an drei
Tageszeiten das Gemeinschaftsgebet! Auch munterte uns Ibrahim
immer wieder auf und gab somit allen Hoffnung auf die Zukunft.
Nach der erfolglosen zweiten Phase, gaben sich die Männer
mehr Mühe! Sie wollten unbedingt einen Weg aus dieser
Aussichtslosigkeit finden. Beim letzten Kontakt, den wir mit
unserer Armee hatten, sagte Kommandeur Hadjipur, der etwas
später Märtyrer wurde, bekümmert: „Wir können nichts tun, wenn
ihr könnt, dann versucht euch irgendwie zurückzuziehen.“
Es war Donnerstag der 21. Bahman als wir vor und hinter uns
den Lärm von Panzern und Schützenpanzerwagen hörten! Wir
gruben die Grabenwand aus und formten so eine Art Treppe.
Manche dachten es wäre Hilfe für uns gekommen, aber nein, es
war der Feind!
Die irakischen Soldaten rückten mit Panzern vor. Sie hatten
herausgefunden, dass sich im Graben noch iranische Soldaten
aufhielten! Ich erinnere mich noch gut an einen Jugendlichen
namens Seyyed Jaafar Taheri (Märtyrer), der die RPG-7
(Panzerfaust) nahm, die Treppe hochstieg und mit einem gut
gezielten Schuss, den Feindespanzer traf. Das führte dazu,
dass sie sich ein wenig zurückzogen. Unsere Männer konnten
dann durch permanentes Schießen einige Iraker töten und
einige, die sehr weit nach vorne gekommen waren, sogar
gefangen nehmen.
Unter diesen prekären Umständen, kamen jetzt auch noch fünf
Gefangene zu uns! Der Mangel an Wasser und Essen war kaum
auszuhalten. Die meisten waren total erschöpft. Dann wurde
plötzlich ein Lautsprecher eingeschaltet! Eine Person, ein
Verräter, begann zu reden und sagte: „Ihr Iraner, ergebt euch,
es wird euch nichts geschehen. Essen und Wasser steht für euch
bereit , ergebt euch...“ und spornten uns so zum Kapitulieren
an.
Wir waren wirklich fast am Ende vor Durst und Hunger.
Einige von uns sagten: „Kommt, wir geben auf. Wir haben unsere
Pflicht getan, auf unsere Rettung besteht keine Hoffnung
mehr.“ Einer von den jugendlichen Basijis sagte: „Wenn wir
heute gefangengenommen werden und das irakische Fernsehen uns
zeigt und Imam Khomeini uns sieht und traurig wird, was dann?
Wir sind doch wegen seiner Zufriedenheit an die Front
gegangen?“ Diese Worte führten dazu, dass keiner bereit war,
sich zu ergeben. Ibrahim freute sich, als er das hörte und
sagte: „Wir müssen die Munition und den Vorrat, der uns noch
geblieben ist, unter den Soldaten verteilen.“ All das übrig
gebliebene Wasser und Essen gaben wir bei Ibrahim ab. Er gab
jedem eine Thermosflasche mit etwas Wasser und ein wenig
Essen. Den fünf irakischen Gefangenen gab er ebenfalls eine
Ration!! Manche taten sich damit schwer, aber Ibrahim sagte:
„Sie sind unsere Gäste.“ Wir gaben unsere übrig gebliebene
Munition den gesunden Soldaten, damit sie Wache halten
konnten.
Am nächsten Morgen dem 22. Bahman, zogen sich die Panzer
des Feindes ein Stück zurück! Einige unserer Soldaten nutzten
diese Gelegenheit und flohen, doch manche von ihnen traten auf
Minen und ...
Eine Stunde später wurde das Feuer des Feindes heftiger.
Niemand konnte mehr etwas tun. Am Nachmittag des 22. Bahmans
näherten sich die Iraker wieder und nahmen den Graben unter
Dauerbeschuss! Dann sahen wir plötzlich wie sich ihre Waffen
über den Rand des Grabens auf uns richteten! Ein irakischer
Offizier stieg die, von unseren Männern gebaute Treppe,
hinunter. Ein Soldat folgte ihm. Er gab dem ersten unserer
Schwerverletzten einen Tritt, als er bemerkte, dass dieser
noch am Leben war und sagte zu dem Soldaten: „Schieß.“
Der Soldat schoss. Der nächste Verletzte war ein
unschuldiger Jugendlicher, in dessen Gesicht der irakische
Offizier trat! Dann sagte er dem Soldaten: „Schieß.“ Doch der
Soldat weigerte sich! Der Offizier schrie ihn an. Aber der
Soldat rührte sich nicht! Schließlich zog der Offizier seine
Pistole und schoss ihm mitten ins Gesicht. Er fiel neben
unseren Märtyrern zu Boden! Danach verließ er sofort den
Graben und gab Befehl zu feuern und...
Einige Minuten später verließen die Iraker in der Annahme,
dass alle im Graben tot wären, den Ort. Man hörte nichts mehr.
Als die Sonne unterging war es merkwürdig still in Fakke! Ich
und einige andere konnten überleben. Wir standen auf und
schauten uns ein wenig um. Die meisten derjenigen, die
überleben konnten, waren verletzt. Es war völlig dunkel als
wir uns auf den Weg machten. Vor Tagesanbruch erreichten wir
unseren Stützpunkt und ...