Ibrahim Hadi

Friede sei mit Ibrahim

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Friede sei mit Ibrahim

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Die Verletzung (Erzähler: Morteza Parsaian und Ali Moghaddam)

Alle Divisionen marschierten vorwärts. Wir mussten die vor uns liegenden Stellungen und Schützengräben durchqueren, wobei mit Tagesanbruch alles nur noch schwieriger wurde. In der Nähe der Refaie-Brücke jedoch wurde es dann richtig kompliziert. Ein irakischer Soldat feuerte heftig aus einem der Gräben heraus , so dass keiner von unseren Soldaten sich bewegen konnte. Egal was wir versuchten, wir konnten den betonierten Graben nicht treffen.

Ich rief Ibrahim und zeigte von weit auf den Graben. Er schaute genau hin und sagte: „Die einzige Lösung ist, sich dem Graben zu nähern und eine Handgranate hinein zu werfen!“ Dann ließ er sich von mir zwei Handgranaten geben und kroch in Richtung des Grabens. Ich kroch ihm hinterher. Wir versteckten uns in den Gräben doch Ibrahim ging weiter und suchte einen anderen Platz von dem aus er die Handgranate besser platzieren konnte. Aber es geschah etwas Außergewöhnliches! In dem Graben, den er ausgewählt hatte, befand sich ein junger Basiji, der von einer Explosionswelle getroffen worden war und seine Waffe auf Ibrahims Brust drückte und ständig wiederholte: „Ich bringe dich um, du Iraker!“

Ibrahim setzte sich hin, hob seine Hände und schwieg. Wir alle waren schockiert und wussten nicht was wir tun sollten! Einige Momente waren vergangen. Der Feind hörte nicht auf zu schießen. Langsam kroch ich weiter, bis ich diesen Graben erreichte. Ich machte nur Doa und sagte: „Oh Allah hilf uns! Von gestern Nacht an bis jetzt hatten wir keine Probleme mit dem Feind und jetzt stecken wir in dieser ungewöhnlichen Situation fest.“

Plötzlich verpasste Ibrahim dem Basiji einen Schlag ins Gesicht, entwaffnete ihn und umarmte ihn schließlich! Der Basiji, der wieder zu sich gekommen war, weinte. Ibrahim rief mich und übergab ihn mir dann sagte er: „Bisher habe ich noch nie jemandem ins Gesicht geschlagen, aber hier war es nötig“. Dann näherte er sich dem Graben des Feindes. Er warf die erste Granate hinein, es war ergebnislos. Er stand auf, rannte aus seinem Graben heraus und warf die zweite. Im nächsten Augenblick erfolgte eine Explosion. Wir standen Allahu-Akbar rufend auf und marschierten weiter nach vorne. Ich schaute voller Freude unsere Kameraden an, doch als ich danach aus meinem Graben herausschaute wurde ich blass und mein Lächeln war erfroren! Ibrahim lag blutüberströmt auf dem Boden. Ich warf meine Waffe weg und rannte zu ihm.

Genau in der Sekunde wo die Granate explodierte, wurde Ibrahim von einer Kugel am Mund und von einer weiteren am Bein getroffen. Er hatte eine Menge Blut verloren und lag fast bewusstlos auf dem Boden. Ich schrie: „Ibrahiiiiim!“. Mit Hilfe einer unserer Kameraden brachten wir ihn und paar andere Verletzte zum Militärlazarett in Dezful.

Ibrahim war bis zum Ende des Einsatzes dabei und wurde nun bei der Besetzung des letzten Feindesgraben verletzt. Unterwegs weinte ich ständig. Ich war traurig und fürchtete, dass Ibrahim es diesmal nicht überstehen wird. Der Arzt im Militärlazarett in Dezful sagte: „Die Kugel, die das Gesicht getroffen hat, ist auf wunderbare Weise hinten aus seinem Hals wieder herausgegangen und hat keinen großen Schaden angerichtet. Die Kugel aber, die sein Bein getroffen hat, habe den Knochen zersplittert. Dazu kam, dass seine alte Verletzung am Schenkel wieder angefangen hatte zu bluten. Daher müsse er unbedingt nach Teheran verlegt werden.

Einen Monat lang war er im Krankenhaus „Najmie“ in Teheran hospitalisiert, dort wurde er mehrmals operiert. Ibrahim sagte in einem Interview mit einem Journalisten, der zu uns ins Krankenhaus gekommen war: „Obwohl wir uns monatelang auf diesen Einsatz so gut vorbereitet hatten, waren wir nur mit Hilfe Gottes und mit dem Ruf Ja Zahra (a.) erfolgreich. Ibrahim redete weiter: „Als wir stundenlang durch die Wüste liefen und vor Erschöpfung fast umfielen, warfen wir uns nieder und baten Gott um Hilfe. Dann baten wir Imam Mahdi (a.), dass er uns selbst den richtigen Weg zeigen möge. Als wir aufstanden, empfanden wir eine außergewöhnliche Ruhe, die meisten waren sogar eingeschlafen und ein frischer Wind wehte. Ich ging der Richtung des Windes nach und schon nach einer kurzer Strecke erreichte ich den Graben in der Nähe des Artillerie-Stützpunktes“. Zum Schluss fragte der Journalist, ob Ibrahim eine Botschaft an das Volk habe, da antwortete Ibrahim: „Wir schämen uns unserem Volk gegenüber, weil sie von ihrem Abendessen auch uns etwas zuschickten. Ich muss erst zerstückelt werden, wenn ich diesem Volk meinen Tribut leisten möchte!“

Ibrahim konnte sich wegen seines Beinbruchs kaum bewegen. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er ungefähr sechs Monate lang weit von der Front gewesen. Aber auch in dieser Zeit vernachlässigte er nicht die sozialen und religiösen Aktivitäten in seiner Gegend und in der Moschee.

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