Der Krieg der Türken im Mai 1916
Nach dem großen Erfolge der Türken bei Kut-el-Amara wurde
es zunächst wieder etwas stiller auf dem asiatischen
Kriegsschauplatz.
Das türkische Hauptquartier meldete am 1. Mai: »An der
Kaukasusfront mußten die feindlichen Truppen, die am 12. April
unsere Truppen angegriffen hatten, die westlich von Musch bis
nördlich vom Berge Kozma aufgestellt waren, sich nach
siebenstündigem Kampfe zurückziehen, wobei sie eine Anzahl von
Gefangenen in unseren Händen ließen. Der Feind, der in Stärke
von etwa einem Regiment am 15. April eine Abteilung unserer
Truppen angegriffen hatte, die sich in dem Abschnitt südlich
von Aschkale befand, wurde mit Verlusten für ihn
zurückgetrieben, wobei er uns eine große Menge Lebensmittel
überlassen mußte. Der Feind, der in der Nacht vom 16. zum 17.
April den Abschnitt der Höhe westlich von Aschkale angriff,
besetzte einen von zwei unserer Kompagnien gehaltenen
Schützengraben, der jedoch von uns im Gegenangriff mit dem
Bajonett wiedergenommen wurde.«
Der Bericht des Hauptquartiers vom 8. Mai lautete: »Von der
Irak- und Kaukasusfront ist nichts Wichtiges zu melden. Auf
der Höhe von Imbros bewarfen ein Monitor und ein Kreuzer,
unterstützt durch die Beobachtungen von Flugzeugen,
wirkungslos die Umgebung von Sedd-ul-Bahr mit 40 Geschossen.
Eins unserer Flugzeuge traf durch zwei Bomben den feindlichen
Kreuzer, der, in Rauch eingehüllt, die hohe See gewann.«
Das türkische Hauptquartier meldete am 8. Mai: »In den
letzten Kämpfen bei Katia und bei Divar westlich davon und 15
Kilometer östlich vom Suezkanal nahmen wir dem Feinde 240
Lasttiere, 120 Kamele, 67 Zelte, 220 Sättel, 57 Kisten
Munition, 100 Gewehre, zwei Maschinengewehre, 163 Säbel und
eine Menge Bajonette, Konserven und andere Gegenstände ab. An
der Front von Aden versuchte am 10. März eine feindliche, aus
Infanterie und Kavallerie zusammengesetzte Abteilung, durch
eine Flankenbewegung unsere Abteilung nördlich von Scheik
Osman zu überraschen. Sie wurde zurückgewiesen und ließ Tote
und Verwundete am Platze. Am 15. und 16. März unternahm unsere
auf Amad nordöstlich von Scheik Osman entsandte Abteilung
einen überraschenden Angriff, der gelang. Der Feind gab nach
zweistündigem Widerstand Amad auf und zog sich nach Süden
zurück trotz seiner schweren Geschütze, die von Scheik Osman
herangeführt worden waren, und trotz der Kanonen eines
Kreuzers, der sich östlich von Amad befand. In dieser Schlacht
verlor der Feind sieben Offiziere und mehr als 300 Tote und
Verwundete, unsere Verluste dagegen betragen etwa 30 Mann.«
Am 10. Mai wurde berichtet: »An der Kaukasusfront erzielten
wir einige Erfolge und machten eine Anzahl Gefangene und
Beute. Bei einem überraschenden Angriff im Abschnitt von
Kirvaz wurde der Feind unter Verlusten zurückgeworfen. Als
Vergeltungsmaßregel gegenüber der russischen Flotte, die
offene Städte und Dörfer an der anatolischen Küste beschießt
und harmlose Segler und Fischerboote zerstört, vernichtete der
Kreuzer »Midilli« zwischen Sebastopol und Eupatoria ein Schiff
von 4000 Tonnen und eine Anzahl von Segelschiffen. Zwei
unserer Flugzeuge warfen am 25. April morgens mit Erfolg
Bomben auf das Lager, das Ausbesserungsdock und feindliche
Petroleumlager von Port Said und kehrten unbeschädigt zurück.«
Ueber die große Beute von Kut-el-Amara gab der türkische
Heeresbericht vom 9. Mai uns Auskunft. Er meldete: »An der
Irakfront im Abschnitt von Felahie nur zeitweise aussetzende
Tätigkeit der beiden Artillerien. Das Steigen des Tigris hat
auf beiden Seiten einen Teil der Gräben zerstört. Wir haben
die unsrigen sogleich wieder instand gesetzt. Die Namen der
höheren Kommandeure, die bei Kut-el-Amara gefangen genommen
wurden, sind folgende: Außer dem General Townshend der
Kommandant der sechsten Infanterie-Division Powna und der
Divisionär Matios, die Kommandeure der 16., 17. und 18.
Brigade, nämlich die Generäle Dalmack und Hamilton, sowie
Oberst Evens, ferner der Kommandeur der Artillerie Smith,
sodann 551 sonstige Offiziere niedrigen Grades, darunter die
Hälfte Europäer, der Rest Inder. Von den gefangenen Soldaten
sind etwa 25 Prozent Engländer, die übrigen Inder. Obwohl der
Feind vor der Kapitulation einen Teil der Geschütze, Gewehre
und Kriegsmaterial zerstörte und das übrige in den Tigris
warf, verblieb noch eine Beute, die bis jetzt noch gezählt
wird und mit leichten Ausbesserungen verwendbar ist, nämlich
40 Kanonen verschiedenen Kalibers, 20 Maschinengewehre, fast
5000 Gewehre und eine große Menge Artillerie- und
Infanterie-Munition, ein großes und ein kleines Schiff, die
gegenwärtig wieder verwendet werden, vier Automobile, drei
Flugzeuge und eine Menge Kriegsgerät, das noch nicht gezählt
ist.«
Vom türkischen Kriegsschauplatz: Eine Sanitätsstation in
der Wüste. Vor dem Zelt türkische und deutsche Pfleger.
Schöne türkische Erfolge im Kaukasusgebiet meldete der
amtliche Bericht aus Konstantinopel vom 10. Mai: »An der
Irakfront im Abschnitt von Felahie kein Ereignis. An der
Kaukasusfront wurde der Feind im Abschnitt des Kope-Berges (an
der Tschoruk-Front) in dem Gefechte, welches am 8. Mai
vormittags mit unserem Angriffe begann und bis zum Abend
dauerte, durch Bajonettangriff aus seinen Stellungen in einer
Ausdehnung von beinahe 15 Kilometern verdrängt und ostwärts
zurückgeworfen. In diesem Gefecht machten wir sechs Offiziere
und über 300 Mann zu Gefangenen und nahmen vier in gutem
Zustande befindliche Maschinengewehre weg. Desgleichen wurden
infolge des erfolgreichen überraschenden Angriffs in der Nacht
zum 9. Mai auf das Lager des Feindes bei Baschkjöi, 15
Kilometer südöstlich von Mamahatun (östlich von Ersingjan) und
südlich von Tusla Dere 250 Infanteristen und 250
Kavalleristen, welche die feindliche Streitmacht bildeten, mit
dem Bajonett und Handgranaten zu heilloser Flucht gezwungen
und bis auf eine geringe Anzahl vernichtet. Der Feind, welcher
westlich von Dschewislik (24 Kilometer südlich Trapezunt)
vorzudringen versuchte, mußte sich infolge einer
Umgehungsbewegung unserer Truppen nach Norden zurückziehen.
Ein feindliches Torpedoboot warf einige Geschosse auf die
Küste von Kemikli und zog sich dann zurück. Ein Kreuzer
feuerte, ohne Wirkung zu erzielen, 50 Geschosse auf die Küste
westlich von der Insel Neusten; unsere Artillerie erwiderte.
Wir dementieren die russischen Berichte vom 3. und 4. Mai 1916
folgendermaßen: In der Nacht zum 3. Mai machten russische
Truppen nacheinander zwei überraschende Angriffe gegen unsere
Front am Kope im nördlichen Abschnitt der Tschoruk-Front. Der
erste wurde abgewiesen. Beim zweiten gelang es den Russen, in
die Gräben zweier unserer Kompagnien einzudringen, aber gegen
Morgen nahmen wir ihnen unsere Gräben durch einen Gegenangriff
vollständig wieder ab.«
Nach Petersburger amtlichen Berichten »siegten« ja die
Russen in Armenien unentwegt weiter, ohne allerdings vorwärts
zu kommen. Der türkische Heeresbericht führte die russischen
Erfolge in Richtung Ersingjan und in Richtung Diarbekir auf
das rechte Maß zurück; hier handelte es sich um einen überdies
belanglosen Augenblickserfolg, dort fand überhaupt kein Kampf
statt. Dagegen konnten die osmanischen Truppen sowohl am 8.
wie am 9. Mai im Tschoruk-Abschnitt wie auch östlich des
westlichen Euphrat sehr bemerkenswerte Erfolge davontragen. Am
Kopeberg am Tschoruk wurden die Russen in einer Frontbreite
von fast fünfzehn Kilometern nach Osten verdrängt und kräftig
verfolgt, im Euphrat-Gebiet gelang es den Türken, feindliche
Abteilungen bei Baschkjöi südöstlich Mamahatun, wie auch bei
Tusla Dere, östlich Mamahatun, zu werfen.
Der Bericht des Hauptquartiers vom 12. Mai lautete:
»Kaukasusfront. Der bei den Kämpfen am 8. Mai aus seinen
Stellungen nach Osten verjagte Feind machte alle
Anstrengungen, sich in seinen neuen Stellungen zu halten. Die
Zahl der in diesem Kampf erbeuteten Maschinengewehre erhöhte
sich auf fünf.«
Aus Konstantinopel wurde am 15. Mai amtlich berichtet:
»Eines unserer Wasserflugzeuge überflog in der Nacht vom 13.
zum 14. Mai die Insel Imbros und warf mit Erfolg Bomben auf
zwei große feindliche Schiffe, die in der Bai von Kephalos
ankerten. Unser Wasserflugzeug kehrte trotz des Feuers der
feindlichen Artillerie unversehrt zurück. Ein feindlicher
Monitor, der in einen Hafen an der Nordwestküste der Insel
Keusten einlaufen wollte, geriet in das Ueberraschungsfeuer
unserer Artillerie. Ihre Volltreffer ließen den Monitor in
Flammen gehüllt und rauchend scheitern. Während der mehrere
Stunden andauernden Feuersbrunst wurden deutlich die
Explosionen gehört, die von der in dem Schiffe befindlichen
Munition herrührten. Ein feindliches Flugzeug, das inzwischen
erschienen war, warf sechs Bomben auf das Gestade von Ourla,
tötete einen Mann und zwei Frauen der Zivilbevölkerung und
verletzte ein Kind.«
Am 15. und 16. Mai griff der Feind die östlich der
Ortschaft Aghnot aufgestellten türkischen Abteilungen an,
mußte sich aber unter schweren Verlusten zurückziehen. Die
Angriffe, welche der Gegner am 16. Mai an vier Punkten gegen
die türkische Stellung auf dem Berge Ziaret Tepe, 40 Kilometer
östlich von der Ortschaft Balburt (zwischen Trapezunt und
Ersingjan), sowie gegen die Stellung bei Ack Dagh
(nordwestlich Erzerum), zehn Kilometer südlich von dem
genannten Berge, machte, wurden sämtlich mit ungeheuren
Verlusten für den Feind abgeschlagen.«
Am 18. Mai beschossen drei feindliche Kriegsschiffe zwei
Stunden hindurch die Ortschaft El Arisch. Gleichzeitig
erschienen dort sechs feindliche Flieger und warfen hundert
Bomben ab. Eine Person wurde getötet, fünf leicht verletzt. El
Arisch liegt auf der Halbinsel Sinai, 150 Kilometer östlich
von Port Said.
Am 22. Mai wurde mitgeteilt: »Der russische amtliche
Bericht vom 14. Mai 1916 meldet, daß russische Reserve- und
Landwehrtruppen in der Richtung auf Ersingjan einen hohen
Gebirgsstock besetzt hätten, der von uns stark befestigt
gewesen sei. Sie hätten ferner 30 Offiziere und 365 Mann zu
Gefangenen gemacht und außerdem mehrere türkische
Offensivstöße in der Richtung auf Mamahatun zum Halten
gebracht. In dem Kampf, der zwei Tage dauerte, hätte die
russische Kolonne die Türken geschlagen, eine gewisse Anzahl
von Gefangenen gemacht und außerdem ein Geschütz, 2000
Gewehre, viele Patronen, Pulver und Kriegsmaterial erbeutet.
Da keine Kampfhandlung ähnlicher Art bisher auf der
Kaukasusfront stattgefunden hat weder an diesem Tage noch
vorher, so dementieren wir kategorisch die Behauptung des
russischen amtlichen Berichtes hinsichtlich der angeblichen
Besetzung eines beherrschenden Gebirgsstockes und diejenigen
über die Gefangennahme der Offiziere und Soldaten sowie über
die Beute, die vollkommen erfunden sind.«
Der türkische Kriegsbericht vom 23. Mai lautete: »In der
Nacht vom 19. Mai erschienen acht feindliche Flieger in der
Gegend der Dardanellenstraße. Sie warfen ungefähr 70 Bomben
ohne jede Wirkung. In derselben Nacht unternahm eines unserer
Wasserflugzeuge auf der Verfolgung der feindlichen Flieger
einen Flug nach Imbros, wo es aus 600 Meter Höhe neun Bomben
auf die feindlichen Flugzeugschuppen warf. Gute Wirkung wurde
festgestellt. Als Erwiderung auf die Beschießung von El Arisch
griff eines unserer Fliegergeschwader in der Nacht vom 20. bis
21. Mai Port Said an und warf zahlreiche Bomben auf die an der
Küste und im Hafen verankerten feindlichen Schiffe, sowie auf
Militärposten der Stadt. Wir stellten fest, daß durch diese
Bomben große Brände hervorgerufen wurden. Trotz heftigen
Feuers seitens der Truppen und feindlichen Schiffe sind unsere
Flieger sämtlich wohlbehalten zurückgekehrt.«
Am 24. Mai wurde amtlich gemeldet: »An der Irakfront keine
Veränderung. Die russischen Streitkräfte, deren Vormarsch in
der Richtung Kasri Schirin (auf dem Wege Kermandschah–Bagdad)
auf Kankin (Hanikin?) gemeldet worden war, sind gezwungen
worden, ihr Vordringen in der Gegend der Grenze einzustellen.
In einem Gefecht mit russischen Abteilungen, die an der
persischen Grenze gerade nördlich von Suleimanieh bemerkt
worden waren, brachten wir ihnen einen Verlust von mehr als
200 Mann bei.«
Die Unternehmungen der Russen in Persien, die darin
bestanden, daß russische Truppen in türkisches Gebiet kamen,
hatten keinerlei militärische Bedeutung. Die Besetzung von
Kasri Schirin und von Rewandus gehörte zu diesen nutzlosen
Streifzügen. Die Russen verfolgten mit derartigen
Unternehmungen nur den Zweck, die Aneignung Persiens
durchzuführen und die Schlappe zu verdecken, die sie im
Kaukasus durch den kräftigen Widerstand der Türken erlitten
hatten.
In den letzten Tagen des Mai nur unbedeutende Gefechte, die
den Feinden keinerlei Erfolge brachten.