Die Türkenkämpfe Anfang Oktober 1915
Verspätet zu uns gelangte eingehende amtliche Berichte der
Türken erzählten über die schon im September erfolgte Einnahme
der Stadt Lahadsch durch die Türken in dem an Aden
angrenzenden Gebiete von Südarabien. Die der Eroberung
vorangegangenen Kämpfe waren besonders erbittert. Die
osmanischen Streitkräfte, bestehend aus regulären Truppen
aller drei Waffen und eingeborenen Kriegern, griffen am Morgen
des 4. Juli die sehr starken Stellungen, die von den
Engländern vor der Stadt Lahadsch errichtet worden waren, an,
indem sie plötzlich das Infanterie- und Artilleriefeuer
eröffneten. Der Kampf, der gegen Abend an Heftigkeit zunahm,
dauerte bis eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, worauf der
Feind aus seinen ersten Schützengräben vertrieben wurde und
sich auf seine zweite Linie zurückzog. Er wurde weiter hart
bedrängt und wich gegen 10 Uhr abends bis zu den ersten
Häusern der Stadt und zu den Basteien zurück. Türkische
Infanterie drang in die Stadt ein. Es folgten erbitterte
Straßenkämpfe, die vielfach zum Handgemenge führten. Es blieb
nicht einmal so viel Zeit, um das Bajonett aufzupflanzen,
weshalb man mit dem Kolben einhieb. Der Feind zog sich
allmählich gegen Aden zurück. Ein Teil der Engländer, der
nicht fliehen konnte, setzte den Widerstand in einigen
Verschanzungen fort, die von der türkischen Artillerie heftig
beschossen und schließlich zerstört wurden. Das
Artilleriefeuer verursachte einen Brand. Als sich die
Engländer kämpfend in der Richtung auf Aden zurückzogen,
konnten die türkischen Truppen die Stadt gänzlich besetzen.
Ein Reserveoffizier und fünf indische Soldaten wurden gefangen
genommen, vier Schnellfeuergeschütze sowie fünf
Maschinengewehre erbeutet. Außerdem wurden neun Automobile und
anderes Kriegsmaterial genommen. Die Verluste des Feindes
waren sehr groß. Während des Rückzuges litten die Engländer
schrecklich unter Durst und Sonnenstich. Mehr als zweihundert
Leichen wurden auf der Straße gefunden.
Das türkische Hauptquartier teilte noch mit: »Am 27.
September brachten unsere Küstenbatterien ein feindliches
Torpedoboot in der Gegend des Kerevizdere zum Sinken und
beschossen wirksam die feindlichen Stellungen an der Küste von
Sedd-ul-Bahr. In der Nacht vom 27. zum 28. September
überraschten unsere nach verschiedenen Richtungen ausgesandten
Erkundungs-Abteilungen eine feindliche Abteilung in einem
Hinterhalt, machten sie zum Teil nieder und nahmen den anderen
Teil gefangen. Sie schlugen andere Erkundungs-Kolonnen, die
sie angetroffen hatten, in die Flucht und erbeuteten eine
Anzahl Gewehre und Munition. Bei Sedd-ul-Bahr erwiderte am 28.
September unsere Artillerie kräftig das Feuer verschiedener
feindlicher Batterien, die einen Augenblick lang unsere
Stellungen beschossen hatten, und brachten sie zum Schweigen.«
Ein in Bergabhängen eingebautes Truppenlager.
Ueber die erfolgreiche Tätigkeit deutscher U-Boote im
Schwarzen Meer erfuhren wir aus Odessa, daß sehr weit im
Schwarzen Meer zwei deutsche Unterseeboote, ein großes, ganz
modernes, und ein kleineres, an der Krimhalbinsel aufgetaucht
wären. Das größere hätte einige Fabriken beschossen und
mehrere Fischerboote versenkt. Selbst die Russen rühmten den
kühnen Mut der Deutschen, sich ungeachtet der herrschenden
großen Stürme so weit von ihrer Basis entfernt zu haben.
Ferner meldete das türkische Hauptquartier am 1. Oktober:
»An der Front von Irak überraschten unsere vorgeschobenen
fliegenden Abteilungen in der Nacht zum 26. September
feindliche Streitkräfte, die unter dem Schutze von
Kanonenbooten nördlich von Korna an den Ufern des Tigris
gelandet waren. Sie brachten ihnen schwere Verluste bei. Am
nächsten Tage machte unsere Artillerie abends einen Ueberfall.
Der Feind antwortete. Die Größe der feindlichen Verluste ist
unbekannt. Nichtsdestoweniger beobachteten wir, wie die
Engländer eine beträchtliche Menge toter Soldaten und Pferde
in den Fluß warfen. Am 27. September ging der Feind am Morgen
mit frischen, von hinten auf Kanonenbooten herbeigeführten
Truppen zur Offensive über, die die erste Abteilung verstärken
sollten. Der Kampf war heftig und dauerte bis zum Abend an.
Aber die feindliche Offensive scheiterte vollkommen dank der
Ausdauer unserer vorgeschobenen Abteilungen, die dreimal bis
viermal so starken Streitkräften gegenüber erbitterten
Widerstand leisteten. Ein feindliches Flugzeug wurde durch
unser Feuer beschädigt und heruntergeschossen. Außerdem
setzten wir 25 feindliche Segelschiffe, die mit Munition und
Proviant beladen waren, in Brand und nahmen eine
Telegraphen-Abteilung gefangen, die sich auf einem Schiffe
befand. Die Engländer benutzten auch auf dieser Front
Dum-Dum-Geschosse und betäubende Gase. – An der kaukasischen
Front wurde bei einem Zusammenstoß auf dem rechten Flügel
zwischen unseren aufklärenden Kolonnen und einer feindlichen
Reiter-Abteilung diese gezwungen, zu fliehen. Sie ließen einen
Unteroffizier und mehrere Soldaten als Gefangene in unseren
Händen zurück. – An der Dardanellenfront beschoß der Feind bei
Anaforta am 29. September vormittags vergeblich unsere
Stellungen mit Artillerie vom Lande und vom Meere aus. Unsere
Artillerie antwortete, brachte einen feindlichen Mörser zum
Schweigen und zerstörte eine Maschinengewehrstellung. Bei Ari
Burnu Artilleriegefecht mit Unterbrechungen. Bei Sedd-ul-Bahr
brachte der Feind auf unserem rechten Flügel eine Mine zur
Entzündung, ohne Wirkung zu erzielen.«
Aus Bagdad wurde am 1. Oktober berichtet: »Im Dorfe Berl
fand die feierliche Ueberreichung des Säbels von Iman Hassan
und der Fahne Iman Abbas, die bisher in dem schiitischen
Heiligtum von Kerbela aufbewahrt waren, an den
Oberkommandanten der türkischen Armee in Mesopotamien unter
großem Gepränge statt. Aus Anlaß dieser Feierlichkeit, der für
den ganzen Irak große Bedeutung zukommt, kam es zu
begeisterten patriotischen Kundgebungen.« Damit waren auch die
schiitischen und persischen Mohammedaner in den »Heiligen
Krieg« eingetreten.
Am 2. Oktober meldete der türkische Generalstab: »An der
Dardanellenfront vertrieben unsere Aufklärungs-Abteilungen in
der Nacht bei Anaforta feindliche Aufklärungs-Abteilungen,
verfolgten sie bis zu ihren Schützengräben und erbeuteten 20
Gewehre, Bajonette und Kriegsmaterial. Bei Ari Burnu zerstörte
unsere Artillerie auf dem linken Flügel feindliche
Schützengräben und Deckungen in der Umgegend von Kanlisirt. Am
29. September zerstörte bei Sedd-ul-Bahr eine Mine, die wir
auf dem rechten Flügel zur Explosion brachten, einen Teil der
feindlichen Schützengräben. In der Nacht vom 29. zum 30.
September vernichtete unsere Aufklärungskolonne auf dem linken
Flügel die Sandsäcke und Drahtverhaue, die sich vor den
feindlichen Schützengräben befanden.«
Nach einem Telegramm aus Adalia hatten zwei Torpedoboote,
darunter ein französisches, die Stadt mit etwa hundert
Granaten beschossen. Das städtische Spital diente, obwohl die
Fahne des Roten Halbmondes über ihm flatterte, hauptsächlich
als Zielscheibe und wurde zerstört. Einige Kranke wurden
getötet. Die feindlichen Schiffe feuerten sodann 41 Schüsse
gegen die Ortschaft Techirali. Am Abend vorher hatten sie
Kalamaki an derselben Küste beschossen, wobei sie ein dem
Ministerium für fromme Stiftungen gehöriges Gebäude
zerstörten.
Wie aus Erzerum im Kaukasus gemeldet wurde, herrschte mit
Ausnahme von Scharmützeln an der Grenze dieses Wilajets Ruhe.
Türkische Abteilungen trieben in östlicher Richtung ein
russisches Kavallerie-Regiment und ein Infanterie-Bataillon
zurück. Ein türkischer Feldwebel mit acht Mann zeichnete sich
bei dieser Gelegenheit gegen überlegene russische Kräfte
besonders aus. Im russischen Heere wütete die Cholera.
Wie der »Heilige Krieg« der Mohammedaner sich selbst auf
dem französischen Kriegsschauplatze bemerkbar machte, das
zeigte der Bericht der halbamtlichen »Nordd. Allg. Ztg.«: »Bei
einer aus den Kämpfen im Artois eingebrachten Gruppe von
Tunesiern und Marokkanern fiel es auf, in welch verächtlicher
und überhebender Weise diese dunkelhäutigen Leute jeden
Verkehr mit den weißen Franzosen ablehnten, während sie sich
mit besonderer Beflissenheit auf einen freundlichen Fuß mit
den deutschen Bewachungsmannschaften zu stellen versuchten.
Als die zum Teil geläufig Französisch sprechenden, sehr
intelligenten Leute nach dem Grunde dieses Verhaltens gefragt
wurden, gaben sie einstimmig zur Antwort, daß sie sich nicht
als Gefangene, sondern als Gäste des mit ihrem Padischah
verbündeten Deutschen Kaisers betrachteten. Sie seien keine
französischen Untertanen, sondern sie haßten aus vollem Herzen
ein Land, das sie gezwungen habe, gegen ihren Glauben und
gegen ihr Gewissen Soldaten gegen ein Volk zu werden, das
ihnen niemals feindlich gewesen sei. Durch Fahnen mit
Aufschriften, die die deutschen Soldaten vor ihren
Schützengräben aufgestellt hätten, und durch indische Truppen,
denen deutsche Flieger gedruckte Briefe in ihrer Landessprache
zugeworfen hätten, hätten sie schließlich erfahren, daß der
vom Padischah gegen Frankreich und England erklärte Heilige
Krieg sie auf die Seite der Deutschen rufe. Aber da die
nordafrikanischen Moslems wohl gut genug seien, um ein Volk
von französischen Schwächlingen, das sein Vaterland gegen die
tapferen Deutschen mit eigener Kraft nicht mehr verteidigen
könne, zu beschützen, während der tapferste Moslem es unter
der von ihm verteidigten französischen Trikolore nicht einmal
bis zum Unteroffizier bringe, so seien die Aufstandsbewegungen
unter den Mohammedanern von den französischen Offizieren
blutig unterdrückt worden. Indessen schwuren alle Gefangenen
mit den heiligsten Eiden ihres Glaubens, daß keiner von ihnen
mehr einen Schuß auf die Deutschen abgegeben habe, seit sie
wußten, daß der Deutsche Kaiser der Verbündete des Padischah
sei. Frankreich habe sie seit Beginn des Krieges von jeder
Verbindung mit ihrem Vaterlande und ihren Familien
abgeschnitten, nur um zu verhindern, daß sie die Wahrheit
erführen. Ganz allgemein sprachen alle die Hoffnung aus, daß
man sie in Deutschland nicht als Gefangene behandeln, sondern
sie als Verbündete ebensogut wie die bewundernswerten
deutschen Soldaten ausbilden und sie dann gegen die verhaßten
französischen Bedrücker ins Feld führen werde. Als ihnen
klargemacht wurde, daß dies aus völkerrechtlichen Gründen wohl
kaum angehen werde, zeigten sie sich tief enttäuscht und
sprachen die Hoffnung aus, daß man sie wenigstens ihrem wahren
Herrn, dem Padischah, als Soldaten gegen Franzosen und
Engländer zur Verfügung stellen werde.«
Der amtliche türkische Bericht vom 9. Oktober teilte mit:
»An der Dardanellenfront hat unsere Artillerie ein feindliches
Lager in der Gegend von Bujuk Gemikli beschossen und dort viel
Unordnung und Schaden verursacht. Bei Ari Burnu Feuergefecht
der Infanterie und Artillerie mit Unterbrechungen. Bei
Sedd-ul-Bahr richtete eine vom Feinde gesprengte Mine vor
unserem rechten Flügel und das gewohnte Geschützfeuer gegen
unseren linken Flügel keinen Schaden an. Ein feindlicher
Monitor versuchte, Gallipoli mit indirektem Feuer zu
beschießen; als er von unserer Artillerie, die sein Feuer
erwiderte, getroffen wurde, entfernte er sich.«