Erstes Buch
Die Dürlegin, deren Ausbruch aus Ergenekun
Alle wirklichen Mongolen behaupteten, unmittelbar von Tegus
und Kijan abzustammen, welche einige Jahrhunderte vor
Tschengischan sich mittels eines Durchbruchs aus dem
Erzgebirge von Ergenekun, aus der Bothmässigkeit ihrer Sieger
und Zwingherrn befreit hatten. Ein Paar tausend Jahre vor
Tschengischan, so erzählt die Volkssage, waren die Mongolen
von ihren Feinden, den Tataren, bis auf zwei Männer
ausgerottet worden, deren einer Tegus, der andere Kijan, d. i.
Strom, hiess; sie flüchteten in ein rundum von steilen Felsen
umschlossenes Thal, wo sie im Verlaufe von Jahrhunderten sich
vermehrend, ihres Bergkerkers und Bergbaues endlich müde, den
Ausgang aus demselben sich nur dadurch bahnten, dass sie mit
siebzig Blasbälgen die Flamme aufgeschichteter Holzstösse
gegen die Erzwand trieben, bis dieselbe schmolz und ihnen
freien Ausweg aus dem Gebirge gewährte, dessen Namen Ergenekun
als festes Gewölbe oder auch als Gewölbe der Kunen übersetzt
werden kann; in der mongolischen Volkssage und in ihrem auf
die Türken gepfropften Stammbaum scheint die geschichtliche
Wahrheit der Unterjochung und Vertreibung der Hiongnu, d. i.
Kunen, aus ihrem Reiche am Inschan gegen Norden am Altai, wo
sie lange Zeit in dunkler Knechtschaft für ihre Sieger Bergbau
trieben, verlarvt zu seyn. Das Erzgebirge Ergenekun ist von
europäischen Forschern mongolischer Geschichten theils am
Kokonor, d. i. am blauen See, in Tangut im Süden der grossen
Sandwüste Schamo oder Kobi, theils im Nordosten derselben am
See Dalai, d. i. am heiligen See, in welchen sich der Kerulon
ergiesst, gesucht worden; dort, weil noch heute die steilen
Ufer des Sees von den Mongolen Gunergi genannt werden, hier,
weil der in den See mündende Kerulon aus demselben unter dem
Namen Ergun ausfliesst, und weil die Berge am mittleren Unun
metallreich, wie der Inschan, an welchem die Herrscher der
Hiongnu oder Kunen ihre Waffenarbeiter unterhielten; aber
wahrscheinlicher ist dieses Erzgebirge weder hier noch dort,
sondern am Altai zu suchen, aus dessen an Gold wie an Eisen so
reichhaltigen Felsenthälern die Türken im sechsten Jahrhundert
der christlichen Zeitrechnung in der byzantinischen Geschichte
auftauchen; dorten ist der Felsendamm von Gog und Magog,
welchen die alte mongolische Geographie und Geschichte bis an
die kaukasischen Pforten zieht, und hinter welchen persische
Geschichtschreiber und Dichter den Bergkerker der Mongolen
verlegen; doch gleichviel, seyen die Mongolen ursprünglich vom
Inschan oder Kinschan (so nennen die Chinesen den Altai)
ausgebrochen, seyen sie von den Ufern des blauen oder heiligen
Sees ausgegangen, das Andenken an diesen Auszug der Väter aus
der Bergsclaverei lebte von Geschlecht zu Geschlecht fort (bis
auf den heutigen Tag); das Fest des Auszugs ward alljährlich
in der Nacht vor dem neuen Jahrestage als ein Fest der
Bergleute und Schmiede gefeiert. Glühendes Eisen wurde in
Gegenwart des Herrschers gehämmert und Gott für den Auszug aus
dem Erzgebirge gedankt; später machte die Volkssage den
Tschengischan, den Gründer der Grösse seines Volkes, selbst
zum Schmiede[24], und am Berge Tarchan, d. i. der Schmied,
welcher auf sieben deutsche Meilen sichtbar, aus rothem
Granite als Riese den Eingang der grossen Sandwüste bewacht,
wird noch der Ambos bewahrt, auf welchem Tschengischan der
Erste das Eisen gehämmert; nicht ferne vom Berge Tono, d. i.
der Rauchfang, wird noch an den Ufern des Kerulon der
Rauchfang der Jurte gezeigt, in welcher er geschmiedet haben
soll. Auch in der altpersischen Geschichte war der Befreier
des Volkes von der Tyrannei Sohaks der Schmied Gjawe, dessen
Schurzfell erst Freiheitsfahne, dann das Reichspanier, und im
Mongolischen ist Tarchan, d. i. der Schmied, gleichbedeutend
mit Freiherr. |