Erstes Buch
Die Stämme der Uirangkut und Konghirat
Die Mongolen, welche von den Altvordern stammen, die aus
dem Erzgebirge Ergenekun zogen, heissen Dürlegin, bis auf
Alankowa, die neunte Ahnfrau Tschengischan's, deren Nachkommen
aus ihren drei Söhnen, die sie vom himmlischen Lichte
empfangen, die Nirunen, d. i. die Reinen, heissen; von allen
mongolischen Stämmen für den Mythologen und den
Geschichtschreiber des Aberglaubens der Völker merkwürdigster
Stamm ist der der Uirangkut, die einzigen Mongolen, welche
nicht vor dem Donner zitterten, sondern den Blitz mit Fluchen
beschworen; alle anderen fürchteten den Wetterstrahl als einen
feurigen Drachen, der, aus dem Meere steigend, die Luft
durchzieht und die Erde mit feurigem Schweife schlägt; sie
glaubten, dass ausgegossener Wein, süsse und sauere Milch und
Trocknung von Schuhen den Blitz herbeiziehe, wesshalb
dieselben in freier Luft zu trocknen verboten war; diese
Meinung und dieses Verbot zeugt für die Fürchterlichkeit der
Ungewitter in jenen Gebirgen und Seen, und für die frühe
Erfahrung, dass Feuchtigkeit der besste elektrische Leiter;
aus diesem Stamme waren die meisten Kamen, d. i. Schamanen,
Beschwörer von Ungewittern und Geistern; aus demselben waren
Jisun Taischi und Jisun Köke, Befehlshaber des linken und
rechten Flügels im Heere Tschengischan's, Subutai Behadir, der
berühmte Feldherr, welcher mit Dschebe Nujan die siegreichen
Waffen der Mongolen durch Persien nach Kipdschak trug, endlich
Udadschi, der Zeitgenosse Tschengischan's, dessen Nachkommen
im Gebirge Burhan Kaldun die Grabwächter des tschengisischen
Familienbegräbnisses, die Wächter der acht weissen Häuser (Ordu),
welche dort in der Gegend Jeke Utek, zwischen der
Schattenseite des westlichen Altai und der Sonnenseite des
östlichen Kentei, aufgerichtet worden, nach aller
Wahrscheinlichkeit die Ahnen des in der späteren mongolischen
Geschichte erscheinenden und noch heute an der chinesischen
Gränze sitzenden mächtigen Stammes der Ordu's. Wenn der Stamm
der Urianghut so merkwürdig für den Mythologen und
Ethnographen, so ist der siebenzweigige der Konghirat noch
weit bedeutender in der Geschichte Tschengischan's und seiner
Nachfolger durch die vielfältige Verschwägerung desselben mit
dem Herrscherhause, indem ein Dutzend der Frauen des
tschengischanischen Hauses aus diesem Stamme in alle vier
Uluse vermählt waren. Die Mutter Tschengischan's war aus einem
der Zweige dieses Stammes, eine Olkonutin, und Tschengischan
vermählte seine Töchter an Konghiraten; so gab er dem Schingku
Gurgan seine Tochter Tumalin mit dem Befehle über viertausend
Konghiraten, eine andere wollte er dem Konghiraten Tuli Amul
zur Frau geben, liess ihn aber hinrichten, da dieser den
Antrag mit dem kühnen Worte erwiederte: Wie soll ich deine
Tochter nehmen, die Frosch und Schildkröte (quackend und
duckmäuserisch sicher). Von Bestui, dem Stammvater der
Konghirat und der sechs mit demselben verwandten Stämme,
schreibt sich Alles, was in der mongolischen Hofsprache golden
heisst, her, wesshalb er auch Bestui serin, d. i. der goldene,
beigenannt wird; daher das goldene Lager, das goldene Archiv,
das goldene Gesicht und das goldene Zimmer des Herrschers. Aus
den Kinkliut, einem Zweige der Konghirat, war Miser Uluk, von
dessen Stärke und Gefühllosigkeit Reschideddin seltsame
Anecdoten erzählt; drei Tage und Nächte schlief er statt der
Decke mit Muscheln zugedeckt, so dass Vögel auf seinen Rücken
nisteten und Eier legten; sein Sohn war der Stammvater der
Kurulas, aus welchen Merchitai dem Tschengischan den
wesentlichen Dienst leistete, ihm von der Verschwörung der
feindlichen Stämme, welche den erbitterten Feind Dschamuka zum
Gurchan, d. i. zum grossen Herrscher ausgerufen hatten, die
früheste Kunde zu geben. Die Gemahlin Miser Uluk's war eine
Chinesin, deren Namen die auf dem Esel reitende Rose
bedeutete, wesshalb der Sohn Ildschigin, d. i. Langohr,
genannt ward, der Stammvater des siebenten Zweiges der
Konghirat; sie hatten ihre Sitze an der chinesischen Gränze an
den finsteren Wäldern des Gebirges Hingan, woher die unter dem
Namen der Karawinas berühmten Naphtafeuerwerker. |